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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.04.2023

Lässt sich schnell weglesen, aber ansonsten leider enttäuschend…

Stranded - Die Insel
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Maddy ist eine von 8 Teilnehmer:innen, die für eine Fernsehshow ein Jahr lang auf einer einsamen Insel überleben sollen – auf sich gestellt, ohne Kontakt zur Außenwelt. ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Maddy ist eine von 8 Teilnehmer:innen, die für eine Fernsehshow ein Jahr lang auf einer einsamen Insel überleben sollen – auf sich gestellt, ohne Kontakt zur Außenwelt. Doch schnell kommt es zu ersten Konflikten in der Gruppe und bald eskaliert die Situation völlig…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählerin, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel

Inhaltswarnung: Tod von Menschen (auch Kindern), Trauer, Suizid, Depression, Mobbing (heftig!), Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schwangerschaft, Sexismus, Gewalt, Blut, Alkohol- und Drogenmissbrauch
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Schla+++, Bit++, Fo+++, Miststück, Zicke

Meine Rezension

„Ich wusste, wie man überlebt und wie man heilt. Also wusste ich auch wie man tötet.“ Seite 185

Bei „Stranded“ hat mich der Klappentext total an „Isola“ von Isabel Abedi erinnert – eines meiner absoluten Lieblingsbücher meiner Jugend (große Empfehlung übrigens! ♥). In der Hoffnung, dass dieser Thriller ein ähnliches „Feeling“ heraufbeschwört, musste ich ihn einfach lesen! Doch konnte „Stranded“ meine hohen Erwartungen erfüllen? Leider nicht, dabei hätte ich es mir so gewünscht! Der Klappentext ist ziemlich irreführend und das Buch war ganz anders als erwartet – aber leider nicht auf die gute Art…

Doch zuerst zu den Stärken: Gut gefallen hat mir an der Geschichte, dass sie sich wirklich flüssig und schnell weglesen lässt und dass sich (zumindest stellenweise) eine große Beklemmung und Spannung einstellen, sodass das Buch zu einem echten Pageturner wird! Auch das Mobbing (übrigens sehr heftig und potenziell triggernd, daher gibt es von mir eine Inhaltswarnung!) und den Überlebenskampf der Hauptfigur fand ich sehr glaubwürdig, intensiv und interessant beschrieben. Die unheilvollen Vorausdeutungen mochte ich ebenfalls – es hat mir sehr großen Spaß gemacht, das Buch in einer Leserunde mit anderen zu lesen und gemeinsam zu rätseln, wie es weitergehen könnte.

Leider hat mich das Buch jedoch auch in vielen Punkten enttäuscht. Das Potential seiner guten Idee und seines (eigentlich) atmosphärischen Settings kann es nämlich leider nicht nutzen. Große Probleme hatte ich vor allem mit dem Schreibstil – er ist zwar recht flüssig, aber ich fand ihn leider auch sehr „grob“. Damit meine ich, dass ihm eine gewisse Eleganz fehlt. Außerdem ist er voller (auch inhaltlicher) Wiederholungen (Sätze beginnen sehr oft mit „Ich“) und wirkte darurch auf mich uninspiriert und ziemlich lieblos. Und wenn ich mit dem Schreibstil nicht warm werde, hat es ein Buch bei mir schwer. Zweitens ist die Geschichte seltsam strukturiert (was das Tempo betrifft) – immer wieder gibt es an (für mich) unpassenden Stellen lange Zeitsprünge, die viel Spannung rausnehmen. Generell dauert es sehr lang, bis die Geschichte in Schwung kommt und etwas passiert – gerade die ersten 150 Seiten fand ich daher eher zäh und langweilig zu lesen. Bei einem Thriller (!) muss da mehr kommen!

Drittens: Die Figuren bleiben großteils nicht nur unsympathisch, sondern so blass und austauschbar (liegt vielleicht auch an den wenigen Dialogen), dass ich zwei davon sogar immer wieder verwechselt habe. Gerade bei so einem Setting (einsame Insel, Gruppendynamik) wäre eine liebevolle Figurenzeichnung meiner Meinung nach unerlässlich gewesen! Die größte Schwäche dieses Buches sind (viertens) allerdings die unzähligen Logiklöcher, über die ich nicht hinwegsehen kann. Dabei bin ich niemand, dem Brüche in der Logik schnell auffallen oder stören, aber hier waren es derart riesige, unübersehbare Krater, dass die Geschichte für mich total unglaubwürdig wurde. Die ganze Plot-Konstruktion (Polizeiarbeit, Produktion der Sendung, Verhalten der Gruppe) steht auf so wackeligen Beinen, dass ich mir sicher war, am Ende kommt DER Twist, der alles erklärt und alle meine offenen Fragen beantworten wird – aber Fehlanzeige. Hoffentlich recherchiert die Autorin bei ihrem zweiten Buch besser! Den Schluss fand ich dann ziemlich lahm, der erhoffte Knall blieb aus und ich sehr unbefriedigt zurück.

Auch aus feministischer Sicht gab es (trotz der starken Hauptfigur) einiges, was mich genervt hat. Zum Beispiel die Tatsache, dass sich sofort eine klischeehafte Rollenverteilung im Camp einschleicht und dass die Bösen sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie Frauen als "Schla+++, Fo+++, Bi+++" usw. bezeichnen und ihnen Vergewaltigung androhen. Das muss doch im Jahr 2023 echt nicht sein, das geht besser! Schlimm fand ich auch, dass einfach niemand dort seinen Mund aufbekommt und diesem Sexisten mal ordentlich Kontra gibt… Vom Übersetzer (Dr. Holger Hanowell) würde ich mir übrigens auch etwas wünschen: Im Englischen gibt es ja keine weiblichen Formen, im Deutschen aber sehr wohl – und es wäre sehr nett, wenn eine Frau dann nicht (z. B.) als „Außenseiter“, sondern eben als „AußenseiterIN“ bezeichnet wird. Bitte in Zukunft darauf achten!

Mein Fazit

Stellenweise ist „Stranded“ ein beklemmender, intensiver Pageturner, der sich schnell weglesen lässt – seine Schwächen (Logiklöcher, blasse Figuren, lieblos wirkender Schreibstil, Sexismus, Spannungseinbrüche) kann ich ihm aber leider nicht verzeihen. Insgesamt lässt mich das Buch vor allem unbefriedigt zurück. Knappe 3 Sterne gehen sich aus, für eine Leseempfehlung reicht es aber leider nicht! Mein Vorschlag: Leseprobe anschauen und dann entscheiden.

Bewertung

Cover / Aufmachung: 4 Sterne
Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Sterne
Umsetzung: 3 Sterne
Worldbuilding: 2 Sterne
Einstieg: 1 Stern
Ende: 2 Sterne
Schreibstil: 1 Stern
Protagonistin: 3 Sterne
Figuren: 2 Sterne
Spannung: 3 Sterne
Wendungen: 2 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 3 Sterne
Einzigartigkeit: 3 Sterne

Insgesamt:

❀❀❀ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir drei Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.01.2023

Mittelmäßige Fortsetzung, die dem Hype leider nicht gerecht wird…

Legendary
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, das muss Donatella Dragna direkt nach den Ereignissen des ersten Bandes lernen. Um ihre vor Jahren verschwundene Mutter zu finden, ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, das muss Donatella Dragna direkt nach den Ereignissen des ersten Bandes lernen. Um ihre vor Jahren verschwundene Mutter zu finden, geht sie einen gefährlichen Deal mit einem Unbekannten ein und riskiert dabei alles. Es gibt nur einen Weg, der für sie zu einem glücklichen Ende führt – Tella muss das zweite Spiel gewinnen, koste es, was es wolle…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band 2/3
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel

Tiere im Buch: + Im Buch werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Blut, Gewalt
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: ---

Rezension

„Leider gehörte Tella jedoch nicht zu den Mädchen, die gerettet wurden – sie gehörte zu jenen, die man zurückließ.“ E-Book, Seite 268

In Begeisterungsstürme ließ mich Teil 1 damals zwar nicht ausbrechen, doch er hat mich dennoch einige Stunden lang gut unterhalten. Als mir dann von allen Seiten versichert wurde, dass der zweite Band der beste der ganzen Reihe sei und ich mir den auf keinen Fall entgehen lassen dürfe, war schnell klar, dass für mich auch an der Fortsetzung kein Weg vorbeiführen würde.

Doch was steckt hinter dem Hype? Ist das Buch wirklich so großartig, wie alle sagen? Dem kann ich leider nicht zustimmen, denn wenn ich die Lektüre in einem Wort zusammenfassen müsste, wäre das ein ziemlich ernüchtertes: Meh. Die Fortsetzung ist sicher nicht schlecht, sie ist nur leider auch nicht besonders GUT. „Legendary“ ist daher für mit leider nur ein mittelmäßiger Band 2, von dem ich mir deutlich mehr erhofft habe.

Doch zuerst zu den positiven Seiten: Sehr gut gefallen hat mir erneut der bildhafte, blumige Schreibstil, der sich wieder unheimlich angenehm lesen lässt. Die synästhetischen Beobachtungen von Scarlett (z. B. Gefühle, die Farben haben) haben mir zwar gefehlt, aber ansonsten beweist Stephanie Garber ein weiteres Mal, dass sie den Blick fürs Besondere hat und sehr gut und filmisch schreiben kann. Erneut präsentiert uns die Autorin eine Fülle kreativer Einfälle, magischer Orte und fantasievoller Gegenstände und zeigt, dass ihr die Ideen noch lange nicht ausgehen. Genau das liebe ich an dieser Reihe!

„Sobald die Zukunft jedoch erste einmal geweissagt wurde, wird sie lebendig, und sie wird hart darum kämpfen, wahr zu werden.“ E-Book, Seite 18

Außerdem gibt es aus feministischer Sicht nicht viel zu kritisieren, da die Geschichte voller starker, intelligenter, mutiger und mächtiger Frauen ist. Lediglich auf das eine oder andere Geschlechterklischee hätte man noch verzichten können, dann wäre es wirklich perfekt gewesen.

„Sie mochte vieles sein, aber dumm war sie ganz und gar nicht. Genauso wenig wie wertlos oder als was auch immer man sie bezeichnete, nur weil sie jung und weiblich war.“ E-Book, Seite 144

Natürlich will ich nun aber auch thematisieren, was mir nicht gefallen hat: Leider krankt „Legendary“ an genau denselben Schwächen wie schon Band 1 – nur, dass sie dieses Mal noch ausgeprägter sind und mich daher mehr gestört haben. „Legendary“ ist eine Geschichte über das Erwachsenwerden, über Mut, Selbstwert, Verlust, Familie und Risiken, die es wert sind, eingegangen zu werden. Während die Themen gut gewählt sind, fehlte mir über weite Strecken einfach Tiefe. Vieles wird leider sehr oberflächlich abgehandelt, eigene Schlussfolgerungen werden den Leser_innen kaum zugetraut, denn alles wird bis zum bitteren Ende vor- und oft auch mehrmals durchgekaut. Dieses Gefühl, dass ich eigentlich nicht mehr zur Zielgruppe dieses Jugendbuchs gehöre, war dieses Mal noch stärker als bei Band 1.

Wie auch schon bei „Caraval 1“ stagniert die Handlung in der Mitte, es geht nicht voran, die Geschichte tritt lange auf der Stelle. Es gibt sehr viele inhaltliche Wiederholungen, wodurch auch der Spannungsbogen einbricht und sich Langeweile und Lese-Unlust einstellen. Meiner Meinung nach hätte man hier locker 150 Seiten wegkürzen können – und es auch sollen, um der Geschichte mehr Tempo zu verleihen. Erst am Ende erholt sich „Legendary“ von diesem Spannungseinbruch und serviert uns (leider zu spät) 50 großartige letzte Seiten – gerade so, dass man sich am Ende wieder fragt: Soll ich dem dritten Band nicht vielleicht doch noch eine Chance geben? DAS steht übrigens noch genauso in den Sternen wie Legends Hinweise: ob ich weiterlesen werde. Noch bin ich mir nicht sicher.

Die Figuren mochte ich ganz gerne, vor allem die vorlaute Tella, die sich nichts gefallen lässt und sich mit ihrem Sturkopf immer wieder in gefährliche Situationen manövriert. Auch Dante fand ich einen sehr ansprechenden, mysteriösen, interessanten Love Interest. Ich liebe ja eigentlich dieses Hin und Her – diese Zeit, in der zwei Hauptfiguren miteinander flirten, aber noch nicht zusammengekommen sind. Hier war es mir aber einfach zu viel des Guten! Auf jeder zweiten Seite schmachten sie sich an, flirten, kommen sich etwas näher, halten wieder Abstand, auf jeder dritten Seite erklärt Tella, dass sie ihm nicht trauen könne, auf jeder vierten Seite vergisst sie das allerdings wieder. Es war leider sehr anstrengend zu lesen, obwohl es wirklich auch intensive, kribbelige, süße Momente zwischen den beiden gab.

Mein Fazit

Für mich ist „Legendary“ eine mittelmäßige (weder besonders gute noch besonders schlechte) Fortsetzung, die dem Hype leider nicht gerecht wird und mich ernüchtert und auch etwas enttäuscht zurücklässt. Mir waren es zu viel Geschmachte und zu viele Wiederholungen und dafür zu wenig Spannung und Tiefe. Ich habe mir hier einfach viel mehr erhofft. Von mir gibt es daher nur eine eingeschränkte Leseempfehlung für Fans des ersten Teils – allen anderen rate ich, auf andere Fantasy-Reihen auszuweichen.

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Sterne
Umsetzung: 3 Sterne
Worldbuilding: 3,5 Sterne
Einstieg: 3 Sterne
Ende: 5 Sterne ♥
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 4 Sterne
Figuren: 4 Sterne
Liebesgeschichte: 3 Sterne
Spannung: 2 Sterne
Wendungen: 4 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 4 Sterne
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

❀❀❀ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir drei Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.08.2022

Kann leider nicht mit der Panem-Trilogie mithalten!

Die Tribute von Panem X. Das Lied von Vogel und Schlange
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Die 10. Hungerspiele sind vielleicht die letzte Chance für Coriolanus Snow, seiner verarmten Familie wieder zu mehr Reichtum und Einfluss im Kapitol zu verhelfen. ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Die 10. Hungerspiele sind vielleicht die letzte Chance für Coriolanus Snow, seiner verarmten Familie wieder zu mehr Reichtum und Einfluss im Kapitol zu verhelfen. Dafür muss er aber als Mentor überzeugen (eine Rolle, die gerade erste eingeführt wurde) und dafür sorgen, dass sein zugeteilter Tribut – ein zartes, schlauen Mädchen aus Distrikt 12 mit wenig Kraft, aber einer schönen Stimme – möglichst lange überlebt und in Erinnerung bleibt…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präteritum
Perspektive: männliche Perspektive
Kapitellänge: lang

Tiere im Buch: - Im Buch werden in einem Labor grausame Tierversuche durchgeführt und genetisch veränderte Tiere gequält, einige Tiere werden auch verletzt oder sterben (zum Beispiel Schlangen, Kaninchen).
Triggerwarnung: Tod von Menschen, Tod von Tieren, Tierquälerei, Blut, Gewalt, Krankheit, Erbrechen, psychische Krankheiten, Depression, Suizidgedanken, Alkoholmissbrauch, Drogenmissbrauch
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: ---

Kurzrezension

„Kriege werden mit nicht mit dem Herzen gewonnen, sondern mit dem Kopf.“ Seite 193

Als Jugendliche habe ich die atemlos spannende Panem-Reihe mit ihrer starken Heldin (Katniss Everdeen) absolut geliebt ♥ – und auch heute noch gehören die Bücher zu den besten, die ich jemals gelesen habe. Da war es natürlich logisch, dass für mich kein Weg an Suzanne Collins neuestem Werk vorbeiführen würde – obwohl ich von der Idee, den mir verhassten Präsident Snow zum neuen Protagonisten zu machen, anfangs nicht gerade begeistert war. Große Vorfreude mischte sich in mir mit der Angst vor einer ebenso großen Enttäuschung…

Doch wie gut ist Suzanne Collins Prequel wirklich? Kurz: Es war weder das große Highlight, das ich mir erhofft, noch die große Enttäuschung, die ich befürchtet hatte. Die Vorgeschichte konnte mich in manchen Momenten zwar wirklich begeistern, streckenweise hatte ich aber auch damit zu kämpfen.

Zuerst: Natürlich hat die Autorin in all den Jahren das Schreiben nicht verlernt. Sie schreibt immer noch anschaulich, tiefgründig, macht interessante Beobachtungen und stellt spannende philosophische und moralische Fragen (und traut ihrem jugendlichen Zielpublikum damit einiges zu!); gleichzeitig waren viele Passagen aber auch sehr langgezogen und langatmig. Es gibt sie auch immer noch: die atemlos spannenden Augenblicke. Dazwischen muss man sich aber durch lange Durststrecken quälen, in denen kaum etwas passiert. Man hätte dieses Buch locker um 200 Seiten kürzen können – und es meiner Meinung nach auch sollen.

Im „Lied von Vogel und Schlange“ geht es um Ethik, Schuld, Menschlichkeit, Macht, Unterdrückung und die Frage, wie weit man zu gehen und was man zu opfern bereit ist, um seine Ziele zu erreichen. Diese Themen werden wie gewohnt tiefgründig und mit viel Feingefühl behandelt. Auch die Liebe hat einen Gastauftritt – aber (zum Glück) nur einen kleinen, denn wie immer ist dafür in Suzanne Collins Büchern nicht allzu viel Platz. Als großer Fan der Welt war es einerseits interessant für mich, diese ganzen Hintergrundinformationen zu bekommen und herauszufinden, wie anders, wie viel weniger glamourös die Spiele damals abliefen, wie Präsident Snow als Jugendlicher war, wie sehr auch die Bewohner·innen des Kapitols durch den Krieg gelitten haben; andererseits sind die Hungerspiele in diesem Band kein spannendes Event mehr, man ist nur mehr dabei und nicht mehr mittendrin, man fiebert nicht so stark mit, weil man alles von außen – von einem sicheren Ort aus – beobachtet.

Mit Coriolanus Snow als Protagonist hatte ich schlussendlich gar nicht so große Probleme, wie zuerst angenommen, denn – ja – er ist zwar oft unsympathisch, egozentrisch und handelt teilweise skrupellos, aber er ist auch eine dreidimensionale, interessante Figur mit Stärken und Schwächen, die im Laufe der Geschichte eine glaubwürdige Entwicklung durchmacht, die ich gerne verfolgt habe. Überhaupt wurden die Figuren bis in die Nebencharaktere wieder wundervoll gezeichnet und liebevoll ausgearbeitet, sodass man zumindest mit ihnen mitfühlt und mitfiebert (wenn man das schon nur begrenzt mit Snow tut). Mein Lieblingscharakter war natürlich Sejanus, den fand ich großartig! Auch aus feministischer Sicht ist das Buch absolut unbedenklich: Es ist frei von gegenderten Beleidigungen, bricht bewusst Genderstereotype und die weiblichen Figuren sind nicht nur stark und intelligent, sondern manchmal sogar richtig furchteinflößend! Das liebe ich an Suzanne Collins‘ Geschichten! ♥

Am Schluss führt die Autorin meisterhaft die losen Fäden zu einem gelungenen Ende und beweist so, dass sie „es“ immer noch draufhat. Und Suzanne Collins wäre natürlich nicht Suzanne Collins, wenn sie uns auf dem Weg dorthin nicht noch ohrfeigenartig und äußerst gekonnt ein paar derart unerwartete Wendungen ins Gesicht klatschen würde, dass uns der Mund offen stehen bleibt! Schade, dass „Panem X“ erst SO spät SO gut wird! Mit der Trilogie um Katniss kann dieses Prequel mit seinen Höhen und Tiefen trotz einiger starker, überzeugender Momente daher leider nicht mithalten. Für mich bleibt die Reihe unerreicht! ♥ Ich kann mir aber vorstellen, dass die Geschichte als Film besser funktioniert (weil man da langatmige Passagen straffen kann) – daher werde ich mir die Verfilmung, die 2023 erscheinen wird, natürlich definitiv anschauen!

„Aber er hatte in ihr immer eher seine Kandidatin gesehen. Sein Pferdchen im Rennen, sein Hund im Kampf. Doch je zuvorkommender er sie behandelt hatte, desto menschlicher war sie geworden.“ Seite 88

Mein Fazit

An die grandiose Panem-Trilogie kommt dieses dystopische Prequel (trotz seiner gelungenen Wendungen, tiefgründigen Erzählweise, interessanten Figuren & Hintergrundinformationen) leider nicht heran – die gewohnte atemlose Spannung und die starke Hauptfigur zum Mitfiebern (= Katniss) habe ich hier schmerzlich vermisst. „Die Tribute von Panem X – Das Lied von Vogel und Schlange“ ist daher ein Jugendbuch, das man durchaus lesen kann, aber sicher nicht gelesen haben muss. Deshalb gibt es von mir auch nur eine vorsichtige Empfehlung – und auch nur für große Fans der Trilogie!

Bewertung

Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Sterne
Tiefe: 5 Sterne ♥
Umsetzung: 3 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Einstieg: 2 Sterne
Ende: 5 Sterne ♥
Schreibstil: 4 Sterne
Protagonist: 4 Sterne
Figuren: 4 Sterne
Liebesgeschichte: 2 Sterne
Spannung: 3 Sterne
Tempo: 2 Sterne
Wendungen: 4 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 5 Sterne ♥
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

❀❀❀ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir 3 Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.07.2022

Gerade noch 3 Sterne: Starker Beginn, aber dann leider langatmig, unlogisch und oberflächlich!

Allein durch die Sterne
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Eben war der Sportverein noch voller Geplauder, Lachen und Leben, doch plötzlich ist es still. Die Menschheit ist verschwunden, Ariadne bleibt alleine in Lille, Frankreich, ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Eben war der Sportverein noch voller Geplauder, Lachen und Leben, doch plötzlich ist es still. Die Menschheit ist verschwunden, Ariadne bleibt alleine in Lille, Frankreich, zurück. Jetzt hat sie nur noch ihre Katze. In ihrer Verzweiflung postet Ariadne jeden Tag kurze Beiträge auf Instagram und Twitter. Eines Tages erhält sie eine Antwort – von einem jungen Mann, der in Shanghai lebt, Tausende Kilometer von ihr entfernt…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel

Tiere im Buch: +/- Im Buch werden Tiere verletzt und sie sterben, viele davon in ihren Käfigen / Ställen, nachdem die Menschheit verschwunden ist (keine Beschreibungen des Todes, aber die Leichen werden beschrieben). Dafür kümmert sich die Protagonistin liebevoll um ihre Haustiere und rettet so viele eingesperrte Tiere wie möglich.
Triggerwarnung: Tod von Tieren, Trauer
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Tussi, Weib

Warum dieses Buch?

Tatsächlich habe ich mir vor der Lektüre dieser Dystopie weder Rezensionen noch die Leseprobe angeschaut, sondern das Buch nur aufgrund des interessanten Klappentexts ausgewählt.

Kurzrezension

Das mochte ich…

+ den angenehmen, flüssigen, locker-leichten Schreibstil, der perfekt für die Zielgruppe geeignet ist.
+ den Beginn, den ich sehr stark geschrieben fand.
+ die Grundidee, die zwar nicht innovativ, aber doch interessant ist.
+ den liebevollen, verantwortungsbewussten Umgang der Protagonistin mit ihren Tieren und ihre Rettungsversuche. Ich hätte genau gleich gehandelt!
+ den Feminismus. Die Protagonistin kritisiert und spricht Sexismus und veraltete Rollenvorstellungen immer wieder an. Ein paar Rollenklischees und problematische Formulierungen (z. B. „n+ttiges Rotkäppchen“) gibt es dennoch, dafür ziehe ich einen Punkt in diesem Bereich ab.

„Und dann fiel mir die eigentümliche Stille auf, die über der Stadt lag. Niemand war da.“ E-Book, Position 127

Das lässt mich zwiegespalten zurück…

~ der Spannungseinbruch im Mittelteil. Das Buch beginnt spannend und interessant mit dem Verschwinden der Menschheit. An diesem Punkt ist man natürlich neugierig, wie die Protagonistin damit umgeht. Gleich danach gibt es allerdings eine ziemlich lange, langatmige Durststrecke, während der nicht viel passiert.
~ die Oberflächlichkeit. Ja, mir ist bewusst, dass es sich hier um ein Jugendbuch handelt, trotzdem habe ich mir etwas mehr Tiefe bei der Behandlung von Themen wie Selbstfindung, Überleben, Freundschaft, Einsamkeit und Emanzipation vom Einfluss der Eltern erhofft. Gegen Ende wird es dann kurz etwas tiefgründiger und emotionaler (dieser Teil hat mich auch berührt), doch insgesamt wurde mir die Geschichte einfach zu oberflächlich abgehandelt.
~ die ausgelassenen Worte und vereinzelten Fehler, die ich zwar nicht so schlimm fand, die andere Leser·innen aber stören könnten.
~ die zwar sympathische, aber etwas blass bleibende Protagonistin. Hier hätte ich mir mehr Ecken und Kanten – einfach mehr Persönlichkeit – gewünscht, dann hätte ich bestimmt auch besser mit ihr mitfühlen und mitleiden können.

„Was, wenn ich krank wurde? Oder Katze? Oder Tobi? Was sollte ich dann tun? [...] Verdrängen. Schnell verdrängen.“ E-Book, Position 683

Das hat mir nicht gefallen:

- die unangenehme Liebesgeschichte. Dazu kam, dass ich den Love Interest irgendwie unsympathisch fand und mit ihm überhaupt nicht auf einer Wellenlänge war. Die Lovestory entwickelt sich eigentlich recht langsam, trotzdem ging mir alles viel zu schnell – wahrscheinlich, weil ich den Humor der beiden, ihr Flirten und ihre Gefühlsbekundungen eher „cringe“ fand als romantisch und ihre Liebe überhaupt nicht „gefühlt“ habe.
- die Atmosphäre. Vor allem den Beginn, dieses plötzliche Verschwinden der Menschheit und Ariadnes Leben in einer leeren Welt, fand ich stark und stimmungsvoll beschrieben, aber danach hätte ich mir oft mehr Details und Beschreibungen (besonders was die Städte in den verschiedenen Ländern betrifft) gewünscht. Mehr wäre in diesem Fall tatsächlich auch mehr gewesen!
- das unverschämte Glück, das nicht immer nachvollziehbare Verhalten der Figuren und die Logiklöcher. Generell hatte ich das Gefühl, dass die Protagonistin ein bisschen zu viel Glück auf ihrer Reise hatte, dass alles ein bisschen zu sehr am Schnürchen lief. Die Protagonistin braucht ein Motorrad? Wie praktisch, im nächsten Haus steht perfekte Gefährt! Außerdem kommt sie extrem schnell und problemlos voran, bringt pro Tag teilweise Hunderte von Kilometern hinter sich. Aus meiner Sicht war das alles etwas unglaubwürdig. Das Verhalten der Figuren konnte ich auch nicht immer nachvollziehen. Feuer legen in der Stadt, in der man wohnt? Vermutlich nicht ganz so eine gute Idee in einer Welt ohne Feuerwehr! Ein paar große Logiklöcher sind mir auch aufgefallen: Zum Beispiel sprießen bereits wenige Wochen oder Monate nach dem Verschwinden der Menschheit Blumen und Gras aus den Motorhauben verlassener Autos, aber Strom, Wasserleitungen, Handyempfang und Internet funktionieren immer noch einwandfrei (zumindest meistens), obwohl nichts mehr davon gewartet wird? Ich bezweifle es!
- den Mangel an Erklärungen. Für die mysteriösen Vorkommnisse gibt es keinerlei Erklärungen (die Figuren rätseln selbst auch eher halbherzig herum) und die lieblos wirkende Auflösung am Ende konnte mich leider gar nicht überzeugen. Da hat es sich jemand aber sehr einfach – um nicht zu sagen ZU einfach – gemacht!

„Irgendwelchen Macho-Scheiß kannst du dir sparen. Ich fahre dir entgegen. Ob es dir passt oder nicht. Ich bin doch kein hilfloses Frauchen.“ E-Book Position 877

Mein Fazit

Nach einem starken, stimmungsvollen Beginn folgen leider Spannungseinbrüche, Oberflächlichkeit, Logiklöcher, zu viele glückliche Zufälle und eine Liebesgeschichte, die mich nicht überzeugen konnte. Es gab einige gute Ansätze und gelungene Momente und ich mochte den Schreibstil und die Tierliebe, insgesamt habe ich mir aber von dieser Dystopie in vielen Bereichen (Figurenzeichnung, Spannung, Plot, Tiefe) einfach mehr erhofft! Eventuell könnte das Buch etwas für Jugendliche sein (auch für sie gibt es allerdings bessere Dystopien dort draußen), eine klare Leseempfehlung gibt es von mir dieses Mal aber nicht.

Bewertung

Idee: 4 Lilien
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Lilien
Tiefe: 2 Lilien
Umsetzung: 3 Lilien
Worldbuilding: 2 Lilien
Einstieg: 5 Lilien
Ende: 3 Lilien
Schreibstil: 4 Lilien
Figuren: 3 Lilien
Spannung: 2 Lilien
Tempo: 3 Lilien
Wendungen: 3 Lilien
Atmosphäre: 2 Lilien
Emotionale Involviertheit: 3 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 4 Lilien
Einzigartigkeit: 3 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir knappe 3 Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.06.2022

Leider nicht so atmosphärisch, tiefgründig und spannend wie Band 1!

Am roten Strand
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Achtung: Die Rezension enthält Spoiler!

Inhalt

Nach den Vorkommnissen im ersten Band ermittelt die Polizei weiter gegen den Kinderpornographie-Ring. Interne Untersuchungen gegen den Ermittler Ben, ...

Achtung: Die Rezension enthält Spoiler!

Inhalt

Nach den Vorkommnissen im ersten Band ermittelt die Polizei weiter gegen den Kinderpornographie-Ring. Interne Untersuchungen gegen den Ermittler Ben, der einen der Täter erschossen hat, sind ebenfalls noch im Gange – und plötzlich beginnen Ben und Christian die Verdächtigen vor der Nase wegzusterben. Ehemalige Opfer sind offenbar ebenfalls auf das kriminelle Netzwerk gestoßen und wollen Rache…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1 von (aktuell) 2
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präsens
Perspektive: viele männliche und weibliche Perspektiven im Wechsel
Kapitellänge: sehr kurz

Tiere im Buch: + Im Buch werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Triggerwarnung: Tod von Menschen, sexualisierte Gewalt, sexueller Missbrauch von Kindern, Pädophilie, Gewalt, Blut, Suizid, psychische Krankheiten, Trauer, Kinderprostitution
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: ---

Warum dieses Buch?

Band 1 war sehr düster, ungewöhnlich und poetisch – und ich mochte ihn sehr. Das ungleiche Geschlechterverhältnis (bei der Polizei arbeiten anscheinend nur Männer?) fand ich aber nervig; ich hoffte deshalb darauf, dass das in der Fortsetzung besser gelöst wird.

Kurzrezension

Das mochte ich…

+ den reduzierten, aber doch anschaulichen, intensiven und literarischen Schreibstil, der auch dieses Mal gelungene sprachliche Bilder präsentiert, sich auf das Innenleben seiner Figuren konzentriert und viel mit Assoziationen arbeitet.
+ die vielen verschiedenen Perspektiven.
+ die psychologischen Einblicke, die wir erneut bekommen und die menschlichen Abgründe, in die wir blicken dürfen. Wie auch schon in Band 1 ist das nicht immer leicht zu verdauen, geht es doch um Pädophilie und um den sexuellen Missbrauch von Kindern.
+ das Geschlechterverhältnis, das bereits viel ausgeglichener ist als noch im Auftakt. Von Beginn an kommen mehr Frauen vor, genügend Redezeit bekommen sie allerdings interessanterweise erst ab der Hälfte. Fast scheint es, als wäre dem Autor im letzten Moment noch meine Forderung (mehr Frauenfiguren, mehr Redezeit!) eingefallen und er hätte sich gedacht: „Jetzt aber schnell noch ein paar weibliche Dialoge einfügen!“ Naja, besser spät als nie, ich bin mit dem Fortschritt jedenfalls zufrieden! Hoffentlich geht es in Band 3 genau so weiter.
+ die melancholische Musik des Autors, die perfekt zur Stimmung passt. Sucht auf Youtube einfach nach „A Bird Called Melody“ von Jan Costin Wagner. Ihr werdet es nicht bereuen!

„Der Sommer ist echt. So unmittelbar, mehr geht nicht.“ E-Book, Position 32

Das lässt mich zwiegespalten zurück…

~ die komplexen Figuren mit ihren Stärken, Schwächen und Geheimnissen, die oft in moralischen Graubereichen existieren. Dieses Mal waren zum Glück die einzelnen Kapitel etwas stärker von der Persönlichkeit der jeweiligen Person gefärbt, trotzdem wäre es unmöglich gewesen, sie ohne die Kapitelüberschriften auseinanderzuhalten, weil sich ihre Denkweise immer noch viel zu ähnlich ist!
~ die Wendungen, die etwas vorhersehbar sind und mich nur selten überraschen konnten.
~ die Atmosphäre, die leider nicht so dicht, düster und vereinnahmend ist wie in Band 1.
~ die fehlende Tiefe. Da der Fall um den Kinderpornographie-Ring im Vorgänger-Krimi noch nicht abgeschlossen war, werden die Ermittlungen in diesem Band fortgesetzt. Thematisch stehen daher wieder Pädophilie und sexueller Missbrauch von Kindern (Triggerwarnung bitte ernst nehmen!), aber auch Polizeiarbeit, der innere Kampf mit sich selbst, Schuld, Moral und Rache im Mittelpunkt. Band 2 ist dabei dialoglastiger als der Auftakt und wirkte auf mich oberflächlicher und weniger tiefgründig als der Auftakt-Band, was mich etwas enttäuscht hat. Ob ich auch Band 3 wieder lesen werde, steht noch nicht fest.

„Ich bekämpfe … bekämpfe … auf der Seite …
Er lehnt sich zurück, schließt die Augen.
Ich bekämpfe, auf der Seite des Guten, das Böse.“ E-Book, Position 578

Das hat mir nicht gefallen…

- der Spannungsbogen. Mir ist zwar bewusst, dass es sich hier um einen Kriminalroman handelt und nicht um einen Thriller, aber etwas mehr Tempo und Spannung hätte ich mir trotzdem gewünscht. Stellenweise fühlte sich die Geschichte etwas zäh an, sie konnte mich leider nicht wie gewohnt fesseln und mitreißen.
- die Wandlung eines Ermittlers zum Täter. Einen Pädophilen zum Protagonisten eines Romans zu machen, ist mutig und riskant. Mit dieser Entscheidung hatte ich bisher kein Problem, denn: Da ich schon ein paar Dokumentationen über Pädophilie und freiwillige Präventionsprogramme gesehen habe, weiß ich, dass Betroffene für diese Neigung erst einmal nichts können, dass viele Menschen davon in ihrem Leben nie straffällig werden und dass der Großteil der Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern von Tätern begangen wird, die NICHT pädophil sind. Kein Verständnis habe ich aber mehr, wenn Täter (meist sind es Männer) sich dann dazu entscheiden, ihre Neigungen auszuleben und Kindern zu schaden. Diese Grenze wird in diesem Buch eindeutig überschritten, als einer der Ermittler einen USB-Stick (Beweisstück) von einem Tatort entwendet und die Missbrauchsdarstellungen als Pornographie nutzt. Als Opfer hat man es doch schwer genug, wie ekelhaft ist es da bitte, wenn der Polizist, dem du vertraust, so mit diesen sensiblen Daten, mit deinem traumatischen Erlebnis umgeht? Später missbraucht der Polizist auch noch einen Jungen und bezahlt ihn im Anschluss dafür – bei den Beschreibungen seiner inneren Hin- und Hergerissenheit, bei seinen erbärmlichen Rechtfertigungsversuchen und Relativierungen und seinem sooo unglaublich schlechten Gewissen wurde mir übel und ich hatte so einen inneren Widerwillen und so eine Wut im Bauch, dass es mir die ganze restliche Lektüre verdorben hat. Ich kann nur hoffen, dass dieser Polizist im Folgeband ohne Relativierungen als das dargestellt wird, was er ist – nämlich ein Täter – und dass er gefasst und zur Verantwortung gezogen wird. Es ist aus meiner Sicht an diesem Punkt keine andere Art von „redemption“/Rettung/Wiedergutmachung (wie etwa ein Einsehen des Fehlers und ein Arbeiten an sich selbst) mehr für diese Figur möglich! Herauszufinden, wie mit dem Täter in Band 3 umgegangen wird, wäre auch meine Hauptmotivation, das nächste Buch zu lesen.

Mein Fazit

Auch „Am roten Strand“ (Band 2) überzeugt wieder mit seinem ungewöhnlichen, intensiven, literarischen Schreibstil, seinen sprachlichen Bildern und den Einblicken in menschliche Abgründe. Verbessert hat sich die Fortsetzung bei der Frauenquote, verschlechtert hat sie sich leider in den Bereichen Spannung, Tiefe und Atmosphäre. Da einer der Ermittler immer stärker selbst zum Täter wird, ist Band 2 sogar noch schwerer zu verdauen als der Auftakt – behaltet das bitte im Hinterkopf, wenn ihr das Buch lesen wollt! „Am roten Strand“ ist kein schlechter Kriminalroman (wer „Sommer bei Nacht“ mochte, kann ihm durchaus eine Chance geben) – ich habe nur einfach mehr erwartet und bleibe deshalb etwas enttäuscht zurück.

Bewertung

Idee: 4 Lilien
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Lilien
Tiefe: 3 Lilien
Umsetzung: 3 Lilien
Worldbuilding: 3 Lilien
Einstieg: 3 Lilien
Ende: 4 Lilien
Schreibstil: 5 Lilien ♥
Figuren: 3,5 Lilien
Spannung: 2 Lilien
Tempo: 3 Lilien
Wendungen: 3 Lilien
Atmosphäre: 3 Lilien
Emotionale Involviertheit: 3 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 4 Lilien
Einzigartigkeit: 4 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 3 Lilien!

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