Profilbild von Magnolia

Magnolia

Lesejury Star
offline

Magnolia ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Magnolia über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.09.2023

Familie und mehr…

Sylter Welle
1

Max Richard Leßmanns „Sylter Welle“ ist „eine schmerzhaft-schöne Liebeserklärung an eine vom Aussterben bedrohte Generation, seinen Großeltern“. So wird mir sein Erstlingswerk nahegebracht und ja, diese ...

Max Richard Leßmanns „Sylter Welle“ ist „eine schmerzhaft-schöne Liebeserklärung an eine vom Aussterben bedrohte Generation, seinen Großeltern“. So wird mir sein Erstlingswerk nahegebracht und ja, diese Aussage erweckt mein Interesse.

Seit jeher reist Max mit Oma Lore und Opa Ludwig nach Sylt. Sie sind mittlerweile alt, den Wohnwagen haben sie gegen ein Hotelzimmer getauscht, auch das Auto hat als Anreise ausgedient. Über drei Tagebekomme ich einen Einblick in die Familie, gleich der erste Tag bietet eine breite Palette an Anekdoten rund um die Leßmanns. Dabei kommen Charaktereigenschaften der Großeltern zum Vorschein, die ihnen nicht immer zum Vorteil gereichen. Vor allem Oma Lore erscheint mir hart und wenig fürsorglich. Zwischendurch blickt Max zurück, erzählt von so manchen Jungenstreich, switcht von einem Gedankenblitz zum nächsten, um dann wieder im Hier und Heute zu sein. Diese Erzählweise ist schon ein wenig ungewöhnlich, jedoch hatte ich diese schnellen Wechsel bald verinnerlicht.

Tag zwei geht emotional in die Tiefe, hier lerne ich sie alle von einer ganz anderen, einer verletzlichen Seite kennen und Tag drei geht mir persönlich zu weit. Nicht alles muss öffentlich gemacht, nicht jede Schwäche ausgeplaudert werden. Und ja, es ist ein autofiktionaler Roman und doch sollten sensible Grenzen nicht überschritten werden.

Auch wenn ich keinem von ihnen gefühlsmäßig näher gekommen bin, so ist Max Richard Leßmann ein unterhaltsamer, gut zu lesender Roman gelungen. Ganz alltägliche Dinge, die im Gedächtnis haften bleiben, wie etwa ein entflohener Vogel und ein kleiner Junge mit einer Hosentasche voller Würmer zum Anlocken, zeigen die liebenswürdigen, die herzlichen Momente auf und ein selbst geschriebenes Lied auf einer Beerdigung lässt so manches Tränchen kullern. Die Gefühlspallette dreht sich weiter, auch Kälte und Unnahbarkeit sind spürbar.

Wenn ich als Resümee ein Hermann Hesse-Zitat stark abwandeln darf, so wohnt nicht jedem Ende ein Zauber inne. Diese „schmerzhaft-schöne Liebeserklärung an die Großeltern“ würde ich meinen Großeltern nicht antun wollen, Tag drei war mehr als grenzwertig.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.09.2023

Für und wider Ingenium

Ingenium
1

„Ingenium“ ist ein Mensch mit besonderen geistigen und schöpferischen Fähigkeiten. Mike Brink kann seit seinem Schädel-Hirn-Trauma die kompliziertesten Rätsel sekundenschnell erfassen und nicht nur das, ...

„Ingenium“ ist ein Mensch mit besonderen geistigen und schöpferischen Fähigkeiten. Mike Brink kann seit seinem Schädel-Hirn-Trauma die kompliziertesten Rätsel sekundenschnell erfassen und nicht nur das, er sieht die Lösung direkt vor sich. Aufgrund dessen bittet ihn eine Gefängnispsychologin, ein seltsames Gemälde zu entschlüsseln. Es stammt von Jess Price, die des Mordes an Noah Cook angeklagt wurde und nun hinter Schloss und Riegel verstummt ist. Ihre Rätsel will Mike entschlüsseln und nicht nur das, er erkennt, dass Jess auch deshalb schweigt, weil jemand sie verfolgt, sie extreme Angst verspürt und diese nicht unbegründet ist. Die Spur führt weit zurück in ein bis dato nicht gelöstes Mysterium.

Mir gefällt das Buch, die Geschichte. Mir gefällt es gar nicht. Es ist ein Wechselbad der Gefühle, ich bin angezogen, will mehr wissen, bin fasziniert. Und dann ist mir vieles zu langatmig. Was hat dies alles mit Jess Price zu tun, wo ist „eine Verbindung zu dieser Frau, deren Geschichte begonnen hatte, sein Leben zu bestimmen.“ Und ja, die Verbindung sehe ich schon, die Spuren zurück sind auch nachvollziehbar. Es driftet immer wieder ins Übersinnliche, was durchaus okay ist. Dieses Mystische ist nicht das Problem, eher die weitschweifigen Erklärungen dazu, das viel zu Ausführliche, zu trocken Vorgetragene.

Dan Brown + Stephen King = Trussoni. So wird die Autorin, so wird „Ingenium“ beschrieben. An Brown und King denke ich beim Lesen nicht, ich habe sie beide gelesen und auch wenn es schon eine Weile her sein mag, sie wirken immer noch nach. Trussoni kommt meines Erachtens nicht an sie heran.

Die Thriller-Elemente sind gelungen, das große Rätsel bleibt lange rätselhaft. Und doch ergibt dann alles Sinn, es sind so etliche Mächte am Werk, deren Spiel lange nicht zu durchschauen ist. Ein altes Rätsel will gelöst werden, das Ende ist dann für mich zu abgehoben, es gehört eher ins Reich der Phantasie.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.08.2023

Gut, aber nicht so gut wie von Arno Strobel gewohnt

Der Trip – Du hast dich frei gefühlt. Bis er dich fand.
2

Ein Wildunfall. Fabian und Isabell sind mit ihrem Wohnwagen in Frankreich unterwegs, als es plötzlich knallt. Ein Reh ist ihnen ins Auto gelaufen. Fabian setzt einen Notruf ab, hat allerdings große Verständigungsschwierigkeiten ...

Ein Wildunfall. Fabian und Isabell sind mit ihrem Wohnwagen in Frankreich unterwegs, als es plötzlich knallt. Ein Reh ist ihnen ins Auto gelaufen. Fabian setzt einen Notruf ab, hat allerdings große Verständigungsschwierigkeiten und die wenigen Autos, die vorbeifahren, halten nicht an. Wie aus den Nichts hält ein Abschleppwagen und auch, wenn die Kommunikation nicht recht klappen will, so ist ihre Notlage eindeutig. Ihr Wohnwagen wird verladen, sie fahren mit diesem Fremden durch die Nacht – es war vor zwei Jahren.

Zurück im Heute wird die forensische Psychologin Evelyn Jancke von der Oldenburger Polizei um Mithilfe gebeten. Im norddeutschen Raum tötet ein Unbekannter scheinbar wahllos Menschen auf äußerst brutale Weise, alle Opfer waren auf Campingplätzen unterwegs. Die SoKo Camping ermittelt, zu der auch Kriminalhauptkommissar Gerhard Tillmann gehört.

Evelyn ist eine brillante Psychologin und doch macht ihr das Verschwinden ihres Bruders Fabian auch nach zwei Jahren noch sehr zu schaffen. Sie ist eine Suchende, hat Albträume, rettet sich in kurze Abenteuer und in Alkohol. Die Beziehung zu Gerhard, dem Kommissar, hat sie schon länger beendet, geblieben ist dennoch eine innige Freundschaft. Er unterstützt sie nach Kräften, ist ihr in jeder Hinsicht ein Freund. Auch dann, als sie ihn bittet, mysteriöse SMS wie etwa „Ich habe dich gesehen. F.“ für sich zu behalten. Sie erhält weitere Nachrichten und auch diese lässt sie Gerhard lesen, er hält sich an sein Versprechen, auch wenn er dafür ein Disziplinarverfahren riskiert.

Schon der Prolog macht neugierig. Auch wenn ich diese ersten Seiten so gar nicht zuordnen kann, müssen sie mit dem nachfolgenden Geschehen zu tun haben. Lange tappe ich im Dunkeln. Und die immer mal wieder dazwischengeschobenen Gedanken, die kursiv abgedruckt sind, scheinen von demjenigen zu sein, der für die Bluttaten verantwortlich zeichnet. Viel Raum wird auch einem Klienten von Evelyn eingeräumt. Ihre Therapiesitzungen bringen sie nicht nur einmal an den Rand des Erträglichen. Kleinbauer, so heißt er, scheint viel von Evelyn und Fabian zu wissen - aber wie kann das sein? Es sind noch etliche Gestalten, die sich ihr direkt aufdrängen. Das Phantombild tut ein Übriges.

Arno Strobel gehört zu den Autoren, denen ich blind folge. Er hat mir mit seinen Psychothrillern viele Gänsehautmomente, unzählige unheimliche und zudem äußerst rätselhafte Stunden beschert und auch sein neuestes Werk kann ich hier einreihen, wenngleich ich sein FAKE/FAKT um einiges besser fand. „Der Trip“ war schnell gelesen. Auch ihn mochte ich nicht weglegen und doch hat er mich nicht so mitgerissen wie erwartet. Ich mag Figuren jenseits des Mainstream, Evelyn gehört für mich in diese Kategorie, auch wenn sie im wahren Leben von diesem Fall schon lange hätte abgezogen werden müssen. Sie ist geradezu besessen davon, ihren Bruder zu finden. Hierbei ist sie zielorientiert, sie ist tough, sie ist forsch, ja draufgängerisch und dann wieder scheint sie eher verbohrt und naiv zu sein, sie dreht sich im Kreis und mit ihr die Story. Das Rasante wird abgelöst von etlichen Längen, die es so nicht gebraucht hätte. Die Aufmachung des Buches dagegen erhält meine absolute Zustimmung. Es zeigt deutlich, dass es jemanden gibt, der hinter dem Zielfernrohr nach Campern Ausschau hält.

Auch wenn mich Arno Strobel mit seinem neuesten Werk nicht so ganz abgeholt hat, so bin ich bei seinem nächsten Thriller wieder dabei, denn er kann es besser. „Der Trip“ hat mich gut unterhalten, ist aber eher Mittelmaß.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.08.2023

Ihre ganz persönliche Entrümpelung

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
2

Normalerweise nabeln sich die Kinder vom Elternhaus ab. Normalerweise. Doris Knecht versucht es in ihrem Roman „Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe“ andersrum.

Das Buch, die kurzen ...

Normalerweise nabeln sich die Kinder vom Elternhaus ab. Normalerweise. Doris Knecht versucht es in ihrem Roman „Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe“ andersrum.

Das Buch, die kurzen Kapitel und die wie wirr durcheinander gewürfelten Episoden eines Lebens haben mich erst finden müssen und kaum haben sie mich gepackt, waren mir diese Geschichten aus dem Leben gegriffen auch schon zu fad. Zu nichtssagend. Nach einiger Zeit wollte ich dann doch noch wissen, ob sie – denn unsere Protagonistin, Erzählerin, Tochter, Schwester und Mutter von Zwillingen ist hier namenlos – ihre bald zu große Wohnung aufgibt und was Kleineres, aber doch Bezahlbares findet. Denn ursächlich geht es genau darum. Ihre Zwillinge Mila und Max (letzterer ist eigentlich eine Luzi, will aber nicht, dass über sie geschrieben wird, also ist sie kurzerhand der Max und damit männlich) sind bald flügge, sie wollen ihre eigene Wohnung.

Im Laufe des Buches erfahre ich einiges von ihrem Leben, ihren Lieben, auch von ihrer Mutter und ihren vier Schwestern, je zwei Zwillingsmädchen, die mittlerweile selber ihre Familien haben.

Sie entrümpelt ihre Wohnung, aber eigentlich entrümpelt sie ihr Leben. Es ist eine schonungslose Aufarbeitung ihrer Gefühle, sie stellt sich ihrer Vergangenheit, berichtet, ohne etwas zu beschönigen. Sie hat sich nie wahrgenommen gefühlt und meint, nichts von Wert geschaffen zu haben. Aber ist das wirklich so? Sieht sie sich zu kritisch?

Sie reflektiert, erinnert sich und dann auch wieder nicht. Bringt so einiges durcheinander. Es ist ein Wechselbad der Gefühle, ohne Gefühlsdusselei. Ist der Erzählstil deshalb so nüchtern, teilweise nichtssagend? Ist eher alles auf die Schnelle abgehandelt? Die kurzen Sequenzen lesen sich wie Momentaufnahmen, teilweise wie aus weiter Ferne betrachtet. Außerdem habe vermehrt das Gefühl, dass sie eigentlich nichts verändern will, sie hängt an dem Alten, dem Vertrauten. Und sie lässt mich ratlos zurück, auch wenn sie letztendlich doch noch die Kurve kriegt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.08.2023

Spannung fehlt über weite Strecken

Die letzte Nacht
2

Will Trent und Sara Linton sind zurück. „Die letzte Nacht“ ist der elfte Band der Georgia-Reihe aus der Feder von Karin Slaughter.

Alles beginnt auf Saras OP-Tisch, auf dem Dani Cooper um ihr Überleben ...

Will Trent und Sara Linton sind zurück. „Die letzte Nacht“ ist der elfte Band der Georgia-Reihe aus der Feder von Karin Slaughter.

Alles beginnt auf Saras OP-Tisch, auf dem Dani Cooper um ihr Überleben kämpft. Mit letzter Kraft bittet sie Sara, ihn aufzuhalten – wen auch immer sie damit gemeint haben mag. „Er hat mir wehgetan…“ Ihre letzten Worte bringt sie nur noch flüsternd hervor, zu schwach für mehr. Sara ist erschüttert, diese junge Frau hat sie fünfzehn Jahre zurückblicken lassen, als ihr eigenes Leben eine dramatische Wendung nahm. Sie sieht Parallelen zu ihrem eigenen Trauma, das sie nie verarbeiten konnte.

Karin Slaughter schreibt und beschreibt menschliche Abgründe, die schwer auszuhalten sind. Auf der einen Seite sind die Reichen und Schönen, die sich alles erlauben können, die doch nur spielen, ihre Abartigkeit ausleben wollen. Und das auf eine menschenverachtende Weise, die man sich nicht vorstellen mag und dies als Normalo auch gar nicht kann. Mit viel Geld lässt sich alles kaufen, das Angebot ist zu verlockend.

Will und Sara, unterstützt von Wills Partnerin Faith, gegen den Rest der Welt. So habe ich viele Passagen wahrgenommen. Der Schlüssel zu allem liegt in der Vergangenheit, also arbeiten sie sich akribisch durch diese Zeit vor fünfzehn Jahren, zu einer Clique aus angehenden Ärzten, zu der auch Sara gehört, auch wenn sie eher am Rande steht als mittendrin zu sein.

Diese Akribie war mir zu kleinteilig, zu langatmig. Von Spannung war über weite Strecken nicht viel zu spüren, ich hab das Buch immer wieder weglegen und mich zum Weiterlesen regelrecht zwingen müssen. Es muss nicht jedes Gespräch bis ins Letzte wiedergegeben werden, hier wären kürzere, knackigere Dialoge wesentlich mehr gewesen. „Die letzte Nacht“ ist eines von Karin Slaughters schwächeren Büchern, der Schluss hat der zu weitschweifenden Story gut getan, diese letzten Sequenzen haben mich dann doch noch versöhnlicher gestimmt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere