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Veröffentlicht am 02.02.2023

Zwei Kindheiten

Sibir
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Der zehnjährige Josef und seine Familie werden nach dem zweiten Weltkrieg in den Osten verschleppt. Sibirien - so nennen sie die ferne Weite, die dem kleinen Jungen als erstes die Mutter nimmt. Es ist ...

Der zehnjährige Josef und seine Familie werden nach dem zweiten Weltkrieg in den Osten verschleppt. Sibirien - so nennen sie die ferne Weite, die dem kleinen Jungen als erstes die Mutter nimmt. Es ist ein Ort in Kasachstan, in dem sie landen und sich mit den Einheimischen arrangieren, die keinesfalls auf sie gewartet haben. Ein karges Leben mit einer Sprache, die sich Josef Wort für Wort erobert. Erst nach zehn Jahren dürfen sie in die damalige BRD ausreisen. Im Jahr 1990 kommen die neuen Aussiedler in Deutschland an. Auch in dem kleinen Heideort, in dem Josef und seine Familie eine Heimat gefunden haben.

In der Gegenwart verspürt Josefs Tochter Leila das Bedürfnis die Geschichten aus ihrer Kindheit ebenso zu bewahren wie die von ihrem Vater. Aber die Erinnerung ihres Vaters hat ihre Form verloren. Vielleicht kann Leila ihrem Vater helfen und gleichzeitig ihre gemeinsame Familiengeschichte durchdringen. Wie hat ihr Vater es empfunden, in dieser unwirtlichen Fremde, in der er doch auch Freundschaft fand. Und wie war es als in den 1990ern die Aussiedler in Deutschland ankamen, die für Josef seine Vergangenheit wieder lebendig werden ließ. Auch Leila, die neben ihrem alten Freund Arnold auch den neuen Freund Pascha fand, vertieft sich in die Vergangenheit.

Ein wehmütiger Roman über Menschen die auf unterschiedliche Arten von ihrem erzwungenen Aufenthalten in der ehemaligen Sowjetunion geprägt wurden. Nicht gewollt waren sie dort und fremd auch hier. Wie hat die Steppe sie verändert? Haben die, welche später ausreisen durften, mehr gelitten? Warum fühlt sich Josef schuldig? Warum ist er so speziell? Auch wenn man sich schließlich nicht komplett in die Menschen hinein fühlen kann, so wird immerhin Verständnis geweckt für das Leid, dass der Krieg über sie gebracht hat. Es wirkt über Generationen, sie gehen unterschiedlich damit um, sie können unterschiedlich viel Leid ertragen. Es gibt keine Erleuchtung, selbst wenn man Vorfahren hat, die fliehen mussten, deren Kinder auch diejenigen waren, die knapp nicht dazu gehörten. Dennoch berührt dieser Roman mit seinen Erzählungen und seiner Melancholie.

Veröffentlicht am 31.01.2023

Krimi-Küche

Schach mit toter Dame
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Seit sie bei ihrem letzten Fall die Schwestern Käthe und Cecilie kennengelernt hat, ist Loretta Luchs regelmäßiger Gast in der Seniorenresidenz. Und nun sind die beiden ganz aufgeregt. Ein Bewohner der ...

Seit sie bei ihrem letzten Fall die Schwestern Käthe und Cecilie kennengelernt hat, ist Loretta Luchs regelmäßiger Gast in der Seniorenresidenz. Und nun sind die beiden ganz aufgeregt. Ein Bewohner der Residenz ist verstorben und seine wertvollen Einrichtungsgegenstände sind verschwunden. Was, wenn es noch mehr Diebstähle gibt? Was, wenn der Bewohner keines natürlichen Todes gestorben ist? Loretta überzeugt die Beiden, dass sie erstmal herausfinden möchte, ob tatsächlich geklaut wird. Mal wieder spielt ihr der Zufall in die Hände und sie arbeitet undercover als Küchenhilfe.

Loretta Luchs ist schon eine, bei ihrem nunmehr dreizehnten Auftritt kann man sie wohl als erfahrene Ermittlern bezeichnen. Eigentlich müsste Kommissarin Küpper froh sein, dass Loretta ihr zu einer tollen Aufklärungsquote verhilft. Dabei fängt es diesmal ganz harmlos an. Eigentlich will Loretta nur herausfinden, was hinter den vermeintlichen Diebstählen steckt. Sie ist nicht sicher, ob es überhaupt ein Verbrechen gibt. Kann nicht auch ein Erbe die Sachen bekommen haben? Doch auch an Käthe und Cecilie sind echte Detektivinnen verloren gegangen. Sie haben schon akribische Nachforschungen angestellt und sich Gedanken gemacht. Und sie überzeugen Loretta die Aufgabe der Küchenhilfe zu übernehmen.

Locker und leicht beginnt dieser Kriminalroman und doch spannend. Käthe und Cecilie sind zwei coole alte Damen, die bestens in Lorettas Kreis passen. Neugierig und gleichzeitig intelligent und immer für ein Kaffeekränzchen gut. Die Seniorenresidenz für gut Betuchte scheint gar kein Platz für Verbrechen zu sein. Wie man sich doch täuschen kann. Für einen guten Krimi hätte es vielleicht keinen Todesfall gebraucht. Wie immer bei Loretta gibt es ihn aber doch. Doch viel lieber liest man von ihren Erfahrungen als Kaltmansell. Von Erwin, der wie ein väterlicher Ankerpunkt in ihrem Leben ist, Kumpel Frank das Hibbelchen und natürlich Baghira, der sein Fresschen braucht.
Ein unterhaltsamer Krimi, über den sich trefflich diskutieren lässt.

Veröffentlicht am 29.01.2023

Die Schwelle

Die dunklen Fälle des Harry Dresden - Grabesruhe
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In Chicago treiben wild gewordene Geister ihr Unwesen. Mit Unterstützung seines Freundes Michael Carpenter, der ein heiliges Schwert führt, versucht er der Sache Herr zu werden. Allerdings scheinen die ...

In Chicago treiben wild gewordene Geister ihr Unwesen. Mit Unterstützung seines Freundes Michael Carpenter, der ein heiliges Schwert führt, versucht er der Sache Herr zu werden. Allerdings scheinen die Geister immer stärker zu werden. Für die Reporterin seines Herzens findet Harry viel zu wenig Zeit. Eine Einladung zu einem Fest am Hof der roten Vampire verspricht auch nur Probleme. Schließlich ist die Hofhalterin Bianca alles andere als ein Fan von Dresden. Und dann handelt sich Harry auch noch Schwierigkeiten mit seiner Patentante ein, echte Schwierigkeiten. Das Leben des Magiers könnte wirklich angenehmer verlaufen.

Bei seinem dritten Auftritt scheint der Magier Harry Dresden sämtliche Probleme, die man sich nur vorstellen kann, auf sich gezogen zu haben. Geister, Vampire, Dämonen, die Patentante, seine Freundin, die Michaels Frau. Eigentlich müsste Harry auf eine Insel fliehen, um nicht in jedem Moment in Gefahr zu schweben. Das ist aber nicht Harrys Art. Er schützt die, die er liebt und die Unschuldigen und er kämpft gegen das Böse. Unter Aufbietung aller seiner Kräfte und darüber hinaus. Er muss das Rätsel um die Geister lösen und verhindern, dass Susan auf dem Fest der Vampire etwas geschieht.

Zu Beginn eine Rettungsmission als Anfangspunkt eines Rätsels, ein warmherziger Flirt mit Susan und tiefschürfende Gespräche mit Michael über Gott und die Welt, die Liebe und die Schwelle eines Heims, die nicht so leicht übertreten werden kann. Das gefällt mit Geheimnis Witz und Charme. Auch wenn im weitern Verlauf die Metzeleien etwas ausufern und Harry Kämpfe zu überstehen hat, die eigentlich über seine Kraft gehen, bleibt die Spannung erhalten. Was steckt hinter den durchgeknallten Geistern? Wie kann Harry die Umklammerung lösen, die auch Menschen befallen kann? Wie groß ist die Bedrohung, die ihn selbst betrifft? Man kann nicht anders als an diesen Roman gefesselt zu bleiben, bis man weiß, was hinter allem steckt. Mit jedem Buch erweitert sich das Universum des Harry Dresden, so dass man neugierig bleiben darf.

Veröffentlicht am 23.01.2023

Der Kontrakt

Der Erlöser
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Der Chef von Harry Hole verlässt seinen Posten, um in Bergen die letzte Zeit vor der Pensionierung zu verbringen. Was wird der Neue bringen? Und auch in Holes Privatleben sind die Tage unsicher seit sich ...

Der Chef von Harry Hole verlässt seinen Posten, um in Bergen die letzte Zeit vor der Pensionierung zu verbringen. Was wird der Neue bringen? Und auch in Holes Privatleben sind die Tage unsicher seit sich seine Freundin Rakel von ihm getrennt hat. Wenigstens ist er seit einer Weile trocken. Jedoch wird um die Weihnachtszeit während eines Konzerts ein Mitglied der Heilsarmee erschossen. Alles deutet auf einen Profi hin, doch der Mensch scheint unsichtbar zu sein. Zeugen machen widersprüchliche Aussagen. Nur kurz darauf kommt der Verdacht auf, dem Täter könnte eine Verwechslung unterlaufen sein und so gilt es, das vermutlich eigentliche Opfer zu schützen.

Nun ist dieser sechste Fall um Harry Hole schon etwas älter, aber der Bezug zu den Jugoslawien-Kriegen gibt ihm wieder eine gewisse Aktualität. Und die Heilsarmee als sozial tätige Organisation kümmert sich auch um Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien oder Drogensüchtige. Als einer der ihren umgebracht wird, sind sie wie erstarrt. Müssen noch mehr Menschen um ihr Leben fürchten? Harry Hole und sein Team machen sich auf die Suche nach dem Täter. Die sowieso schon nicht einfach durch den neuen Chef noch erschwert wird. Auch ist Holes Position im Team unklar nachdem er einen Korruptionsskandal aufgedeckt hat.

Harry Hole ist ein ungewöhnlicher Polizeibeamter, der eigene Wege geht. Er hadert manchmal und manchmal geht er forsch voran. Doch immer ist er für Überraschungen gut und für Vorgehensweisen, auf die andere nicht so schnell kommen würden. Die Lösungen scheinen in ihm zu arbeiten, vielleicht sogar, ohne dass er es selbst immer merkt. Und dann sind sie da. Das ist etwas, wodurch die Lektüre überraschend und spannend wird, ohne dass die Logik verloren geht. Manchmal geht Hole in seinen Handlungen oder Nichthandlungen recht weit. Das weiß man aber, wenn man die Reihe kennt. Diese packende Reihe von Kriminalromanen vermag zum Nachdenken anzuregen und gleichzeitig zu unterhalten.

Veröffentlicht am 22.01.2023

Polizistin Nr. 1

Altes Leid
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Im Jahr 1947 soll unter der Britischen Besatzung in Hamburg eine Einheit aus weiblichen Polizistinnen einen Teil der Aufgaben übernehmen. Ida Rabe ist eine der Ersten, die im Mai 1947 ihren Dienst antritt. ...

Im Jahr 1947 soll unter der Britischen Besatzung in Hamburg eine Einheit aus weiblichen Polizistinnen einen Teil der Aufgaben übernehmen. Ida Rabe ist eine der Ersten, die im Mai 1947 ihren Dienst antritt. Nur oberflächlich ausgebildet dienen sie und ihre Kollegin Heide Brasch eher als Alibi. In einem Kellerraum sind sie eher zur Untätigkeit verdammt. Da hat die Davidswache aber nicht mit Ida Rabe gerechnet. Aus den Eintragungen im Dienstbuch entnimmt sie, dass einigen jungen Frauen Schlimmes widerfahren ist, obwohl diese das nicht direkt angezeigt haben. Eigenmächtig beginnt Ida zu ermitteln. Sie muss weiteres Leid verhindern.

So kurz nach dem zweiten Weltkrieg ist es zwar langsam soweit, dass sich das Leben wieder ordnet. Doch von normal kann noch lange keine Rede sein. Noch immer gibt es nicht einmal genug zu essen für alle. Auch Ida Rabe kann nicht behaupten, dass sie noch weiß, was es heißt satt zu sein. Immerhin hat sie ein Dach über dem Kopf und ihren energischen Geist, mit dem sie unbedingt dazu beitragen will, den Frauen in Gefahr zu helfen. Das gestaltet sich schwieriger als gedacht, denn von den männlichen Polizisten werden weder sie noch ihre Kollegin für voll genommen. Und dass sich jemand an Frauen vergreift? Aus Sicht der Männer eher unwahrscheinlich.

Gleich zu Beginn ihrer Karriere bringt Ida Rabe frischen Wind in die Räume der Davidswache. Sie hatte es nicht immer leicht, doch nun will sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Und sie hat ein Gespür für die Frauen und auch dafür, dass da überhaupt ein Fall ist. Fast ist es unausweichlich, dass sie ihre Kompetenzen überschreitet, doch immer hat sie einen guten Grund. Ida Rabe ist vielleicht etwas forscher als ihre Position erlaubt, doch die Ergebnisse ihrer Gedanken und Ermittlungen geben ihr meist recht. Sie ist eine überzeugende neue Ermittlerin, die aus einer Reihe weiblicher Polizistinnen durch ihre Energie und Vielschichtigkeit heraussticht. Beeindruckend sind auch die Schilderungen der Stellung der Frau in Beruf und Gesellschaft so kurz nach dem Krieg. Eigentlich halten sie alles am Laufen und sollen doch zurück an den Herd, wenn die Männer, die noch oder wieder da sind, an ihre angestammten Positionen streben. Das und auch die Darstellung der schlechten Ernährungslage wirken sehr eindringlich und lassen den Gedanken aufkommen, dass früher doch nicht alles besser war und man froh sein kann, dass man heute lebt.

Ein packender historischer Kriminalroman, in dem die Schuld realistisch dargestellt ist, der aber auch von Neuanfang berichtet und von der Hoffnung auf eine bessere Zeit.