Auszeit von der digitalen Welt
Meine Meinung und Inhalt
"Fakt war jedoch: Niemand wusste, zu welchem Zeitpunkt verschiedene Daten und Infos von mir oder über mich zu einem Ball des öffentlichen Interesses zusammenschmelzen könnten ...
Meine Meinung und Inhalt
"Fakt war jedoch: Niemand wusste, zu welchem Zeitpunkt verschiedene Daten und Infos von mir oder über mich zu einem Ball des öffentlichen Interesses zusammenschmelzen könnten und ich in einem digitalen Inferno gelyncht werden würde.
Es war die Angst vor Kontrollverlust, die Angst vor dem Urteil der anderen.Die Angst verfolgte mich wie eine Drohne, faustgroß, mit feinhaarigen Antennen und synthetischen Tastorganen, egal wohin ich ging oder wo ich mich aufhielt. Senta schrieb ich: Ich nehme ein Sabbatical." (ZITAT)
Mila, dreißig, geht offline. Zu groß ist plötzlich die Angst vor der öffentlichen Sichtbarkeit. Jede gelöschte Spur im Netz ist ein Akt der Befreiung, gleichzeitig gelingt es Mila nicht, sich einzureden, dass die neue Yogaroutine erfüllender ist als der morgendliche Smartphonecheck. Die nostalgisch wiederentdeckte Langeweile wird schnell zu tiefer Einsamkeit. Sie teilt ihr Leben nicht mehr, aber niemand teilt es jetzt so richtig mit ihr, seit ihr Lebensstil mehr Gemeinsamkeiten mit dem von Emily Dickinson als dem ihrer alten Freundinnen hat. Doch der Drang, den schwerelosen Zustand vollkommenen Verschwindens zu erreichen, wird immer zwanghafter.
Was passiert, wenn man sich aus dem Internet löscht. Viele haben sich sicherlich schon mal eine "Social Media Auszeit" gegönnt. Meiner Meinung nach sicherlich nicht verkehrt, da man wirklich sehr viel (zu viel?) Ziet hier verbringt (/verschwendet).
Aber wie fühlt es sich an, wenn man sich aus allen Foren, allen Kanälen, allen Accounts, die man jemals angelegt hat, von Amazon über Ebay bis StudiVZ usw löscht. Kein Google Maps mehr, kein Streaming, kein Onlinebanking.
"Die ersten vier Tage fand ich das Morgenritual noch idyllisch, danach wurde mir unfassbar langweilig, also erlaubte ich mir, ausgewählte Nachrichtenseiten zu besuchen." (ZITAT)
Ja, und was passiert bei der Protagonistin? Mila wird unfassbar langweilig. In der heutigen Zeit kaum noch vorstellbar, da vieles digital gehändelt wird. Jenifer Becker spielt in ihrem Debütroman "Zeiten der Langeweile" dieses Szenario durch, was ihr wirklich gut gelingt und mich zum Nachdenken anregen konnte.
Das Cover finde ich passend gewählt.
Jenifer Becker, geboren 1988, arbeitet als Autorin, Kulturwissenschaftlerin und bildende Künstlerin. Sie studierte Kreatives Schreiben am Literaturinstitut Hildesheim, wo sie seit 2015 lehrt und forscht. In ihrer Arbeit befasst sie sich mit Ambivalenzen digitaler Kulturen. Sie lebt in Berlin. Zeiten der Langeweile (2023) ist ihr Debütroman.