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Veröffentlicht am 27.08.2023

Zeit zum Gruseln: Diesmal in Sachsen

Lost & Dark Places Sachsen
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"Lost & Dark Places Sachsen" von Cornelia Lohs ist in der sehr interessanten Sachbuch-Reihe "vergessener, verlassener und unheimlicher" Orte erschienen (Verlag Bruckmann, brosch., 158 Seiten, 2023).

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"Lost & Dark Places Sachsen" von Cornelia Lohs ist in der sehr interessanten Sachbuch-Reihe "vergessener, verlassener und unheimlicher" Orte erschienen (Verlag Bruckmann, brosch., 158 Seiten, 2023).

Hier stellt uns die namhafte Autorin die dunkle Seite Sachsens vor: 33 Orte, die dem Verfall überlassen wurden, zuweilen finster anheimeln und doch oft eine früher glanzvolle Geschichte hatten....

Und genau DAS macht das Faszinierende, mystische dieser vergessenen Orte aus, die C. Lohs detailliert beschreibt und deren Geschichten sie hervorragend recherchiert hat. Seien es die alten Klosterruinen mit einer langen Geschichte (wie Kloster und Burg Oybin); jahrhundertealte Regimentsunterkünfte (Mandaukaserne, Zittau); eine Lungenheilanstalt, die 1900 inmitten der erzgebirgischen Wälder für Frauen eröffnet wurde, Raubritterburgen wie die Burgruine Körste; ein berüchtigtes Frauengefängnis (Schloss Hoheneck), die Burg Stolpen (Verbannungsort der Gräfin Cosel) oder sogar ein Kaufhaus, einst zu den repräsentativsten Gebäuden von Görlitz zählend (Kaufhaus Totscheck):

Stets bieten sich dem Leser Einblicke in die Gebäude, in die Entstehung und den historischen Hintergrund und die jeweilige Historie: Das Sachbuch liefert anhand sehr gut recherchierter und spannender Hintergrundinformationen auch viele Fotos, die die Faszination der alten Gebäude noch intensivieren und die Geschichten dazu positiv untermalen.


Fazit:

Ein sehr spannender literarischer und optischer Spaziergang durch die Jahrhunderte, durch die Geschichte Sachsens, versehen mit faszinierenden Fotos, die die Düsterkeit dieser verlassenen, oftmals dem Verfall übergebenen unheimlichen Orte noch intensivieren. Sehr gut fand ich auch den Hinweis, dass von einem Alleingang in teils vom Einsturz bedrohten alten Gemäuern doch abzuraten sei; einige sind in Gruppenführungen zu besichtigen. Von mir eine absolute Leseempfehlung und 5* am Sachbuch-Literaturhimmel!

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Veröffentlicht am 26.07.2023

Wenn aus Fremden Freunde werden....

Unsere Stimmen bei Nacht
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"Unsere Stimmen bei Nacht" von Franziska Fischer erschien im Dumont-Verlag (HC, gebunden; 286 S., 2023) und hat mich sowohl inhaltlich als auch von der einfühlsamen und psychologisch versierten, tiefgründigen ...

"Unsere Stimmen bei Nacht" von Franziska Fischer erschien im Dumont-Verlag (HC, gebunden; 286 S., 2023) und hat mich sowohl inhaltlich als auch von der einfühlsamen und psychologisch versierten, tiefgründigen und zuweilen poetischen Erzählweise der Autorin sehr begeistert!


Worum geht's?


Gloria und Herbert; ein Ehepaar in den Mittfünfzigern, vermieten die Zimmer ihrer 3 Kinder, die inzwischen erwachsen sind und auszogen, in einer alten Berliner Villa: Dafür scheint es mehrere Gründe zu geben; zum Einen verbessern sich die Finanzen der beiden - und zum anderen kommt, was vorwiegend von Gloria gewünscht ist, mehr Leben ins Haus, das groß genug ist, um Lou, Mitte 30 und sehr oft umgezogen, Tänzerin; Jay, einen Studenten der Politikwisssenschaften sowie den von Frau und Sohn getrennt lebenden Gregor, einen Wissenschaftler und dessen Tochter Alissa (16) aufzunehmen. Herbert ging vorzeitig in den Ruhestand und hat sich in zwei Räumen ein kleines Antiquariat aufgebaut, das er weiterhin betreibt, auch wenn es kaum Laufkundschaft gibt....


Meine Meinung:


Der Roman beginnt mit dem Einzug von Lou, die mir aufgrund ihrer einfühlsamen und hilfsbereiten Art sowie ihrem Gespür für Menschen sehr sympathisch war. Sie hat eine Weile bei einer Freundin gewohnt und Gloria schien es (sie war die 34. Bewerberin für das letzte Zimmer!), dass das Zimmer und Lou zusammenpassen werden - und sie gleich einziehen konnte. Nach und nach lernt man die anderen Hausbewohner kennen; Jay, den anfangs unsicheren und scheuen, später aufgetauten und auch mal mit Lou in der Küche stehenden und kochenden Studenten, der sich durch das Angebot der Mahlzeiten gegen Aufpreis recht wohl zu fühlen scheint und auch gerne Songs schreibt und Gitarre spielt. Gregor ist der am zurückgezogensten lebende Charakter dieser Haus- und Wohngemeinschaft, Alissa wirkt eher unglücklich über die Zerfaserung der Familie, kommt aber mit dem Vater anscheinend besser zurecht als mit der dominanten Mutter, die ihr in den Ferien Nachhilfe aufbürdet und am guten Schulabschluss der Tochter mehr Interesse zeigt als an der Tochter selbst. Alissa wirkte auf mich auch in gewisser Weise überfordert, da sie ihrem Vater täglich Brote mit in die Uni gibt und somit Aufgaben verrichtet, die eigentlich nicht ihre sind.


Zaghaft nähern sich die ProtagonistInnen, die allesamt diverse Geheimnisse mit sich herumschleppen, einander an; so lernen wir Lou als sehr extrovertiert kennen; sie will dieses Mal "die Lücke besetzen, in die sie sich - vielleicht längerfristig? - einfinden kann"; ihr Lachen ist ansteckend, was dem schüchternen Jay zugute kommt und beide sich bald gut verstehen. Lou erkennt auch, dass Alissa Unterstützung braucht, das Interieur ihres Zimmers betreffend und schenkt ihr kurzerhand eine Sternendecke, die es gemütlicher macht (Alissa ist eher introvertiert und verunsichert, da eine Freundin sich von ihr abwandte, die jetzt zu den wirklich "Coolen" gehört). Gloria ist erleichtert, als sie bemerkt, dass sie durch Jay und Lou Hilfe beim Kochen erhält, ihr Mann Herbert braucht etwas länger, sich auf die häuslichen "Veränderungen" einzustellen: Er ist der konservativste Charakter, der Rituale mag und jeden Tag sein Klappschild für das Antiquariat auf die Straße stellt. Bis Jay ihm erklärt, dass er mehr Bücher verkaufen würde, wenn er auch einen online-shop hätte.


Eine sehr interessante und vielschichtige, wie auch sympathische Figur ist Gloria, die Neuem gegenüber offen ist und eine alte Bürde mit sich trägt. Beim Ausmisten kommen sich Lou und Gloria im Dialog näher und eine Überraschung wartet auch auf den Leser, die ich mir sehr gut als eine Fortsetzung dieses Beziehungsromans mit feinen und leisen Untertönen vorstellen könnte! Die Themen sind sehr vielschichtig und es machte mir Freude, stets 'zwischen den Zeilen' lesen zu können; das Ankommen Lou's zu verfolgen, die Tatsache, dass die anfängliche Fremdheit einer permanenten Annäherung der ProtagonistInnen folgen sollte, gefiel mir sehr. Da ich selbst einen Teil meines (jungen) Lebens in WG's lebte, hatte ich auch einen direkten - und sehr positiven - Bezug zum Thema Zusammenwohnen.


Fazit:


Ein wunderschöner Roman, in dem es der Autorin mit Bravour, auf berührende Weise und stellenweise tiefpoetisch gelingt, zu beschreiben, wie es den WG'lerInnen gelingt, sich gegenseitig zu helfen; Altes, Verkrustetes mehr und mehr aufzubrechen, sich Mut zuzusprechen und auch Hoffnung zu geben. Allen, die tiefgründige und sehr niveauvolle Unterhaltung, gewürzt mit Empathie und psychologischem Feingefühl lieben, kann ich eine absolute Empfehlung aussprechen. Auch könnte es ein Roman sein, der SeniorInnen Hoffnung gibt, MitbewohnerInnen zu finden, die leerstehenden Zimmern in viel zu groß gewordenen Häusern - und damit auch ihrem eigenen Leben - womöglich wieder neues, mitmenschliches Leben einhauchen könnten. Zu wünschen wäre dies sehr!

Ich vergebe mit einem dankeschön an Franziska Fischer und an den Dumont-Verlag für schöne Lesestunden 5*.

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Veröffentlicht am 26.06.2023

Fionas Vermächtnis

Das Rosencottage
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"Das Rosencottage" von Constanze Wilken erschien (tb,2023, 506 Seiten) im Goldmann-Verlag, München und ist bereits der 7. Roman einer meiner LieblingsautorInnen in diesem Genre, den ich wieder einmal mit ...

"Das Rosencottage" von Constanze Wilken erschien (tb,2023, 506 Seiten) im Goldmann-Verlag, München und ist bereits der 7. Roman einer meiner LieblingsautorInnen in diesem Genre, den ich wieder einmal mit Begeisterung gelesen habe: C. Wilken versteht es, den Leser von Beginn an in die Geschichte hineinzuziehen und den Spannungsbogen wie auch die Authentizität in ihren Romanen bis zum Schluss oben zu halten:


Inhalt:


Kirsty Paterson, Tochter einer reichen Architektenfamilie und auch 'schwarzes Schaf', da sie als Einzige in der Familie nicht profitorientiert handelt, sondern eher ihren Talenten (z.B. dem Malen von Landschaftsbildern) und ihrem Herzen folgt, erbt zur Überraschung aller das Cottage auf der malerischen Insel Tiree, die zu den Inneren Hebrideninseln Schottlands gehört und für Kirsty schöne Ferienmomente mit Fiona, ihrer Großmutter, bedeutet: Doch mit dem Erbe stellt Fiona ihr nach deren Tod auch eine Aufgabe: Kirsty soll herausfinden, was aus Livie McMillan, ihrer Freundin aus der Kindheit auf Tiree, geworden ist. Der Kontakt der beiden Freundinnen war kurz vor dem 2. Weltkrieg Mitte der 30er Jahre abgebrochen....

Kirsty stellt sich dieser Aufgabe und lässt den Leser miträtseln, welchem Schicksal Livie damals entgegenging und auch nachspüren, wie karg und hart das Leben auf der kleinen Insel vor 100 Jahren gewesen sein muss. Was Fiona ihr verheimlichte, war die Tatsache, dass das Cottage an Finlay Stewart, einem Autor mit Schreibblockade, der dort in der Ruhe und Abgeschiedenheit wieder in den Schreibfluss kommen möchte, vermietet wurde: Fortan müssen die beiden ungleichen Mieter sich das Cottage teilen, was nicht ohne Spannungen, aber auch Schmunzeln bleiben sollte, da Finlay zwar ungehobelte Manieren hat und dem Trinken frönt, aber auch ein Genussmensch ist und für sein Leben gerne kocht. So recherchieren beide mehr und mehr gemeinsam, was aus Livie geworden ist und machen hierbei auch unliebsame Erfahrungen.... Wird es Kirsty gelingen, die Jugendfreundin ihrer Großmutter ausfindig zu machen?


Meine Meinung:


Die Autorin versteht es auch hier wieder, den Leser schon zu Beginn (der Prolog ist sehr dramatisch) zu fesseln und das Leseinteresse zu wecken: Der Roman findet auf zwei Zeitebenen statt, zum einen vor fast 100 Jahren und zum anderen in der Gegenwart; hier wird - für C. Wilken Romane symbolisch - Historie mit einer spannenden Geschichte und sympathischen ProtagonistInnen verwoben, wodurch ein schön zu lesender, authentisch wirkender Roman entsteht, den ich sehr gerne gelesen habe. Erschreckend war zuweilen in der Vergangenheit die Düsterkeit und Bitternis der beschriebenen Ausweglosigkeit von Frauen, die prügelnden, gewalttätigen Ehemännern schutzlos ausgeliefert waren und es kein Entrinnen gab: Ausser Paddy, der Lieblingsbruder von Livie McMillan, gibt es in dieser Familie nur Männer, die sich mit Fäusten auseinanderzusetzen wussten; allen voran Vater Donald, der die Familie auf brutale Weise tyrannisierte und kriminelle Wesenszüge trug.

Auf Kirsty wartet eine wahre Odyssee, die sie bis nach Mull führt, um etwas über das Schicksal von Livie herauszufinden und die Suche nach Spuren gestaltet sich stets (auch für den Leser) sehr spannend, so begegnet man Inselpfarrern, einer redseligen Küsterin, einem alten verbitterten Mann und dessen nichtsnutzigem Neffen, aber auch einer profitorientierten Familie, die letzten Endes einsieht, dass die Erbin des Cottages dieses wohl nicht verkaufen wird, um eine Ferienanlage auf der Insel zuzulassen.

Mitleid hat man mit dem Inselarzt, der in der Vergangenheit lieber die Insel verlassen hat als noch mehr (nicht nachweisbaren) Schaden durch einen cholerischen, gewalttätigen und herrschsüchtigen Mann auf sich zu nehmen, der zeitlebens (vermutlich besonders nach dem 1. Weltkrieg, an dem er teilnahm) ein Trinker und Schläger war.

Der Roman beinhaltet jedoch auch zwei Liebesgeschichten: Eine in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, die andere in der Gegenwart, die sich auch erst nach und nach abzeichnet, was jedoch köstlich zu lesen - und letztendlich auch stimmig ist: So freut man sich mit den Charakteren, leidet jedoch auch mit ihnen, wenn sie unfair und brutal behandelt werden; Paddy war mir in dieser Hinsicht auch sehr sympathisch und ihm hätte ich einen Job und eine Ausbildung zum Piloten sehr gewünscht. Finlay Stewart wirkt anfangs sehr abstoßend, jedoch hat die Schreibblockade auch einen Grund, den er erst nach längerer Zeit mit Kirsty teilen kann.


Fazit:


Ein sehr atmosphärischer, zu Herzen gehender Roman mit historischen Elementen der schottischen Hebrideninsel Tiree, der Familiengeheimnisse und Historie sehr authentisch verbindet und mit sehr sympathischen HauptprotagonistInnen aufwartet. Der Spannung von der ersten Seite an bis zum Schluss gewährleistet und den ich aufgrund der authentisch dargestellten Geschichte sehr gerne gelesen habe. Ich empfehle ihn absolut gerne weiter - wie auch die Wales-Reihe der Autorin - an LeserInnen, die Spannung, Stimmigkeit, Tiefgang, aber auch einen Schuss Romantik und wunderschöne Landschaften und Inseln mögen; darüber hinaus für Geschichte und Familiengeheimnisse 'empfänglich' sind ;) Hier würde ich in diesem Falle beherzt zugreifen! 5*

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Veröffentlicht am 28.04.2023

Ein literarisches Denkmal für die U-Bahn-Behelfsbibliothek 'Bethnal Green'/London in der Zeit des 2. WK

Die Bibliothek der Hoffnung
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Der auf historischen Fakten basierende, sehr berührende Roman "Die Bibliothek der Hoffnung" von Kate Thompson (erschienen bei Droemer-Knaur, 2023, tb, brosch., 477 S.) entführt den Leser ins Jahr 1944, ...

Der auf historischen Fakten basierende, sehr berührende Roman "Die Bibliothek der Hoffnung" von Kate Thompson (erschienen bei Droemer-Knaur, 2023, tb, brosch., 477 S.) entführt den Leser ins Jahr 1944, als London in der Zeit des 2. Weltkriegs dem sog. "Blitz"-Angriff der Nazis ausgesetzt war und bombardiert wurde.


Inhalt:


Die Bibliothekarin Clara Button (25) kann mit einigen HelferInnen, u.a. ihrer besten Freundin und Assistentin Ruby Munroe, einige Tausend Buchexemplare aus der zerbombten Bücherei retten, in der auch ihr Chef Peter dem Bombentreffer der Deutschen zum Opfer fiel, der kleine schwarze Bibliothekskater jedoch wie durch ein Wunder überlebte, wie sich viel später herausstellen sollte...


Da Clara Bücher über alles liebt, ist es ihr wichtig, 24 m unter der Erde, im "Shelter" des U-Bahn-Schachts Bethnal Green, der 5000 Menschen das Überleben sichert, in dem auch Schlafplätze eingerichtet werden, ein Buchangebot den Menschen zur Verfügung zu stellen, die durch die täglichen Angriffe im Krieg in Gefahr und teilweise traumatisiert sind. Sie möchte den Menschen die Gelegenheit bieten, sich durch packende Lektüre vom harten Kriegsgeschehen zumindest teilweise abzulenken (und sei es auch nur für einige Kapitel). Dafür brennt und lebt sie; ebenso wie Ruby (26), die sie nach Kräften unterstützt. Der dritte im Team ist der liebenswürdige Mr. Pepper (86), der nach dem Tod seiner Frau eine neue Aufgabe und Beschäftigung in der Bibliothek findet. Sogar zu den Arbeiterinnen in den Fabriken fahren Clara und Ruby mit einem Bücherbus ihre Romane aus, da dort sehr gerne Liebesromane gelesen werden. Der "Shelter" ist wie ein kleines Dorf und beheimatet ein Theater, einen Kindergarten, ein Café, eine Sanitätsstation, ein Friseur und - die kleine Behelfsbibliothek, die für viele ein Zuhause in dieser Zeit wird. Es findet ein Lesekreis statt und jeden Abend ist es Clara sehr wichtig, eine Vorlesestunde für die Kinder einzurichten: Diese liegen ihr ganz besonders am Herzen.


Sehr atmosphärisch und warmherzig wird die Geschichte der Bibliothekarin Clara und der von Ruby erzählt, auch von einigen sehr netten und liebenswerten ProtagonistInnen wie Sparrow, dem Clara das Lesen beibringen will, Dot, der netten Cafébesitzerin, Billy, der ein Auge auf Clara geworfen hat und Sanitäter ist, Mr. Pepper, der eine meiner Lieblingsfiguren im Roman ist; aber auch ProtagonistInnen wie Netty, der Mutter von Ruby und Mr. Pinkerton-Smythe, der andere - weitaus weniger sympathische Ansichten als Clara vertritt und sie am liebsten in ihrer Funktion als Bibliotheksleiterin vertreiben würde (ebenso wie die Kinder und die Obdachlosen, die wie alle in der Bücherei stets willkommen sind).


Jedes Kapitel trägt die Überschrift eines Bibliothekars/einer Bibliothekarin und zeugt von den wahren Hauptprotagonisten des Romans: Den Büchern, die auch in finsteren Zeiten Hoffnung und Trost spenden können! Auch begegnen uns natürlich viele wunderschöne Klassiker der englischen Literatur (Der Wind in den Weiden, Die Schatzinsel, Jane Austen, die Schwestern Bronte u.a. bis hin zu auch mal 'schlüpfrigen' Liebesromanen, die besonders bei Frauen (deren Männer seit Jahren im Krieg sind), großen Anklang finden - sehr zum Missfallen von Mr. Pinkerton-Smythe, der mehr "für Anstand und Ordnung" zu sein scheint....


Die Figuren sind sehr gut ausgeleuchtet und in ihrer Vielfältigkeit der Facetten sehr gut vorstellbar; auch Eddie, der GI, der sich in die stets (nach außen) muntere Ruby verguckt und unzählige Bände von "Vom Winde verweht" für sie sammelt, damit sie ihn erhört. Trotz der heiklen Lage, in der die Bevölkerung sich befindet, ist durch den Roman spürbar, wie solidarisch sich alle verhalten, was mich sehr beeindruckt hat. Im 'Shelter' hält man zusammen; auch wenn es um zwei Schwestern aus Jersey geht, die jünger sein dürften, als sie vorgeben, es zu sein. Erzählt wird diese Geschichte, die sich so oder ganz ähnlich zugetragen haben könnte, von Beatty, damals noch ein Kind, die die Zeit im Shelter und in der Bücherei ihr ganzes Leben mit sich herumtrug, bis sie es als 88jährige alte Frau endlich ihren Töchtern erzählte (dass sie adoptiert wurde, hatte sie jedoch nie verheimlicht). Auch einen Unfall mit politischer Brisanz, der sich 1943 auf der Rolltreppe hinunter in den Shelter zutrug, spart die Autorin nicht aus: Ihm fielen 173 Menschen durch eine Massenpanik zum Opfer, für die heute an derselben Stelle im Stadtteil Bethnal Grenn ein Memorial steht.


Am Romanende geht die Autorin auch auf die Geschichte der Bethnal Green Library ein, die durch die Pandemie in Gefahr war, geschlossen zu werden und 1911 eröffnet wurde; auch Fotos der damaligen BibliothekarInnen und die Bibliothek selbst sind zu sehen: Ich hoffe, Kate Thompson konnte anlässlich dieses Ereignisses eine Rede halten, die unzählige Interviews mit Zeitzeugen führte, um diesen wundervollen Roman zu schreiben.


Fazit:


Ein ergreifender, emotionaler, berührender Roman, der Verlust, Schmerz und Traumatisierung der Londoner sehr gut beschreibt; aber auch Lebensfreude und das Aufblitzen von Humor, Durchhaltevermögen, Hoffnung und auch Liebe dagegensetzt: Mit Billy und Clara sowie Ruby und Eddie, allesamt sehr sympathische Charaktere, erlebt man ein Stück authentischer Zeitgeschichte des 2. WK in der Londoner U-Bahn-Station, die lange nachhallt. Die Bücher sind hier - wie auch die "Hüter der Bücher", die BibliothekarInnen, die wahren Hauptakteure: Sie vermögen Menschen auch in dunkelsten Zeiten Hoffnung zu geben, Trost zu spenden; der Roman ist eine Hymne an sie, an die Fähigkeit von Büchern, die das Leben eines Menschen verändern können, Licht in dunkle Zeiten zu bringen und die Feststellung, dass sie für alle in Bibliotheken kostenlos zur Verfügung stehen sollten. Sehr bewegt klappt man am Ende dieses Buch zu und kann sich bei der Autorin wie bei den Verlagen nur bedanken, dass er veröffentlicht wurde! Von mir eine absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 23.03.2023

Die Teufelshure

Die Teufelshure
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Dieses Buch ist kaum zu beschreiben - Historisches, Fantastisches, Episches - vieles vermischt sich in dem gesuchten "Serum", das die Unsterblichkeit verleihen soll: Ein alter Menschheitstraum, den man ...

Dieses Buch ist kaum zu beschreiben - Historisches, Fantastisches, Episches - vieles vermischt sich in dem gesuchten "Serum", das die Unsterblichkeit verleihen soll: Ein alter Menschheitstraum, den man noch toller kaum erzählen kann - und da er in Schottland spielt - auch vom Ort des Geschehens kaum zu überbieten (zumindest für mich, die dieses interessante Land 2011 endlich kennenlernen will!) - Die Autorin hat eine Gabe, die "Feder zu schwingen" und wirklich gut zu recherchieren (s. homepage), dass es wirklich eine wahre Freude war (untertrieben), dieses Buch zu lesen: Sehr empfehlenswert und nachdenklich stimmend - die ewige Geschichte zwischen Gut und Böse....
Von mir 96 Punkte auf der Werteskala!

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