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JDaizy

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.03.2018

Eine gelungene Fortsetzung

Weil du mit mir gehst (2)
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"Katherine hat einmal gesagt, es sei Gottes Geschenk an uns, wenn sein Licht in die dunklen Ecken unseres Lebens fällt. Dabei kann das Licht selbst nichts an den Dingen ändern, aber es macht sie sichtbar. ...

"Katherine hat einmal gesagt, es sei Gottes Geschenk an uns, wenn sein Licht in die dunklen Ecken unseres Lebens fällt. Dabei kann das Licht selbst nichts an den Dingen ändern, aber es macht sie sichtbar. Und dann stehen wir vor der Wahl: Was werden wir mit den Dingen tun, die das Licht uns gezeigt hat? Sie ignorieren und versuchen, sie zu verdrängen, weil wir Angst vor Überforderung haben? Werden wir vielleicht versuchen, sie selbst in Ordnung zu bringen? Oder werden wir in der Kraft des Heiligen Geistes weiter kleine Schritte in Richtung Freiheit machen, auch wenn es wehtut?"


In "Unterwegs mit dir " trafen sich die vier Frauen Meg, Mara, Hannah und Charissa zum ersten Mal und verbrachten bei einem gemeinamen Kurs viel Zeit mit sich selbst und miteinander. Zeit, bei der sie sich nach anfänglichen Schwierigkeiten besser kennenlernten und sich näher kamen. Ich habe mich deshalb sehr gefreut als nun der Folgeband "Weil du mit mir gehst" erschien.
Wie wird das Leben der Frauen weitergegangen sein? Sind sie vorangekommen auf ihrem Weg? Hatte ihre Freundschaft Bestand oder haben sie sich im Alltag gar aus den Augen verloren?

Der Autorin Sharon Garlough Brown gelingt es problemlos ihre Figuren im Kopf des Lesers schnell wieder lebendig werden zu lassen. Mit Rückblicken erinnert man sich gut an den ersten Teil ihrer Reise. Aber auch Leser, die den ersten Band nicht gelesen haben, werden ausreichend informiert, so dass man das Buch auch ohne Vorkenntnisse lesen kann. Allerdings fände ich das schade, weil man den ersten großen Entwicklungsschritt von Meg, Mara, Hannah und Charissa verpassen würde.
Was mir bei der Entwicklung der Figuren besonders gut gefällt, ist ihre Einbettung in eine sehr intensive, detailreiche, individuelle Lebensituation, die sehr unterschiedlich ist. Schon deshalb wird sich der Leser an der ein oder anderen Stelle selbst wiedererkennen können. Bei mir gab es tatsächlich Momente, bei denen ich dachte: "Diese Worte hat sie jetzt genau für dich geschrieben." Und in anderen Leseabschnitten habe ich einfach mit den Frauen mitgefiebert, gehofft, gebangt, gelacht und auch die ein oder andere kleine Träne vergossen.

Natürlich gab es auch wieder sehr persönliche (Lese-)Momente, die mich zum Nachdenken gebracht haben. "Lerne bei dem zu Verweilen, was dich provoziert." wurde Hannah geraten. Dieser Satz hallt auch bei mir nach und ich werde mich noch weiter damit auseinandersetzen (müssen, nein dürfen). Ebenso mit dem Gedanken, wie man bei einer aufgezwungenen Freizeit-Diät seine Zeit am besten nutzen kann. Die Ideen mit dem Reisetagebuch (wobei es nicht zwangsläufig eine Urlaubsreise sein muss, sondern sehr gern auch die eigene geistliche Reise sein darf) und mit dem Jahresgebet fand ich sehr inspirierend und die Vergleiche von Gott mit einer Blume, mit den Blumen im Winter oder mit dem Windrad. Ach es gab so viele berührende Momente, die ich für mich gern mitnehmen möchte. Ich hoffe, sie bleiben mir lange Zeit im Gedächtnis.

Das Buch wurde in seiner 1. Auflage 2018 als Hardcover im Verlag GerthMedien veröffentlicht.
Den 429 Seiten mit ihrer angenehmen Schriftgröße fehlt zum puren Lesegenuss nur noch das Lesebändchen, das ich wirklich vermisst habe.
Sonst ist es ein würdiger Nachfolger von Band 1, dem es von der äußeren Aufmachung her sehr ähnelt. Wieder sind die vier Frauen im Scherenschnitt abgebildet, die man auch dieses Mal leider nicht 100-prozentig zuordnen kann. Da hätte ich mir eine Veränderung gewünscht. Auch das Größenverhältnis der stehenden Frauen zu der sitzenden wirkt für mich auf den ersten Blick etwas unproportional. Was mir gut gefällt ist die Farbgestaltung. Anders als bei Band 1 ist es diesmal ein zartes Rosè, dass für mich eine positive Grundstimmung vermittelt. Da ist schon etwas in Gang gekommen, was nun fortgeführt werden soll.

Am Ende des Buches findet sich zudem ein Leitfaden für Gebets- und Gesprächsrunden, damit man das Gelesene auch in der Praxis anwenden kann. Die Autorin läd uns dabei auf eine achtwöchige Reise ein: mit Fragen, die uns zum Nachdenken anregen sollen und geistlichen Übungen zum Ausprobieren - damit man sich auch selbst geistlich weiterentwickeln kann.


Fazit:
Eine gelungene Fortsetzung, die mir neben schönen Lesestunden, auch jede Menge Anregungen zum Nachdenken und Nachmachen geboten hat. Ich hätte mir ein "tieferes" Ende gewünscht. Aber ich vermute, dass wurde zugunsten eines dritten Buches "aufgespart".

Veröffentlicht am 05.02.2018

Ein vielversprechender, meisterhafter Auftakt zur neuen Reihe um den Ermittler Tom Babylon

Schlüssel 17
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"Toms Herz schlug als wollte es zerspringen. Er sah zu Bene hinüber, der sich ebenfalls bis auf die Unterhose ausgezogen hatte und probeweise den Fuß in das Kanalwasser steckte. "Scheiße, Mann. Ist das ...

"Toms Herz schlug als wollte es zerspringen. Er sah zu Bene hinüber, der sich ebenfalls bis auf die Unterhose ausgezogen hatte und probeweise den Fuß in das Kanalwasser steckte. "Scheiße, Mann. Ist das kalt." I...I "Wir hätten das schon viel früher machen sollen", sagte Bene missmutig, "als es noch nicht so arschkalt war." I...I Er zuckte mit den Achseln und stellte auch das zweite Bein ins Wasser. I...I "Bereit?, fragte Bene. Er hatte sich die Brille über die Augen geschoben und versuchte, dreinzuschauen wie sein Lieblingsrapper Coolio, mit seinem Rotschopf sah er allerdings eher aus wie ein dürres Sams auf Tauchgang."


Ich freue mich schon so lange darauf, dass endlich das nächste Buch von Marc Raabe erscheint. Und jetzt halte ich es in den Händen. Es ist von der Aufmachung anders als seine drei Vorgänger. Das Cover ist dunkler, fast düster und das (Taschen-)Buch mit seinen 500 Seiten viel dicker als gewöhnlich. Autor und Titel sind zudem auch haptisch hervorgehoben, was das Buch hochwertig(er) erscheinen lässt. Auf den Klappentexten, also auf den jeweils eingeklappten Enden des Schutzumschlages, finden sich zudem noch Angaben zum Autor und Werbung zu weiteren Büchern von ihm. Was mir super gefällt, ist die große, gut lesbare Schrift und die übersichtliche Kapiteleinteilung. So habe ich mich zu jeder Zeit gut in der Geschichte zurechtgefunden.

Mein Einstieg ins Buch war das Covermotiv, das eine silber-bläulich schimmerte Feder auf tiefschwarzem Grund zeigt. Was hat diese Feder wohl mit dem Titel "Schlüssel 17" zu tun?
Es geht - wie von Marc Raabe gewohnt - gleich im Prolog zur Sache. Man ist sofort gefangen in der Geschichte: eine grausam zugerichtete Leiche im Berliner Dom, drapiert wie in einem makaberen Schauspiel. Um den Hals trägt sie einen Schlüssel indem die Zahl 17 eingeritzt ist. Der erste Fall für Tom Babylon könnte nicht spannender beginnen. Denn hinter genau diesem Schlüssel verbirgt sich eine ergreifende Tragödie über den Verlust seiner kleinen Schwester, die damals vor 20 Jahren mit genau diesem Schlüssel verschwand. Wie hängen das Verschwinden und der Mord zusammen? Wird der Täter weiter morden? Und wird der Ermittler Tom Babylon die Herzen der Leser erobern können?

Ich finde den Start einer neuen Ermittlerreihe immer superspannend. Dem Autor ist es dabei in vieler Hinsicht gelungen mich in der Geschichte zu fesseln. Zum einen überschlagen sich die Ereignisse, so dass man kaum zum Luft holen kommt. Gerade im letzten Drittel konnte (und wollte) ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen, weil ich auf die Auflösung hingefiebert habe. Es kam anders als erwartet und vielleicht hätte ich ein anderes Ende favorisiert. Aber ich bin trotzdem nicht enttäuscht gewesen. Auch die Verbindung zum MfS war mir ein bisschen zu überspitzt und plagativ, was dem Lesen aber keinen Abbruch getan hat.
Was mir zudem gut gefallen hat, sind die örtlichen Gegebenheiten, bei denen man (als Berliner) so vieles wiederentdecken kann. Und auch die Figurenzeichnung ist wirklich sehr gut gelungen. Ob nun Tom Babylon, Jo Morten oder Sita Johanns - sie alle sind menschlich, mit Ecken und Kanten und nicht selten habe ich mich beim Lesen gefragt, wie unmenschlich unsere Welt ist, wie grausam Menschen sein können und das eine schöne Fassade nicht selten nur Schein ist. Die Vergangenheit wird uns alle immer wieder einholen. Man kann sie nicht abschütteln, sie verschwindet nicht einfach über Nacht, wenn man sie über Jahrzehnte totschweigt oder sie zu vergraben versucht. Schmerz, Verlust, Trauer, Auswegslosigkeit sind tiefgreifende Gefühle mit denen der Autor genauso "hart" spielt wie mit Schuld, Wut und Ohnmacht.
Was ich unbedingt noch erwähnen muss, sind die gelungenen und wirklich fesselnden Rückblicke in die Jugend des Ermittlers und die "Ausflüge" in die psychiatrische Privatklinik Höbecke. Manchmal hätte ich am liebsten vorgeblättert, weil die Kapitel so spannend und abrupt aufhörten, dass es kaum auszuhalten war.


Fazit:
Ein wirklich gelungener Start in die neue Ermittlerreihe mit Tom Babylon, die zeigt, dass Angst kein guter Ratgeber ist und die Vergangenheit hinter jeder Ecke lauern kann. Eine Geschichte über Lügen, Verrat, Geheimnisse und alte Schuld, die den Leser zu jeder Zeit fesselt und kaum zu Atem kommen lässt; die aber auch mit sympathischen (und weniger sympathischen) Protagonisten punktet. Mir persönlich ist besonders die Psychologin Sita Johanns im Gedächtnis geblieben, die hoffentlich auch im folgenden Band weiter an Toms Seite ermittleln wird.

Veröffentlicht am 05.10.2017

kleiner philosophischer Wegweiser zur Glück- und Sinnsuche

Linjis Weg zum Glück: Wie sich Rationalität und Achtsamkeit zur Lebenskunst verbinden
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"Hoffentlich konnte dieses Buch das Bewusstsein des Lesers für die Lebenskunst öffnen. /.../ Die Theorie kann die Praxis nicht ersetzen, aber den Leser für ein intensiveres Erleben der Glücks- und Sinnmomente ...

"Hoffentlich konnte dieses Buch das Bewusstsein des Lesers für die Lebenskunst öffnen. /.../ Die Theorie kann die Praxis nicht ersetzen, aber den Leser für ein intensiveres Erleben der Glücks- und Sinnmomente sensibilisieren. Da die Lebenskunst in ihrer konkreten praktischen Anwendung letztlich eine Kunst bleiben muss, die man erlernt, indem man sie anwendet und übt, ist mehr nicht möglich. Aber mehr bedarf es auch nicht."


"Wie sich Rationalitiät und Achtsamkeit zur Lebenskunst verbinden" war für mich schon im Titel ein Widerspruch an sich. Einer, der mich neugierig machte. Wir alle sind (zeitweise mehr oder weniger) auf der Suche nach Glück und nach einem Sinn in unserem Leben. Wir alle werden umhergetrieben von den großen Lebensfragen und durchleben Sinnkrisen, die uns verzweifeln lassen oder voranbringen.
Wenn du dich selbst in diesen Fragen nicht wiederfindest, wirst du wahrscheinlich auch keine große Freude an diesem Buch haben. Für alle anderen kann ich dieses Buch jedoch sehr empfehlen.

Der Autor Jens Wimmer widmet sich der Frage, worum es uns im Leben eigentlich geht. Was macht diese vielbesagte Lebenskunst aus? Schließen sich Rationalität und Achtsamkeit tatsächlich aus? Und wie können wir es schaffen, den Weg zu finden, hin zu einem glücklichen UND sinnerfüllten Leben?
Obwohl das Buch stellenweise sehr philosophisch ist (was ich aber auch nicht anders erwartet hatte), nutzt der Autor die Verbindung von bildhaften, praxisbezogenen Beispielen und ihrer philosophischen Interpretation, um den Leser näher an die oben erwähnte Fragestellung heranzuführen. Da finden wir uns zum einen im Märchen "Hans im Glück" wieder, mit der aufgeworfenen Frage, ob Hans nun ein cleveres Bürschen oder ein naiver, irrationaler Trottel ist. Zum anderen dürfen wir an Auszügen aus Abt Linjis Morgengesprächen teilhaben. Linji war ein Mönch, Lehrer und Zen-Meister, dessen Grundzüge seiner Achtsamkeitslehre mich wirklich fasziniert, aber auch nachdenklich zurückgelassen haben. Besonders die episodischen Auszüge aus den Morgengesprächen (wie z. B. "Himmelvögel", "Wissen im Fluss" oder "Sie alle waren Künstler") haben mir gut gefallen und ich habe sie schon des öfteren wieder und wieder gelesen. Sie geben wichtige Impulse und sind hilfreiche kleine Meilensteine auf dem eigenen Weg. Ich hoffe, dass auch andere Leser das ähnlich empfinden.
Für mich sind Achtsamkeit und Wahrnehmung ein wichtiges Thema in meinem Leben. Es ist wirklich spannend, wie der Autor Hans (als Vertreter der Rationalität) und Linji (als Vertreter der Achtsamkeit) "zusammenführt" und wie es ihm gelingt, den Leser immer wieder zu animieren offen zu sein, gern auch einmal die Perspektive zu wechseln.

Neben diesen theoretischen, praktischen Beispielen (haben wir da wieder einen Widerspruch in sich ;) geht es aber auch um die Anwendung der Lebenskunst. Wie kann es dem Leser gelingen ein Verständnis für die Lebenskunst zu entwickeln. Neben praktischen Tipps und Ratschlägen bleibt die Frage: Inwieweit ermöglichen diese nun ein gelungenes Leben. Oder kann man letztendlich gar keine Ratschläge geben? Bleibt zwischen Theorie und Praxis auch hier eine nicht zu überwindende Grenze?


Fazit:
"Es gibt Dinge im Leben, die man besser einfach tut, statt über sie zu reden." Wie ein Maler (s)ein Kunstwerk erschafft ohne später bis ins Detail beschreiben zu können, wie es genau entstanden ist, ist dieses Buch ein Wegweiser zum Ziel eines gelingenden Lebens. Für jeden, den dieses Thema interessiert definitv eine Bereicherung und ein (Erkenntnis-)Gewinn.

Veröffentlicht am 11.09.2017

Hinter jedem Dach ein Ach

Sonntags fehlst du am meisten
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"Jetzt putzen Sie sich mal die Nase." Maria Schneiders Stimme klang überraschend streng, und Caro tat, wie ihr geheißen. Dann nahm die alte Dame ihren Kopf zwischen die Hände, so dass Caro ihr in die Augen ...

"Jetzt putzen Sie sich mal die Nase." Maria Schneiders Stimme klang überraschend streng, und Caro tat, wie ihr geheißen. Dann nahm die alte Dame ihren Kopf zwischen die Hände, so dass Caro ihr in die Augen schauen musste. "Und jetzt hören Sie mir mal zu: Probleme sind wie Unkraut. Entweder man geht dagegen an, oder sie wachsen einem irgendwann über den Kopf. Aber was Sie bestimmt nicht weiterbringt, ist Selbstmitleid."


Caro Winter war immer der Liebling ihres Vaters. Schon von klein auf hat er seine kleine Prinzessin gegen die größeren Brüder und gegen alles Böse in der Welt verteidigt und ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Doch plötzlich wendet sich das Blatt. Mit 43 Jahren wendet sich ihr Vater von einem Moment auf den anderen von seiner Tochter ab. Der Kontakt bricht nach einem Streit über ein Jahr vollkommen ab. Doch jetzt steht die goldene Hochzeit der Eltern auf dem Plan und alle rechnen fest mit Caros Besuch und einer Versöhnung.
Wird es Caro schaffen ihren Vater gegenüberzutreten? Wird sie, wie von ihrer Mutter gefordert, ihre eigenen "Befindlichkeiten" hintenanstellen können und sich mit ihrem Vater aussöhnen? Und was war passiert, dass es überhaupt soweit kommen konnte?

In ihrem Roman "Sonntags fehlst du am meisten" erzählt die Autorin Christine Drews eine
tief zu Herzen gehende Familiengeschichte, in deren Mittelpunkt eine generationsübergreifende Vater-Tochter-Beziehung thematisiert wird. Durch ein Unglück verändert sich Caros Leben von einen auf den anderen Moment und es zerbricht nicht nur die tiefe, ihr immer Halt gegebene Bindung zu ihrem Vater, sondern auch ihre Ehe. Ihr Leben ist ein einziges Trümmerfeld. Und obwohl Caro es aus eigener Kraft schafft, den Kopf über Wasser zu halten, ziehen ihre inneren Selbstzweifel und ihr angekratztes Ego sie immer wieder nach unten. Ihr Vertrauen und ihr Selbstwertgefühl sind zutiefst verletzt. Und das nicht erst seit diesem alles verändernden Tag.
Mit Hilfe von Jakob und Maria macht sich Caro auf die Suche nach der Vergangenheit ihrer Familie und auf die Suche nach sich selbst. Wer bin ich wirklich? Was will ich? Und kann ich es aus eigener Kraft schaffen, meinem Leben wieder auf die richtige Bahn zu bringen?

Caro ist eine Protagonistin, die man gern haben kann, die aber auch Ecken und Kanten hat. Auch wenn ich mit ihren Problemen selbst zum Glück noch nie konfrontriert war, gibt es Momente, in denen ich mich ihr sehr nahe gefühlt habe. Man spürt ihre Verunsicherung und ihre Suche nach Anerkennung und Liebe stark zwischen den Zeilen. Ich habe das Buch kaum aus der Hand legen können. Die wechselnden Perpektiven zwischen Vater und Tochter und zwischen den unterschiedlichen Zeiten machen es dem Leser möglich, nach und nach zu verstehen, was sich ereignet hat und warum jeder so ist wie er ist. Mich hat das alles sehr zum Nachdenken angeregt und wieder einmal gezeigt, dass man nicht auf den ersten Blick vorschnell eine Meinung über andere fällen, dass man immer wieder mal die Perspektive wechseln und über den Tellerrand schauen sollte.
Im letzten Drittel des Buches verliert das Buch ein bisschen an Fahrt und Intensität. Aber das ist nur mein subjektives Empfinden und hat den Lesegenuss nicht geschmälert. Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich kann es mit gutem Gewissen weiterempfehlen.

Meine heimliche Lieblingsfigur ist und bleibt Maria Schneider. Die rüstige, resolute Rentnerin mit dem Herz am richtigen Fleck rückt Caro nicht nur einmal den Kopf wieder gerade. Außerdem gefällt mir die Idee mit der Senioren-WG ausgesprochen gut. So etwas sollte es auch im realen Leben viel viel öfter geben.

Das Buch wurde als Taschenbuch mit erweiterten eingeklappten Umschlagflächen im September 2017 im Ullstein-Verlag veröffentlicht. Auf 288 Seiten sind die einzelnen Kapitelüberschriften der Brockhaus Enzyklopädie entnommen. Eine schöne Idee, weil einem dieser Bücher eine ganz besondere Bedeutung im Buch zukommt. Auch die einzelnen Erzählstränge sind mit der Angabe der Jahreszahlen gut voneinander zu unterscheiden und ich habe wirklich bis zum Ende mitgefiebert, wie sich alles Stück für Stück ineinander fügt.
Auch das Cover finde ich sehr ansprechend. Man sieht vermutlich die junge Caro mit ihrem Vater. Beide sind glücklich und unbefangen und genießen den gemeinsamen innigen Moment. Was muss passieren, dass diese enge Vater-Tochter-Beziehung solch tiefe Risse bekommt. Das war mein erster Gedanke als ich den Text auf der Rückseite des Buches gelesen habe. So darf es sein: Ein Buch das neugierig macht, wenn man es in die Hand nimmt, ohne dabei zuviel zu verraten.


Fazit:
Eine sehr bewegende, zu Herzen gehende Vater-Tochter-Geschichte, die zeigt, dass im Leben nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Und das man nicht immer nur sich selbst sehen darf, sondern auch das große Ganze im Auge behalten sollte. Familie kann man sich nicht aussuchen. Aber auch wenn nicht alles einfach ist, sollte man froh sein, dass man sich hat.

Veröffentlicht am 07.09.2017

Mal etwas ganz anderes.

Die unterschätzte Kunst des Scheiterns und weitere Mysterien im Leben von Menschen und anderen Kleintieren
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"An jenem Tag, der alles verändern sollte, machte der magere Herbert das, was er wegen fehlender Alternativen immer machte: Er versuchte, mit seinen guten aerodynamischen Eigenschaften zu beeindrucken. ...

"An jenem Tag, der alles verändern sollte, machte der magere Herbert das, was er wegen fehlender Alternativen immer machte: Er versuchte, mit seinen guten aerodynamischen Eigenschaften zu beeindrucken. Wie ein grüner Derwisch kreiselte er auf den Seerosenblättern, hüpfte wie ein Irrer und schlug einen Salto nach dem anderen. Einen Reiher, der paralysiert auf Herberts artistische Darbietung starrte, wurde sogar so schlecht davon, dass er in den Teich reiherte."


Die Autorin Marion Alexa Müller hat in ihrem Buch "Die unterschätzte Kunst des Scheiterns und weitere Mysterien im Leben von Menschen und anderen Kleintieren" (wenigsten einmal MUSS ich diesen wunderbaren Titel in voller Länge ausschreiben) 32 höchst unterschiedliche Bühnentexte, Heldenepöschen und Erzählungen zusammengefasst. Es geht um das, was wir (nicht) Glauben, um Anerkennung und um den (vermeintlichen) Wert unserer Freiheit, um das Scheitern, um Verrat und um Manipulation. Aber auch um (vermeintliche) Freundschaft und Liebe. Leider manchmal auch mit dem ein oder anderen Todesopfer. Bei Tieren ist das für mich immer ganz besonders tragisch. Auch wenn es nur "Geschichten" sind.
Dabei spielen ihre Erzählungen von (manchmal selbsternannten) Helden, Außenseitern und Vorreitern mit der großen Bandbreite unserer Gefühle. Sie sind lustig, rebellisch, traurig, machen betroffen und regen zum Nachdenken an.
Was mir besonders gut gefallen hat, sind die kleinen versteckten Details, auf die die Autorin in ihren Texten anspielt, ihr Wortwitz und die liebevolle, gelungene Namensgebung für ihre (meist tierischen) Protagonisten. (zum Beispiel die Haie Haiko und Heinz oder die "Happy-Hippo-Komune im Happy-Hippo-Spirit"). So etwas bleibt im Gedächtnis.
Auch ihre "Nachworte" zu den einzelnen Geschichten, sind meist sehr informativ, auch wenn ich mich damit, vor allem zu Beginn, etwas schwer getan habe.

Es gibt so viele tolle Geschichten im Buch, dass es mir sehr schwer fällt, die ein oder andere besonders hervorzuheben. Was mir aber spontan einfällt und mir damit im Gedächtnis geblieben ist, ist zum Beispiel "Geld regiert die Welt". Was für ein bezeichnender Titel, der gerade vor der bevorstehenden Bundestagswahl nicht weniger an Bedeutung gewinnt. Hier zeigen uns ein Hängebauchschwein, ein Hase und ein Waschbär bei ihrer "Insolvenzverschleppung im Waldladen", was unser Geld und Freiheit wirklich wert sind und wie wir uns von außen manipulieren lassen.
Auch "Wenn Engel reisen" war eine herrlich sarkastische, überspitzte und überzeichnete Geschichte, bei der wir die Protagonisten auf ihrer Reise im Regionalzug begleiten und an ihren (stillen oder weniger stillen) Gedanken teilhaben dürfen. Ich habe mich sofort in die Berliner S-Bahn versetzt gefühlt und habe wirklich mehrfach Schmunzeln müssen. Wahrscheinlich ist die Geschichte auch gar nicht so überzeichnet. Das Leben schreibt tatsächlich die besten Geschichten.
"Blut ist dicker als Wasser" und "Natürliche Schöhnheit kommt von innen" haben mich nachdenklich zurückgelassen. Wir leben in einer Überflussgesellschaft. "Man isst und isst und wird trotzdem nicht satt" und "verhungert". Was für ein bezeichnendes Gleichnis. Und ist in unserer Gesellschaft zwingend vorgegeben, wer wir sind oder was aus uns wird? Gibt es eine "Natur des Menschen"? Können wir tatsächlich nicht raus aus unserer Haut?

Das Buch wurde 2016 als Softcover im Periplaneta-Verlag veröffentlicht, einem ambitionierten Berliner Verlag mit Literaturcafè und wirklichen Visionen.
Auf den ersten Blick wirkt das Cover unspektakulär, überzeugt jedoch beim genauen Hinsehen mit liebvollen Details. Während die chillige Schildkröte ihr Leben genießt, könnte das der Fliege am oberen linken Bildrand bald zu Ende sein. Oder ist es doch ganz anders als es scheint? Vielleicht drehen sie das Buch einfach einmal auf seine Rückseite. Sie werden überrascht sein.
Auch die Gestaltung des Titels finde ich sehr gelungen und ich habe mich ein bisschen in den kleinen Scherenschnitt-Frosch im Buch unten rechts verliebt.
Der Scheibstil der Autorin ist - wie die Vielfalt ihrer Geschichten schon erahnen lässt - nicht durchgängig gleich. Mich hat das gar nicht gestört, weil es das Lesen abwechslungsreich und nicht langweilig werden lässt. Außerdem überzeugt die Autorin mit Wortwitz, Schlagfertigkeit und schwarzem Humor. Das alles macht dieses Buch einzigartig und unvergleichbar.


Fazit:
Mal etwas ganz anderes. Und weil ich es nicht besser selbst formulieren kann, an dieser Stelle ein Zitat von der Verlagsseite: "Denn es werden heute viel zu wenig gute Geschichten erzählt - also Geschichten, die die Menschen weiter bringen und nicht nur von ihrem Dasein ablenken. Mit Periplaneta soll man Spaß an der Erweiterung des Hochizontes haben, sich in Erzählungen wiederfinden können oder einmal etwas ganz anderes lesen, hören oder sehen, als das immerzu Gewohnte."
DAS hat mit diesem Buch geklappt. Meine absolute Leseempfehlung.