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Veröffentlicht am 27.04.2023

Wienroman

Das Café ohne Namen
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Gibt es die Kategorie Wienroman? Ich kenne bisher nur den Begriff Berlinroman, aber bin auf jeden Fall eine Verfechterin der Ansicht, dass Wien ikonisch genug ist, um ihn zu verdienen.
Robert Seethalers ...


Gibt es die Kategorie Wienroman? Ich kenne bisher nur den Begriff Berlinroman, aber bin auf jeden Fall eine Verfechterin der Ansicht, dass Wien ikonisch genug ist, um ihn zu verdienen.
Robert Seethalers neues Buch "Das Café ohne Namen" ist so ein Wienroman. Das Café das im Mittelpunkt steht ist eigentlich gar kein klassisches Café, zumindest wird hier eher Bier und Schmalzbrot als Kaffee und Kuchen bestellt. Der Wirt Robert Simon eröffnet es in einer Stadt, die sich nach dem Krieg im Wiederaufbau befindet und macht es in den folgenden Jahren und Jahrzehnten zu einer zentralen Anlaufstelle. Das Café ohne Namen wird vor allem von einfachen Leuten aufgesucht. Von Näherinnen und Arbeiterinnen, von Markthändlern und Männern, die ihr Geld mit Boxkämpfen verdienen. Sie alle führen ein arbeitsreiches Leben, das rund um Simons kleines Café eine Wendung nimmt.
Ich lese die Bücher von Robert Seethaler sehr gern. Ich mag den klaren, präzisen Schreibstil, der auch "Das Café ohne Namen" prägt, und diese leise, unaufgeregte Art kleine, aber ehrliche Geschichten zu erzählen. Es kommt mir vor als könnte das alles wirklich genau so stattgefunden haben, weil das, was passiert, jedem hätte passieren können, und gerade das Außergewöhnliche, das manchmal Tragische in dieser Alltäglichkeit macht die Texte so lesenswert.
Rund um das Café ohne Namen lernt man als Leserin einige liebenswerte Charaktere kennen, die alle auf ihre Weise versuchen zurechtzukommen. Das gelingt ihnen mal mehr und mal weniger gut. In kurzen Kapiteln wechseln, die Menschen, die im Fokus der Geschichte stehen. Auf manche kommt der Text regelmäßig zurück. So zum Beispiel der Wirt Robert Simon oder seine Kellnerin Mila. Andere bleiben eher am Rand. Von einigen Geschichten hätte ich gerne noch etwas mehr erfahren. Immer dann wenn den Protagonistinnen signifikante und einschneidende Dinge widerfahren sind, die in den folgenden Kapiteln dann kaum bis gar nicht mehr zum Thema geworden sind.
Besonders gefallen hat mir die Atmosphäre der Geschichte. Das Wien im Lauf des zwanzigsten Jahrhunderts aus Sicht der einheimischen Arbeiterschaft ist für mich sehr greifbar geworden. Dieses realistische Szenenbild kombiniert mit einer kleinen Brise Zauber und Schicksalhaftigkeit liest sich sehr warm.

Fazit:
"Das Café ohne Namen" ist stilistisch und inhaltlich ein waschechter Seethaler. Emotional hatte die Geschichte keine ganz so eindringliche Wirkung auf mich wie "Ein ganzes Leben" (An dieser Stelle auch dafür eine große Empfehlung. Wer es noch nicht gelesen hat, sollte das so schnell wie möglich nachholen. Wirklich!), nichtsdestotrotz ist "Das Café ohne Namen" ein überaus lesenswerter Roman für alle Wienliebhaber*innen und solche, die es noch werden wollen.

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Veröffentlicht am 08.04.2023

WELTSCHMERZ

Ohne mich
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Sie ist Ende zwanzig und schlittert durch’s Leben. Sie ist irgendwie in eine Ehe hineingeraten und irgendwie ist diese Ehe dann auch gescheitert. Sie ist am Ende ihres Jurastudiums, aber so Ernst nimmt ...

Sie ist Ende zwanzig und schlittert durch’s Leben. Sie ist irgendwie in eine Ehe hineingeraten und irgendwie ist diese Ehe dann auch gescheitert. Sie ist am Ende ihres Jurastudiums, aber so Ernst nimmt sie das eigentlich auch nicht. Stattdessen hängt sie lieber in Clubs rum und betrinkt sich. Überhaupt geht es ziemlich viel um Alkohol in Esther Schüttpelz’ Roman „Ohne mich“. Und darum, wie man weitermacht, wenn die ersten Schritte als ERWACHSENE Person gescheitert sind. Ich habe mich an dieser Stelle auch gleich mal an einem Stilmittel versucht, das im Buch sehr häufig genutzt wird. Die namenlose Protagonistin erzählt ihr Leben und ihre Gedanken nämlich aus der Ich-Perspektive und wenn sie etwas besonders betonen möchte, dann schreibt sie es GROSS. Anfangs ist es mir nicht ganz leicht gefallen, mich auf die Protagonistin einzulassen. Ihr Tonfall ist zynisch und unterhaltsam, aber ihre Blickweise auf das Leben, eine Mischung aus Gleichgültigkeit und Zerrissenheit, hat mich irritiert. Im Laufe der Geschichte ist sie mir jedoch ans Herz gewachsen. Man könnte sagen, ich habe Gefühle für sie entwickelt und sie selbst hat sich ebenfalls stark weiterentwickelt. Auf überraschend wenigen Seiten begleitet man ihr Leben einige Monate lang, sieht ihr beim Scheitern und Wachsen zu, beim Verwinden dieser flüchtigen und brüchigen Ehe. Außerdem gibt es auf den letzten Seiten eine Auflösung, die meinen Blick auf die Protagonistin und ihr zuvor gezeigtes Verhalten verändert und abgerundet hat. Obwohl man über die Menschen in ihrem Umfeld wenig Tiefergehendes erfährt, wirken sie in ihren manchmal fast an Schablonen erinnernden Positionen seltsam realistisch auf mich.
Ich habe in einer früheren Rezension über das Subgenre „Sad Girl Literature“ gesprochen. „Ohne mich“ ist das zweite Buch einer deutschsprachigen Autorin, das ich gelesen habe, und dort eingruppieren würde. Es war witzig, es war traurig, es hatte Weltschmerz und auch ein bisschen Trash. Es hat mir sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 07.04.2023

Schlechte Mütter, gutes Buch

Institut für gute Mütter
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Inhalt:
Frida Liu, eine chinesisch stämmige Akademikerin, hat einen "richtig schlechten Tag". Oder mit anderen Worten: Sie fühlt sich abgespannt und überfordert, sodass sie ihre einjährige Tochter Harriet ...

Inhalt:
Frida Liu, eine chinesisch stämmige Akademikerin, hat einen "richtig schlechten Tag". Oder mit anderen Worten: Sie fühlt sich abgespannt und überfordert, sodass sie ihre einjährige Tochter Harriet zwei Stunden lang allein zuhause lässt, um kurz im Büro vorbeizuschauen. In Folge dessen wird sie von einem Nachbarn angezeigt und zu einem Fall für den Kinderschutz. Das bedeutet, dass alle elterlichen Rechte auf ihren Exmann und dessen neue Freundin übertragen werden, und Frida von einem Familiengericht dazu verurteilt wird, an einem neuartigen Programm teilzunehmen. In der Schule für gute Mütter werden Frauen, die der Staat für schlechte Mütter hält, ein Jahr lang mit Hilfe von KI-Puppen ausgebildet. Wenn Frida das Programm erfolgreich abschließen, hat sie eine Chance das Umgangs- und Sorgerecht für Harriet zurückzuerhalten, wenn sie durchfällt, verliert sie ihre Tochter für immer.

Meine Meinung:
Das Buch braucht etwas, um in sich hineinzuwachsen. Zu Beginn wird irritierend viel Zeit darauf verwendet, um Fridas Vorgeschichte zu erzählen. Diese Vorgeschichte scheint eine Verschmelzung aller Albträume einer jungen Mutter zu sein. Sie wirkt daher überzeichnet, fast schon schablonenhaft.
Diese Überzeichnung sehe ich in diesem konkreten Fall als ein Stilmittel, das die Autorin auch im weiteren Verlauf des Romans immer wieder bewusst einsetzt. Es sollen Stereotype von Müttern gezeigt werden, wie sie in der Gesellschaft häufig dargestellt und verurteilt werden. Frida ist einer dieser Stereotype, genauso wie viele andere der Mütter, die ihr später in der Schule für gute Mütter begegnen.
Diese Schule hat es in sich. Sie ist nichts für schwache Nerven. Die Methoden, mit denen die Mütter "trainiert" werden, sind mehr als zweifelhaft. Sie grenzen an Folter, Zwangsarbeit und Körperverletzung. Der Verwendung von lebensechten KI-Puppen als Kinderersatz hat mich gelegentlich an Ishiguro erinnert. Die Atmosphäre ist beklemmend und düster. Die Frauen sollen systematisch physisch, aber vor allem psychisch gebrochen werden.
Auch im Bezug auf das Programm in der Schule für gute Mütter ist das vorherrschende Stilmittel Übertreibung. Gesellschaftliche Anforderungen an eine "gute Mutter" und die klassischen Attribute, die mit diesem Bild assoziiert sind, werden herangezogen und bis zur Unkenntlichkeit verdichtet. Von den Frauen wird eine vollständige Aufgabe ihrer Selbst erzwungen. Keine Eitelkeit, keine Einsamkeit, keine Wünsche, kein Begehren. Besonders gefallen hat mir an dieser Stelle, dass das Buch immer wieder auch Rassismus, Armut, psychische Erkrankungen, Homophobie und die damit einhergehende Diskriminierung von Müttern anspricht. Anders kulturell geprägte Erziehungsstile sind beispielsweise nicht akzeptiert, lesbisch liebende Frauen gelten als unmütterlich.
Die Geschichte hat starke Emotionen in mir als Leserin ausgelöst. Ich war immer wieder schrecklich wütend, während ich sie gelesen habe. Leider mangelt es dem Buch an einer gesellschaftlichen Einordnung der Geschehnisse. So bleibt es schwer begreiflich, wie eine Gesellschaft eine so derart unwürdige Behandlung dieser Mütter zulässt. Wieso es keinen rechtlichen oder medialen Widerstand gibt. Es wird nicht recht gezeigt, was das für ein dystopisches Amerika ist, in dem sich so etwas ereignen kann. Bis auf die Schule und die KI-Puppen unterscheidet sich die Gesellschaft scheinbar so gut wie überhaupt nicht von der Welt, die wir kennen. Vor diesem Hintergrund bleibt die Härte und die Ungerechtigkeit des Systems schwer begreiflich.
Das Ende der Geschichte gefällt mir, ich halte es für rund, intelligent und folgerichtig (und habe die ein oder andere Träne geweint.) Fridas Zeit in der Schule wird sehr intensiv und detailliert beschrieben. Auf manche Lesende könnte das repetitiv wirken. Für mich war es trotzdem ein Pageturner, ich konnte es in der zweiten Hälfte kaum noch aus der Hand legen.

Fazit:
Ich denke "Institut für gute Mütter" ist ein provokantes Buch. Entweder man mag es oder nicht. Der überzeichnende Stil sagt sicher nicht jedem zu. So nehme ich auch die vielen sehr unterschiedlichen Bewertungen wahr. Ich bin selbst keine Mutter, aber immerhin Frau. Mich hat die Geschichte bewegt, aufgerieben und zum Nachdenken angeregt. Daher finde ich, es handelt sich sicher nicht um ein perfektes, aber doch um ein ziemlich gutes Buch.

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Veröffentlicht am 14.03.2023

Melancholie, und immer wieder diese Melancholie

Morgen, morgen und wieder morgen
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„Morgen, morgen und wieder morgen“ ist wahrscheinlich eines der meist gehyptesten Bücher aus dem vergangenen Jahr. Selten habe ich so viele begeisterte Stimmen zu einem Roman gelesen. Am schwersten wiegt ...

„Morgen, morgen und wieder morgen“ ist wahrscheinlich eines der meist gehyptesten Bücher aus dem vergangenen Jahr. Selten habe ich so viele begeisterte Stimmen zu einem Roman gelesen. Am schwersten wiegt für mich die Aussage „Donna Tartt mit Videospielen“. Zugegeben: Da ist was dran!
Es geht um Freundschaft. Um die Freundschaft zwischen Sadie und Sam, die anfangs Kinder sind, dann Heranwachsende und schließlich Erwachsene. Das erste Aufeinandertreffen erfolgt in einem Krankenhaus. Sadies Schwester hat Krebs und Sam erholt sich dort gerade von einem schweren Verkehrsunfall, dessen Folgen sein weiteres Leben prägen werden. Nach einem ersten Vertrauensbruch verlieren sich die beiden für Jahre aus dem Augen, nur um als Studierende wieder zusammenzufinden und eine gemeinsame Firma zu gründen. „Unfair Games“ entwickelt Videospiele, die zu globalen Hits werden. Doch die Freundschaft von Sadie und Sam bleibt trotz aller Erfolge von Missverständnissen und gegenseitigen Verletzungen durchzogen.

„Morgen, morgen und wieder morgen“ ist nicht nur ein Buch über Freundschaft, sondern auch eine Geschichte über die Entwicklung eines Genres der Unterhaltungsindustrie, ein Roman über die Neunzigerjahre, über den ganz großen American Dream und über die amerikanische Gesellschaft in ihren Extremen. Trotz des Umfangs scheint keine Seite zu viel. Scheinbar mühelos verflechtet Gabrielle Zevin die Handlung mit prägende Themen unserer Zeit. Es geht um Rassismus, Ableismus, Sexismus, Genderkampf und vieles mehr.
Außergewöhnlich ist dabei die Art des Erzählens, für die sich die Autorin entscheidet. Es ist ein virtuoses Springen zwischen Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit. Begebenheiten werden an entscheidenden Stellen unterbrochen und später dann auf einer anderen Zeitebene zu Ende erzählt. Das habe ich in dieser Form bei all den Büchern in meinem Regal noch nicht gesehen.
Dabei werden ambivalente und widersprüchliche Charaktere gezeichnet, deren Handlungen nicht immer nachvollziehbar, aber schrecklich menschlich erscheinen.
Die Freundschaft zwischen Sadie Green und Sam Masur bildet den emotionalen Kern des Romans und gleichzeitig ist diese Emotion mein einziger Kritikpunkt. Die Missverständnisse und die Kränkungen, die sich die beiden Protagonisten gegenseitig zufügen, sowie die daraus resultierenden Phasen der Funkstille, ziehen sich wie ein roter Faden durch ihre gemeinsame Geschichte und überwiegen die guten Zeiten. Gewissermaßen habe ich kaum etwas von diesen guten Seiten gelesen, sodass ich rückblickend nicht richtig auf persönlicher Ebene nachvollziehen konnte, was diese Freundschaft so tief und die Gefühle so stark macht.
„Morgen, morgen und wieder Morgen“ ist atmosphärisch geprägt von einem Gefühl der Melancholie und des Weltschmerzes. Nachdem ich das Buch zugeklappt hatte, habe ich mich gefühlt, als würde ich auf mein eigenes Leben zurückblicken, und irgendetwas schmerzlich bereuen. Man wartet beim Lesen die ganze Zeit darauf, dass es irgendeine Form von glücklichem Zusammensein für alle Personen gibt, aber die Geschichte ist so groß und so umfangreich. Ähnlich wie das richtige Leben. Nach jedem Hoch gibt es hier ein Tief und so schlittert man mit den Protagonisten von einem Schicksalsschlag durch die Jahre bis hin zum nächsten.

Ich denke über „Morgen, morgen und wieder morgen“, dass es sich ein aus der Masse herausstechendes Buch handelt. Eines, wie es sie nur alle paar Jahre mal gibt. Das die Fähigkeit hat, über zahlreiche Seiten hinweg Lesende in seine Welt einzusaugen und das das Zeug zum Klassiker der amerikanischen Literatur hat. Gehört es zu meinem persönlichen Lieblingsbüchern? Tatsächlich nein. Dazu habe ich die Freundschaft von Sadie und Sam zu wenig gespürt, dazu hätte ich tiefer emotional in diese Freundschaft involviert sein müssen. Werde ich es irgendwann nochmal lesen? Ganz bestimmt. Weil ich nicht glaube, dass einmal reicht, um diese Geschichte vollständig zu erfassen.

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Veröffentlicht am 28.02.2023

Chef an Bord

In blaukalter Tiefe
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Mit "In blaukalter Tiefe" hat Kristina Hauff einen Spannungsroman geschrieben, der mich großartig unterhalten hat!

Der erfolgreiche Anwalt Andreas Keppler bucht eine Reise. Auf dem Schiff des Skippers ...

Mit "In blaukalter Tiefe" hat Kristina Hauff einen Spannungsroman geschrieben, der mich großartig unterhalten hat!

Der erfolgreiche Anwalt Andreas Keppler bucht eine Reise. Auf dem Schiff des Skippers Eric will er gemeinsam mit seiner Ehefrau Caroline zu den schwedischen Schären segeln. Sein Angestellter Daniel und dessen Partnerin Tanja werden auf Kosten der Kepplers ebenfalls eingeladen, an der Reise teilzunehmen. Doch das Vorhaben läuft nicht so wie geplant. Schon bald kommt es zu ersten Spannungen zwischen den beiden Paaren und ihrem Kapitän. Und als diese Spannungen immer weiter zunehmen, droht die Reise in einer Katastrophe zu enden.

Ich könnte an dieser Stelle anmerken, dass der Plan mit dem eigenen Chef in den Urlaub zu fahren, geradezu danach schreit, Unheil heraufzubeschwören. Im wahren Leben würde ich jedenfalls niemandem dazu raten. Bei "In blaukalter Tiefe" entsteht auf dieser Basis jedoch eine wirklich spannende Geschichte, die ich innerhalb eines Tages begonnen und beendet habe.

Im Nachhinein würde ich mir wünschen ich hätte das Buch an einem Urlaubstag im Strandkorb gelesen. Genau da sehe ich die Geschichte. Ich möchte gemütlich im Sonnenschein am sicheren Ufer sitzen, während auf der "Querelle" die Ereignisse unweigerlich ihren Lauf nehmen.

"In blaukalter Tiefe" ist eine Geschichte über wohlhabende, weiße, mittelalte Menschen, die verzweifelt versuchen die Fassade zu wahren, und darüber, wie brüchig eben diese Fassade ist, wenn man beginnt an ihr zu rütteln.
Die Art und Weise, wie die Atmosphäre von anfänglich fröhlich und freundlich über angespannt bis hin zur Eskalation immer dunkler wird, hat mir sehr gut gefallen. Die Protagonisten fand ich spannend und unterhaltsam, in manchen Momenten aber etwas zu stereotyp. Sympathisch war mir lediglich eine einzige der partizipierenden Personen, aber Sympathie braucht es für einen guten Roman ja nicht zwangsläufig.
Manchmal erklärt mir der Text etwas zu viel. Dadurch wird die eigentlich sehr dichte und spannungsgeladene Atmosphäre unterbrochen. Ich verstehe aber, dass es beim Schreiben nicht immer leicht ist abzuwägen, wann etwas zu wage ausgedrückt wird, und an welchen Stellen man den Lesenden ein bisschen Eigenleistung zutrauen kann.

In "In blaukalter Tiefe" gibt es verschiedene Handlungspunkte. Das heißt, es werden verschiedene kleine Konflikte erzählt, die sich immer weiter ausdehnen. Die Auflösung der Geschichte hat mir generell sehr gut gefallen. Ich mag den großen Knall am Ende (was soll ich sagen, I live for the drama), aber auch die Nachwirkungen der Reise fügen sich sehr stimmig in das Gesamtbild ein.

Fazit:
Eine große Empfehlung für "In blaukalter Tiefe". Es handelt sich um einen runden und mitreißenden Roman, perfekt geeignet für einen Tag am Meer, einen verregneten Sommertag oder jeden anderen Tag des Jahres, an dem man von einer Reise träumt (solange es nicht ein Segeltörn mit dem Chef sein soll!).

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