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Veröffentlicht am 25.05.2023

Der Protokollant

Wenn Worte töten
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Der Autor Anthony Horowitz fühlt sich manchmal eher wie der Co-Autor von Damiel Hawthorne, einem ehemaligen Polizisten. Mit diesem hat er einen Fall protokolliert und als Kriminalroman veröffentlicht. ...

Der Autor Anthony Horowitz fühlt sich manchmal eher wie der Co-Autor von Damiel Hawthorne, einem ehemaligen Polizisten. Mit diesem hat er einen Fall protokolliert und als Kriminalroman veröffentlicht. Bald soll es ein neues Buch geben und der Verlag meint, Horowitz und Hawthorne sollen zu einem Literaturfestival nach Alderney. Womit die beiden Herren, die sich nicht immer ganz grün sind, nicht rechnen, dass sie sich auf der beschaulichen Kanalinsel nicht nur mit Literatur beschäftigen werden. Zu dem Festival hat sich eine illustre Runde versammelt, etwas skurril, aber interessant. Nur der Mäzen scheint nicht die Freundlichkeit in Person zu sein.

Dies ist der dritte Roman, in dem der Autor Anthony Horowitz als Chronist des Privatdetektivs Daniel Hawthorne auftritt. Besonders am Anfang wird die Beziehung zwischen Verlag, Autor und Agent beleuchtet. Wobei der Ideengeber Hawthorne seinen Anteil an der schriftstellerischen Tätigkeit doch als überaus wichtig einschätzt, schließlich hätte man ohne seine Nachforschungen keine Romane. Eigentlich ist Horowitz der Co-Autor, es ist ihm nur nicht so klar. Und Alderney ist doch ein nettes Reiseziel. Das der Mäzen schon am nächsten Morgen tot aufgefunden wird, führt natürlich dazu, dass Hawthorne unerwartet ermitteln muss. Möglicherweise hatte er auch noch einen ganz anderen Grund, an dem Festival teilzunehmen.

Der Anfang dieses klassischen Whodunit mit seinen Anspielungen auf das Verlagswesen und der Irritation des Autors über seinen selbstgerechten Co-Autoren ist wirklich klasse. Auf der Insel angekommen entwickelt sich der Roman mehr zu einem normalen Krimi, in dem eben Täter und Motiv gefunden werden sollen. Natürlich ist Hawthorne schlauer als die Polizei oder Horowitz. Und von sich eingenommen bleibt er immer. Dennoch verfolgt man gespannt, wie mögliche Motive eruiert und Verdächtige ausgeschlossen werden. Auch ist es vergnüglich, die Irrtümer des Autors zu erkennen. Wobei es beim Lesen nicht gelingt, das Rätsel selbst zu lösen. Da muss und darf man sich getrost auf Hawthorne verlassen, über dessen Persönlichkeit es etwas zu erfahren gibt. Diese Reihe ist lesenswert und das Hörbuch wird hervorragend vorgetragen von Uve Teschner.

Veröffentlicht am 18.05.2023

Hinter der Maske

Die einzige Frau im Raum
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Mit achtzehn hat Hedwig ihre erste Rolle am Theater, sie spielt die Sissi. Was könnte sie sich mehr erträumen. Ihr Vater ist ein Mann mit Weitblick. Anfang der 1930er schon erkannt, dass es für Menschen ...

Mit achtzehn hat Hedwig ihre erste Rolle am Theater, sie spielt die Sissi. Was könnte sie sich mehr erträumen. Ihr Vater ist ein Mann mit Weitblick. Anfang der 1930er schon erkannt, dass es für Menschen mit jüdischer Abstammung in Wien schwierig werden könnte, einfach nur am Leben zu bleiben. Er hofft, die Heirat seiner Tochter mit einem älteren Waffenfabrikanten, würde wie eine Schutzmauer wirken. Leider erweist sich ihr Ehemann als gewalttätiger Despot und nach einigen Jahren des Erleidens dieser Ehe gelingt es Hedy zu fliehen. Mit Hilfe von Louis B. Mayer gelangt Hedy nach Hollywood, wo sie ihre Schauspielkarriere unter ihrem Künstlernahmen Hedy Lamarr wieder aufnimmt.

Welch eine ungewöhnliche Frau. Ihr Start ins Leben wohlbehütet in einer Bankiersfamilie. Doch die Ehe, die sie so jung eingeht, wird nicht glücklich. Vor der Hochzeit verstand ihr Mann es, sie mit Geschenken zu locken. Indem er sie gleichberechtigt behandelte, nahm er Hedy für sich ein. Doch nach der Hochzeit entpuppt er sich als eifersüchtiger Despot, der seine Frau in allen Belangen einschränkt und sie mehr als Schmuckstück ansieht, denn als Mensch. Inzwischen wird auch die politische Lage in Österreich immer gefährlicher. Hedy sieht keine andere Möglichkeit als zu fliehen.

Beim Lesen der Beschreibung zu diesem Buch ist man sofort Feuer und Flamme. Der Name Hedy Lamarr hat etwas Mystisches. Schnell merkt man, wie wenig man über die Schauspielerin weiß. Weder ihre österreichisch-jüdische Herkunft war bekannt, noch ihr genialer Erfindergeist. Wohl hat sie auch darunter gelitten, dass sie in Amerika ein relativ angenehmes Leben führte, in Europa jedoch ein perfider Machhaber den ganzen Kontinent mit Leid und Tod überzog. Die spannende Jugend der Künstlerin und Erfinderin hat die Autorin in ruhigen Worten erzählt, wobei ein kurzes Nachwort noch mit beeindruckenden Erläuterungen aufwartet. Diese Lebensbeschreibung bringt einem den Menschen Hedy Lamarr näher, die wie so viele ihrer Generation als starke Frau nicht wirklich wahrgenommen wurde. Ein literarisches Denkmal, von dem man wünscht, dass es ihr gefallen hätte.

Veröffentlicht am 14.05.2023

Ein schönes Paar

Just Like You
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Die Trennung war das einzig Richtige. Doch nun ist die Englischlehrerin Lucy allein mit ihren zwei Söhnen. Da sind die Treffen mit ihrer Bekannten Emma fast eine Abwechslung, wenn nicht Emma so offensiv ...

Die Trennung war das einzig Richtige. Doch nun ist die Englischlehrerin Lucy allein mit ihren zwei Söhnen. Da sind die Treffen mit ihrer Bekannten Emma fast eine Abwechslung, wenn nicht Emma so offensiv mit dem Metzgereiverkäufer flirten würde. Irgendwie kommt Lucy selbst mit Joseph ins Gespräch und irgendwie wird er der Babysitter ihrer Söhne. Obwohl Lucy um einiges älter ist versteht sie sich gut mit Joseph. Genau genommen besser als mit den gelegentlichen Blind Dates, die Freundinnen manchmal organisieren. Im Jahr 2016 kurz vor der Brexit-Abstimmung ist noch alles gut. Jedoch sind die Diskussionen intensiv und die Menschen uneinig.

Im Jahr 2016 ist in England der Brexit das große Thema. Es scheint, als meinten die Menschen, sie könnten diskutieren und abstimmen, aber es würde nichts geschehen. Bis zum Tag des Erwachens. Recht bald macht sich Katerstimmung breit. Gegen diese Grundstimmung bilden Lucy und Joseph einen Kontrast. Eigentlich wirken sie wie ein unmögliches Paar. Er ist so viel jünger und schwarz, sie, zweiundvierzig, mit einem Mittelklassehintergrund und mit Kindern und Beruf gut ausgelastet. Aus ihren Gesprächen über die Jungs wird langsam mehr und sie merken, dass sie sich richtig gut verstehen. Kann das allerdings gutgehen?

Natürlich ist heute besser bekannt, was mit der Brexit-Abstimmung angerichtet wurde. Doch der Roman ist erstmal im Jahr 2020 erschienen, wo man das noch nicht überblicken konnte. Nun ist das Thema doch etwas vorbei und man liest das Buch sicherlich anders als es damals der Fall gewesen wäre. Dennoch ist der Autor für seine liebenswerten Charakterzeichnungen bekannt und damit kann auch dieses Werk punkten. Witzige Dialoge, wohlgeratene Kinder, ein Paar, das lebensecht wirkt, dem man sofort abnimmt, dass es um seine Beziehung kämpft, dass es den Gefühlen folgt. Ein besonderes Geschick hat der Autor dafür, seine Leser mit einem Ausklang zu beglücken, mit dem man sehr gut leben kann, dem aber nicht der Realitätsbezug abhanden kommt. So hat man das gerne.

Veröffentlicht am 11.05.2023

Die schönste Zeichnung

Tochter des Marschlands
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Im Smithsonian Museum, Washington, ist Loni Mae Murrow für ihre detailgetreuen Zeichnungen hoch angesehen. Die Stimmung unter den Kollegen ist allerdings etwas angespannt, da die jungen Controller das ...

Im Smithsonian Museum, Washington, ist Loni Mae Murrow für ihre detailgetreuen Zeichnungen hoch angesehen. Die Stimmung unter den Kollegen ist allerdings etwas angespannt, da die jungen Controller das Heft in die Hand nehmen und vieles rationalisieren wollen. Als Lonis Mutter erkrankt, ist Loni sehr verunsichert. Sie wagt es kaum, sich ein paar Tage frei zu nehmen. Doch ein kleiner Tipp verhilft ihr zu ein paar Wochen Urlaub. Zwar kehrt Loni nicht so gerne nach Florida zurück. Doch ihre Mutter braucht sie und ihr jüngerer Bruder auch. Der Zustand ihrer Mutter erschreckt Loni, sie kann wirklich nicht mehr allein leben.

Den frühen Tod ihres Vaters umgibt ein Geheimnis. Mit ihren Bruder hat Loni nie richtig darüber gesprochen. Und nun werden die Erinnerungen ihrer Mutter immer unzulässiger. Und Loni wollte nie zurück. Immerhin hat sie so wieder mehr persönlichen Kontakt zur ihrer Schulfreundin Estelle, die ihr zur Überbrückung ein paar Aufträge für Zeichnungen besorgt. Zwischen den schwierigen Besuchen bei ihrer Mutter, dem Räumen des Elternhauses und der Suche nach Informationen über die letzten Tage ihres Vaters, widmet sich Loni den Zeichnungen, die ihr so viel bedeuten. Es ist alles nicht einfach für Loni. Und doch ist es an der Zeit, sich der Vergangenheit zu stellen.

Ihre wunderbaren und naturgetreuen Zeichnungen und auch die urtümlichen Landschaften und Tiere Floridas bilden einen Schwerpunkt dieses Romans, der eine subtile Spannung entwickelt. Hinzu kommen die komplizierten Beziehungen von Loni zu ihrer Familie. Viel blieb unausgesprochen und nun scheint die Zeit gekommen, einiges aufzuarbeiten. Allerdings würde Loni am Liebsten alles so lassen wie es ist. Auch wenn nicht jede Reaktion, nicht jede emotionale Regung sofort nachvollzogen werden können, ist es fesselnd zu lesen, wie sich Loni ihrem Bruder und ihrer Mutter wieder annähert und immer mehr Andeutungen findet, dass der Tod ihres Vaters nicht so eindeutig zu beurteilen ist, wie sie immer geglaubt hat. Es ist als ob ihre Sicht der Vergangenheit um ein Deut verschoben ist und die neuen Informationen, Gedanken und Gefühle, die Loni verändern, langsam alles an den richtigen Punkt setzten. Möglicherweise mit ein paar kleinen Schwächen ausgestattet, bietet dieser lesenswerte Debütroman ein paar spannende Lesestunden mit sehr bildhaften Beschreibungen von Flora und Fauna Floridas.

Veröffentlicht am 07.05.2023

Ein Neuanfang

Das Café ohne Namen
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In den 1960er Jahren sind die Auswirkungen des zweiten Weltkriegs noch zu spüren, aber dennoch ist eine Aufbruchstimmung zu erkennen. Mit seiner Stellung als Gelegenheitsarbeiter ist Robert Simon nicht ...

In den 1960er Jahren sind die Auswirkungen des zweiten Weltkriegs noch zu spüren, aber dennoch ist eine Aufbruchstimmung zu erkennen. Mit seiner Stellung als Gelegenheitsarbeiter ist Robert Simon nicht mehr zufrieden. Im Jahr 1966 ergreift er die Gelegenheit, am Großmarkt mietet er Räume, um ein Café zu eröffnen. Das Angebot wählt er etwas umfangreicher als bei einem Café und nach ein paar Anlaufschwierigkeiten kommen die Gäste, die Marktbetreiber, die Zufallskunden, Bekannte und Fremde, die zu Bekannten werden. Robert Simon hat etwas Eigenes geschaffen, er hat gewienert und geputzt, um es den Gästen freundlich und einladend herzurichten.

Robert Simon ist ein sympathischer Typ, zurückhaltend zwar, gar manchmal verschlossen, aber zuverlässig und beständig. Wer ihn zum Freund hat, kann sich wohl auf ihn verlassen. So hilft er einem Freund mit Mila, die im Café eine Anstellung gefunden hat, zusammenzukommen. Und auch seiner Vermieterin, einer älteren Dame, greift er unterstützend unter die Arme als es nötig ist. Manchmal liegen Glück und Pech nahe beieinander und an manchen Wendepunkten fragt man sich, was gewesen wäre, wenn Entscheidungen anders getroffen würden. Roberts Café hat keinen richtigen Namen, es ist einfach im Viertel da und es ist für das Viertel da.

Der Name des Autors ist bekannt und wenn man noch keines seiner Werke gelesen hat, so ist man mit der Zeit neugierig geworden. Das Thema des recht unbedarften und im Zuge der Zeit durchaus erfolgreichen und sympathischen Gründers ist dabei ansprechend. Allerdings wirkt die Erzählung episodenhaft, was vielleicht mit dem Zeitraum zu erklären ist, über den sich die Handlung erstreckt. Vielleicht ist es auch eine Abbildung der Gäste, die häufiger erscheinen oder seltener oder auch nur ein Mal. Wenn es ein Konzept ist, ist es eine tolle Idee, wenn einem dieses Bruchstückhafte liegt. Doch auch eine gewisse Traurigkeit liegt über den Roman, als sei es Robert Simon beinahe von Anfang an gewiss gewesen, dass er sein Café nicht ewig betreiben wird. Die freudige Dynamik des Beginns verfliegt recht bald. Die angemessene und getragene Vortragsweise des Vorlesers Matthias Brandt bringt die Stimmung des Werkes hervorragend zur Geltung. Nach Abschluss des Hörerlebnisses darf man konstatieren, dass einem dieser Roman vielleicht nicht hundertprozentig liegt, es sich aber um eine Erzählung handelt, die ausgesprochen lesens- oder hörenswert ist.

Im Übrigen ist die Abbildung eines möglichen Robert Simon auf dem Cover ziemlich gut getroffen.