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Nilchen

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.12.2022

Zwei starke Schwestern gehen ihren Weg

Die Töchter der Ärztin
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Helene Sommerfeld ist ein Pseudonym eines Berliner Autoren-Ehepaares, dass hier wieder mal einen Hit geschrieben hat. Es ist gerade mal im November 2022 erschienen und keine 4 Wochen später schon in der ...

Helene Sommerfeld ist ein Pseudonym eines Berliner Autoren-Ehepaares, dass hier wieder mal einen Hit geschrieben hat. Es ist gerade mal im November 2022 erschienen und keine 4 Wochen später schon in der 3. Auflage! Aber, wundern tut es nicht. Denn „Die Töchter der Ärztin“ ist im Grunde die Fortführung der Trilogie „Die Ärztin“, die im rororo Verlag erschien. Ich muss wohl anmerken, dass dies das erste Buch von Helene Sommerfeld ist, dass ich lese und die andere Trilogie (noch) nicht kenne.
Nun also eine neue Reihe um die Töchter der Ärztin mit dem Auftaktband „Zeit der Sehnsucht“. Die beiden Halbschwestern, Henny uns Antonia (Toni genannt), könnten unterschiedlicher nicht sein, sind aber einander eng verbunden. Der Roman beginnt 1928. Henny ist dabei sich eine Existenz in Berlin als Ärztin aufzubauen, als Onkologin. Ihre analytische, zielstrebige und sehr arbeitssame Art unterscheidet sie sehr von ihrer Schwester. Toni will wieder zurück nach Afrika, ihrer Kindheit nachspüren und einfach weg aus Berlin. Das Leben in Afrika bürgt viele Herausforderungen für die junge Ärztin. Damit ist auch der Tenor des Romans gesetzt, denn es spielt an beiden Orten: Berlin und in Ostafrika.
Klar, die Story ist nicht sonderlich neu und schon in vielen Varianten geschrieben. Nun also Ärztinnen und eine ist in Afrika. Trotzdem hat das Lesen bereichert und Spaß gemacht, denn es ist locker leicht geschrieben und doch ist der Ernst in so vielen Lagen spürbar. Solche Bücher machen aus meiner Sicht Geschichte erlebbar. Besonders gelungen fand ich auch die Darstellung der Klassenunterschiede sei es in Berlin wie in Afrika. Je nach Blickwinkel sind erhebliche Unterschiede zu spüren. Mal ist Toni als Frau in Afrika unter Druck, mal ist es Henny, die sich mit der Upper Class in Berlin „herumschlagen“ muss.
Ich werde auf jeden Fall Band 2 ins Auge fassen der leider erst im Herbst 2023 erscheinen wird!

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Veröffentlicht am 05.12.2022

Schmackhaft!!!

Bohnen, Linsen und Co
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Ich bin ja ein Hülsenfrüchtefan – schon immer gewesen! Seit die vegetarische und vegane Küche nachhaltigen und leckeren Variationen in der Küche aufspürt, kommen immer mehr Gerichte mit Hülsenfrüchten ...

Ich bin ja ein Hülsenfrüchtefan – schon immer gewesen! Seit die vegetarische und vegane Küche nachhaltigen und leckeren Variationen in der Küche aufspürt, kommen immer mehr Gerichte mit Hülsenfrüchten vor. Herrlich! Die Däninnen Marie Mechior und Betina Hastoft haben nun ein ganzes Buch gefüllt mit leckersten Rezepten spezifisch zu Hülsenfrüchten mit dem Titel „Bohne Linsen &Co“. Aber es sollte erwähnt sein, dass es ein weder rein vegan noch vegetarisch Kochbuch ist, es ist einmal durch die ganze Bandbreite alles dabeo: vegetarisch, Fleisch, Fisch, süß, salzig, alles dabei!
Jetzt mag man sich wundern: Was süß? Ja, denn eine der 6 vorgestellten Bohnensorten ist die Kakaobohne. Die anderen sind: Kichererbsen, Linsen, Bohnen (hier verschiedene Sorten), frische Erbsen und frische Bohnen. Die Köchin und Foodstylistin Marie Melchior hat in diesem sehr übersichtlichen und handlichen Kochbuch eine bunte Mischung zusammengetragen. Mein (bisherigen) Favoriten sind Bohnen“Pommes“ und die Sommerrollen mit Linsen! Lecker!
Zu jeder Hülsenfrucht gibt es eine knappe Informationsübersicht. Auch sind die Fotos großartig von Betina Hastoft! So tolle Food Fotos! Wirklich große klasse!!!
Fazit: Erst wird man erst mit tollen Fotos gesegnet, dann mit guten Rezepten bereichert und zum Ausprobieren animiert für den vollen Genuss! Lasst es euch schmecken!

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Veröffentlicht am 10.10.2022

Eine Verwebung von politischem und privaten Entwicklungen

Lektionen
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Ian McEwan hat so einige hochgelobte Romane hervorgebracht, die gar verfilmt worden sind wie ‚Abbitte‘. Genauso hat er auch schon zwiespältige Romane geschrieben wie ‚Nussschale‘. Es gibt Schwankungen, ...

Ian McEwan hat so einige hochgelobte Romane hervorgebracht, die gar verfilmt worden sind wie ‚Abbitte‘. Genauso hat er auch schon zwiespältige Romane geschrieben wie ‚Nussschale‘. Es gibt Schwankungen, aber was er gerne macht und da kommt mir gleich der etwas ältere Roman ‚Saturday‘ in den Sinn ist das Private mit dem Politischen zu verbinden. Und genau das tut er hier auch. Auch wenn es vordergründig um den Protagonisten Roland Baines geht und dessen gesamtes Leben. Roland Baines, geboren 1948, genau wie Ian McEwan. Überhaupt webt der Autor scheinbar an der ein und anderen Stelle sein eigenes Leben ein, wie sollte es auch ausbleiben, wenn der Blick sich zurückwendet.
Baines ist ein durchschnittlicher Typ, anhand dessen Leben und seinen intimen Erfahrungen auch das großen Weltgeschehen der letzten Jahrzehnte aufgerollt wird und immer wieder die Frage wie weit dringt das Politische in den eigenen Lebensraum ein und verändert uns und den Lauf unseres Lebens.
Bei Baines sind es aus meiner Sicht drei starke Momente die hier zum Tragen kommen: Tschernobyl 1986, da setzt auch der Roman ein. Dann eine Rückblende in seine Jugend ins Jahr 1962 mit der Kubakrise und wieder etwas später auf dem Strahl der Geschichte die Wiedervereinigung. Hier muss man natürlich die starke britische Brille des Autors bedenken. Er kennt sich aus, aber es ist eben ein Blick von außen.
Auf den 700 Seiten kommen natürlich auch noch andere Menschen zum Tragen und vor allem seine deutsche Ex-Frau Alissa, die ihn zum Einsetzen des Romans 1986 verlässt um zu schreiben und ihn mit dem 7 Monate alten Baby zurücklässt. Auch hier wieder ein „klassisches“ McEwan-Motiv in dem er eine moralische Frage in den Raum wirft: Darf man die Familie hinter sich lassen um sein eigenes Glück zu suchen, weil es woanders liegt? Das ist bei weitem nicht die einzige moralische Frage, die hier erörtert wird. Auch sollte man eine Triggerwarnung beachten, denn hier geht es auch zentral um einen nicht-verarbeiteten Missbrauch.
Der große britische Literat, der auch oft als Literaturnobelpreisanwärter gilt, hat mit ‚Lektionen‘ aus meiner Sicht einen guten, aber nicht seinen besten Roman vorgelegt.

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Veröffentlicht am 08.09.2022

Schmal, aber gehaltvoll

Isidor
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Mir hat dieser schmale Band eines jüdischen Lebens in Form von Dr. Israel Geller, auch genannt Isidor, vorzüglich gefallen. Seine Großnichte, Shelly Kupferberg, hat sich der Geschichte ihres Großonkels ...

Mir hat dieser schmale Band eines jüdischen Lebens in Form von Dr. Israel Geller, auch genannt Isidor, vorzüglich gefallen. Seine Großnichte, Shelly Kupferberg, hat sich der Geschichte ihres Großonkels angenommen und sein spannendes wie trauriges Leben in diese Biographie gegossen. Er war ein Mann der sich hochgekämpft hat, von Galizien nach Wien, von unten nach oben. Ein hart arbeitender Mann, der aber auch ein Genießer des schönen Lebens war. Bis die Nazis ihm brutal mit ihrem Judenhass den Boden unten den Füßen entzog.
Dieses Buch ist der Debütroman von Shelly Kupferberg und ist eine sehr persönliche Arbeit. Ob das zu diesem großartigen Schreibstil geführt hat? Sie schreibt mitreißend, gut und hat mich voll überzeugt. Auch wenn dieses Porträt nur knapp 240 Seiten umfasst, zeigt es uns Charaktere mit Ecken und Kanten und zeichnet sie lebhaft.
Das zusätzliche Interview mir Shelly Kupferberg am Ende des Buches über ihre Recherche und Herangehensweise war auch hochinteressant, um die Hintergründe zu verstehen um das Entstehen des Buches. Ach und natürlich ist der Stammbaum ganz am Ende auch hilfreich – ich habe ihn leider erst recht spät entdeckt.
Ein jüdisches Leben – eine Innenansicht, bedrückend und so wichtig diese Erinnerung zu bewahren.

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Veröffentlicht am 04.08.2022

Eine eiskalte Ehrlichkeit

Wütende Bärin
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„Ein Kind zu bekommen ist der äußerste Egoismus, ein Versuch, sich selbst neu zu erschaffen, nur besser. Hat man das Recht, ein Kind zu neunzig Jahren leiden zu verurteilen, nur, um jemanden zu haben, ...

„Ein Kind zu bekommen ist der äußerste Egoismus, ein Versuch, sich selbst neu zu erschaffen, nur besser. Hat man das Recht, ein Kind zu neunzig Jahren leiden zu verurteilen, nur, um jemanden zu haben, in dem man sich wiedererkennt? Sex zu haben, um schwanger zu werden, das kann mir das kam mir absurd vor; nicht zu versuchen, den Samen zu blockieren oder abzutöten, fand ich absolut verantwortungslos.“ (S. 106)

Im Grunde begegnen wir nur drei Personen, aber denen umso intensiver. Denn die Perspektive wechselt reihum. Im Mittelpunkt steht Njal, ein Mann über 40, akademischer Klimaforscher mit dem Hobby der altertümlichen Ritterspiele. Sein Lebensziel, um scheinbar jeden Preis, ist es Vater zu sein und das Vatersein leben zu dürfen. An diesem Ziel ist seine Ehe mit der Pastorin Sol gescheitert. Und deshalb kam seine Kollegin Nina ins Spiel, erst eine Affäre, dann die Mutter seiner Tochter Lotta. Doch Nina leidet unter einer postnatalen Depression und hat Zwangsvorstellungen. Eine hochexplosive Mischung an Charakteren. Die Geschichte dreht sich um diese drei Personen, ihr Miteinander, das Kind und ein Forschungsauftrag, um den sich Nina und Njal streiten. Es soll in den hohen Norden zur Inselgruppe Svalbard gehen um dort das Abschmelzen der Polarkappen zu erforschen.
Ein zermürbendes Kammerspiel wird uns hier aufgeführt mit brutaler Ehrlichkeit. Alle kommen zu Wort aus ihrem tiefsten Inneren. Alle leiden, alle haben ihre Sorgen und die merkwürdigsten Gedanken. So mancher Gedanke, denn ich hier las, befremdete mich und bescherte mir Unbehagen. Ein Roman, in dem sexuelle Kontakte eine große Rolle spielen, ob gewollt oder nicht, ob kontrolliert oder nicht, ob richtig oder falsch. Ein Spiel mit der Psyche, bei allen dreien mit der eigenen und auch gegenseitige Manipulation ist hier vorhanden.
Ach, und die wütende Bärin, die hat nur einen kleinen Auftritt, dafür umso durchschlagender. Die meiste Zeit des Romans spielt im Frühjahr & Sommer in Bergen und erst dann verlagert das Geschehen sich auf den letzten Seiten in eine Hüte, gefühlt am Ende der Welt in die erbarmungslose Kälte.

Die norwegische Autorin Ingebjorg Berg Holm hat sprachlich einen sehr durchdringenden Roman vorgelegt. Die Prosa ist gut geschrieben und als Leserin konnte ich mich (leider) gut einfühlen. Auch bestens von Gabriele Haefs und Andreas Brunstermann übersetzt. Es hat sich ein bisschen so angefühlt beim Lesen als ob man an einer Brombeerhecke steht und die Brombeeren unbedingt essen möchte, sich aber beim Pflügen die Hand zerkratz. Und doch tut man es immer wieder. Keine Lektüre die schnell verklingt, keine Lektüre bei der man sich in Sicherheit wägt und sich wohlfühlen kann. Unbehagen macht sich breit und umklammert einen wie eine kalte nasse Decke, die sich nicht abschütteln lässt, denn es kommen viele extreme Themen zur Sprache wie Vergewaltigung, ungewollte Schwangerschaften, Unfruchtbarkeit, Abtreibungen, Mee too, Samenspende, Behinderungen bei Ungeborenen, psychologischer Druck. Das muss man aushalten können, der Roman ist intensiv und war für mich teilweise erschlagend.

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