Profilbild von Readaholic

Readaholic

Lesejury Star
offline

Readaholic ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Readaholic über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.06.2017

Leben ist das, was passiert, während wir damit beschäftigt sind, andere Pläne zu machen

Als wir unbesiegbar waren
0

Mitte der 90er Jahre beenden die vier Freunde Eva, Benedict, Sylvie und Lucien ihr Studium an der Universität Bristol. Die Geschichte beginnt an einem warmen Sommertag, ihrem letzten gemeinsamen Tag in ...

Mitte der 90er Jahre beenden die vier Freunde Eva, Benedict, Sylvie und Lucien ihr Studium an der Universität Bristol. Die Geschichte beginnt an einem warmen Sommertag, ihrem letzten gemeinsamen Tag in Bristol. Die vier machen sich Gedanken, wie ihr Leben jetzt weitergeht und ob sie es schaffen werden, ihre Freundschaft aufrechtzuerhalten.

Ihre Zukunftsplanung könnte unterschiedlicher nicht sein. Eva hat vor, in der Londoner City als Investmentbankerin zu arbeiten, die Geschwister Sylvie und Lucien wollen erst mal durch Indien reisen, wobei Sylvie ihre Zukunft als gefeierte Künstlerin sieht, und Benedict macht seinen Doktor in Physik.
Wie zu erwarten, entfremden sich die Freunde im Laufe der Jahre, doch sie bleiben in Kontakt, auch wenn manchmal längere Zeit vergeht, bis sie wieder voneinander hören. Vieles entwickelt sich vollkommen anders als geplant und wir erleben die Höhen und Tiefen ihrer Beziehungen bis zum Jahr 2015.

Als wir unbesiegbar waren ist ein sehr vielschichtiger Roman. Es geht um Freundschaft, Liebe und Loyalität, aber auch um falsche Entscheidungen, Enttäuschung, gesundheitliche Herausforderungen und Verlassenwerden. Es ist ein leiser und eindringlicher Roman, der ohne spektakuläre Szenen auskommt, aber trotzdem unter die Haut geht. Er spricht existenzielle Fragen an, die jeden betreffen. Mir hat das Buch sehr gut gefallen.

Veröffentlicht am 08.03.2024

Eine falsche Entscheidung und alles ändert sich

Leuchtfeuer
0

Der fünfzehnjährige Theo Wilf verursacht einen Autounfall, bei dem ein junges Mädchen stirbt. Anstatt über den Unfall zu reden, beschließt die Familie, den schrecklichen Vorfall totzuschweigen. Dabei hätte ...

Der fünfzehnjährige Theo Wilf verursacht einen Autounfall, bei dem ein junges Mädchen stirbt. Anstatt über den Unfall zu reden, beschließt die Familie, den schrecklichen Vorfall totzuschweigen. Dabei hätte es jedem einzelnen von ihnen gutgetan, das Trauma gemeinsam zu verarbeiten.
Theo packt eines Tages seinen Rucksack und flieht nach Südamerika, seine Schwester Sarah heiratet und macht Karriere. Die Eltern Ben und Mimi bleiben im Heim der Familie, bis Mimi an Demenz erkrankt und in ein Heim umziehen muss.
Die andere Familie, um die es in „Leuchtfeuer“ geht, ist Familie Shenkman, die gegenüber der Wilfs wohnt. Als sie gerade in ihr neues Haus gezogen sind, rettet der Arzt Ben Wilf dem Sohn der Shenkmans, Waldo, das Leben, indem er ihn bei seiner viel zu frühen Geburt sicher auf die Welt bringt. Trotz dieses einschneidenden Ereignisses gibt es keinen Kontakt zwischen den beiden Familien. Zehn Jahre später überschneiden sich die Schicksale der beiden Familien von Neuem.
Wir begleiten die Protagonisten über einen Zeitraum von fünfzig Jahren, wobei die aus der Sicht der einzelnen Personen erzählte Geschichte nicht linear wiedergegeben wird, was manchmal ein wenig verwirrend ist. Am Schluss fügt sich aber wie in einem Puzzle alles zusammen.
Ich habe diese Familiengeschichte, die manchmal Ausflüge ins Esoterische und Philosophische unternimmt, gern gelesen. Sie ist spannend und emotional, aber nichts, was einem lange im Gedächtnis bleibt. Gute Unterhaltungsliteratur für zwischendurch.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.09.2023

Wer hat die Nase vorn?

Die Formel der Hoffnung
0

Dorothy Horstmann stammt aus kleinen Verhältnissen. Trotzdem schafft sie es, im Amerika der 1930er Jahre Medizin zu studieren. Ihre erste Anstellung erhält sie allerdings nur, weil die Verantwortlichen ...

Dorothy Horstmann stammt aus kleinen Verhältnissen. Trotzdem schafft sie es, im Amerika der 1930er Jahre Medizin zu studieren. Ihre erste Anstellung erhält sie allerdings nur, weil die Verantwortlichen der Meinung waren, einen Mann einzustellen. Dorothy möchte nichts lieber, als die Volksseuche Kinderlähmung zu besiegen. Schon bald stellt sie Versuchsreihen an, um das Virus im Blut infizierter Patienten nachzuweisen, eine von den männlichen Kollegen belächelte Vorgehensweise. Dass sie damit richtig liegt, zeigt sich erst Jahre später.
Es war interessant, über die Poliopandemie des letzten Jahrhunderts zu lesen. Mir waren die Auswirkungen und die mangels Alternativen aus heutiger Sicht vorsintflutlichen Behandlungsmethoden nicht bekannt. Ebenfalls schockierend fand ich die sexistische Einstellung allerorten. Während die männlichen Wissenschaftler selbstverständlich Dr. Salk und Dr. Sabin genannt werden, wird Dr. Dorothy Horstmann zu „Dottie“, die Epidemiologin Isabel Morgan zu „Ibby“. Gebärend Frauen werden nicht mit Namen angeredet, sondern als „Mommy“, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Als Leser erlebt man den Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen wissenschaftlichen Einrichtungen. Jeder möchte der Erste sein, der einen Impfstoff gegen das tödliche Virus entwickelt. Gleichzeitig erlebt man, wie lange sich alles hinzieht, nicht zuletzt, weil nicht alle an einem Strang ziehen und persönliches Machtdenken und Skrupellosigkeit oft an erster Stelle stehen.
Das Buch beginnt ausgesprochen spannend, doch diese Spannung konnte nicht durchgehend aufrechterhalten werden. In der Mitte des Buchs weist die Geschichte doch einige Längen auf. Die Übersetzung war stellenweise holprig oder fehlerhaft. So wurde das englische „school of fish“, was nichts anderes als ein Fischschwarm ist, mit Fischschule übersetzt. Wissenschaftler „kauern“ in ihren Sesseln, die männlichen Besucher einer Party werden als „Böcke“ bezeichnet. Das hat meinen Lesegenuss etwas geschmälert. Trotzdem ist es ein lesenswertes Buch, aus dem ich einiges gelernt habe, beispielsweise, dass die Polioimpfung an siebenundsiebzig Millionen Kindern in der UdSSR getestet wurde. Ein Buch über eine starke Frau und Wissenschaftlerin und ein wichtiges Kapitel der Medizingeschichte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.09.2023

Wer bin ich und wie will ich leben?

Gewässer im Ziplock
0

Die 15-jährige Margarita lebt mit ihrem alleinerziehenden Vater Avi in Berlin, die Mutter hat sie verlassen, als Margarita noch ganz klein war. Avi ist strenggläubiger Jude und Kantor in einer jüdischen ...

Die 15-jährige Margarita lebt mit ihrem alleinerziehenden Vater Avi in Berlin, die Mutter hat sie verlassen, als Margarita noch ganz klein war. Avi ist strenggläubiger Jude und Kantor in einer jüdischen Gemeinde. Wie jedes Jahr verbringt Margarita den Sommer bei ihren Großeltern mütterlicherseits in Chicago. Früher hat ihr das gefallen, heute langweilt sie sich. Als ihre Großmutter den Vorschlag macht, Margarita könnte ihre Mutter Marsha in Jerusalem besuchen, wo diese einen Lehrauftrag angenommen hat, weigert sich Margarita zunächst. Schließlich hat sie ihre Mutter seit 13 Jahren nicht mehr gesehen und auch sonst keinen Kontakt zu ihr gehabt.
Trotz großer Bedenken fliegt sie. Nach anfänglichen Problemen und Missverständnissen, bei denen Marsha gleich ihre Unzuverlässigkeit beweist, reisen die beiden durch Israel, mal keimt so etwas wie Zuneigung auf, dann streiten sie sich wieder, dass die Fetzen fliegen. Das Ganze kulminiert darin, dass Margarita abhaut und damit Mutter, Vater und Großeltern in Panik versetzt und Avi ebenfalls nach Israel fliegt.
Ich wollte dieses Buch gern lesen, um etwas über den jüdischen Glauben zu erfahren. In der Tat nimmt die Beschreibung der vielfältigen Rituale einen großen Platz in diesem Roman ein. Das lückenhafte Glossar hebräischer Begriffe war zum Verständnis nur bedingt hilfreich. Die Vielzahl an nicht erklärten und oft auch aus dem Zusammenhang nicht hervorgehenden Begriffe ist meine größte Kritik an diesem Roman.
Den Deutschenhass, dem Margarita in Israel ausgesetzt ist, fand ich schlimm. Was kann eine Fünfzehnjährige für den Holocaust? Auch Avi, der sich bewusst für ein Leben in Deutschland entschieden hat, steht Deutschland sehr kritisch gegenüber. Deutsch bezeichnet er als Nazi-Sprache, seine Überlegung, ob es in Auschwitz wohl Handcreme gebe „mit Tote-Juden-Asche“, die wahrscheinlich sarkastisch sein sollte, finde ich in höchstem Maße geschmacklos.
Wir erleben Margarita als verunsicherten Teenager, der seinen Platz in der Welt sucht und einfach nur gesehen werden möchte. Die sich ständig streitenden Eltern machen es ihr nicht leicht. Am Schluss muss sie eine große Entscheidung treffen, jedoch ist nicht ganz klar, wie sie sich auf Dauer entscheidet. Ein durchaus empfehlenswertes, aber nicht einfach zu lesendes Buch über die Sorgen und Nöte eines Teenagers in der Findungsphase, eine schwierige Familienkonstellation und jüdisches Leben in Deutschland, den USA und Israel.


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.08.2023

Wie lange braucht man ein Elternhaus?

Elternhaus
0

Die drei Schwestern Sanne, Petra und Gitti wachsen in einer Kleinstadt im sogenannten schmalen Haus auf. Alle drei sind längst aus dem Haus, die Eltern werden alt und schaffen es nicht mehr, sich wie früher ...

Die drei Schwestern Sanne, Petra und Gitti wachsen in einer Kleinstadt im sogenannten schmalen Haus auf. Alle drei sind längst aus dem Haus, die Eltern werden alt und schaffen es nicht mehr, sich wie früher um Haus und Garten zu kümmern. Also beschließt Sanne, die älteste und einzige der Schwestern, die im Ort geblieben ist, dass es Zeit für die Eltern wird, in eine altersgerechte Wohnung umzuziehen. Ihre Schwestern fragt sie dabei nicht nach deren Meinung, schließlich ist sie diejenige, die sich um die Eltern kümmert. Die Entscheidung fällt sie auch über die Köpfe der Eltern hinweg.
Petra wohnt weit weg in einer Großstadt, ist Single und karriereorientiert. Die alleinerziehende jüngste Schwester Gitti wird von Sanne gebeten, ihr beim Ausräumen des schmalen Hauses zu helfen. Sanne selbst ist seit langem verheiratet und lebt mit ihrem Mann im eigenen Häuschen. Die beiden Kinder sind vor kurzem ausgezogen, was Sanne zu schaffen macht. In ihrer Ehe läuft nicht alles rund, alles wächst ihr über den Kopf. Sowohl Gitti als auch Sannes Tochter Lisa halten den Umzug der Eltern für einen Fehler, was Sanne nicht hören will.
Als Petra eines Tages unangekündigt in ihren Heimatort zurückkommt, ist sie hell entsetzt, dass das Elternhaus verkauft werden soll. Besonders empört sie die Tatsache, dass Sanne sie in diese schwerwiegende Entscheidung nicht mit einbezogen hat. Es ist schließlich auch ihr Elternhaus!
Ute Mank erzählt in diesem Roman eine Geschichte, wie sie jeden Tag irgendwo stattfindet. Wer kümmert sich um die Eltern, wenn sie alt werden? Können sie überhaupt noch allein wohnen und wie lange noch? Wäre es nicht besser, rechtzeitig nach etwas Altersgerechtem zu suchen? Wieviel Wahrheit steckt in dem Sprichwort, dass man einen alten Baum nicht verpflanzen soll?
„Elternhaus“ ist ein unaufgeregter Roman, in dem Alltägliches passiert. Die im Heimatort zurückgebliebene Schwester fühlt sich benachteiligt, hat das Gefühl, alles hängt an ihr und beneidet die beiden anderen um ihre vermeintliche Freiheit. Dass sich Schwestern mit der Zeit entfremden, kommt sicher häufig vor. Dass sie jedoch gar nicht miteinander kommunizieren und auch die Eltern Petra nicht über ihren Umzug informieren, empfinde ich doch als reichlich seltsam. Ich fand es interessant, die Entwicklung der Schwestern mitzuerleben und das Buch hat bei mir viele Erinnerungen wachgerufen. Kein absolutes Lesehighlight, aber gut zu lesen und unterhaltsam.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere