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Veröffentlicht am 27.04.2023

Informative und aufwühlende Geschichte über eine Glaubensgemeinschaft voller Zwänge und den Versuch des Ausbruchs dreier Frauen.

Drei Schwestern
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Alice nennt sich seit einigen Jahren Zelda und ist eine selbstbewusste, rebellische Frau, die ihr Leben freizügig lebt und sich vor allem von Männern nichts mehr sagen lassen, sondern sie dominieren möchte. ...

Alice nennt sich seit einigen Jahren Zelda und ist eine selbstbewusste, rebellische Frau, die ihr Leben freizügig lebt und sich vor allem von Männern nichts mehr sagen lassen, sondern sie dominieren möchte. Sie redet sich zumindest ein, in Beziehungen die Oberhand zu haben und die Vergangenheit hinter sich gelassen zu haben, doch ein Trauma, das sie als Jugendliche erleben musste, belastet sie immer noch schwer.
Jen ist nach einer Fehlgeburt, die selbst nur knapp überlebte, und der Trennung von ihrem Mann, allein. Statt Zuneigung und Unterstützung werden ihr Vorwürfe für eine Entscheidung gemacht, die ihr das Leben gerettet hat. Trotz der Demütigung schafft sie es nicht, sich von ihren Peinigern loszusagen, sondern nimmt die Bestrafung an, um wieder dazugehören zu können.
Isobel war ihr ganzes Leben die perfekte Ehefrau und hat sich für die Gemeinschaft aufgeopfert. Als ihr Ehemann sie nach über 30 Jahren für eine andere Frau verlässt, fühlt sie sich ausgestoßen und kann ihren Aufgaben nicht wie gewohnt nachkommen, wodurch sie noch weiter isoliert wird.
Alle drei Frauen sind unterschiedlich, haben jedoch gemeinsam, dass sie alle in einer religiösen Gemeinschaft aufgewachsen sind, die ihr Leben auf irgendeine Weise dominiert. Während Zelda sich losgesagt hat, sind Jen und Isobel unfreiwiilig Ausgeschlossene, die auf der Suche nach Halt sind und sich kaum aus dem Würgegriff der Sekte befreien können, in dem die Männer im Namen des Herrn sie festhalten.

Wie schon in "Eine ganze Liebe lang" verarbeitet Jodie Chapman einen Teil ihrer Biographie und erzählt aus erster Hand, wie es ist, unter den Zeugen Jehovas aufzuwachsen. Die fiktive Geschichte über die "drei Schwestern" wirkt deshalb besonders authentisch und verstörend.

Der Roman wird aus den Perspektiven von drei Frauen geschildert, die ähnliche Erfahrungen mit der von Männer dominierten, extrem bibelfesten und gottesfürchtigen Gemeinschaft gemacht haben. Rückblenden in die Vergangenheit erzählen zudem, dass sich Jen und Zelda noch aus ihrer Kindheit kennen und was zum Bruch von Zelda mit der Religionsgemeinschaft und damit auch mit ihrer Familie geführt hat.
Allen dreien Biographie ist gemein, dass die Frauen für Dinge beschuldigt und bestraft werden, über die sie keine Kontrolle hatten. Das Gebaren der Ältesten und der konformen Glaubensbrüder und -schwestern ist erschütternd und macht wütend. Hier zählt nicht die Wahrheit, sondern wie Männer Worte auslegen. Es ist kaum nachvollziehbar, dass sich Frauen wie Jen und Isobel trotz ungerechter Behandlung danach sehnen, wieder in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Dies zeigt nur, wie effektiv die Indoktrination ist, die sie Zeit ihres Lebens erlebten und die sie erfolgreich von den Weltlichen isolierte. Ohne die Gemeinschaft stehen die Frauen vor dem Nichts.
Anschaulich wird geschildert, wie viel Macht die Sekte über ihre Mitglieder und selbst die Ausgeschlossenen noch hat und wie durch willkürliche Auslegung der Bibel Machterhalt durchgesetzt wird. So manche Episode, die eindrücklich das frauenfeindliche Weltbild beschreibt, erscheint geradezu lächerlich. So ist eine Frau gezwungen ein Geschirrtuch über den Kopf zu ziehen, wenn sie anstatt des Mannes das Tischgebet spricht.

"Drei Schwestern" gibt einen sehr informativen und aufwühlenden Eindruck über das Leben in einer Sekte und schildert gleichzeitig eine fiktive Geschichte über drei Frauen, die durch die Mitgliedschaft in dieser Religionsgemeinschaft als Schwestern verbunden sind und nach vielen negativen, enttäuschenden, Vertrauen zerstörenden Erlebnissen Kraft in sich selbst finden müssen, um sich zu befreien, mit allem zu brechen, was sie bisher kannten, um neu anzufangen. Es ist eindrucksvoller, einfühlsam und lebendig geschriebener Roman, der Mut macht. Gebannt verfolgt man, wie die drei Frauen in ihrem eigenen Tempo gegen die herrschenden Zwänge aufbegehrt, aber nicht jede von ihnen am Ende die Kraft dafür hat, mit ihrem Glauben zu brechen.

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Veröffentlicht am 19.04.2023

Berührende und hoffnungsvolle Geschichte über eine Frau zurück auf ihrem Weg ins Leben

Und morgen ein neuer Tag
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Meredith Maggs ist knapp 40 Jahre alt und lebt allein mit ihrem Kater Fred in Glasgow. Sie arbeitet als Texterin, kocht, backt und puzzelt leidenschaftlich gern. Ab und an kommt ihre Freundin Sadie zu ...

Meredith Maggs ist knapp 40 Jahre alt und lebt allein mit ihrem Kater Fred in Glasgow. Sie arbeitet als Texterin, kocht, backt und puzzelt leidenschaftlich gern. Ab und an kommt ihre Freundin Sadie zu Besuch, regelmäßig erhält sie Tesco-Lieferungen und fühlt sich in ihrer kleinen Höhle mit ihrem durchstrukturierten Tagesablauf wohl. Für Meredith besteht keine Notwendigkeit ihr Häuschen zu verlassen - was sie seit über drei Jahren nicht mehr getan hat. Eine Therapeutin hilft ihr, kleine Schritte nach draußen zu machen, ein Ehrenamtlicher kommt nun regelmäßig vorbei und über ein Selbsthilfeforum lernt Meredith eine junge Frau kennen, mit der sie sich online anfreundet. Meredith ist trotz ihrer selbst gewählten Isolation nicht allein und findet trotz der Schatten der Vergangenheit die Motivation, zurück ins Leben zu finden.

Der Roman erzählt in kurzen Kapiteln von den Tagen, die Meredith zu Hause verbringt und ist dabei ganz und gar nicht eintönig. Meredith ist kein verschrobener Mensch, der Mitleid weckt. Sie ist eine liebenswerte und trotz aller Hemmnisse eine starke Frau, die ihren Alltag managt und viel Empathie für ihre Mitmenschen empfindet.
Durch Rückblenden in ihre Kindheit und Jugend erfährt man mehr über ihre Familie und wie das Verhalten ihrer Mutter sie geprägt hat und von einem Schlüsselerlebnis, das letztlich zu ihrem sozialen Rückzug geführt hat. Durch dieses Trauma leidet Meredith an einer Angststörung und bekommt Panikattacken, wenn sie nur daran denkt, das Haus zu verlassen.

Ihre Situation wird einfühlsam und anschaulich geschildert. Es fällt leicht, sich in Meredith hineinzuversetzen und nachzuvollziehen, warum sie ihre Komfortzone nicht verlässt. Telearbeit, Onlineshopping und moderne Kommunikation machen dies auch gar nicht nötig, was auf der einen Seite den Alltag erleichtert, andererseits aber auch beklemmend ist. Durch das soziale Netz, das sich Meredith aufgebaut hat und ihre verständnisvollen und einfühlsamen Freunde ist Meredith vielleicht allein, aber nicht einsam.

Es ist erhebend zu sehen, welche Fortschritte Meredith langsam durch ihre neuen Kontakte macht, wie sie trotz Rückschlägen nicht aufgibt und in kleinen Schritten den Weg zurück in ein freieres Leben finden kann. Ihre Geschichte aus der Ich-Perspektive wirkt authentisch, ist berührendend und hoffnungsvoll. Die Zeitsprünge sind nicht störend, sondern sorgen für Spannung, um Meredith und ihr Trauma nach und nach zu ergründen.

Es ist eine emotionale Geschichte ohne eine Liebesgeschichte zu sein, bewegend ohne dramatisch oder kitschig zu sein und trotz der ungewöhnlichen Ausgangssituation ein glaubwürdiges Szenario. Es ist eine Geschichte über Verwundbarkeit, Familie und Freundschaft mit einer facettenreichen Hauptfigur und ihren komplexen Beziehungen, die man von Anbeginn ins Herz schließt.
"Und morgen ein neuer Tag" entwickelt sich nachvollziehbar behutsam, kommt ohne Paukenschlag aus und weiß dennoch durchgängig zu fesseln.

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Veröffentlicht am 29.03.2023

Eine liebevoll illustrierte, herzerwärmende Geschichte über Freundschaft und die Abenteuer des Lebens, die Ängste nimmt, Mut macht und Hoffnung schenkt.

Die Reise
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Großer Panda und Kleiner Drache leben in einem etwas in die Jahre gekommenen Tempel auf einem hohen Berg, wo sie Tee trinken und gemeinsam die Tiere oder die Sterne beobachten. Kleiner Drache weiß, dass ...

Großer Panda und Kleiner Drache leben in einem etwas in die Jahre gekommenen Tempel auf einem hohen Berg, wo sie Tee trinken und gemeinsam die Tiere oder die Sterne beobachten. Kleiner Drache weiß, dass er sich eigentlich glücklich schätzen sollte, spürt jedoch, dass ihm etwas fehlt. Großer Panda findet, dass es wichtig ist, sich zu spüren, dass man offen für Veränderungen und neue Wege sein sollte und schlägt Kleiner Drache deshalb eine Reise vor. Kleiner Drache ist zunächst skeptisch, da er für die Reise ins Ungewisse fast alle seine Besitztümer zurücklassen und den Tempel verlassen muss, doch Großer Panda überzeugt ihn:

"Alles, was du brauchst, ist bereits in dir".

"Großer Panda und Kleiner Drache: Die Reise" ist die Fortsetzung des illustrierten Buches über die beiden Freunde "Großer Panda und Kleiner Drache". Bei dem zweiten Band handelt es sich im Vergleich zur ersten Ansammlung von Weisheiten und passenden Tuschezeichnungen um eine vollständige Erzählung.

Das Buch besteht wieder auf fast jeder Seite aus ausdrucksstarken Zeichnungen und kurzen Zeilen, die nachdenklich stimmen. Die Gestaltung der Illustrationen ist passend zu den Texten und der Stimmung in der Geschichte. Wenn Kleiner Drache traurig und unsicher ist und die beiden Freunde in Gefahr geraten, sind die Bilder Schwarz-Weiß gehalten, hektisch und düster. Bei schönen Episoden, innigen Zeichen der Freundschaft und Lebensfreude sind die Bilder farbenfroh und mit mehr Liebe zum Detail gestaltet.

Es ist ein illustriertes Buch für Erwachsene, das viele weise Botschaften enthält, ohne zu philosophisch zu sein. Die Texte sind kurz und leicht verständlich und sehr dialoglastig. Kleiner Drache stellt immer wieder Dinge in Frage, zweifelt und ist unsicher und Großer Panda gibt ihm Halt und schenkt ihm mit Worten Hoffnung. Er scheint auf alles eine Antwort zu haben.

Beide lernen auf ihrer Reise, dass Veränderungen und Herausforderungen ein Teil des Lebens sind und für ein Fortkommen unerlässlich sind.

"Große Veränderungen erfordern große Bemühungen".

Es braucht Mut, sich ihnen zu stellen, aber gemeinsam ist schaffbar.

"Angst zu haben ist ganz natürlich (...) Angst bewahrt dich nicht davor zu sterben, aber sie kann dich davon abhalten zu leben."

Es ist eine herzerwärmende Geschichte über Freundschaft und die Abenteuer des Lebens, die Ängste nimmt, Mut macht und Hoffnung schenkt. Das Buch ist sowohl zum selber lesen, zum Vorlesen, aber auch bestens als Geschenk geeignet. Es lässt zur Ruhe kommen und inneren Frieden finden. Die beiden Tiere beweisen, dass es nicht viel auf der Welt braucht um glücklich zu sein und wenn man unglücklich ist, einen neuen Weg einschlagen muss.

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Veröffentlicht am 11.03.2023

Warmherziger Roman über einen Ort voller Mut und Menschlichkeit in dunklen Zeiten, der die heilende Wirkung von Büchern demonstriert.

Die Bibliothek der Hoffnung
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Während des Zweiten Weltkrieges dient die U-Bahn-Station Bethnal Green in London als Luftschutzbunker, da noch nicht alle Tunnel fertiggestellt worden sind. Die Station bietet nicht nur eine Zuflucht, ...

Während des Zweiten Weltkrieges dient die U-Bahn-Station Bethnal Green in London als Luftschutzbunker, da noch nicht alle Tunnel fertiggestellt worden sind. Die Station bietet nicht nur eine Zuflucht, sondern auch eine Heimat für Menschen, deren Wohnungen zerstört und die Angehörige verloren haben. Über die Kriegsjahre hat sich ein regelrechtes Dorf und eine eingeschworene Gemeinschaft entwickelt. Neben einer Krankenstation, einem Kindergarten und einem Theater gibt es eine Bibliothek, die von der ehemaligen Kinderbibliothekarin Clare Button voller Hingabe geleitet wird. Zusammen mit ihrer offenherzigen Freundin Ruby Munroe bietet sie vor allem Frauen und Kindern in diesen schweren Zeiten eine warmherzige Anlaufstelle und Ablenkung durch Bücher. Die beiden unterschiedlichen Frauen sind Freundinnen, Sozialarbeiterinnen, Ratgeberinnen und Lehrerinnen zugleich und sind trotz ihrer guten Absichten immer wieder gezwungen, sich gegen verstaubte patriarchale Strukturen durchzusetzen. Sie finden Trost in ihrer Arbeit, denn auch sie haben Traumatisches erlebt und müssen Verluste verarbeiten und können von ihren verbliebenen Familienangehörigen nur wenig Halt erfahren.

"Die Bibliothek der Hoffnung" versetzt die/ den Leser*in in das letzte Kriegsjahr 1944 nach London, wobei der Schauplatz in der stillgelegten U-Bahn-Station ein ungewöhnlicher Ort ist, wo die unterschiedlichsten Menschen zusammenkommen.
Das Buch handelt von starken Frauenfiguren, die während des Krieges Großartiges leisten. Trotz aller Erschwernisse mit knappen Ressourcen und Männern, die eine Gefahr in der Weiterbildung und zunehmenden Unabhängigkeit der Leserinnen wittern, hält Clara Button zusammen mit ihrer Freundin Ruby eine Bibliothek am Laufen und bietet damit vielen Menschen Ablenkung und einen Halt in dieser unsicheren Zeit.

Abwechselnd aus der Perspektive von Clara oder Ruby geschildert, taucht man regelrecht unter und kann sich in die Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht, anschaulich einfinden. Der Schreibstil ist durch die Beschreibung der ganz unterschiedlichen Charaktere, ihrer Eigenheiten und humorvollen, aber auch schicksalhaften Ereignisse, die die Menschen trennen oder zusammenschweißen, lebendig und warmherzig. Durch die Erwähnung zahlreicher (Kinder-)buchklassiker wird die Welt der Bücher im Untergrund vorstell- und erlebbar. Das Engagement der offiziellen und inoffiziellen Mitarbeiter der Bibliothek rührt zu Herzen und es ist nachvollziehbar, wie dieser Ort zu einer Platz voller Geborgenheit für viele heimatlose und einsame Menschen werden konnte.

Auch die persönlichen Schicksale von Clara und Ruby, die beide facettenreich und ganz unterschiedliche Frauen sind, berühren und sind dicht mit ihrer Arbeit in der Bibliothek verbunden. Beide haben Verluste erlitten, trauern und kämpfen um einen neuen Platz im Leben. Die Liebesgeschichten stehen nicht im Vordergrund sondern fügen sich selbstverständlich in die Handlung ein und sind trotz manch kitschiger Momente authentisch.

"Die Bibliothek der Hoffnung " ist der passende Titel für diesen warmherzigen Roman über einen Ort voller Zuversicht, Mut, Leidenschaft, Engagement und Menschlichkeit in dunklen Zeiten, der heilende Wirkung von Büchern auf eindrucksvolle Weise demonstriert.

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Veröffentlicht am 25.02.2023

Eindrucksvolle und lebendige Geschichte über eine starke Frau, die für ihre Ideale kämpft - eine dramatische und spannende Lebens- und Liebesgeschichte.

Der Ruf des Eisvogels
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Olga Blume kommt am 1. April 1925 in Ginsterburg in der Uckermark zur Welt. Ihre Mutter stirbt bei der Geburt und so wird der Eisvogel symbolisch zur Mutter, die auf Olga aufpasst. Tatsächlich kümmert ...

Olga Blume kommt am 1. April 1925 in Ginsterburg in der Uckermark zur Welt. Ihre Mutter stirbt bei der Geburt und so wird der Eisvogel symbolisch zur Mutter, die auf Olga aufpasst. Tatsächlich kümmert sich ihr Großvater, liebevoll "Pa" genannt, um seine Enkeltochter, nachdem sich der Vater aus einer Mischung aus Wut, Trauer und Schuld von der Familie abgewandt hat. Von Papa, einem praktizierenden Arzt, lernt die wissbegierige Olga alles was sie über Medizin und Naturheilkunde wissen muss. Das erworbene Wissen kann sie während des Zweiten Weltkrieges anwenden, um vor allem Frauen bei gewollten und ungewollten Schwangerschaften zu helfen, bis Olga selbst in den 1950er-Jahren Ärztin wird.
Ihr Wunsch nach Autonomie und Freiheit sowie ihre Tätigkeit als Medizinerin steht ihrem privaten Glück mehrfach im Wege. Freundschaften zerbrechen, Herzen werden gebrochen. Olga ist alleinerziehende Mutter bis sie einen Kommilitonen heiratet, der mit ihr eine eigene Familie gründen möchte. Sie möchte ihre Berufung nicht aufgeben und ihr Herz hängt noch immer an ihrer ersten Liebe. Diese verschweigt sie ihrer Tochter und Enkeltochter bis sie 1991 bei einem gemeinsamen Ausflug mit beiden zurück in ihre Heimat Ginsterburg gelangt.

"Der Ruf des Eisvogels" erzählt die Lebensgeschichte einer kämpferischen Frau und Gynäkologin aus Berufung. Der Roman beginnt im Jahr 1925 und handelt mit mehreren Zeitsprüngen auf zwei Erzählebenen, wobei der Schwerpunkt auf der Vergangenheit liegt und die Gegenwart im Jahr 1991 im Wesentlichen der Wahrheitsfindung umd Versöhnung dient.

Neben ihrem Wunsch als Ärztin zu praktizieren, war es Olga, die selbst mutterlos aufgewachsen ist, stets ein Anliegen für ihre Tochter da zu sein und sie zu beschützen. Zur Erreichung ihrer Ziele musste sie schon in jungen Jahren einiges auf sich nehmen, kompromisslos handeln und sich als Frau und Mutter immer wieder neu beweisen. Dabei hat sie andere, ihr wichtige Menschen vor den Kopf gestoßen und auf ein Leben mit ihrer großen Liebe verzichtet.

Olgas Geschichte ist eindrücklich und emotional geschildert. Es fällt leicht, sich in die junge Frau hineinzuversetzen und ihre Träume und Wünsche nachzuvollziehen. Die Gräueltaten während und nach des Zweiten Weltkrieges sind aus Sicht der angehenden Ärztin schockierend und prägend Olgas weiteren Lebensweg. Frauen zu helfen, zu heilen und zu ihrem Recht zu verhelfen, wird zu ihrer Lebensaufgabe, was für einen Mann nur schwer auszuhalten ist. Olga war ihrer Zeit voraus und immer wieder gezwungen zu kämpfen. Selbstbewusst geht sie ihren Weg, verschweigt und verdrängt jedoch Belastendes und ist ihrer Tochter nicht ehrlich gegenüber. Auch die Lügen und der Schutz ihrer Geheimnisse bestimmen ihr Leben.

Der Roman ist neben der bewegenden emotionalen Seite spannend aufgebaut, denn einzelne Andeutungen und Details aus Olgas Leben werden erst an späterer Stelle wieder aufgenommen und offenbaren mehr. Die Zeitsprünge und Rückblenden erfordern Konzentration und ergeben zusammen mit dem Gegenwartsstrang ein schlüssiges Bild.

"Der Ruf des Eisvogels" ist eine eindrucksvolle und lebendige Geschichte über eine starke Frau, die für ihre Ideale kämpft. Es ist eine Geschichte über Mutterliebe, Selbstverwirklichung, Emanzipation, Liebe und Freundschaft, über Gleichberechtigung und Ambitionen, die anschaulich mit den Lebensumständen der 1940er- und 1950er verwoben wird, authentisch ein Stück deutsche Zeitgeschichte einfängt und neben der oftmals bildhaften Sprache Wissen aus Medizin und Naturheilkunde vermittelt.

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