Liebe Daffy,
an diesem Buch kommt man wohl kaum vorbei, wenn man ein bisschen durch Bookstagram scrollt oder in der Liebesromanabteilung des Buchladens seines Vertrauens stöbert: Paper Princess von dem Autorinnenduo Erin Watt. Unter dem gleichen Titel erschien das Buch 2016 in den USA, bei uns wird es von Piper seit 2017 verlegt.
Inhalt
Ella ist ganz allein seit dem Tod ihrer Mutter. Um über die Runden zu kommen, jobbt die 17-jährige Schülerin in einer Stripperbar. Eines Tages taucht der super reiche Geschäftsmann Callum Royal auf und erklärt Ella er sei ihr Vormund. Von heute auf morgen wird Ella Teil seiner Familie - doch nur was die Gesetzmäßigkeiten angeht, denn Callums Söhne sind alles andere als bereit, die neue „Tochter“ anzuerkennen und machen ihr das Leben schwer. Gibt es trotzdem noch ein Happy End?
Für wen ist dieses Buch und in welchem Genre können wir es ansiedeln?
Ich fange direkt beim Cover an, welches ohne Frage wunderschön aussieht. In pastellgelb gehalten und mit der goldenen, glitzernden Krone, die aussieht wie mit Glitter-Kleber gemalt, hat mich das Buch jedes Mal wieder angesprochen.
Der Klappentext war nicht ganz nach meinem Geschmack, doch ich wollte dem Buch eine Chance geben, nachdem ich es überall in den sozialen Netzwerken gesehen hatte. Was mir nicht so klar war, ist es nun eine Cinderella-Märchenadaption oder nicht? Auch nach dem Lesen könnte ich das nicht beantworten. Es spricht viel dafür wie beispielsweise der Name Ella und ihr Künstlername Cinderella. Auch, dass sie eine arme Waise ist, die vom reichen Geschäftsmann gerettet und in den sozialen Adelsstand erhoben wird.
Doch abgesehen davon, ist es weniger eine Märchenadaption, mehr ein Roman, der mich nachdenklich zurück gelassen hat.
Es gibt Passagen, die mich an Rory Gilmores erste Tage an der Chilton erinnert haben. Die Eliteschule, in der alles picobello aussieht, jede/r SchülerIn hat einflussreiche Verwandte und die Hierarchien sind klar definiert. Rory und Ella teilen den Willen zu lernen und von all den sozialen Umständen zuerst völlig überfordert zu sein, weil sie von einer staatlichen Schule kommen und von einer alleinerziehenden Mutter aufgezogen wurden, die nie großartig Geld zur Verfügung hatte. Doch da hört die charmante Ähnlichkeit zwischen den Gilmore Girls und Paper Princess auch schon auf.
Andere Ähnlichkeiten lassen sich zwischen diesem Buch und Twilight feststellen. Ein überforderter „Neu-Vater“, der versucht, es seiner Tochter recht zu machen, sich aber nicht sicher ist, wie er ein Mädchen zu behandeln hat und dadurch in die rosa-Rüschen-Kiste greift, um ihr Zimmer einzurichten. Die neue Schülerin an der Schule, die sich in den Schulschwarm verguckt, welcher aber unnahbar sein möchte und sie immer wieder von sich stößt, um große Geheimniskrämereien auszupacken und ihr erzählt, er wollte ihr nicht wehtun und müsste sowieso die Stadt verlassen.
Doch auch da hört es mit den Gemeinsamkeiten wieder auf. Warum? Weil die Gilmore Girls eine familientaugliche Fernsehserie sind, die ich bedenkenlos mit einer Sechsjährigen schauen würde. Twilight mag in der Weltansicht was Patriotismus, Frauenrechte und Partnerschaft angeht, überholt sein, doch es war zu jeder Zeit ein Jugendbuch, das auch heutzutage sicher noch junge LeserInnen in den Bann ziehen kann.
Ella ist siebzehn, die Söhne von Callum – zu denen übrigens auch der angesprochene Schulschwarm gehört – zwischen sechzehn und neunzehn. Die Geschichte spielt in der Schule und in einem Familienhaushalt. All das würde es für mich eindeutig zu einem Jugendbuch machen.
Tja, aber dann kommt diese unfassbare Übersexualisierung ins Spiel. Ich spreche hier nicht von Ellas Arbeit als Stripperin, sondern davon, dass sie von ihren neuen Brüdern mehrfach sexuell belästigt wird und ihr mehr oder weniger offensichtlich Vergewaltigung angedroht wird. Ihr wird vorgeworfen, mit ihrem Vormund zu schlafen, um Teil der Familie zu werden bis hin, dass man ihr Sex als Schweigemittel anbietet. Wenn sie mal anspricht, dass es sich um sexuelle Belästigung handelt, wird das Ganze von den Peinigern ins Lächerliche gezogen.
Doch was mich am allermeisten stört, ist, dass einer der schlimmsten in dieser Sache Mister Reed Royal ist; seines Zeichens neuer Bruder Ellas und einer, der ihr Sex aufdrängen möchte. Ebendieser Reed ist der Schulschwarm, in den sich Ella verliebt. Wo kommen wir mit einer #metoo- Bewegung hin, wenn wir Romane vorgelegt bekommen, bei denen Frauen sexuell belästigt werden und sie sich dann trotzdem dem Täter an die Brust werfen? Was genau fasziniert LeserInnen an diesen Geschichten und finden sie dann auch noch empfehlenswert? Ich muss diesem Buch eine Wertung geben, da man keine null Sterne auswählen kann, doch genau das würde ich am liebsten tun. Es kann nicht sein, dass Belästigung romantisiert wird. Da kann Ella noch so selbstbewusst daher kommen und eine große Klappe haben. Wenn es drauf ankommt, ist sie das Schaf, das sich dem Wolf zum Fraß vorwirft und das kann ich nicht akzeptieren. Denn was genau ist dieses Buch nun? Ein Jugendbuch? Eine siebzehnjährige Protagonistin ist wohl eindeutig als Identifikationsfigur für 13-17 Jahre alte Leserinnen gedacht. Wie unfassbar unverantwortlich, dieses Buch einer derartigen Zielgruppe empfehlen zu wollen. Da es in einer Schule spielt, kann ich mir auch kaum vorstellen, dass das Buch in das Genre New Adult oder gar Liebesroman zählt, oder liege ich da falsch? Wenn es doch der Fall sein sollte, hoffe ich, dass dieses Buch reflektierten LeserInnen in die Hände fällt. Ich werde mein Buch nicht behalten, da ich es nicht in meinem Bücherregal stehen haben möchte. Es gibt noch Nachfolgebände, die ich nicht kaufen werde. Auf der anderen Seite würde ich zu gern wissen, ob das Autorinnenduo noch eine Moral aus dieser Geschichte drehen konnte, dieses Buch nur ein Auftakt war und Ella reflektiert gegen sexuelle Belästigung vorgeht.
Deine Daisy