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Veröffentlicht am 06.08.2017

Von der Suche nach der Liebe, einem Vater und dem legendären Töveree Fisk

Wenn die Wellen leuchten
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Rhea ist auf der Nordseeinsel Amrum aufgewachsen, die sie nur selten verlassen hat. Als Kind wurde sie von ihren Mitschülern gehänselt, weil sie ihren Vater nicht kennt und ihre Mutter Filine die Erinnerung ...

Rhea ist auf der Nordseeinsel Amrum aufgewachsen, die sie nur selten verlassen hat. Als Kind wurde sie von ihren Mitschülern gehänselt, weil sie ihren Vater nicht kennt und ihre Mutter Filine die Erinnerung an ihn nur langsam mit ihr teilt. Gleichzeitig war sie fasziniert von der Legende des Töveree Fisk, der früher mit seinem blauen Leuchten Schiffe gerettet hat. Ob sie eine magische Schuppe von ihm im Watt finden kann? Als Erwachsene betreibt sie gemeinsam mit ihrer Mutter eine Minigolfanlage auf der Insel. Noch immer hofft sie, irgendwann ihren Vater zu finden. Als sie eines Tages ein verlockendes Angebot erhält, wagt sie den Sprung ins Ungewisse…

Nachdem mich die Ostsee-Trilogie der Autorin begeistern konnte, habe ich mich riesig über die Nachricht gefreut, dass das nächste Projekt eine Nordsee-Trilogie ist. Der Prolog nimmt den Leser mit ins 18. Jahrhundert: Im Sturm gerät ein Schriff in Seenot und wird von einem blau leuchtenden Fisch gerettet – dem Töveree Fisk? Als einziger Beweis für dessen Eingreifen bleibt dem Kapitän eine blau schimmernde Schuppe. Eine schöne Legende, auf die auch im Titel angespielt wird und die mich neugierig darauf machte, welche Rolle der Töveree Fisk in der Geschichte spielt.

Die Protagonistin Rhea lernt man zuerst als Kind kennen, dass von den anderen wegen ihres unbekannten Vaters geärgert wird und die Strandkrabben als ihre Freunde betrachtet. Vierzehn Jahre später, im Jahr 1979, ist aus Rhea eine starke Frau geworden, die fest mit der Insel verbunden ist und der dennoch etwas fehlt: Das Wissen, wer ihr Vater wirklich war. In Rückblenden aus der Perspektive von Filine erfährt man genau wie Rhea als Kind Stück für Stück alles, was sie über ihn weiß. Ich mochte Rheas besonnenes Wesen von Beginn an sehr. Auch Filine verstand ich mit jeder Rückblende besser.

Besonders interessant fand ich Filines Begabung, Minigolf-Hindernisse zu bauen und mit ihnen eine Geschichte zu erzählen. Daraus ergibt sich für sie auch eine tolle Gelegenheit, nur für eine Weile die Insel zu verlassen, wodurch Schwung in die Geschichte kam. Sie macht neue Bekanntschaften, die sie darum bitten, Geschichten zu erzählen. Dadurch erfuhr man noch mehr über ihre Kindheit und andere Inselbewohner. Dieses Eintauchen machte Spaß, ich lernte die bezaubernde Insel Amrum und dessen Bewohner immer besser kennen und nicht selten kannte ich danach ein neues Geheimnis.

Der Leser begleitet Rhea und Filine über mehrere Jahrzehnte durch Höhen und Tiefen. Die Jahre flogen beim Lesen geradezu dahin. Schön fand ich, dass es auch ein Wiedersehen mit Henny Badonin aus der Ostsee-Trilogie gab. Auch Kalle aus „Die eine, große Geschichte“ spielt eine Rolle. Dieses Buch kenne ich leider noch nicht und ich hatte das Gefühl, dass mir dadurch Vorwissen fehlte, um ihn besser verstehen zu können.

Im Buch gibt es immer wieder entscheidende Momente, die Rhea oder Filines weiteren Weg nachhaltig bestimmen. Diese waren mal schön oder bittersüß und mal dramatisch und machten die Handlung abwechslungsreich. Für meinen Geschmack neigten aber zu viele Personen dazu, wortlos die Insel zu verlassen. Zum Ende hin kam mir die Wendung in Richtung Happy End außerdem zu abrupt. Trotzdem hat mir der Abschluss gefallen, denn die drängendsten Fragen wurden geklärt. Gleichzeitig warten weitere Geheimnisse darauf, gelüftet zu werden, sodass ich mich schon sehr auf die Fortsetzung freue.

„Wenn die Wellen leuchten“ erzählt die Geschichte von Rhea und Filine, die auf der Nordseeinsel Amrum leben. Der Leser begleitet die beiden durch abwechslungsreiche Jahre, in denen sie nach der Liebe und dem legendären Töveree Fisk suchen. Mir hat es Spaß gemacht, mich gedanklich in diese schöne Geschichte fallen zu lassen. Sehr gern empfehle ich das Buch weiter.

Veröffentlicht am 06.08.2017

Über das Leben, die Liebe, Bootsbau und Piraten

Das Leben fällt, wohin es will
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Marie ist in ihren Zwanzigern und lässt sich durchs Leben treiben. Am liebsten feiert sie mit ihren Freunden auf dem Kiez bis in den frühen Morgen. Ihr Geld verdient sie mit wechselnden Jobs, seit kurzem ...

Marie ist in ihren Zwanzigern und lässt sich durchs Leben treiben. Am liebsten feiert sie mit ihren Freunden auf dem Kiez bis in den frühen Morgen. Ihr Geld verdient sie mit wechselnden Jobs, seit kurzem arbeitet sie in einem Café. Auf den schnieken Festen ihrer Familie, denen eine Werft gehört, lässt sie sich als schwarzes Schaf nur blicken, wenn sie unbedingt muss. Doch dann erkrankt ihre Schwester, die Geschäftsführerin der Werft, an Brustkrebs. Sie bittet Marie, bei ihr einzuziehen und ihr mit ihren beiden Kindern und dem Haushalt zu helfen. Gleichzeitig setzt ihr Vater sie als Christines Vertretung in der Werft ein, wo sie die Familie repräsentieren soll. Plötzlich ist Maries Leben alles andere als entspannt. Christine geht es zunehmend schlechter und in der Werft gerät sie immer wieder mit Daniel, der rechten Hand ihres Vaters, aneinander. Dieser will sie zum mitdenken motivieren und ist dabei auch noch charmanter, als Marie es gern hätte…

Ich habe mich riesig über die Nachricht gefreut, dass auch in diesem Jahr wieder ein neuer Roman von Petra Hülsmann erscheint. Das Cover passt sehr gut zur neuen Aufmachung der bisherigen Bücher. Anker, Rettungsring und Seesterne versprechen eine Geschichte, in der das Wasser eine große Rolle spielt. Schnell wird die Verbindung klar, denn die Protagonistin Marie lernt man kennen, während sie sich fertig macht für das Frühlingsfest der Werft ihrer Familie.

Marie lebt von Tag zu Tag, ohne sich über irgendetwas allzu sehr den Kopf zu verbrechen. Am liebsten macht sie auf dem Kiez die Nacht zum Tag und ist deshalb viel zu spät dran für das Fest. Dort angekommen erwischt Daniel, der die rechte Hand ihres Vaters ist und den sie überhaupt nicht leiden kann, sie gleich in einer peinlichen Situation. Mit ihrer Interessiert-mich-nicht-Einstellung wurde Marie mir erst einmal nicht unbedingt sympathisch und ich war gespannt, ob sie im Laufe der Geschichte eine Entwicklung durchmachen wird.

Schon bald ändert sich für Marie alles mit der Nachricht, dass ihre Schwester an Brustkrebs erkrankt ist. Plötzlich muss sie sich um zwei Kinder kümmern und obendrein zu repräsentativen Zwecken in der Werft erscheinen, wo sie kritisch beäugt wird. Marie ist zunächst völlig überfordert, wächst aber allmählich an ihren Aufgaben, was ich schön fand. Ihre Reibereien mit Daniel fand ich unterhaltsam. Ich mochte ihn schon bald sehr und fand es gut, wie er Marie aus zum Anpacken bringen will, worauf so gar keine Lust hat. Einige Entwicklungen fand ich allerdings zu abrupt.

Die Szenen mit Christine sind sehr berührend. Ihr geht es zunehmend schlechter, und so kümmert sich Marie bald nicht nur um Christines Kinder, sondern muss ihr helfen, mit den Auswirkungen der Behandlung fertig zu werden und sie zum Essen zu bewegen. Für mich waren diese Szenen aus persönlichen Gründen sehr hart zu lesen, einige Abschnitte musste ich ganz überspringen. Dieses ernste Thema nahm für mich Teile der Leichtigkeit aus der Geschichte, die ich bei den vorherigen Büchern der Autorin so mochte.

Marie wurde mir im Laufe des Buches immer sympathischer, denn ich stellte fest, dass in ihr mehr steckt, als man zunächst dachte. Immer wieder macht sie Andeutungen, dass Ereignisse in der Vergangenheit für ihren Lebensweg verantwortlich sind und ich war neugierig, was dahinter steckt. Vor allem ihre Beziehung zu Daniel, die zu Beginn vor allem durch Abneigung geprägt war, wandelt sich im Laufe des Buches stark. Sie durchlebt Höhen und Tiefen, die eins gemeinsam haben – sie konnten mich sehr gut unterhalten. Bald freute ich mich über jedes Mal, wenn die beiden aus ganz verschiedenen Gründen aufeinander trafen. Der Abschluss des Buches ist dann zwar recht kurz, der hoffnungsvolle Ton rundete die Geschichte aber gut ab.

„Das Leben fällt, wohin es will“ erzählt von Marie, deren Leben sich durch die Krebsdiagnose bei ihrer Schwester völlig ändert. Statt bis in den frühen Morgen auf dem Kiez zu feiern zieht sie als Hilfe zu ihrer Schwester und muss sie zusätzlich in der Werft der Familie vertreten. Es hat Spaß gemacht, zu erleben, wie Marie sich durch die neue Verantwortung wandelt. Ihre Reibereien mit Daniel, der rechten Hand ihres Vaters, waren besonders amüsant. Die Erkrankung ihrer Schwester sorgte für sehr berührende Szenen, welche das Buch deutlich ernster machten als die bisherigen Bücher der Autorin. Eine Geschichte über das Leben, die Liebe, Segeln, Bootsbau und Piraten, die aber auch ernste Töne anschlägt.

Veröffentlicht am 06.08.2017

Wenn man einer Flussgöttin einen Gefallen schuldet...

Der Galgen von Tyburn
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Die Tochter eines Flusses ist in Schwierigkeiten – und Peter Grant soll es richten. Denn als Polizist und Zauberlehrling ist er der Experte für Verbrechen mit magischer Beteiligung. Und Lady Tys Tochter ...

Die Tochter eines Flusses ist in Schwierigkeiten – und Peter Grant soll es richten. Denn als Polizist und Zauberlehrling ist er der Experte für Verbrechen mit magischer Beteiligung. Und Lady Tys Tochter Olivia ist in ein solches verwickelt, denn sie war Gast bei einer Party im Hyde Park Nummer 1, wo ein junges Mädchen nach dem Konsum von Drogen verstorben ist. Auf Nachfrage gibt Olivia zum Entsetzen ihrer Mutter sofort zu, die Drogen gekauft zu haben. Doch was steckt hinter diesem Geständnis? Auch die Eltern des Opfers und der anderen Partygäste sind Hochkaräter in Sachen Macht und Einfluss, sodass sich die Ermittlungen als schwierig gestalten. Zur gleichen Zeit tritt ein Vertreter der Demi-monde an Peter heran, der Nightingale ein einzigartiges Objekt verkaufen möchte. Doch an diesem haben auch andere Interesse. Bald findet sich Peter in magischen Verstrickungen wieder, die es zu entwirren gilt. Dabei geht so einiges zu Bruch…

Nach einer etwas längeren Pause von fast zwei Jahren gibt es endlich ein neues Buch rund um Peter Grant. Peter ist zurück in London und nachdem im vorherigen Band die bänderübergreifende Handlung rund um den Gesichtslosen pausierte war ich gespannt, was Peter nun erlebt. Schon auf der allerersten Seite wird er von Lady Ty aus dem Schlaf gerissen, die einen alten Gefallen einfordert und ihn zum Fundort einer Leiche schickt, wo er die Unschuld ihrer Tochter beweisen soll. Im Nu war ich wieder mitten drin im Geschehen.

Der Fundort ist ausgerechnet der Hyde Park Nummer 1, eine absolute Nobeladresse, deren Wohnungen zu den teuersten der Welt zählen. Das gibt einen ersten Vorgeschmack auf den elitären Kreis, in dem sich Peter während der Ermittlungen bewegt. Auf den ersten Blick ist das Opfer während einer heimlichen Party an einer Überdosis gestorben. Doch Dr. Vaughan, die neue Unterstützung für das Folly in Sachen Pathologie, findet schnell Anzeichen, dass die Verstorbene Praktizierende war. Schnell gibt es eine ganze Menge an Spuren, denen Peter nachgehen muss sowie Eltern und Freunden, die zu befragen sind.

Zusätzlich zu der Ermittlung muss Peter bald noch anderen merkwürdigen Vorgängen nachgehen. Wer ist der Demi-monde, der Nightingale einen einzigartigen, mächtigen Gegenstand verkaufen möchte? Wo hat er ihn gefunden, und wer sind die verschiedenen anderen Parteien, die Interesse daran zeigen? Bald kommt es zu einem ersten aufregenden Höhepunkt vor großartiger Kulisse, bei dem es so richtig knallt und man auch alte Bekannte wiedertrifft. Das brachte noch einmal so richtig Schwung in die Handlung, die tempo- und abwechslungsreich die Seiten füllte.

Mit der Zeit stößt Peter immer weiter vor in ein Netz aus Lügen, Geheimnissen und komplizierten Verstrickungen. War der letzte Band recht übersichtlich, so galt es nun wieder wie in den früheren Bänden, den Überblick bei der Vielzahl an Charakteren zu behalten. Ich habe das Buch mit nur wenigen Pausen gelesen und musste immer wieder zurückblättern, um nachzuvollziehen, wer nun wen kannte und wann Peter das letzte Mal mit ihnen geredet hatte. Auch Ereignisse und Charaktere aus den alten Büchern werden als bekannt vorausgesetzt.

Sehr gut gefallen hat mir, dass Nightingale wieder eine größere Rolle spielt. Neue Charaktere, die ganz besondere Magie wirken können, bringen ein wenig frischen Wind in die Handlung. Auch der Gesichtslose und Lesley sind diesmal wieder dabei und es gibt wichtige neue Informationen, die meine Neugier in Bezug auf diesen Handlungsstrang zumindest ein kleines bisschen befriedigten. Diese Informationen überstrahlen zum Ende hin allerdings den Rest, sodass die Auflösung des Mordfalls etwas in den Hintergrund gerät und für mich ein paar Fragen, vor allem zur Motivation der Beteiligten, offen blieben. Erfreulicherweise gibt es keinen größeren Cliffhanger, trotzdem freue ich mich schon sehr auf den nächsten Fall für Peter Grant!

In „Der Galgen von Tyburn“ fordert Lady Ty bei Peter einen alten Gefallen ein: Er soll die Unschuld ihrer Tochter Olivia bei einem Todesfall beweisen. Dummerweise spricht erst einmal alles für Olivias Beteiligung. Ich fand die Ermittlungen, bei denen sich die Angelegenheit als deutlich komplizierter als gedacht herausstellt, interessant. Spannende magische Kämpfe geben der Handlung zusätzlichen Schwung. Ich hätte mir aber noch mehr Erklärungen und Antworten gewünscht. Insgesamt vergebe ich sehr gute vier Sterne. Für alle Peter Grant Fans auch dieser Band ein absolutes Muss! Wer den Polizisten und Zauberlehrling noch nicht kennt, der sollte mit dem ersten Band, „Die Flüsse von London“, in die Geschichte einsteigen.

Veröffentlicht am 05.08.2017

Eintauchen in die Restaurant-Welt New Yorks

Sweetbitter
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Tess ist zweiundzwanzig und hat Ohio und ihren Vater hinter sich gelassen, um in New York City ein neues Leben zu beginnen. In kürzester Zeit erhält sie einen Job als Hilfskellnerin in einem renommierten ...

Tess ist zweiundzwanzig und hat Ohio und ihren Vater hinter sich gelassen, um in New York City ein neues Leben zu beginnen. In kürzester Zeit erhält sie einen Job als Hilfskellnerin in einem renommierten Restaurant – ein echter Glücksgriff. Tess will alles richtig machen und stürzt sich engagiert in die Arbeit. Bald hat ihr Job sie fest im Griff: Die Hektik in der Küche, der Perfektionsanspruch gegenüber den Gästen, aber auch die wilde Trinkerei nach Schichtende und die komplizierten Beziehungen zu den anderen Mitarbeitern.

Das hummerfarbene Buchcover verspricht Einblicke in die feine Restaurantwelt von New York City und ich freute mich auf eine Geschichte mit Höhen und Tiefen. Zu Beginn des Buches lernt man Tess kennen, die gerade in New York City angekommen ist. Im Nu findet sie den Job als Hilfskellnerin. Sie hat zwar schon in der Heimat einige Jahre in einem Café gearbeitet, doch dieser Job ist etwas völlig anderes. Motiviert und wissbegierig tastet sie sich an ihr neues Leben heran.

Tess hat es zu Beginn nicht leicht. Sie ist die Neue, die von den anderen kritisch beäugt wird, einige beachten nicht einmal richtig. Gleichzeitig kennt sie sich weder mit Wein noch mit Austern sonderlich aus. Doch sie ist entschlossen, das zu ändern, und sucht sich dazu die Kellnerin Simone als Mentorin aus. Diese ist eine kühle und distanzierte Person mit großem Einfluss im Restaurant. Dank ihr baut ihr kulinarisches Wissen immer weiter aus, doch Tess wird gewarnt, dass das seinen Preis haben wird. Auch zu den anderen Mitarbeitern findet sie allmählich Zugang. Diese trinken sich gemeinsam nach der Schicht und ziehen dann ihre Stammbar weiter, um weiterzutrinken und zu koksen. Bei ihnen findet Tess Anschluss, indem sie einfach mitmacht.

Ich fand es interessant, Tess immer besser kennenzulernen und zu verfolgen, wie sie immer tiefer in die für sie neue Welt eintaucht. Sie kann sich für ihre Arbeit begeistern und ist motiviert, immer weiter dazuzulernen. Wenn es ums Essen geht, dann ist die Sprache poetisch, mehrfach hat die Autorin Gesprächsfetzen aus dem Restaurant sogar als Gedicht abgedruckt. Die kulinarischen Lektionen sind auch für den Leser interessant, und das Buch liest sich immer wieder wie eine Liebeserklärung an gutes Essen.

„Jeder Job ist leicht für all jene, die nicht gern ihr Hirn einschalten. Ich bin Teil einer kleinen, aber stolzen Minderheit, die daran glaubt, dass Speisen eine Kunst ist, genau wie das Leben.“ (S.188)

Die Geschichte erstreckt sich über einen Zeitraum von fast einem Jahr. In dieser Zeit führt Tess immer stärker ein Leben am Limit. Sie gibt ihr Bestes im Job und gibt sich dann nach der Schicht Alkohol und Koks hin. Diese Szenen strahlen eine gewisse Verzweiflung aus, sie scheint wie die anderen gefangen zu sein in einem Hamsterrad aus Arbeit, Alkohol und Koks.

„Niemand hatte mich irgendwo hingelockt. Ich hatte mir diesen düsteren, verwilderten Pfad, auf dem ich keinen Meter weit sehen konnte, selbst ausgesucht – die Drogen, das bedingungslose Saufen, die Scham, das Durcheinandersein.“ (S. 261)

Doch Tess ist schlau, und sie will mehr. Ihre Faszination für Jake, der an der Bar arbeitet, lässt sie hoffen, dass es noch mehr gibt als die tägliche Routine, die sie durchlebt. Doch Jake gehört auf eine komplizierte Art Simone, und indem Tess die Nähe zu ihm sucht begibt sie sich auf gefährliches Terrain. In den Monaten, in denen ich Tess begleiten durfte, macht sie eine große Entwicklung durch. Sie wächst an ihren Aufgaben und Rückschlägen. Manchmal hätte der Roman ein wenig zielstrebiger erzählt werden können, doch genau diese Ziellosigkeit war für mich ein authentischer Einblick in Tess‘ Gefühls- und Gedankenwelt. Die Autorin hat mit ihren Worten eine Atmosphäre geschaffen, dank der mich das Buch faszinieren konnte bis hin zu einem Ende, das für mich sehr stimmig war.

In „Sweetbitter“ begleitet der Leser fast ein Jahr lang Tess, die als Hilfskellnerin in einem edlen Restaurant in New York City beginnt. Das Buch erzählt von der Leidenschaft für gutes Essen, dem Stress hinter den Kulissen, dem komplizierten Verhältnis der Mitarbeiter zueinander und dem Saufen und Koksen nach Schichtende. Zwar fehlte der Geschichte die Zielstrebigkeit, doch ich fand Tess Entwicklung interessant und die authentische Atmosphäre des Buches machte Lust, weiterzulesen. Wer hinter die Kulissen der Restaurantwelt blicken will und nicht abgeneigt ist, dort neben schönen Erlebnissen auch Stress, Missgunst und Verzweiflung zu finden, für den ist „Sweetbitter“ das richtige Buch.

Veröffentlicht am 05.08.2017

Coming of Age Story, die keine Klischees bedient

Das Glück hat vier Farben
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Flannery ist sechzehn Jahre alt und in Tyrone verliebt, seit sie denken kann. Als Kinder haben sie vieles gemeinsam unternommen, doch dann ist er weggezogen. Nun gehen sie beide wieder auf die gleiche ...

Flannery ist sechzehn Jahre alt und in Tyrone verliebt, seit sie denken kann. Als Kinder haben sie vieles gemeinsam unternommen, doch dann ist er weggezogen. Nun gehen sie beide wieder auf die gleiche Schule. Aus Tyrone ist ein Rebell geworden, der Graffitis sprüht und ständig die Schule schwänzt. Für ein Schulprojekt müssen die beiden gemeinsam ein Produkt entwickelt. Tyrone schlägt Liebestränke vor und verschwindet dann wieder tagelang. Wird er Flannery helfen? Unterdessen hat ihre beste Freundin Amber einen neuen Freund und entfernt sich zunehmend von ihr. Und ihre Mutter gibt das wenige Geld, das sie als Sozialhilfeempfängerin hat, lieber für Spielzeug für ihren Sohn aus als für die Stromrechnung und Flannerys Schulbücher. Kann Flannery in diesem Chaos für sich selbst einstehen?

Das Cover und der Titel des Buches spielen auf die Liebestränke an, die Flannery und Tyrone für ihr BWL-Projekt entwickeln. Zu Beginn des Buches lernt man Flannery kennen, welche die Geschichte aus der Ich-Perspektive erzählt und dem Leser zunächst einen groben Überblick über ihr Leben gibt. Da gibt es ihre große Liebe Tyrone, der fast nie in der Schule ist und sie kaum beachtet; ihre beste Freundin Amber, für die Schwimmen wichtiger ist als Schule; ihre alleinerziehende Künstler-Mutter, die nicht mit Geld umgehen kann und ihren kleinen Bruder Felix, auf den Flannery ständig aufpassen muss. Alles in allem hat Flannery kein perfektes Leben, aber sie hat sich damit arrangiert und Menschen, die zu ihr stehen.

Schon nach kurzer Zeit geraten die Dinge in Bewegung. Nach wenigen Seiten wird Tyrone Flannerys Partner für das BWL-Projekt. Endlich eine Chance, mehr Zeit mit ihm zu verbringen! Auch Amber wird ihrem Schwarm zugelost, mit dem sie kurz darauf zusammen kommt. Nun will sie aber lieber Zeit mit ihm und den Freundinnen seiner Bandkollegen verbringen als mit Flannery. Und auch dass ihre Mutter gerade wieder absolut pleite ist macht die Situation nicht einfacher. Flannery muss lernen, für sich selbst einzustehen und zu entscheiden, in welche Dinge es sich lohnt, Energie zu stecken.

Die Autorin setzt viele Rückblenden ein. In diesen erinnert sich Flannery meist an ihre Kindheit, sodass man als Leser die Beziehung zu ihrer Mutter, Amber und Tyrone besser verstehen konnte. Allerdings sind Flannerys Gedankengänge nicht sonderlich geordnet, sodass ich manchmal verwirrt war, und sie holt weit aus. Außerdem werden wichtige Fakten vertauscht, zum Beispiel ist Tyrone erst am gleichen Tag geboren und plötzlich zehn, während Flannery neun ist.

Auch in der Gegenwart grübelt Flannery viel und setzt sich mit ihrer Situation auseinander. Zum einen beschäftigt sie ihre Schwärmerei und die Probleme mit der besten Freundin. Ich muss zugeben, dass ich weder Tyrone noch Amber sonderlich sympathisch fand. Sie sind beide sehr egozentrische Personen, die Flannery in wichtigen Momenten im Stich lassen. Zum anderen wird das Thema Armut angesprochen. Ich fand es zwar merkwürdig, dass Flannery sich gar nicht damit beschäftigt, ob sie mit einem Aushilfsjob ein wenig eigenes Geld verdienen könnte. Doch sie gibt emotionale Einblicke, wie sie sich fühlt, wenn ihre Mutter ihr nicht mal ein Biobuch kaufen kann, die mich nachdenklich stimmten.

Die Geschichte entwickelt sich anders, als ich es zu Beginn erwartet hätte. Das fand ich sehr gut, denn viele Klischees werden damit nicht erfüllt. Die Atmosphäre wird zunehmend bedrückend und zeigt, dass manchmal eben nicht alles so läuft, wie man es gerne hätte. Trotz der Masse an kritischen Situationen in kürzester Zeit fand ich die Entwicklung der Charaktere authentisch. Die Entwicklungen rund um den Liebestrank fand ich witzig, sie lockern die Stimmung zwischendurch wieder auf. Das Ende ist schließlich definitiv kein rosa Zuckerguss, es rundet die Geschichte versöhnlich und stimmig ab.

„Das Glück hat vier Farben“ ist eine Coming of Age Story, in der die sechzehnjährige Flannery gemeinsam mit ihrem Schwarm Liebestränke für ein Schulprojekt entwickeln will. Doch der lässt sich nur selten in der Schule blicken, ihre Freundin hat kaum mehr Zeit für sie und ihre alleinerziehende Mutter ist wieder völlig pleite. Die Geschichte bedient keine Klischees, sondern spricht wichtige Themen an. Ich empfehle das Buch an Jugendliche weiter, die Lust auf eine Geschichte haben, in der einige Dinge anders verlaufen als gedacht.