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Veröffentlicht am 23.04.2023

Wir alle müssen irgendwie zusehen, wie wir durch diese Zeiten kommen

Die Zeit der Tyrannen
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Wir alle müssen irgendwie zusehen, wie wir durch diese Zeiten kommen

„Ich werde alles tun, um jeden hier auf Gut Falkenbach zu beschützen, sei es nun unsere Familie, die Lehmanns oder auch das Personal. ...

Wir alle müssen irgendwie zusehen, wie wir durch diese Zeiten kommen

„Ich werde alles tun, um jeden hier auf Gut Falkenbach zu beschützen, sei es nun unsere Familie, die Lehmanns oder auch das Personal. Am Ende wird es unser Zusammenhalt sein, der darüber entscheidet, wie wir all das überstehen.“ (Paul-Friedrich von Falkenbach)

In diesem siebten Band der Reihe um die Familie von Falkenbach sorgen sich sowohl Paul-Friedrich von Falkenbach, als auch Wilhelm Lehmann um die vermutlich in Kürze bevorstehende Einberufung ihrer Söhne. Zwar hat der kluge und besonnene Taktiker Paul-Friedrich bereits Vorkehrungen getroffen, doch auch er muss mit großer Sorge feststellen, dass sein Einfluss und sein guter Name wohl diesmal nicht ausreichen könnten, um das drohende Unheil noch abzuwenden. Die angespannte Stimmung innerhalb der Familien wird darüber hinaus durch persönliche Tragödien verstärkt. Wilhelmine von Falkenbach ist nach der Ermordung ihrer großen Liebe Martin nicht mehr dieselbe. Sie zieht sich immer mehr zurück, verschließt sich letztendlich sogar vor ihrer engsten Familie. Sie zeigt auffallendes Interesse am politischen Geschehen und an einer Widerstandsgruppe. Irma Lehmann ist nach geduldig ertragenen Jahren der lieblosen Ehe mit Leopold Lehmann nicht mehr bereit, seine Gewalttätigkeit, seine Rücksichtslosigkeit und seine respektlose, aufbrausende Art noch länger hinzunehmen. Sie konfrontiert die Familie mit dem Entschluss, ihren Mann zu verlassen und mit den beiden gemeinsamen Töchtern Sophie und Charlotte zukünftig bei ihren Eltern zu leben. Vor der Reaktion Leopolds bangen jedoch vor allem seine Eltern Wilhelm und Else, die ihren Sohn und dessen tobsüchtiges Verhalten nur allzu gut kennen. Für Wilhelms und Elses Sohn Johannes ist hingegen eine positive Veränderung in Sicht, und die hochschwangere Clara von Falkenbach entpuppt sich als patente, zuverlässige und kluge Frau, die in einer gefährlichen Situation Ruhe bewahrt und instinktiv das Richtige tut. Ihre persönliche Entwicklung hat mir in diesem Band ganz besonders zugesagt. Insgesamt betrachtet gibt es in der aktuellen Neuerscheinung bei einigen handelnden Figuren gravierende Veränderungen – und zwar sowohl in positiver, als auch in negativer Hinsicht. Mein persönlicher Antagonist war, ist und bleibt vermutlich der gewalttätige und rüpelhafte Leopold, der sich zunehmend von seiner schlechtesten Seite zeigt.

Der Zweite Weltkrieg als dramatischer Hintergrund zeichnet für einen durchgehend hohen Spannungsfaktor verantwortlich. Die Familien müssen nicht nur vor dem drohenden Einsatz ihrer Söhne an der Front bangen, sondern auch ihre wahre Gesinnung geschickt verbergen. In diesen Zeiten kann abgesehen vom engsten Familienkreis keiner dem anderen trauen, auch der vermeintlich große Einfluss derer von Falkenbach scheint rapide zu schwinden.

Der einnehmende Schreibstil der Autorin ist mir im Verlauf dieser grandiosen Familiensaga immer mehr ans Herz gewachsen. Ellin Carsta versteht es, ihren Figuren Leben einzuhauchen und den Leser durch deren hohe Authentizität sowie eine stets spannende, an mancher Stelle beinahe dramatische Handlung, voll und ganz einzubeziehen. Tiefe Emotionen und mitreißende Momente wechseln einander ab und enden schließlich in einem aufwühlenden Finale, dicht gefolgt von einem Cliffhanger, der die Neugier auf den Nachfolgeband bereits jetzt weckt. Im Nachwort geht die Autorin wie gewohnt auf bestimmte Figuren ihrer Handlung und historische Fakten ein, die sie in ihre Geschichte eingewoben hat.

FAZIT: „Die Zeit der Tyrannen“ war ein fesselnder, emotionaler und überaus spannender Band einer Buchreihe, die mich mit jeder Fortsetzung erneut begeistert. Die Autorin vereint geschickt historische Ereignisse mit einer fiktiven Geschichte, wartet mit hervorragend gezeichneten Charakteren auf, sorgt für starke Emotionen und zieht ihre Leserschaft von der ersten bis zur letzten Seite in ihren Bann. Eine Kenntnis der Vorgängerbücher ist aus meiner Sicht zum tieferen Verständnis jedoch unabdingbar. Ich vergebe erneut uneingeschränkte fünf Bewertungssterne für dieses grandiose Familienepos und sehe dem nächsten Band mit ganz großer Erwartungshaltung entgegen!

Veröffentlicht am 12.04.2023

Eine aufregende Mörderjagd

Venezianische Finsternis
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Eine aufregende Mörderjagd

„Manchmal hasse ich meinen Job. Es hört nie auf. Du erwischt einen Täter und es kommen zehn neue dazu.“ (Luca Brassoni)

Im achten Fall der Venedig-Krimireihe um Commissario ...

Eine aufregende Mörderjagd

„Manchmal hasse ich meinen Job. Es hört nie auf. Du erwischt einen Täter und es kommen zehn neue dazu.“ (Luca Brassoni)

Im achten Fall der Venedig-Krimireihe um Commissario Luca Brassoni und seinen Kollegen Maurizio Goldini kommt es in Venedig während eines eigenartigen Stromausfalls zu einem grausamen Mord. Edoardo Bianchi, der Inhaber eines Antiquitätenladens, wird gefoltert und erschlagen, der Betreiber des benachbarten Café Capello Rosso namens Francesco erleidet bei seinem Versuch, dem freundlichen alten Geschäftsmann zu helfen, lebensbedrohliche Verletzungen. Luca Brassoni, der leitende Commissario der venezianischen Polizei, ist in diesen Fall auch emotional involviert, da es sich bei Francesco um den Lebensgefährten seines Cousins Stefan „Caruso“ Mayer handelt. Der Raub eines wertvollen Gegenstands aus Bianchis Safe entpuppt sich immer mehr als ziemlich komplexer Fall, der weite Kreise zieht. Das Team der venezianischen Polizei begibt sich unter Hochdruck auf Spurensuche, Brassoni muss jedoch diesmal auf die wertvolle Unterstützung seines Kollegen Maurizio „Mauro“ Goldini verzichten. Denn dieser hat erst kürzlich seinen Vaterschaftsurlaub angetreten und darf daher nicht offiziell ermitteln. Als weitere Verbrechen geschehen, die auf einen Zusammenhang mit dem Foltermord hinweisen, steigt auch der Druck auf die Kommissare in der Questura.

Die Autorin hat einen ausgeklügelten Kriminalfall konstruiert und ich fühlte mich ausgezeichnet unterhalten. Der Spannungsbogen wurde die gesamte Handlung über konstant aufrecht gehalten und steigerte sich bis zum Ende des Buches zu einem aufregenden Finale. Der einnehmende Schreibstil Daniela Gesings sowie die Charakterzeichnung ihrer handelnden Figuren haben mir sehr gut gefallen. Ich begrüßte zudem die Einbindung zahlreicher italienischer Bezeichnungen und Ausdrücke, welche der Geschichte zusätzliche Authentizität verliehen. Darüber hinaus war ich tief beeindruckt von der lebendigen und bildhaften Beschreibung des Alltags, der verschiedenen Schauplätze in der Lagunenstadt sowie der Menschen in Luca Brassonis Umfeld.

Als Quereinsteigerin in diese Krimireihe fehlten mir jegliche Informationen zur Vorgeschichte der beiden Protagonisten, was meinem Lesevergnügen jedoch keinen Abbruch tat. Ich lernte den Venezianer Luca Brassoni als fähigen Ermittler kennen, dessen weiche Seite sich im Zuge der Beschreibung seiner familiären Situation sowie in seiner Zuneigung zu seinem treuen tierischen Begleiter, dem wuscheligen Hund namens Picco, offenbart. Brassonis Kollege Maurizio sowie das gesamte Ermittlerteam waren mir auf Anhieb sympathisch. Obgleich es sich um teilweise ziemlich konträre Persönlichkeiten handelt, wird in der venezianischen Questura ein kollegialer, beinahe freundschaftlicher Umgangston gepflegt. Die Autorin setzt den Leser über die verschiedenen Aufgabenbereiche der Ermittler in Kenntnis und liefert nebenbei auch kleine Details zu deren Privatleben. Bei einigen relevanten Nebenfiguren der Handlung wie etwa Zeugen oder Verdächtigen bröckelt die wohlgefällige und harmlos wirkende Fassade erst nach und nach – sie waren nicht so einfach zu durchschauen und es offenbarten sich zum Teil ungeahnte Abgründe. Ein weiterer Spannungsfaktor waren die immer wieder in die Handlung eingestreuten Kapitel über die Aktivitäten, die Motivationen und die Gedanken des im Hintergrund agierenden Täters, die kaum Hinweise über dessen wahre Identität verrieten. Darüber hinaus gelang es der Autorin auch, mich mitunter auf eine falsche Fährte zu locken.

Ich möchte an dieser Stelle auch die hochwertige Aufmachung und die beeindruckende optische Gestaltung des Buchcovers mit der wunderschönen Abbildung Venedigs in einer mondhellen Nacht hervorheben. Die lesefreundliche Schriftgröße, eine kurze Vorstellung der Autorin am Ende des Buches sowie eine chronologische Auflistung der bisher erschienenen Bände dieser Krimireihe runden den positiven Gesamteindruck ab.

FAZIT: „Venezianische Finsternis“ war meine erste Lektüre aus der Feder von Daniela Gesing, aber mit Sicherheit nicht die letzte. Das Buch hat mir durch einen raffiniert konstruierten Fall, überzeugende Charaktere und den einnehmenden Schreibstil großes Lesevergnügen bereitet. Die komplexe Handlung, die Konzentration auf die Ermittlungsarbeit, der durchgehend hohe Spannungsbogen, ein gewisser Fokus auch auf das Privatleben der Ermittler sowie eine eindrucksvolle und bildhafte Beschreibung der Örtlichkeiten Venedigs machten für mich persönlich den Reiz dieses Krimis aus. Ich sehe dem nächsten Band dieser Reihe bereits jetzt mit großer Erwartungshaltung und Vorfreude entgegen.

Begeisterte fünf Sterne und eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 10.04.2023

Du hast mein Leben verändert!

Menschen, die wir noch nicht kennen
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Du hast mein Leben verändert!

„Ich suche sie, weil ich mich bei ihr bedanken möchte. Sie hat damals mein Leben verändert.“ (Frank)

Die Begegnung des zweiundzwanzigjährigen Frank Weiss in der Buslinie ...

Du hast mein Leben verändert!

„Ich suche sie, weil ich mich bei ihr bedanken möchte. Sie hat damals mein Leben verändert.“ (Frank)

Die Begegnung des zweiundzwanzigjährigen Frank Weiss in der Buslinie 88 im April 1962 mit einer Kunststudentin veränderte sein Leben. Frank verlor während der Fahrt durch London sein Herz an die selbstbewusste und unabhängige junge Frau mit den bezaubernden grünen Augen und dem leuchtend roten Haar. Ihre Verabredung zu einem gemeinsamen Besuch der National Gallery ein paar Tage später kam jedoch niemals zustande. Doch seit diesem Tag fuhr Frank sechzig Jahre lang mit dem Bus durch London und hielt Ausschau nach „der Frau seines Lebens“.

Elizabeth „Libby“ Nicholls muss sich sowohl privat, als auch beruflich neu orientieren, nachdem ihre langjährige Beziehung in die Brüche ging. Sie macht sich im April des Jahres 2022 auf den Weg zu ihrer Schwester Rebecca nach London und ist ebenfalls mit der Buslinie 88 unterwegs. Ihr rotes Haar sowie ihre Angewohnheit, Skizzen von anderen Menschen anzufertigen, erinnern den mittlerweile zweiundachtzigjährigen Frank an die Kunststudentin von Damals und veranlassen ihn dazu, Libby anzusprechen. Seine Geschichte über die jahrzehntelange Suche nach der Unbekannten berührt sie zutiefst und sie möchte dem sympathischen alten Mann helfen. Doch bei Frank wurde fortschreitende Demenz diagnostiziert, ihm bleibt nicht mehr allzu viel Zeit für sein Vorhaben. Gemeinsam mit Franks Pfleger Dylan versucht Libby, eine Spur zu der geheimnisvollen Frau zu finden und merkt erst nach und nach, wie sehr die Menschen, die sie durch Frank kennenlernt, ihr eigenes Leben bereichern – und letztendlich auch verändern.

Freya Sampson war es ein Anliegen, dem Leser in ihrer aktuellen Neuerscheinung aufzuzeigen, „wie ein kurzes Gespräch zwischen zwei Fremden das Leben von einem der beiden verändern kann, und wie sechzig Jahre später ein anderes Gespräch, wiederum mit einem fremden Menschen, einen außergewöhnlichen Akt der Freundlichkeit auslöst, der auf erstaunliche und wunderbare Weise die Leben aller Menschen in seinem Umkreis verändert. Es gibt noch Menschen, die bei Fahrten im Bus den Kopf nicht in ein Buch stecken oder über ihr Smartphone beugen, sondern auch solche, die sich stattdessen umsehen und sich für die Welt und die Menschen um sie herum interessieren.“ (Zitat Autorin)

Aus meiner Sicht ist der Autorin die Umsetzung ihres Vorhabens vortrefflich gelungen! Der einnehmende Schreibstil von Freya Sampson, die überzeugende Darstellung der Emotionen und inneren Konflikte sowie der persönlichen Entwicklung ihrer Charaktere und meine zugegebenermaßen hohe Erwartungshaltung betreffend die Suche nach der unbekannten Kunststudentin von Damals machten dieses Buch zu einem wahren Pageturner. Ich konnte mich kaum von der herzerwärmenden Geschichte über diese Menschen lösen, die das Schicksal in einem Bus zusammenführte. Die Autorin animiert mit ihrem Roman dazu, die Hoffnung niemals aufzugeben. Sie macht Mut zum Träumen und diese Träume auch zu leben. Sie weist zudem auf den unschätzbaren Wert von echter Freundschaft hin, unbeeinflusst von gesellschaftlichen Unterschieden, der äußeren Erscheinung oder dem Altersunterschied.

Die Charakterzeichnung der handelnden Figuren ist hervorragend und punktet durch hohe Authentizität. Die Autorin wartet mit einigen Sympathieträgern auf, deren innere Qualitäten man erst auf den zweiten Blick erkennt. Während Libby ihre Träume aufgegeben hat, um andere Menschen in ihrem Umfeld zufriedenzustellen, hat Frank es hingegen geschafft, seine Träume zu verwirklichen. Auch Franks Pfleger Dylan verfolgte ursprünglich ein völlig anderes Berufsziel, seine Tätigkeit bereitet ihm nun jedoch große Freude.

„Man denkt zuerst, dass alte Menschen langweilig sind, aber das liegt nur daran, dass man ihnen nicht richtig zuhört. Meine Arbeit macht mich nicht reich, aber sie macht mich glücklich, und das ist wichtiger. Ich arbeite gerne mit Menschen und helfe ihnen – ich finde, das ist das beste Gefühl auf der Welt.“ (Dylan)

Das Hauptaugenmerk der Autorin liegt zwar auf Frank, Libby und Dylan, sie stellt ihren Protagonisten jedoch interessante Nebenfiguren zur Seite. In Libbys Fall sind dies ihre Eltern, ihre Schwester Rebecca sowie ihr Ex-Freund Simon. Dylans Bekannte Esme, eine ganz besonders liebenswerte und empathische junge Frau, nimmt eine wichtige Nebenrolle im Buch ein. Eine gewisse Peggy entpuppt sich als interessante Person, deren Identität und Verbindung zu dieser Geschichte lange Zeit im Dunkeln liegt.

Es handelt sich beim vorliegenden Roman um eine gebundene Ausgabe, die optische Gestaltung des Covers passt perfekt zum Inhalt dieses Buches. Der Bus ist der rote Faden, der sich durch die gesamte Geschichte zieht – er ist das Bindeglied zwischen den Ereignissen von 1962 und 2022 und den Figuren dieses Buches. Das Lesebändchen in roter Farbe stellt ein willkommenes und perfekt zum Bus passendes Extra dar.

FAZIT: „Menschen, die wir noch nicht kennen“ entpuppte sich als regelrechtes Lese-Highlight! Es war eine berührende, herzerwärmende und emotionale Geschichte, die mich von der ersten bis zur letzten Seite in ihren Bann gezogen und großes Lesevergnügen bereitet hat. Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen und ich vergebe begeisterte fünf Sterne und eine uneingeschränkte Leseempfehlung dafür.

Veröffentlicht am 09.04.2023

Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit einem einzigen Schritt!

Und morgen ein neuer Tag
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Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit einem einzigen Schritt!

„Ich heiße Meredith Maggs und habe das Haus seit 1.214 Tagen nicht mehr verlassen.“

Dieses aussagekräftige Zitat zu Beginn des ersten ...

Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit einem einzigen Schritt!

„Ich heiße Meredith Maggs und habe das Haus seit 1.214 Tagen nicht mehr verlassen.“

Dieses aussagekräftige Zitat zu Beginn des ersten Kapitels gibt dem Leser bereits einen ersten Hinweis auf die Situation der neununddreißigjährigen Protagonistin. Die freiberufliche Texterin und Autorin hat sich seit drei Jahren komplett von der Gesellschaft zurückgezogen. Sie arbeitet im Home Office in ihrem Haus in Glasgow, leidet an Panikattacken und Depressionen. Ein roter Kater namens Fred ist ihre einzige Gesellschaft. Fred war ein Geschenk von Merediths Freundin Sadie, die sie regelmäßig besucht und mit ihren beiden kleinen Kindern ein wenig Leben ins Haus bringt. Sadie hilft ihr, wo sie nur kann und würde buchstäblich alles für sie tun, stößt dabei aber immer wieder an ihre Grenzen. Meredith mag es ebenso wenig, fremde Menschen kennenzulernen, wie unangemeldeten Besuchern die Türe zu öffnen. Es fällt ihr aus diesem Grund auch schwer, den sympathischen Mitarbeiter des Vereins „Helfende Hände“ namens Tom McDermott an sich heranzulassen. Doch Tom ist nicht nur geduldig, sondern auch äußerst hartnäckig und ganz besonders liebenswert. Nach und nach schafft er es, Merediths Schutzwall zu durchbrechen und entpuppt sich als wertvolle Unterstützung in ihren Bemühungen, einen Weg zurück in die Welt zu finden. Schließlich macht Meredith in einem Online-Selbsthilfeforum die Bekanntschaft der fröhlichen Friseurin Celeste, der regelmäßige Chat-Kontakt zwischen den beiden führt schließlich ebenfalls zu einer guten Freundschaft. Doch dann ereignen sich Dinge, welche mühsam unterdrückte Schatten der Vergangenheit wieder ans Tageslicht bringen. Nun muss sich weisen, ob der unerschütterliche Zusammenhalt ihrer Freunde und deren liebevolle Unterstützung es schaffen, Meredith wieder zu einem Leben außerhalb ihrer selbst gewählten Isolation zu verhelfen.

Bereits die Leseprobe zu diesem Debutroman aus der Feder von Claire Alexander hat mich in den Bann gezogen. Nach dem Zuschlagen der letzten Buchseite kann ich nunmehr bestätigen, dass meiner unverhältnismäßig hohen Erwartungshaltung an dieses Buch voll und ganz entsprochen wurde. Die Charakterzeichnung der Protagonistin war außergewöhnlich und brillant, die Autorin hat deren innerste Gedanken und Emotionen mit viel Feingefühl und hoher Authentizität zum Ausdruck gebracht. Laufende Rückblicke in die Vergangenheit und letztendlich auf die Ursachen von Merediths Problemen schafften es mitunter, mir während der Lektüre kalte Schauer über den Rücken zu jagen. Claire Alexander versteht es, ihre Leser voll und ganz einzubeziehen. Man leidet mit Meredith und erkennt mehr und mehr die Gründe, die für die völlige Abschottung der Protagonistin verantwortlich zeichnen. Man ist unsagbar wütend angesichts der Dinge, welche sie seit ihrer Kindheit erleiden musste. Zugleich wünscht man sich nichts sehnlicher als Hilfe für diese arme, gepeinigte Seele und freut sich mit ihr über noch so kleine Erfolge und Fortschritte zwischen den zahlreichen Rückschlägen. Mit Sadie, Tom und Celeste brachte die Autorin sehr wichtige Figuren in die Handlung ein, die Meredith guttun, ihr unerschütterlich zur Seite stehen und immer für sie da sind.

„Und morgen ein neuer Tag“ ist ein unglaublich intensives Buch, eine teilweise ungemein tragische Geschichte voller Emotionen. Durch den locker-leichten Sprachstil, die sehr saloppe Sprache, eingebaute humorvolle Szenen sowie eingestreute Chatverläufe zwischen den Mitgliedern des Online-Selbsthilfeforums vermag Claire Alexander ihre Erzählung jedoch etwas aufzulockern. Die große Leidenschaft der Protagonistin, Köstlichkeiten wie Torten, Kekse und die traditionellen Scones zu backen sorgt dafür, dass man während dieser Lektüre den aromatischen Duft dieses Backwerks beinahe zu riechen vermeint. Was mir besonders zusagte ist der laufende kapitelweise Wechsel zwischen der Gegenwart im Jahr 2019 und den Ereignissen in der Vergangenheit. Auf diese Weise erfährt man nach und nach viele Einzelheiten über Merediths Kindheit, ihr Heranwachsen und schließlich ihren Weg zur Selbstständigkeit. Um Spoiler zu vermeiden werde ich nicht auf Details zur Vorgeschichte sowie darin involvierter Personen eingehen. Ich möchte jedoch anmerken, dass es sich um eine Geschichte handelt, die wohl kaum einen Leser unberührt lassen wird.

FAZIT: „Und morgen ein neuer Tag“ war für mich eine zutiefst erschütternde, an mancher Stelle leidvolle Lektüre, die buchstäblich unter die Haut geht, aber auch Mut zur Veränderung und Hoffnung verleiht. Sie zeigt den unschätzbaren Wert von Menschen auf, die einem in jeder Lebenslage unerschütterlich und treu zur Seite stehen. Ich habe mit Meredith gebangt, gelitten, getrauert, gelacht und dabei auch einige Tränen vergossen und kann dieses Buch zweifellos als ganz besonderes Lesehighlight bezeichnen.

Begeisterte fünf Sterne und eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 02.04.2023

Pensare fuori dagli schemi - in andere Richtungen denken!

Abschied auf Italienisch
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Pensare fuori dagli schemi - in andere Richtungen denken!

„Als Ermittler sollte man immer über den Tellerrand der eigenen Logik hinausdenken können. Pensare fuori dagli schemi. Verbrechen sind unlogisch, ...

Pensare fuori dagli schemi - in andere Richtungen denken!

„Als Ermittler sollte man immer über den Tellerrand der eigenen Logik hinausdenken können. Pensare fuori dagli schemi. Verbrechen sind unlogisch, doch Verbrecher glauben, dass sie logisch handeln. Es kommt darauf an, die Zweifel zu spüren und zuzulassen, wenn die Antworten „zu“ einfach sind. Und das eine vom anderen zu unterscheiden.“ (Vito Grassi)

Der römische Commissario Vito Grassi wagt im ersten Band der Krimireihe von Andrea Bonetto einen Neuanfang und beantragt eine Versetzung zur Polizia di Stato in La Spezia, Ligurien. Das Haus in Levanto, das sein kürzlich verstorbener Vater Emilio liebevoll renoviert hat, wird Vitos neuer Wohnsitz. Emilio Grassis rechte Hand Antonella Solinas („Toni“) ist im Haus und im Olivenhain tätig. Sie denkt gar nicht daran, nach Emilios Tod auszuziehen - und schon hat der Commmissario auch noch eine Mitbewohnerin. Bereits unmittelbar nach seiner Ankunft wird Vito mit dem Fund einer weiblichen Leiche in einem leeren Tunnel konfrontiert. Capitano Bruzzone, der zuständige Ermittler der Carabinieri, hegt sichtlich keine Sympathien für den römischen Polizisten, der Gerichtsmediziner Dottore Andrea Penza ermöglicht Vito jedoch wichtige erste Einblicke und Erkenntnisse. Nach Vitos offiziellem Dienstantritt in der Questura von La Spezia wird eine weitere Leiche gefunden und nun ist Vito gefordert, sich in seinem neuen Arbeitsumfeld zu bewähren. Kompetenzgerangel, verbaler Schlagaustausch und politischer Druck erschweren die Ermittlungen, doch Vito ist ein guter Polizist, der sich mit seinem eigenwilligen Instinkt durchsetzt und sich niemals mit einfachen Antworten zufriedengibt. Unterstützt durch seine neue Vorgesetzte Quästorin Lilia Feltrinelle und mit Ispettore Marta Ricci an seiner Seite geht der neue Commissario jeder noch so kleinen Fährte nach und arbeitet dabei letztendlich auch mit den Carabinieri zusammen.

Die Charakterzeichnung der handelnden Figuren ist dem Autor aus meiner Sicht sehr gut gelungen, deren glaubwürdige Darstellung erstreckt sich sowohl auf den Protagonisten, als auch auf die Nebenfiguren dieses Buches. Andrea Bonetto bringt interessante Persönlichkeiten in seine Geschichte ein. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem zynischen Vito Grassi. Vitos beruflicher Werdegang sowie seine in Rom lebende Ehefrau und die beiden erwachsenen Kinder werden kurz vorgestellt. Der sarkastische, oftmals launische und manchmal auch unfreundliche Protagonist bekommt keine Gelegenheit, sich in Ruhe in seinem neuen Umfeld in Ligurien einzuarbeiten. Er wird vielmehr sofort nach seiner Ankunft mit zwei Mordfällen konfrontiert. Durch sein schroffes Verhalten brüskiert der Commissario aus Rom nicht nur seine neuen Kollegen, auch Toni oder befragte Zeugen fühlen sich bisweilen durch seine Art vor den Kopf gestoßen. Doch Vitos neue Vorgesetzte stellt ihm eine sehr fähige junge Ispettore namens Marta Ricci zur Seite. Martas exotisches, jugendliches Aussehen und ihre empathische Art stellen besonders bei den Zeugenbefragungen eine willkommene Bereicherung dar. Mir hat besonders ihre unkomplizierte, selbstsichere und fröhliche Art gefallen. Die verschlossene und misstrauische Toni fungiert als einziges Bindeglied zu Vitos verstorbenem Vater, sie zeigt jedoch vor allem zu Beginn ein sehr reserviertes Verhalten. Mit dem skurrilen Gerichtsmediziner Dottore Andrea Penza betritt ein echtes Original den Schauplatz der Handlung. Der kleine, untersetzte Mann verfügt über Scharfblick und einen wachen Verstand, sein makabrer Humor und sein Hang zur Poesie bilden einen auffallenden Gegensatz zu seiner beruflichen Tätigkeit.

Der Schreibstil des Autors hat mir sehr gut gefallen. Ich begrüßte zudem die Einbindung zahlreicher italienischer Bezeichnungen und Ausdrücke, welche der Geschichte zusätzliche Authentizität verliehen. Darüber hinaus war ich tief beeindruckt von der lebendigen und bildhaften Beschreibung der ligurischen Landschaft, des Dorflebens sowie der Menschen in Vitos Umfeld.

Der Krimi bleibt durch einige Verwicklungen stets spannend und bereitete mir durch unerwartete Wendungen großes Lesevergnügen. Die Geschichte punktet durch die kleinen Macken des sympathischen und eigenwilligen Ermittlers sowie gewisser Nebenfiguren, bietet interessante Verstrickungen und ein beschauliches Setting im kleinen ligurischen Küstenstädtchen Levanto, mit Blick auf die malerische Schönheit der Cinque Terre. Eine echte Bereicherung stellt aus meiner Sicht auch die farbige Karte im Anhang dar, die einen detaillierten Überblick über die Schauplätze der Handlung gibt und hervorragend zur Orientierung beiträgt.

FAZIT: „Abschied auf Italienisch“ war ein richtiges Lesevergnügen! Der komplexe Kriminalfall, liebevoll ausgearbeitete Charaktere sowie der einnehmende Schreibstil des Autors haben mich ausgezeichnet unterhalten und mir sehr gut gefallen. Ich empfehle dieses Buch gerne weiter und sehe den nächsten Bänden dieser Reihe mit Commissario Vito Grassi mit hoher Erwartungshaltung und großer Vorfreude entgegen.