Ein packender Auftakt
Der Morgen (Art Mayer-Serie 1)Wow. Was für ein Eyecatcher dieses Cover ist. Der Farbton ist auffällig, der schwarze Buchschnitt ein perfekter Kontrast. Die Silhouette des Vogels offenbart interessante Details einer nicht näher zu bestimmenden ...
Wow. Was für ein Eyecatcher dieses Cover ist. Der Farbton ist auffällig, der schwarze Buchschnitt ein perfekter Kontrast. Die Silhouette des Vogels offenbart interessante Details einer nicht näher zu bestimmenden Umgebung, während der Rest nebulös wirkt. Die weiß gestanzten Letter verleihen dem Cover tiefe und ich spüre sofort große Lust, mit dem Lesen zu beginnen, als ich das Buch zum ersten Mal in den Händen halte.
Ich komme flott in die Geschichte, auch wenn nach dem Prolog in rascher Folge mehrere Figuren ihren ersten Auftritt haben. Dabei geleitet mich der personale Erzähler sicher durch die Ereignisse und ermöglicht es mir, durch Perspektivwechsel einen umfassenderen Blick auf die Geschehnisse zu erlangen.
Die Kapitel geben dabei auf den ersten Blick keinen Aufschluss darüber, wessen Sicht auf die Ereignisse ich folge und in welcher Handlungsebene ich mich befinde. Doch aus dem Kontext heraus wird dies blitzschnell klar, sodass mein Lesefluss nie beeinträchtigt ist.
Die Spannung baut sich rasch auf und wird von zwei verschiedenen Handlungssträngen befeuert.
Der eine Erzählfaden greift die aktuellen Ereignisse auf, wo fieberhaft zu ermitteln versucht wird, wer die Frau des Gesundheitsministers getötet hat. In diese Geschehnisse flechtet Marc Raabe unser aktuelles Zeitgeschehen mit ein. Durch diese raffinierte Ausgestaltung von politischen sowie wirtschaftlichen Entwicklungen wird „Der Morgen“ greifbar und authentisch. Es gelingt Marc Raabe, die Handlungen nicht in einen Politthriller abrutschen zu lassen, obwohl mitten in den Fokus der Ermittlungen der Bundeskanzler rückt. Stattdessen sorgt diese Art der Prominenz für fesselnde Lesestunden und zeigt gleichzeitig auf, wie das Business rund um die Berichterstattung seitens der Presse funktioniert.
Der zweite Handlungsfaden spinnt den Prolog weiter, dessen Vorkommnisse in der Vergangenheit liegen. Auch hier versteht es Marc Raabe unglaublich viel Spannung zu erzeugen und dabei vieles nur anzudeuten, was erst nach und nach näher beleuchtet sowie aufgeklärt wird.
Beim Lesen ist mir zwar klar, dass beide Erzählebenen miteinander zusammenhängen müssen, nur wie, das bleibt mir lange verborgen, wie Marc Raabe das möchte. Selbst als ich glaube, das Rätsel gelöst zu haben, nimmt er mir die Gewissheit mit einem geschickten Kniff. Klasse.
Fasziniert bin ich von Artur Mayer, der den Spitznamen Art trägt. Sein Verhalten wirkt auf den ersten Blick widersprüchlich und Marc Raabe genießt es, mich Bröckchen für Bröckchen mit winzigen Hintergrundinformationen anzufüttern. Ich bin neugierig auf diese Figur, die offensichtlich ein hervorragender Ermittler ist und gute Gründe dafür hatte, nicht länger Polizist sein zu wollen. Dennoch lässt er sich auf diesen Fall um eine ermordete Frau ein, auf deren Bauch die Adresse des Bundeskanzlers in Blut geschrieben steht. Art ist ein vielschichtiger Charakter, der trotz seiner ruppigen Art das Herz am rechten Fleck trägt.
Sein Gegenstück wird Kommissar-Anwärterin Nele Tschaikowski, die ich als erstes in ihrem privaten Umfeld kennenlerne. Der Blick auf ihre Persönlichkeit lässt mich anfänglich etwas unschlüssig zurück, da ich sie noch nicht richtig einschätzen kann. Obwohl sie recht jung ist, hat Nele den nötigen Ehrgeiz, ihre Unerfahrenheit mit viel Enthusiasmus und Köpfchen wettzumachen. Sie muss sich gegen die männlichen Kollegen bewähren und dieses Unterfangen ist nicht einfach. Aber Nele hat einen starken Charakter, weshalb ich neugierig darauf bin, ob die Zusammenarbeit zwischen Nele und Art gelingt. Denn es scheint in „Der Morgen“ alles möglich zu sein: Von Dream-Team bis hin zu zwei Ermittlern, die sich nicht ausstehen können.
Die jungen Charaktere aus der Vergangenheitserzählung rund um Boxer sind lebendig ausgestaltet. Ich kann sie mir richtig gut vorstellen, wie sie in ihrem jugendlichen Leichtsinn allerhand Ideen für supertoll befinden und dadurch immer wieder in gefährliche Situationen geraten. Ihnen zu folgen macht Spaß, ebenso darüber nachzudenken, ob diese Personen möglicherweise auch in der Gegenwart eine tragende Rolle spielen.
Der Schreibstil von Marc Raabe ist flüssig und wohldosiert mit den Beschreibungen der Schauplätze. Kurz und knackig, aber mit ausgeklügelter Präzision treibt Marc Raabe die Geschehnisse voran, sodass ich völlig gebannt von den Entwicklungen bin.
Immer wieder versuche ich hinter die Zusammenhänge zu kommen, doch es will mir kaum gelingen. Viel zu geschickt sind die Fallstricke ausgelegt, sodass ich mich treiben und von der Dynamik mitreißen lasse.
Es gelingt Marc Raabe, viele Themengebiete schlüssig miteinander zu verbinden, sei es das altbekannte Motiv der Rache oder der Abhängigkeiten, von Vorurteilen bis hin zum Wunsch nach Zugehörigkeit. Dieser bunte Mix belebt das Buch und überzeugt mich.
Das Finale ist packend, die letzten Zweihundertseiten fliegen nur so dahin. Die Auflösung ist klug dargelegt. Das eher unkonventionelle Ende bleibt leicht offen, schließt aber den Fall in sich ab. Ich bin sehr gespannt auf die nächsten Bände, die auf „Der Morgen“ folgen werden.
Fazit:
Ein packender Auftakt mit zwei Ermittlern, die sich super ergänzen und das Lesen des Buches zum Genuss machen. Toll inszenierter Thriller mit realistischen Settings.