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Veröffentlicht am 10.04.2023

Mehr als nur eine gruselige Geschichte

Der Geisterbaum
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Lauren versucht mit den Veränderungen in ihrem Leben klarzukommen. Das ihr Vater vor einem Jahr ermordet im Wald gefunden wurde, hilft ihr nicht dabei. Als dann auch noch zwei Mädchen brutal ermordet im ...

Lauren versucht mit den Veränderungen in ihrem Leben klarzukommen. Das ihr Vater vor einem Jahr ermordet im Wald gefunden wurde, hilft ihr nicht dabei. Als dann auch noch zwei Mädchen brutal ermordet im Garten einer Nachbarin gefunden werden, beginnt sie zu begreifen, dass in Smiths Hollow mehr geschieht, als auf den ersten Blick scheint.

Der Penhaligon Verlag gibt sich mit den Covern und auch dem Buchschnitt zu den Büchern von Christina Henry immer so viel Mühe. Die sehen so wunderbar aus, ich bin richtig verliebt darin. 😊
Zum Glück sind die Geschichten der Autorin auch gut, sonst hätte ich ein kleines Problem, denn ein Buch kaufen nur weil der Buchschnitt so toll aussieht? Albern, oder? 😉
Lauren ist genau in dem Alter, in dem man feststellt, dass man kein Kind mehr ist, aber auch noch nicht richtig erwachsen. Freundschaften vergehen, neue entstehen und zu allem Überfluss verändert sich auch noch der Körper. Und genau zu diesem Zeitpunkt passieren die Morde an den zwei Mädchen. Und dass Lauren eine seltsame Verbindung dazu hat, verwirrt sie auch zunächst mehr, als das es ihr hilft.
Ihr merkt schon, dieses Buch ist mehr als nur eine einfach gruselige Geschichte über ein Monster, dass Mädchen umbringt.
Und genau das hat mir gefallen. Die Idee erscheint mir nicht neu – eine Stadt, die von dem Morden an den Mädchen nichts wissen möchte und ihr Leben weiterlebt. Und dazu noch ein unbekanntes Monster, dass im Wald lebt. Aber wie immer bin ich erstaunt und freudig überrascht, was Christina Henry aus dieser nicht neuen Idee erschaffen kann.
Lauren und ihre Mutter, die eine schwierige Mutter-Teenager-Beziehung führen, scheinen ganz normal zu sein und doch ist da mehr.
Ich mochte es, dass die Autorin scheinbar alltägliche Dinge so fließend in ihre Geschichte einfließen lässt und daraus einen neuen Horror gestalten kann.
Lauren gefällt mir sehr gut, denn sie hat einerseits mit den normalen Teenagerproblemen zu kämpfen, aber andererseits tritt sie mutig für die ein, die sich nicht wehren können.
Auch die anderen Charaktere, die Gehör im Buch finden, wie zum Beispiel Officer Alex fand ich toll gezeichnet.
Das Buch wird aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt und so konnte ich als Leserin viel mehr erfahren und war über alles gut informiert. Auch dieser kurze Rückblick, zu den Anfängen von Smith Hollows fand ich sehr gelungen und an passender Stelle eingebunden.
Die ist das erste Buch von Christina Henry das ich gelesen habe, dass keine Adaption einer existierenden Geschichte war und auch das gelingt ihr ausgezeichnet. Vielleicht löst sich am Ende alles ein wenig zu schnell auf, aber da es in dem Buch um mehr als das Monster und die Morde geht, ist das vollkommen in Ordnung.

Mein Fazit: Eine Geschichte, die keine Adaption ist, aber trotzdem nicht ganz neu wirkt, aber trotzdem hat Christina Henry etwas eigenes erschaffen und eine gruselige Welt rund um die Stadt Smiths Hollow geschrieben. Mir haben die Charaktere sehr gefallen und wie sich am Ende alles aufgelöst hat. Eine rundum stimmige Geschichte, die mir gut gefallen hat und ich auf jeden Fall weiterempfehlen würde.

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Veröffentlicht am 18.03.2023

Im Großen und Ganzen gut

Crescent City – Wenn das Dunkel erwacht
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Bryce ist halb Mensch und halb Fae und lebt in Crescent City. Für sie ist es nicht immer leicht in dieser Welt der Wanen, in der auch Gestaltwandler oder Engel leben, zurecht zu kommen. Besonders, weil ...

Bryce ist halb Mensch und halb Fae und lebt in Crescent City. Für sie ist es nicht immer leicht in dieser Welt der Wanen, in der auch Gestaltwandler oder Engel leben, zurecht zu kommen. Besonders, weil sie nicht sagen darf, wer ihr Vater ist. Und als dann auch noch ein brutalter Mord an ihrer besten Freundin verübt wird, bricht für sie eine Welt zusammen.

Die Printausgabe sieht echt toll aus, im Gegensatz zum eBook. Aber da ich mir nicht sicher war ob ich die Geschichte mag, ist es auf dem eReader eingezogen.
Und ja, ich mag das Buch. Die Autorin hat einen tollen Schreibstil und konnte mich damit direkt fesseln. Sie beschreibt diese Welt in der Menschen, Engel, Gestaltwandler, Fae und noch viele andere Seite an Seite leben ganz wunderbar und ich konnte mir alles sehr gut vorstellen. Einzig etwas nervig fand ich, dass alle so verdammt gut aussehen müssen. Jeder Mann hat einen durchtrainierten, muskulösen Oberkörper und auch die Frauen sind alle schlank und sexy. Das ist so total unrealistisch. Ja, es ist ein Fantasybuch, aber trotzdem müssen nicht immer alle nur gut aussehen.
Im Grunde mochte ich Bryce schon, denn sie ist unabhängig und lebt ihr leben. Zwar etwas zu übertrieben zu Beginn, aber später bekommt sie es doch ganz gut in den Griff. Sie sieht natürlich auch sehr gut aus und trägt immerzu kurze Kleider und High Heels. Was ich ganz gut fand, ist das sie mit diesem Image etwas spielt und bewusst die Leute in ihrer Umgebung so im Unklaren lässt. Man soll halt nicht direkt vom Äußeren auf den Charakter schließen. Allerdings kann sie das genauso gut, obwohl sie das bei anderen kritisiert. Nicht jede*r ist perfekt. 😉
Aber auch Hunt, ein weiterer wichtiger Charakter im Buch mochte ich. Er ist ein muskelbepackter Engel, der zusammen mit Bryce einen Mordfall auflösen soll. Hier wird es dann so langsam spannend, denn dieser Kriminalfall in der Geschichte konnte mich sehr packen.
Diese Liebes-Hass-Geschichte zwischen Hunt und Bryce dagegen so gar nicht. Das war immer schon so offensichtlich, dass ich einfach nur hätte schreien können. Hier hat das locker, lustige, was die Autorin wahrscheinlich reinbringen wollte, gefehlt. Es war einfach nur wahnsinnig nervig!
Von dieser nervige Liebesanbandelei und dem äußerst spannenden Mordfall abgesehen, konnte sich die Autorin manchmal etwas in Alltäglichem verlieren und so war der Anfang des letzten Drittel zunächst etwas langatmig. Allerdings wurde es dann doch wieder so richtig aufregend und das hat diesen langatmigen Teil dann wieder wett gemacht.
Mit einigen Wendungen hätte ich so gar nicht gerechnet und war dann über die Auflösung doch überrascht.
Und auch wenn ich einiges zu bemängeln habe, habe ich mir doch den zweiten Teil gekauft. Denn irgendwie konnte mich die Geschichte doch so weit packen, dass ich wissen möchte wie es weitergeht.

Mein Fazit: Ich war beim Lesen immer wieder hin und her gerissen zwischen großer Spannung, gefühlvollen Emotionen oder genervtem Augenrollen. Also für alles war was dabei. Und da die Spannung und die Emotionen doch überwogen, mochte ich das Buch. Die nervigen Stellen kann man ja getrost überblättern. 😉
Wer eine tolle Fantasywelt mit spannendem Mordfall sucht, sollte unbedingt mal in das Buch hineinschauen.

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Veröffentlicht am 13.02.2023

Sprachlich was anderes

Blutbuch
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Die Ich-Figur in diesem Buch versucht sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, nachdem die Großmutter an Demenz erkrankt ist. Warum kann sich das Ich nur bruchstückhaft an die eigene Kindheit erinnern? ...

Die Ich-Figur in diesem Buch versucht sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, nachdem die Großmutter an Demenz erkrankt ist. Warum kann sich das Ich nur bruchstückhaft an die eigene Kindheit erinnern? Warum schweigen Großmutter und Mutter über bestimmte Dinge?

Das Cover ist wirklich sehr farbenprächtig und springt mit seinen Rot- und Blautönen richtig ins Auge. Ansonsten bin ich kein so großer Fan davon.
Aber von dem Buch dafür umso mehr.
Kim de l’Horizon beschreibt zum Teil die eigene Vergangenheit und wie es ist, wenn sich mensch weder als Frau noch als Mann fühlt. Sehr lange brauchte die Ich-Figur, um sich aus den Strukturen von Großmutter und Mutter zu lösen und sich im non-binären Körper wohlzufühlen.
Gerade die Beschreibungen der Kindheit haben mich sehr mitgenommen. Die allseits präsente Großmutter, die irgendwie alles überschattet nimmt sehr viel Raum ein. Und das Kind fühlt einerseits Angst und andererseits auch Zuneigung.
Aus diesem Grund ist die Meersprache (Muttersprache) sehr wichtig und überall zu finden. Auch als das Kind größer wird und Hochdeutsch schreiben und sprechen soll, kommt es von der Meersprache nicht los. Die Mütter sind ein großer und wichtiger Teil des Lebens und doch findet sich im Stammbaum nur die väterliche Linie.
Deshalb ist es auch so interessant zu erfahren, was mit der weiblichen Blutslinie ist und auch dieser Teil nimmt einen großen Platz in dem Buch ein.
Einige Stellen sind so geschrieben, dass es vollkommen egal ist ob mensch sich ebenso als non-binäre Person fühlt oder nicht. Die Suche nach der eigenen Identität stehe im Vordergrund, vor allem als Kind bzw. Jugendliche*r weiß mensch nicht immer wo mensch hingehört.
Kim de l’Horizon setzt sich in dem Buch sehr viel mit Sprache auseinander und jedes Wort wird auf das genauste geprüft und bis ins Kleinste auseinandergepflückt, sodass aus einer vielleicht bekannten Redewendung etwas vollkommen Neues wird.
Der Stil des Buches ist für mich nirgendwo einzuordnen und war etwas vollkommen Neues. Wie gesagt konnte ich an vielen Stellen mitfühlen, aber genauso waren einige Stellen deshalb nicht so einfach für mich nachzuvollziehen.
Wenn Kim zum Bespiel beschreibt, wie sich die Ich-Person im Erwachsenenleben fühlt und die eigene Sexualität auslebt. Manchmal passte das für mich nicht so recht in das Buch, bzw. in den Lauf der Geschichte. Aber auch das alles gehört wohl doch dazu und ist wichtig, um zu begreifen, wie die Ich-Person fühlt und lebt.

Mein Fazit: Ein Buch, dass mir die Bedeutung der Sprache nochmal richtig deutlich gemacht hat, wenn die Ich-Person zum Beispiel das Wort man durch mensch ersetzt. Mir wurde bewusst, wie viel wir noch an uns arbeiten müssen, damit es für alle auf der Welt einfacherer wird sich frei zu entfalten. Obwohl es nicht immer leicht war Kim de l’Horizon zu folgen, war das Lesen dieses Buch für mich eine Bereicherung und ich bin froh das Leseerlebnis nicht verpasst zu haben. Um seinen eigenen Horizont zu erweitern kann ich dieses Buch nur empfehlen!

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Veröffentlicht am 11.01.2023

Interessante Geschichten

Geschichten aus der Heimat
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Ich mag die Bücher von Dmitry Glukhovsky sehr gerne und so war es für mich auch nicht ungewöhnlich, dass ich auch seine Anthologie Geschichten aus der Heimat lesen wollte.

Ich mag das rot des Covers ...

Ich mag die Bücher von Dmitry Glukhovsky sehr gerne und so war es für mich auch nicht ungewöhnlich, dass ich auch seine Anthologie Geschichten aus der Heimat lesen wollte.

Ich mag das rot des Covers sehr gerne, denn es ist ein wirklich tolles rot. Ansonsten ist das Cover etwas chaotisch und man muss schon genau hinsehen. Von daher passt es sehr gut zu den Geschichten im Buch, denn diese sind auch nicht immer geradeheraus und bei der ein oder anderen muss man zwischen den Zeilen lesen um sie verstehen zu können.

„Auch ich habe für mein Sprechen über das Schicksal meines Vaterlands das Genre der literarischen Metapaher, des literrarischen politischen Witzes gewählt und ihn wie ein Mosaik aufgebaut: In jeder der hier veröffentlichten Geschichten wird, wie in Splittern eines zerbrochenen Spiegels, ein winziges Stück meines Landes ersichtlich.“ S. 11/12 – Vorwort von Dmitry Glukhovsky

Der Autor

Seine wohl bekannteste Reihe ist wohl seine Metro-Trilogie. Es geht darum, dass die Menschen nach einem Krieg in den U-Bahn-Tunneln leben müssen. Eine Zukunftsvision, die leider nur zu wahr sein kann.
Aber auch seine anderen Bücher scheinen immer einen Funken Zukunft zu beinhalten oder sie handeln direkt davon, was leider in Russland schiefläuft. Aus diesem Grund musste der 1979 in Moskau geborene Schriftsteller auch im März 2022 sein Land verlassen und darf nicht mehr einreisen.
Ich persönlich wurde auf Dmitry Glukhovsky durch seinen Roman Text aufmerksam. In diesem Buch geht es um Ilja, der sieben Jahre zu Unrecht im Straflager verbringen musste. Als er endlich entlassen wird ist für ihn nichts mehr so wie es vorher war und im Affekt tötet er den Fahnder, der ihn damals hinter Gitter gebracht hat.
Ein wahnsinnig interessantes Buch, dass politische Willkür, sinnlose Rache, aber auch ein glasklar gezeichnetes Russland beschreibt.
Auf jeden Fall ist der Autor ein sehr sympathischer und netter Mensch, der sein Heimatland liebt und deshalb die Missstände dort anprangert.
Kurz angerissen, versucht er in seinem Vorwort zu Geschichten aus der Heimat herauszufinden, warum Russland so ist wie es ist. Doch um das genau festzustellen, bedarf es wohl mehr als 5 Seiten. Trotzdem hoch interessant.

Hat mir besonders gut gefallen

Um ehrlich zu sein fällt es mir ausgesprochen schwer eine Geschichte besonders hervor zu heben, denn alle Geschichten haben etwas verworrenes, was mir nicht so klar war. In den meisten Geschichten geht es um Macht und wie sie missbraucht oder benutzt wird.
Ganz deutlich wird das zum Beispiel in „Die Offenbarung“, die mir gut gefallen hat. Hier geht es um Walerik geht, der sich ein Rubbellos holt und damit eine Million Rubel gewinnt. Damit erkauft er sich einen Job in der Verwaltung, eher zufällig zunächst, aber dann hat er den Dreh raus.

„Ich gratuliere Ihnen natürlich“, sagte der Chef matt. „Aber Sie haben viel Arbeit vor sich. Einen Monat kriegen Sie, um sich umzusehen, und ab dem nächsten werden Sie je die Hälfte in den Lift legen.“
„Die Hälfte wovon?“, fragte Walerik verlegen.
„Von einer Million. Jeden Monat“, erklärte ihm der müde Präfekt geduldig.“ S. 377 – Die Offenbarung

Erschreckend wenn man bedenkt, dass es vielleicht nicht genau so funktioniert, aber die Korruption trotzdem einen großen Teil der Verwaltung ausmacht.
Sehr gerührt hingegen hat mich die Geschichte Ein Jahr wie drei. Andrej wurde von seiner Frau verlassen und das kurz vor seinem und ihrem 50. Geburtstag. Als es ihm nicht so gut geht, geht er zunächst davon aus, dass es am Alkohol des Vortages liegt, aber dem ist leider nicht so.
Andrej ist eine traurige Gestalt, denn eigentlich möchte er seine Frau Tanja wieder zurück haben, da er auch endlich eine Gehaltserhöhung bekommen hat und einen schönen Urlaub geplant hat. Doch leider kommt alles anders und wieder mal mahlen die Räder Russland nicht für die kleinen Bürger.
Noch erwähnen möchte ich hier From Hell. Eine Geschichte in der es um die Ressourcen von Russland geht und wie dieses auf ihnen sitzt. Professor Gotlib macht eine erstaunliche Entdeckung, aber als er davon berichten möchte, wird alles daran gelegt, dass er es nicht tut. Sogar seine Enkelin gerät in Gefahr. Doch was mir hier imponiert hat, so leicht ließ er sich nicht unterkriegen.

Hat mir nicht so gut gefallen

Ich fürchte hier kann ich leider wirklich keine Geschichte nennen, denn viele der einzelnen Geschichten verschwimmen in eine und lassen sich schwer voneinander trennen. Die Namen ähneln sich und so hatte ich das Gefühl nicht mehrere einzelne Geschichten zu lesen, sondern eine große zusammenhängende.
Ich glaube um das Buch verstehen zu können, muss man es gelesen haben.

Fazit

Nicht immer leicht zu lesen bzw. zu verstehen waren die 20 Geschichten von Dmitry Glukhovsky. Wie schon erwähnt war ein Grund, weil sich die Namen ähnelten und ich aber auch nicht immer ganz sicher in russischer Geschichte bin.
Trotzdem konnte mich seine Geschichten teilweise abholen und erschrecken oder rühren. Eine Anthologie, die man nicht einfach mal so lesen kann und bei der man auch wirklich die Reihenfolge der Geschichten beibehalten sollte, ansonsten verliert man vollends den Überblick.
Ein kompliziertes, aber interessantes Buch.

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Veröffentlicht am 06.11.2022

Interessantes Sachbuch

Der Horror der frühen Chirurgie
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Heutzutage machen sich viele Menschen keine großen Gedanken mehr, wenn es um Schönheitsoperationen geht. Aber die plastische Chirurgie hat ihren Ursprung im Ersten Weltkrieg, und zwar aus ganz furchtbaren ...

Heutzutage machen sich viele Menschen keine großen Gedanken mehr, wenn es um Schönheitsoperationen geht. Aber die plastische Chirurgie hat ihren Ursprung im Ersten Weltkrieg, und zwar aus ganz furchtbaren Gründen. Dieses Buch erzählt davon und von Harold Gillies, dem Pionier in Sachen Gesichtschirurgie.

Das Cover gefällt mir sehr gut, genauso wie auch das Cover von ihrem ersten Buch zum Thema Medizin. Nur das dieses hier blau ist anstatt rot.
Das Buch war wieder, wie auch das erste Buch von Lindsey Fitzharris, sehr gut geschrieben. Sie recherchiert zu dem Thema sehr gut und verpackt das in einer anschaulichen Geschichte. Wobei Geschichte hier das falsche Wort ist, denn es ist und bleibt ein Sachbuch, dass informiert und manchmal auch schockiert.
Zunächst befand ich mich zusammen mit dem Soldaten Percy Clare in Cambrai. Ich erlebe mit, wie es ist unter Beschuss zu stehen und wie eine Kugel durch Percys Wange schießt. Nun scheint alles vorbei zu sein, denn ein Soldat, der im Gesicht verletzt wird, hat keine große Chance auf Heilung.
Ein Glück für die Soldaten, dass es Männer wie Gillies gab, die unermüdlich darum gekämpft haben, aus den Gesichtsverstümmelten wieder Menschen zu machen.
Ich habe sehr mitgelitten, als ich gelesen habe, wie die Männer damals behandelt wurden, nachdem sie aus dem Krieg wieder zurückgekehrt wurden. Nicht nur, dass es natürlich für einen selbst traumatisch und schwierig ist mit einer Verletzung im Gesicht weiterzuleben. Nein, es wurden teilweise Verlobungen aufgelöst, Kinder hatten Angst vor ihren Vätern und die Öffentlichkeit wendete sich von einem ab. Und trotzdem gebe ich zu, dass ich ganz froh war, dass es keine Fotos in dem Buch gab. Aber mehr, weil ich sonst bestimmt noch mehr mitgelitten hätte.
Gillies hingegen hat mich tief beeindruckt. Er wird von der Autorin als netter, lebenslustiger Mensch beschrieben, der immer ein Lächeln für seine Patienten hatte und den Menschen hinter der Verletzung gesehen hat. Und trotzdem ist es seinem Ehrgeiz geschuldet, dass die plastische Chirurgie vorangeschritten ist, denn mit den vielen neuen Waffen im Militär, mussten auch neue Methoden entwickelt werden, um die Menschen zu heilen.
Natürlich war er das nicht alleine, denn viele andere Mediziner oder auch nicht Mediziner standen ihm zur Seite oder haben ihm Anreize geliefert, wie man den Soldaten des Ersten Weltkrieges helfen konnte.
Einzig ein wenig gestört hat mich, dass ich öfter mal das Gefühl hatte als würde ich Sätze zweimal lesen. Vieles ähnelte sich und da die Autorin nicht immer chronologisch erzählt hat, weil sie zum Beispiel jemand vorgestellt hat, der/die auch damals praktiziert hat, tauchten manche Dinge eben mehrmals im Text auf. Diese redundanten Stellen fand ich als Leserin nicht spannend.
Ansonsten war ich aber wie gesagt von der Bandbreite an Wissen geplättet und habe wirklich vieles neues erfahren. Ein sehr informatives Buch.

Mein Fazit: Auch wenn ich an einigen Stellen ein Déjà-vu Gefühl hatte, weil der Satz so oder so ähnlich bereits einige Seiten vorher auftauchte, bin ich sehr begeistert von diesem Buch. Ich habe mit den Soldaten mitgelitten und habe gehofft, dass sie das Glück haben zu Gillies zu kommen. Ein wahnsinnig interessanter Mensch, der sich sein Leben lang für die Belange seiner Patienten einsetzte und immer versucht hat dem Menschen hinter der Fassade zu helfen. Wer sich für Medizin interessiert, sollte sich unbedingt dieses Buch ansehen. Eine Empfehlung von mir!

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