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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.03.2023

Ungewöhnlich bis interessant

Eine beiläufige Entscheidung
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EINE BEILÄUFIGE ENTSCHEIDUNG
Maren Wurster

Damals war es bei Lena und Robert Liebe auf dem ersten Blick. Meistens war er auf Geschäftsreise, aber am Wochenende trafen sie sich, schmissen Pillen ein und ...

EINE BEILÄUFIGE ENTSCHEIDUNG
Maren Wurster

Damals war es bei Lena und Robert Liebe auf dem ersten Blick. Meistens war er auf Geschäftsreise, aber am Wochenende trafen sie sich, schmissen Pillen ein und feierten die ganze Nacht durch. Mit ihrer Babypille nahm sie es nicht so genau. Mal nahm sie eine, dann zwei Tage wieder keine - das gab ein schönes Muster in der Blisterverpackung. Als sie kurz darauf schwanger wurde, traf sie die beiläufige Entscheidung das Kind zu bekommen, er wollte eher kein Kind.
Doch jetzt sitzt sie hier im Schrank, in der Holzhütte ihres Schwagers, und hat seit mehreren Tagen nichts mehr gegessen. Die Brüste schmerzen und die Milch fließt, aber Schreibaby Konrad braucht ihre Milch nicht mehr - ihn hat sie verlassen.

Konrad wächst ohne Mutter auf. Sie hat ihn als Baby verlassen. Doch er hatte Una. Sie war es, die sein aufgeschürftes Knie reinigte und seine Tränen trocknete - Vater Robert war selten da.
Heute lebt er in einem Internat, Freunde hat er nicht, nur zu Kaspar fühlt er sich hingezogen. Seine Emotionen und Wut kann er kaum unter Kontrolle halten, da hilft nur das Holz im Wald, das er bearbeitet. Holz beruhigt ihn, Holz ist sein Katalysator, es weckt und stimuliert ihn - doch dann passiert ein Unfall...

Maren Wursters Roman kann man von beiden Seiten beginnen zu lesen. Beide Erzählstränge laufen aufeinander zu. Auf der einen Seite erzählt Lena ihre Geschichte, wie sie unter postnataler Depression leidet und vollkommen überfordert ist und auf der anderen Seite erzählt uns Konrad von seinem Schmerz. In der Mitte des Buches rasen die Geschichten mit voller Wucht aufeinander.
So musste ich mich entscheiden, mit welcher Geschichte ich beginnen möchte und habe mich für die von Lena entschieden.

Es ist ein wütendes Buch, tragisch und voller Traurigkeit; ein schmales Buch, was so schwer wiegt - mehr Lesezeit einfordert als jedes Buch mit 500 Seiten.
Da ich selber ein Schreibaby hatte, konnte ich Lena in einigen Situationen sehr gut verstehen.

Leseempfehlung für alle, die einen besonderen und wütenden Schreibstil mögen.
3½ Sterne

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Veröffentlicht am 12.02.2023

Ehrliches Buch

Dry
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TW: Alkoholmissbrauch

DRY
Christine Koschmieder
gelesen von der Autorin

''Der Alkoholiker, das ist doch bitte der, der vom Stuhl kippt, torkelt, das Gleichgewicht nicht halten kann, Gläser umschmeißt, ...

TW: Alkoholmissbrauch

DRY
Christine Koschmieder
gelesen von der Autorin

''Der Alkoholiker, das ist doch bitte der, der vom Stuhl kippt, torkelt, das Gleichgewicht nicht halten kann, Gläser umschmeißt, ausfällig wird, mit rotgeäderten Gesicht auf der Parkbank rumhängt, sein Leben nicht in den Griff kriegt. Alkoholiker, das sind diejenigen, die sichtbar ein Problem haben, dem alle anderen ausweichen können.
Nur das mein Problem nicht die Sichtbarkeit ist. Das die bei mir nicht vorhanden ist, sagt nämlich weniger über mein vermeintlich nicht vorhandenes Suchtproblem aus, als mehr über das fehlende Wissen über Sucht und ihre Erscheinungsform. Wenn eine Abhängigkeit sich nicht an Menge, Häufigkeit oder Regelmässigkeit des Alkoholkonsums festmachen lässt und schon gar nicht an seiner Auffälligkeit, weil er viel hinterlistigere Schäden anrichtet. Schäden, die sich oft erst Jahre später zeigen, die viel mit Ehrlichkeit und Beziehungsgestaltung und Vertrauen und Verlässlichkeit und Bindungsfähigkeit zu tun haben. Dinge, die weiter gereicht werden in Partnerschaften und in Familien an Karl, Tilly und Olek, die ich viel zu selten gefragt habe, wie ihr Tag war …’’ (Section 80)

Christine Koschmieder erzählt hier ihre Geschichte: Von ihrer Jugend, diversen Umzügen, von der Scheidung ihrer Eltern, Episoden über die rechthaberische und alkoholkranke Mutter, wie sie ihre drei Kinder von drei Männern bekam, ihr Mann den Kampf mit dem Krebs verlor und zwischendurch wird getrunken, hier und dort, mal mehr und mal weniger. Doch die Lage Zuhause spitzt sich zu: Immer öfter ist Christine überfordert, mag nicht um Hilfe bitten, bekommt trotzdem irgendwie alles geregelt, doch die Kinder haben Angst etwas Falsches am Tisch zu sagen oder ihr die falsche Antwort zu geben, so wird besser am Tisch geschwiegen, damit Mutter nicht gleich wieder ausflippt.
Am Ende weist sich Christine in eine Suchtklinik ein.

Nicht immer war mir Christine sympathisch, zu oft hat mich ihre Geschichte an ‚Die Legende von Paul und Paula‘ erinnert.
Dennoch: Ein ehrliches Buch, das mich doch ab und zu zur Selbstreflexion animiert hat. Eine interessante Geschichte von einer starken Frau, die den Mut hatte sich als Alkoholikerin zu bekennen. Hochachtung von mir.

Lese-/Hörempfehlung von mir, aber heute keine Mäusebewertung, da ich das Leben eines anderen Menschen nicht bewerten möchte.

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Veröffentlicht am 19.01.2023

Leichte Leseunterhaltung

Tea Time
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TEA TIME
Ingrid Noll

Nina und Franzi haben den "Klub der Spinnerinnen" gegründet.
Gefesselt in ihren eigenen Zwängen und Ängsten, sind beide dankbar vier andere Gleichgesinnte mit diversen Tics gefunden ...

TEA TIME
Ingrid Noll

Nina und Franzi haben den "Klub der Spinnerinnen" gegründet.
Gefesselt in ihren eigenen Zwängen und Ängsten, sind beide dankbar vier andere Gleichgesinnte mit diversen Tics gefunden zu haben.
Während Nina ihre Kleptomanie auslebt, reicht es Franzi in fremde Häuser einzusteigen um Teppichfransen zu kämmen.

Das Klubleben nimmt allerdings einen unerwarteten Verlauf, als Nina im Park ihre Handtasche verliert und ein gewisser Herr Haase einen "etwas anderen" Finderlohn haben möchte.
Diesen Mann muss man sich entledigen!
Zu spät bemerken Nina und Franzi, dass Herr Haase ausgerechnet der Ex-Ehemann der Spinnerinnen-Klub-Freundin Jelena ist.

Leicht, spitzzüngig und mit viel schwarzem Humor schreibt Ingrid Noll ihren siebzehnten Roman. Wie gewohnt liest sich auch dieses Buch einfach und schnell - Schmunzelgarantie à la Ingrid Noll.
Auch wenn ich dieses Buch nicht als ihr bestes empfunden habe, war es eine feine Leseunterhaltung.
3½ /5

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Veröffentlicht am 20.11.2022

Wichtiges Thema

Der Anfang von morgen
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Der Anfang von Morgen
Jens Liljestrand

Schweden, nach der Pandemie: Der Urlaub von Didrek von der Esch und seiner Familie nimmt ein vorzeitiges Ende, als ein Waldbrand in der Nähe seines Ferienhauses ...

Der Anfang von Morgen
Jens Liljestrand

Schweden, nach der Pandemie: Der Urlaub von Didrek von der Esch und seiner Familie nimmt ein vorzeitiges Ende, als ein Waldbrand in der Nähe seines Ferienhauses ausser Kontrolle gerät.
Andere Nachbarn hatten sich bereits einen Tag zuvor in Sicherheit gebracht, doch Didrek hatte auf eine Löschung des Feuers seitens der Behörden gehofft.

Seine eigene Evakuierung läuft total aus dem Ruder: Die Batterie seines E-Autos ist leer und das Auto springt nicht an. Zu Fuss macht sich die 5-köpfige Familie auf den 15 Km langen Marsch in die nächste Stadt, doch als sie dort ankommen, ist der letzte Evakuierungs-Bus bereits abgefahren und der Ort menschenleer.
Das Feuer kommt immer Näher, der Rauch macht das Sehen und Atmen unmöglich und als ein Auto neben ihnen anhält, geben sie der Familie im Auto ihren verletzten Sohn mit. Viel zu spät realisieren sie, dass sie weder den Namen der Familie kennen, noch deren Autonummer haben.
Während Didrek noch verzweifelt versucht seine Familie in Sicherheit zu bringen, beginnen die ersten Plünderungen in Stockholm. Stromausfälle, Trinkwassermangel, fehlende Hilfskräfte, Medikamente und Lebensmittel tun ihr übriges.

Jens Liljestrand lässt in seinem Klima-Thriller vier Personen in langen Kapiteln zu Wort kommen:
Vater Didrek, Didreks Ex-Geliebte Melissa, André, Sohn eines ehemaligen Tennisprofis und Didriks Tochter Vilja.
Die Erzählstränge sind miteinander verwoben, Zeiträume überschneiden sich, stehen aber nicht im direkten Zusammenhang zueinander.

Der Autor will in seinem dystopischen Szenario auf den Klimawandel verweisen. Für mich hat er das im ersten Kapitel perfekt umgesetzt. Die Spannung ist hoch und ich kann das Buch gar nicht zur Seite legen. Mit der zweiten Erzählerin geht die Spannung ein wenig verloren, kann mich aber dennoch fesseln. Leider passt dann der Sohn des Tennisspielers im dritten Teil kaum noch zu Didreks Geschichte - besser hätte man hier Didreks Frau sprechen lassen. Den letzten Teil, den die Tochter erzählt, fand ich wieder gut.
Insgesamt ein gutes Buch, das ich gerne gelesen habe und dem ich, alleine seines wichtigen Themas wegen, eine grosse Leserschaft wünsche.
4- / 5

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Veröffentlicht am 13.10.2022

Konnte mich nicht ganz überzeugen

Nebenan
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Nebenan
Kristine Bilkau

Nominiert für den deutschen Buchpreis, bereits auf der #shortlist und von euch oft hoch gelobt.


Zum Inhalt:
Erst vor sechs Monaten sind Julia und ihr Mann in die Nähe von Hamburg, ...

Nebenan
Kristine Bilkau

Nominiert für den deutschen Buchpreis, bereits auf der #shortlist und von euch oft hoch gelobt.


Zum Inhalt:
Erst vor sechs Monaten sind Julia und ihr Mann in die Nähe von Hamburg, in ein kleines Dorf, gezogen. Sie haben ihre Nachbarn nie richtig kennengelernt, zu sehr waren sie mit ihrem eigenen Leben beschäftigt:
Julia, deren Kinderwunsch sich einfach nicht erfüllen will und Chris, der das ausbleiben der Schwangerschaft nicht als dramatisch wahrnimmt, sich aber um die katastrophalen Umweltverschmutzungen und Plastikmüll in unseren Gewässern sorgt.
Eines Tages sind ihre direkten Nachbarn weg - über Nacht. Keiner der Nachbarn hat einen Umzugswagen gesehen, von keinem haben sich die Nachbarn verabschiedet. Sind sie wirklich ausgezogen? Oder wo können sie sein?

Astrid ist kurz davor sich zur Ruhe zu setzen und möchte ihre Praxis demnächst verkaufen. Doch seit neuestem erschweren ihr kleine Alltagssorgen das Leben: Ihre Tante hat erste Anzeichen von Demenz und ihr Mann scheint mit seinem neuen Leben im Ruhestand nichts anfangen zu wollen: Tagein, tagaus sitzt er im „Schlabberlook" vor dem Computer. Als dann noch mysteriöse Drohbriefe in der Praxis eintreffen, wird Astrid paranoid oder wird sie doch wirklich verfolgt?

Astrid und Julia kennen sich nur flüchtig, obwohl sie im selben Dorf leben. Ab und zu treffen sie aufeinander, leider stellte sich auch zum Ende des Buches kein Kennenlernen oder eine Freundschaft, wie ich anfänglich vermutete, ein.

Das Buch lässt mich ein wenig unzufrieden zurück. Viele interessante Themen wurden angesprochen: Unerfüllter Kinderwunsch, beginnende Demenz, Umweltverschmutzung, Aussterben der Innenstädte durch zu viele „Online-Bestellungen“, sinkender Grundwasserspiegel und Leben in einer Anonymität, wo jeder nur an sich denkt - nur um einige Themen zu nennen - aber nichts wurde wirklich intensiviert. Beim Lesen habe ich mich ständig gefragt, worauf die Autorin hinaus will.
Leider wurde am Ende auch nicht geklärt, was mit den Nachbarn geschah ...

Der Anfang des Buches las sich sehr gut, doch die Spannung verflüchtigte sich für mich ab der Mitte. Schade!
3/ 5 Sterne

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