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Veröffentlicht am 14.03.2023

Berührend

Das Haus der verlorenen Kinder
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Norwegen, 1941: In dem kriegsgebeutelten Land verlieben sich Lisbet und ihre Freundin Oda in die falschen Männer – in deutsche Soldaten. Ihre verbotene Liebe fordert einen hohen Preis, und die beiden jungen ...

Norwegen, 1941: In dem kriegsgebeutelten Land verlieben sich Lisbet und ihre Freundin Oda in die falschen Männer – in deutsche Soldaten. Ihre verbotene Liebe fordert einen hohen Preis, und die beiden jungen Frauen verlieren alles, was ihnen lieb ist. Ausgerechnet bei den deutschen Besatzern scheinen sie Hilfe zu finden, doch dann wird Lisbet von ihrer kleinen Tochter getrennt. Erst lange Zeit später findet sich ihre Spur – in Deutschland.
Eine dramatische Geschichte um zwei junge Frauen in Norwegen im Zweiten Weltkrieg, deren Schicksal bis in die Gegenwart reicht.

Der Roman von Nicole Steyer, die hier unter ihrem neuen Pseudonym Linda Winterberg schreibt, handelt vom unvorstellbaren Schicksal der sogenannten Deutschenmädchen. Ledige, junge Norwegerinnen, die von deutschen Soldaten schwanger waren, wurden in Lebensborn Mutter- und Kind-Heimen untergebracht. Diese sollten dort angeblich Untersützung erhalten, eigentlich aber waren es wohl "Zuchtanstalten" der Nazis, die dazu dienten, deutschen Familien, die keine Kinder bekommen konnten, arischen Nachwuchs zu besorgen. Kindern, deren Mütter eine nicht arische Herkunft hatten, blieb als Schicksal nur das Kinderheim, denn den meisten Frauen, verstossen von den Eltern und nicht unterstützt vom Kindsvater, war es finanziell nicht möglich ihre Kinder selbst aufzuziehen. Die fiktive Geschichte zweier Freundinnen zeigt deutlich die unvorstellbare Grausamkeit und die Schrecken der Nazizeit. Der Roman spielt aber auch in der Gegenwart. Marie, eine junge, deutsche Waise, ist auf der Suche nach ihren Wurzeln. Bei ihren Unterlagen, die sie vom Jugendamt erhalten hat, findet sie ein Foto des Hauses Sonnenschein von 1945. Sie beginnt dort ein freiwilliges soziales Jahr und stösst auf Betty, eine rüstige, alte Dame, die ihr sofort sympathisch ist. Der Roman besteht aus diesen beiden Erzählsträngen, die die Autorin geschickt ineinander verwoben hat. Dadurch wird große Spannung aufgebaut, die es dem Leser nicht leicht machen, das Buch wieder aus der Hand zu legen. Die Sprache ist flüssig und leicht zu lesen. Der Roman zieht den Leser sogartig in seinen Bann, er ist berührend und aufwühlend. "Das Haus der verlorenen Kinder" ist ein wundervolles Buch voller Poesie und Schmerz, nicht immer leicht zu verdauen, oft traurig und erschütternd, aber am Ende siegt die Hoffnung. Die Geschichte bleibt lange in meinen Gedanken, und das ist gut so, denn diese Zeit sollte nicht in Vergessenheit geraten, damit sie sich nie mehr wiederholt. Ich wünsche dem Buch viele aufgeschlossene Leser und vergebe sehr gerne fünf Sterne und eine absolute Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 14.03.2023

Milieustudie

Inselfeuer
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Öland brennt

Eine Serie von Brandstiftungen und brutalen Morden erschüttert Öland. In den Augen der meisten gibt es nur einen Verdächtigen: Jorma Brolin, Tischler, Hufschmied und Ölands unumstritten stärkster ...

Öland brennt

Eine Serie von Brandstiftungen und brutalen Morden erschüttert Öland. In den Augen der meisten gibt es nur einen Verdächtigen: Jorma Brolin, Tischler, Hufschmied und Ölands unumstritten stärkster Mann, den hier jeder fürchtet. Doch der Polizei mangelt es an Beweisen. Die schöne Anwältin Alasca Rosengren übernimmt widerwillig Jormas Verteidigung. Auch sie hat etwas zu verbergen und verstrickt sich immer mehr in sein Netz aus Lügen und geschickter Manipulation. Eine Geschichte von Liebe, Schuld, Gier und der Sehnsucht nach Heimat.

Meine Meinung:

Der erste Roman von Sylvia B. Lindström um die Opferanwältin Alasca Rosengren und den Strafverteidiger Stellan Qvist ist kein klassischer Krimi, wie man es vielleicht erwartet, er ist viel mehr. Zahlreiche Erzählstränge, jeder einzelne detailliert ausgearbeitet und teilweise in einer fast schon poetischen Sprache verfasst, entführen den Leser auf die Insel Öland. Wie von der Autorin selbst formuliert ist das Buch wie ein Musikstück quasi komponiert und zu einem großen Ganzen zusammengefügt worden, jeder Protagonist hat seine eigene Melodie und ist ein Stück in diesem Puzzle. Die Poesie dieses Buches zieht den Leser, wenn er sich darauf einlässt, in einen Sog und gibt ihn nicht mehr frei. Mir ist es so ergangen, ich wurde magisch in diese Geschichte hineinkatapultiert und wurde gefangen. Gefangen in einer vielschichtigen Erzählung, die mich fasziniert hat, mit ihrer poetischen Sprache, der Kargheit der Insel und der Grausamkeit der Taten. Alles passiert auf einer Ferieninsel, die im Winter ihre schöne Fassade verliert und die Bewohner in Einsamkeit und Düsternis zurücklässt. Stück für Stück werden die einzelnen Protagonisten seziert und ihr Innenleben vor uns ausgebreitet. Es geht um schreckliche Dinge, wie Inzucht und Kindsmissbrauch, aber auch um profane Gewalt und subtile Grausamkeit. Die ganz besondere Stimmung in diesem Roman ist noch immer in meinem Kopf und ich werde sie wohl auch nicht so schnell verlieren. Für mich ist das Buch absolut lesenswert, wer allerdings einen klassischen Skandinavienkrimi erwartet wird wohl enttäuscht.

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Veröffentlicht am 14.03.2023

Ein wunderbares Buch über Freundschaft

Kirschblüten und rote Bohnen
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Zum Inhalt
Sentaro ist gescheitert, nach allen Regeln der Kunst: Er ist vorbestraft, trinkt zu viel, und sein Traum, Schriftsteller zu werden, ist unerfüllt geblieben. Stattdessen arbeitet er in einem ...

Zum Inhalt
Sentaro ist gescheitert, nach allen Regeln der Kunst: Er ist vorbestraft, trinkt zu viel, und sein Traum, Schriftsteller zu werden, ist unerfüllt geblieben. Stattdessen arbeitet er in einem Imbiss, der Dorayaki verkauft: Pfannkuchen, die mit einem süßen Mus aus roten Bohnen gefüllt sind. Tag für Tag steht er in dem Laden mit dem Kirschbaum vor der Tür und bestreicht lustlos Gebäck mit Fertigpaste. Bis irgendwann die alte Tokue den Laden betritt. Die weise, aber sichtlich vom Leben gezeichnete Frau kocht das beste Bohnenmus, das man sich nur denken kann. Die Begegnung mit ihr verändert alles. Tokue lehrt Sentaro ihre Kunst und tatsächlich gewinnt er nicht nur die Lust am Backen, sondern auch die Freude am Sinnlichen und an den kleinen Dingen des Lebens zurück. Wenig später wird Wakana, ein Mädchen aus schwierigen Verhältnissen, zur Stammkundin des Imbisses und schließt Freundschaft mit Tokue und Sentaro. Doch die Welt meint es nicht gut mit den dreien …
Meinung
Dieses kleine Buch über eine besondere Freundschaft zwischen drei Außenseitern begeistert den Leser nicht nur optisch, mit einem wunderschön gestalteten Leinenumschlag und farblich passendem Lesebändchen, sondern auch durch seine leise Botschaft. Es geht um Toleranz und Ausgrenzung, um Freundschaft und Einsamkeit, um Achtung und Respekt. Dem Autor gelingt es, uns eine sanfte, liebevolle Geschichte zu erzählen, ohne ins Kitschige abzudriften. Sehr melancholisch, aber immer voller Hoffnung, auch in den traurigsten und schwierigsten Situationen bleibt immer ein Funken davon erhalten. Die Protagonisten sind sehr distanziert, wie in Japan üblich, es wird wenig geprochen, vieles bleibt ungesagt. Erst in den Briefen kommen die Emotionen zu Wort. Der Roman zeigt uns die japanische Mentalität ganz gut, die Scheu etwas zu benennen, die extreme Höflichkeit und, nicht zuletzt, die Liebe zu sorgfältig zubereiteten Speisen. Der letzte Punkt zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch und hat meinen Magen so manches Mal zum Knurren gebracht. Das Thema des Buches hat mich sehr berührt und ich denke noch oft an die drei Charaktere, die doch unterschiedlicher nicht sein könnten, die aber doch so gut zusammenpassen. Es fällt mir schwer zu beschreiben, was den eigentlichen Zauber dieses Buches ausmacht, man muss es einfach selbst lesen, um ihn zu erfahren.

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Veröffentlicht am 14.03.2023

Vorsicht Pfau!

Der Pfau
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Einer der Pfauen war verrückt geworden. Vielleicht sah er auch nur schlecht, jedenfalls hielt er mit einem Mal alles, was blau war und glänzte, für Konkurrenz auf dem Heiratsmarkt."

Ein charmant heruntergekommener ...

Einer der Pfauen war verrückt geworden. Vielleicht sah er auch nur schlecht, jedenfalls hielt er mit einem Mal alles, was blau war und glänzte, für Konkurrenz auf dem Heiratsmarkt."

Ein charmant heruntergekommener Landsitz, auf dem ein Pfau verrücktspielt, eine Gruppe Banker beim Teambuilding, eine ambitionierte Psychologin, eine schwungvolle Haushälterin mit gebrochenem Arm, eine patente Köchin, Lord und Lady McIntosh, die alles unter einen Hut bringen müssen, dazu jede Menge Tiere – da weiß bald niemand mehr, was eigentlich passiert ist.
Isabel Bogdan, preisgekrönte Übersetzerin englischer Literatur, erzählt in ihrem ersten Roman mit britischem Understatement, pointenreich und überraschend von einem Wochenende, das ganz anders verläuft als geplant. Chefbankerin Liz und ihre vierköpfige Abteilung wollen in der ländlichen Abgeschiedenheit ihre Zusammenarbeit verbessern, werden aber durch das spartanische Ambiente und einen verrückt gewordenen Pfau aus dem Konzept gebracht. Die pragmatische Problemlösung durch Lord McIntosh setzt ein urkomisches Geschehen in Gang, das die Beteiligten an ihre Grenzen führt und sie einander näherbringt. Ein überraschender Wintereinbruch, eine Grippe und ein Kurzschluss tun ihr Übriges. Isabel Bogdan verbindet diese turbulente Handlung auf grandiose Weise mit liebevoller Figurenzeichnung.

Isabel Bogdan, im Hauptberuf Übersetzerin, hat mit ihrem Roman ein wirkliches Kleinod geschaffen. Eine skurille, witzige, britische Komödie, die dem Leser ab dem ersten Satz ein Schmunzeln auf das Gesicht zaubert. Kein Klischee wird ausgelassen, keine Pointe vergessen. Durch das wunderschön gestaltete Cover und das besondere Format des Buches wird das Lesevergnügen nur noch mehr gesteigert. Wie bei einem Dominoeffekt passieren hier die Dinge, eben weil man alles verschweigt und verheimlicht. Die Autorin verwendet einen wunderbaren, leicht unterkühlten Schreibstil, der perfekt auf dieses leicht heruntergekommene Anwesen und zu den Protagonisten passt. Diese haben alle kleine Geheimnisse, die wunderschön zum Gelingen der Geschichte beitragen. Jeder einzelne Darsteller ist überspitzt gezeichnet und spielt eine spezielle Rolle in diesem Stück. Sogar der Hund kommt zu Wort! Mich hat das Buch von Isabel Bogdan hervorragend unterhalten und amüsiert! Mein Schmunzeln wird so schnell nicht vergehen und ich kann mir gut vorstellen, es nochmal zu lesen, wie ein gutes Theaterstück, das man sich immer wieder gerne ansieht. Ich hoffe, dass es nicht bei diesem einen Roman bleibt und vergebe sehr gerne fünf Sterne und eine absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 14.03.2023

Ein zauberhafter Roman

Die seltsame Reise mit meinem Bruder
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Nelly ist selbstständige Betreiberin eines Foodtrucks in Hamburg. An einem Morgen spürt sie schon beim Aufwachen, dass irgendetwas an diesem Tag nicht so verlaufen wird wie sonst. Und so ist es auch. An ...

Nelly ist selbstständige Betreiberin eines Foodtrucks in Hamburg. An einem Morgen spürt sie schon beim Aufwachen, dass irgendetwas an diesem Tag nicht so verlaufen wird wie sonst. Und so ist es auch. An ihrem Standplatz hat sich ein anderer Truck breitgemacht, der ebenfalls Sandwiches verkauft und bei dem die Kunden bereits Schlange stehen. Und als auch noch ihre Mutter anruft, um ihr mitzuteilen, dass sie im Garten gestürzt ist und längere Zeit im Krankenhaus und auf Reha sein wird, fällt ihre heile Welt entgültig in Trümmer. Denn da gibt es Nils, ihren autistischen Bruder, der nicht alleine zurechtkommt und um den sie sich kümmern muss. 500 km von Hamburg entfernt. Schweren Herzens beschließt Nelly hinzufahren, um ihre Pflicht zu erfüllen. Zusammen mit Nils macht sie sich auf die Reise zu einer Hochzeit nach Schottland und lernt sich und ihren Bruder ganz neu kennen.
Ein heiteres, aber durchaus auch ernstes Buch, das ich kaum mehr aus der Hand legen konnte. Es ist sehr schön geschrieben, mit wunderschönen Beschreibungen der englischen Landschaften, detaillierten Ausführungen übers Kochen, die mir das Wasser im Munde zusammenlaufen ließen. Schön auch die vielen Kochrezepte in jedem Kapitel und der jeweilige Spruch des Tages. Die einzelnen Charaktere sind gut dargestellt und man kann sich gut mit ihnen identifizieren. Nelly übernimmt Verantwortung und man glaubt es ihr auch, obwohl es ihr Leben extrem beeinträchtigt. Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen, er hat mich auch zum Nachdenken gebracht und ich kann ihn nur empfehlen.

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