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Veröffentlicht am 05.07.2023

Wenn Luxus und Leid nahe beieinander liegen

KaDeWe. Haus der Wünsche
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Berlin in den 1920er-Jahren: Im KaDeWe hat sich die Verkäuferin Rieke Krause zur Abteilungsleiterin hochgearbeitet. Judith Bergmann dagegen macht Karriere an der Universität. Die beiden Frauen haben noch ...

Berlin in den 1920er-Jahren: Im KaDeWe hat sich die Verkäuferin Rieke Krause zur Abteilungsleiterin hochgearbeitet. Judith Bergmann dagegen macht Karriere an der Universität. Die beiden Frauen haben noch viele Pläne. Aber es kommen Schwierigkeiten auf Rieke und Judith zu.

„KaDeWe - Haus der Wünsche“ ist der zweite Band der Kaufhaus-Saga von Marie Lacrosse.

Meine Meinung:
Mit 31 Kapiteln, die sich über vier Teile erstrecken und von einem Prolog und einem Epilog eingerahmt werden, greift der Roman auf eine bewährte Struktur zurück. Die Haupthandlung spielt zwischen 1927 und 1934 in Berlin. Genauere Orts- und Zeitangaben erleichtern die Orientierung.

Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven. Die Sprache ist anschaulich, der Zeit angemessen, einfühlsam und atmosphärisch. Das Glossar erläutert altmodische und weniger bekannte Begriffe. Zwar empfiehlt es sich, den ersten Band vorher zu lesen. Aber auch ohne Vorkenntnisse gibt es keine Verständnisprobleme.

Erneut stehen Rieke und Judith im Zentrum der Geschichte. Darüber hinaus lernen wir bisher unbekannte Charaktere kennen. Die Figuren sind reizvoll ausgestaltet und wirken glaubwürdig. Ein sehr hilfreiches Extra ist dabei die Personenübersicht.

Diesmal ist der beschriebene Zeitraum weniger umfassend. Inhaltlich ist der Roman jedoch mindestens genauso interessant. Obwohl die Jahre vor der Machtergreifung literarisch bereits häufig bearbeitet wurde, habe ich mich beim Lesen der mehr als 650 Seiten keineswegs gelangweilt. Die Weltwirtschaftskrise und der Aufstieg des Nationalsozialismus bilden den historischen Rahmen. Vor diesem Hintergrund wird die weitere Entwicklung des Kaufhauses geschildert.

Dass die Autorin wieder einmal sehr routiniert und sorgfältig recherchiert hat, ist dem Roman an vielen Stellen anzumerken. Wer sich dafür interessiert, was auf echten Tatsachen und was auf Fantasie beruht, wird im ausführlichen und sehr lesenswerten Nachwort („Wahrheit und Fiktion“) fündig. Weiteren Aufschluss gibt das Quellenverzeichnis.

Das Cover ist zwar etwas austauschbar, passt aber gut zum Genre und zur Reihe. Das gilt auch für den Titel.

Mein Fazit:
Auch mit dem zweiten Band der Kaufhaus-Saga hat mich Marie Lacrosse überzeugt. Der Roman „KaDeWe - Haus der Wünsche“ wurde meinen hohen Erwartungen gerecht, sodass ich ihn Fans historischer Literatur gerne ans Herz legen kann. Ich bin schon jetzt gespannt, mit was uns die Autorin zukünftig überraschen wird.

Veröffentlicht am 04.07.2023

Ein entbehrungsreiches Leben auf dem Land

Das Band, das uns hält
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Das fiktive Städtchen Holt in den High Plains im US-Bundesstaat Colorado im Frühjahr 1977: Die 80-jährige Edith Goodnough befindet sich in einem Krankenhausbett. Vor der Tür hält die Polizei Wache, denn ...

Das fiktive Städtchen Holt in den High Plains im US-Bundesstaat Colorado im Frühjahr 1977: Die 80-jährige Edith Goodnough befindet sich in einem Krankenhausbett. Vor der Tür hält die Polizei Wache, denn die Seniorin wird eines schlimmen Verbrechens beschuldigt: Mord. Wie konnte es soweit kommen?

„Das Band, das uns hält“ ist ein Roman des verstorbenen Autors Kent Haruf, der im Original bereits 1984 erschienen ist und nun erstmals in deutscher Übersetzung vorliegt.

Meine Meinung:
Mit seinen elf Kapiteln, die aus mehreren Abschnitten bestehen, verfügt der Roman über eine bewährte Struktur. Erzählt wird rückblickend in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Sanders Roscoe. Die erzählte Zeit erstreckt sich über eine Spanne von rund 80 Jahren, beginnend im Jahr 1977, um die Geschichte ab 1896 aufzurollen.

In sprachlicher Sicht unterscheidet sich das frühe Werk des Autors von seinen späteren Romanen. Der Ton ist rauer, derber, die Wortwahl ein wenig rustikal. Dies war für mich anfangs gewöhnungsbedürftig, passt jedoch gut zur Erzählstimme. Zudem ist der Stil so atmosphärisch und eindringlich wie in den nachfolgenden Holt-Romanen.

Mit Liebe und Feingefühl, aber zugleich mit unverstelltem Blick werden die Figuren beleuchtet. Die Protagonistinnen und Protagonisten sind in Graunuancen gezeichnet. Der Großteil der Charakter ist durchweg weder gut noch böse. Menschliche Schwächen, aber auch Vorzüge treten zutage. Diese differenzierte, psychologisch ausgefeilte Darstellung der Figuren macht sie authentisch und glaubwürdig. Eine weitere Stärke des Romans.

Inhaltlich ist die Geschichte düsterer und schwermütiger als die übrigen fünf Romane Harufs. Der harte Alltag des Landlebens und persönliche Schicksale spielen eine hervorgehobene Rolle. Liebe, Verantwortung und Pflichtgefühl sind weitere große Themen. Die Lektüre ist fordernd und dabei alles andere als leichte Kost. Sie rüttelt auf, macht betroffen und nachdenklich, berührt.

Trotz des eher langsamen Erzähltempos kommt auf den etwa 300 Seiten keine Langeweile auf. Die Frage, was genau Edith angelastet wird, sorgt für eine subtile Spannung. Zudem hat mich der Roman an einigen Stellen überraschen können.

Das Cover passt sowohl zum Inhalt als auch zu den anderen Holt-Bänden. Der deutschsprachige Titel wurde erfreulicherweise wortgetreu aus dem amerikanischen Englisch („The Tie That Binds“) übersetzt.

Mein Fazit:
Auch wenn sein Debütroman nicht zu meinem Lieblingsroman von Kent Haruf geworden ist, hat mich auch diese Geschichte aus dem Holt-Universum in mehrerlei Hinsicht überzeugt. Eines meiner Lesehighlights 2023 und ein Roman, den ich anspruchsvollen Lesern gerne ans Herz legen kann.

Veröffentlicht am 04.07.2023

Leben mit dem Vulkan

Pompeji oder Die fünf Reden des Jowna
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Die römische Stadt Pompeji rund 80 Jahre nach Christus: Der Halbwaise Josse lebt nach dem Tod seines Vaters, eines gelernten Metzgers, mit seiner Mutter in ärmlichen Verhältnissen. Als Zuwanderer hat es ...

Die römische Stadt Pompeji rund 80 Jahre nach Christus: Der Halbwaise Josse lebt nach dem Tod seines Vaters, eines gelernten Metzgers, mit seiner Mutter in ärmlichen Verhältnissen. Als Zuwanderer hat es seine Familie nie leicht gehabt in der neuen Stadt. Doch anstatt zu arbeiten oder sich zu bilden verbringt Josse lieber seine Zeit mit dem Herumstreunen und besäuft sich mit seinen Freunden. Eines Tages jedoch kommt ihm zu Ohren, dass ein Vulkan nahe der Stadt vor dem Ausbruch steht. Mit anderen Aussteigern macht er sich daran, am „Fenster am Meer“ eine neue Siedlung zu planen…

„Pompeji oder Die fünf Reden des Jowna“ ist ein Roman von Eugen Ruge.

Meine Meinung:
Der Roman gliedert sich in sechs Teile, die wiederum aus 18 Kapiteln („Rollen“) bestehen. Der etwas unzuverlässige namenlose Erzähler geht chronologisch vor, arbeitet aber mit Rückblenden und Vorausdeutungen. Die Handlung umfasst einige Jahre und endet mit dem Vulkanausbruch. Sie ist vor allem in Pompeji und im direkten Umfeld der Stadt verortet.

In sprachlicher Hinsicht ist der Roman kreativ und ungewöhnlich. Mit viel gelungenem Sprachwitz, süffisanten Bemerkungen und pointierten Beschreibungen sorgt der Schreibstil für ein unterhaltsames Lesevergnügen.

Josse steht im Vordergrund der Geschichte. Darüber hinaus richtet sich der Fokus nach und nach auf weitere Charaktere, die teils ebenfalls fiktiv, teils historisch belegt sind. Die Figuren werden bewusst überzeichnet, sind aber nicht gänzlich unglaubwürdig.

Inhaltlich dreht sich der Roman erwartungsgemäß um das Thema Vulkanismus. Wieso haben die Menschen die Vorzeichen des Ausbruchs nicht wahrgenommen oder nicht ernst genommen? Einer Antwort auf diese Frage nähert sich der Roman an. Zugleich ist er aber weitaus mehr als eine Dokumentation der historischen Ereignisse. Immer wieder schweift der Blick auf die Gesellschaft der Stadt, insbesondere auf politisch einflussreiche Persönlichkeiten. Machtstreben, Ränke, Gier, Demagogie, die frühe Demokratie, politischen und religiösen Wahn und vieles mehr werden dargestellt.

Das Zusammenspiel von gesellschaftlichen Tendenzen, die sich auch aktuell finden lassen, und Formulierungen, die an die Politik der jüngeren Geschichte erinnern, lassen bisweilen den Eindruck entstehen, dass es sich beim Roman um eine Parabel oder eine Satire in Bezug auf die Neuzeit handelt. Tatsächlich wird immer wieder deutlich, dass sich der Erzähler über seine Figuren und die Entwicklungen lustig macht. Mir ist es jedoch schwergefallen, das Buch als klassischen Schlüsselroman einzuordnen. Zu umfangreich und verschieden sind dafür die Verweise und Anklänge.

Obwohl das Ende, der Ausbruch, hinreichend bekannt und damit wenig überraschend ist, hat mich der rund 350 Seiten umfassende Roman auf keiner Seite gelangweilt. Trotz der ernsten Thematik habe ich mich beim Lesen köstlich amüsiert. Die eindrücklichen Beschreibungen des Ausbruchs konnten mich sehr bewegen. Dass sich Ruge, der frühere Erdbebenforscher, intensiv mit dem Vulkanismus und Pompeji beschäftigt hat, ist dem Buch anzumerken.

Der prägnante Titel und das ausdrucksstarke Cover passen sehr gut.

Mein Fazit:
Mit „Pompeji oder Die fünf Reden des Jowna“ hat mich Eugen Ruge erneut überzeugt. Eine vergnügliche Lektüre, die zugleich zum Nachdenken anregt und aktuelle Themen aufgreift. Definitiv empfehlenswert.

Veröffentlicht am 18.05.2023

Ein Leben in leiser Würde

Maud Martha
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Chicago in den 1940er- und 1950er-Jahren: Maud Martha Brown wächst in bescheidenen, aber behüteten Verhältnissen auf. Als Heranwachsende träumt sie von Wohlstand, fremden Großstädten und der großen Liebe. ...

Chicago in den 1940er- und 1950er-Jahren: Maud Martha Brown wächst in bescheidenen, aber behüteten Verhältnissen auf. Als Heranwachsende träumt sie von Wohlstand, fremden Großstädten und der großen Liebe. Doch ganz so gut meint es das Leben nicht mit ihr. Trotz aller Widrigkeiten und Hindernisse ist sie stets darauf bedacht, ihre Würde zu behalten.

„Maud Martha“ ist der einzige Roman der verstorbenen Autorin Gwendolyn Brooks, der bereits im Jahr 1953 entstanden und nun erstmals auf Deutsch erschienen ist.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 34 kurzen Episoden. Er spielt in Chicago und begleitet Maud Martha von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter, mit Unterbrechungen in Form von kleineren und größeren Zeitsprüngen. Erzählt wird aus einer personalen Perspektive aus der Sicht der Protagonistin.

Die Sprache hat mich begeistert und schnell für den Roman eingenommen. Sie ist atmosphärisch und bildstark. Die Autorin beweist mit diesem Werk, dass sie mit nur wenigen Wörtern und Sätzen, sehr viel transportieren konnte. Der Stil ist zugleich reduziert und dennoch poetisch. Nur die Übersetzung von Andrea Ott weist kleinere Schwächen auf.

Wie der Titel richtigerweise vermuten lässt, steht die Figur Maud Martha im Vordergrund des Romans. Sie wird realitätsnah und mit psychologische Tiefe dargestellt. Beim Lesen kommt man der Figur nahe. Weil die Protagonistin Gemeinsamkeiten mit der Autorin aufweist, ist davon auszugehen, dass autobiografische Elemente eingearbeitet sind.

Inhaltlich ist der Roman ein Porträt einer jungen Schwarzen und gleichzeitig eine Art Gesellschaftsstudie, denn die Biografie Maud Marthas zeigt exemplarisch, wie es ist, als nicht-privilegierte Person in dieser Zeit zu leben. Einerseits nehmen der Rassismus und seine Folgen breiten Raum ein. Andererseits wird die Protagonistin nicht nur wegen ihrer Hautfarbe, sondern auch wegen ihres Geschlechts, ihres Aussehens insgesamt und ihrer gesellschaftlichen Stellung diskriminiert und abgewertet. Vor allem Situationen, in denen diese Aspekte zutage treten, werden schlaglichtartig beleuchtet. Diese Szenen sind es, die mich am meisten berührt und gedanklich beschäftigt haben. Betroffen macht die Feststellung, dass sich so manche Begebenheit auch in der heutigen Zeit so ereignet haben könnte. Obwohl die Erfahrungen sehr persönlich sind, sind sie zum Teil eben zugleich universell, was dem Roman auch in der Gegenwart Bedeutung verleiht.

Auf den knapp 140 Seiten werden die Erlebnisse verdichtet und aufs Wesentliche beschränkt. Einen klassischen Spannungsbogen und größere Überraschungen gibt es nicht. Dies tut dem Lesevergnügen jedoch keinerlei Abbruch.

Als gelungen empfinde ich auch das Nachwort von Daniel Schreiber („Eine Ballade gelebten Lebens“). Er ordnet den Roman ins Gesamtwerk von Gwendolyn Brooks ein, skizziert die Biografie der Autorin und legt ihr Anliegen dar.

Die unaufdringliche, aber ansprechende, zeitgemäße und durchdachte Aufmachung des Hardcovers passt sehr gut. Erfreulicherweise hat der Manesse-Verlag beim deutschen Titel auf Experimente verzichtet und sich am Original orientiert.

Mein Fazit:
Mit „Maud Martha“ hat Gwendolyn Brooks ein sprachlich beeindruckendes und inhaltlich intensives Leseerlebnis geschaffen. Ein Roman, der an Relevanz leider nicht eingebüßt hat und daher uneingeschränkt empfehlenswert ist.

Veröffentlicht am 14.04.2023

Wenn eine Mädchenleiche eine Kleinstadt beschäftigt

Dinge, die wir brennen sahen
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Die australische Kleinstadt Durton im Jahr 2001: Erst ist die zwölfjährige Esther Bianchi plötzlich verschwunden, dann wird ihre Leiche gefunden. Was ist passiert? Und wer hat etwas mit dem Tod des Mädchens ...

Die australische Kleinstadt Durton im Jahr 2001: Erst ist die zwölfjährige Esther Bianchi plötzlich verschwunden, dann wird ihre Leiche gefunden. Was ist passiert? Und wer hat etwas mit dem Tod des Mädchens zu tun? Schnell werden Verdächtigungen angestellt.

„Dinge, die wir brennen sahen“ ist der Debütroman von Hayley Scrivenor.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 38 Kapiteln. Fünf verschiedene Erzählperspektiven wechseln sich ab. Die Handlung spielt vorwiegend im November und Dezember 2001, wobei nicht streng chronologisch erzählt wird. Dennoch lässt sich das Ganze auch dank der Angaben zu Beginn der Kapitel gut nachverfolgen.

Der Schreibstil ist schnörkellos und unauffällig, aber anschaulich und atmosphärisch. Stellenweise dominieren Dialoge. Die Übersetzung von Andrea O‘Brien wirkt rund.

Die Figuren sind interessant gestaltet und machen größtenteils einen realitätsnahen Eindruck. Die Charaktere sind nicht komplett durchschaubar. Dennoch kommt man ihnen nahe.

Inhaltlich geht es einerseits um die Hintergründe von Esthers Tod und andererseits um Dynamiken in einer Kleinstadt. Der Roman enthält nicht nur Krimi- beziehungsweise Thrillerelemente, sondern ist auch eine Gesellschaftsstudie. Zugleich ist die Geschichte emotional bewegend und regt zum Nachdenken an.

Auf den rund 350 Seiten bleibt die Story lange undurchsichtig, unterhaltsam und fesselnd. Die Auflösung ist schlüssig und hat mich überzeugt.

Der englischsprachige Originaltitel („Dirt Town“) geht in eine andere Richtung, ist aber nicht mehr oder weniger passend als der deutsche Titel. Das stimmungsvolle, modern anmutende Cover ist ebenfalls stimmig.

Mein Fazit:
Mit „Dinge, die wir brennen sahen“ ist Hayley Scrivenor ein spannender Roman gelungen, der sich positiv von 08/15-Krimis abhebt. Eine ungewöhnliche und eindrückliche Lektüre.

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