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Veröffentlicht am 15.11.2023

Was der Krieg mit den Menschen macht - ein ergreifender Coming-Of-Age-Roman

Der Geruch von Ruß und Rosen
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Madina ist in Österreich „angekommen“, dem Krieg Daheim, in einem unbenannten Land, ist sie mit ihrer Familie vor fast drei entflohen. Julya Rabinowich hat über die fiktiven Ereignisse, die Madina in den ...

Madina ist in Österreich „angekommen“, dem Krieg Daheim, in einem unbenannten Land, ist sie mit ihrer Familie vor fast drei entflohen. Julya Rabinowich hat über die fiktiven Ereignisse, die Madina in den vergangenen Jahre erlebt hat, zwei Bücher geschrieben hat. Im Roman „Der Geruch von Ruß und Rosen“ lässt die Autorin ihre Protagonistin zunächst von ihrem jetzigen Alltag erzählen, aber die furchtbaren Erinnerungen an die Kriegstage, kann sie nicht vergessen. Der Geruch von Ruß hängt in ihrer Nase ebenso fest wie der Blumenduft der Rosen im Garten der Großmutter. Vor allem vermisst Madina ihren Vater, der sich als Arzt um jede und jeden gekümmert hat, der sich an ihn wendete. Irgendwann hat er seine Familie zurückgelassen und ist wieder in die Heimat zurückgereist.
Doch dann erhält die Protagonistin endlich die Nachricht, dass der Krieg beendet ist. Bestimmt wird sich nun ihr Leben zum Besten hin ändern, wenn erst der Vater heimgekehrt. Zeit vergeht, aber es kommt keine Nachricht von ihm. Sie nimmt die Gelegenheit wahr, ihre Tante zurück ins Heimatland zu begleiten. Dort macht sie sich auf die Suche nach ihrem Vater, damit sie zu dritt die Rückfahrt antreten können. Ihre Reise endet in einer Tragödie.
Die Geschichte wird tagebuchartig von Madina in der Ich-Form erzählt. Dadurch kam ich den Gefühlen der Protagonistin sehr nah. Aus ihren Beschreibungen konnte ich ihre Stimmung erfassen, ihre Trauer und Wut, ebenso wie ihre Dankbarkeit und Zuneigung. Manchmal spürte ich ihre innere Erregung und hatte Verständnis dafür, dass es ihr vermutlich schwerfiel, sich in Worten auszudrücken, denn dann blieben die Einträge relativ kurz. Julya Rabinowich wählt eine einfache und coole Sprache, so dass auch Jugendliche sich gut in die Erzählung einfinden können. Immer wieder las ich starke Sätze, die augenöffnend sind.
Madina hat sich inzwischen gesellschaftlich angepasst. Eine neue Bekannte führt ihr vor Augen, dass sie zunehmend auf das herabschaut, was ihre Kultur früher ausmachte und sich nun dafür schämt. Die Protagonistin lernt, selbst zu entscheiden, was sie für ihre Zukunft als wichtig empfindet. Als Madina in ihre Heimat zurückkehrt, werden ihre schlimmsten Vorstellungen übertroffen. Ich war tief berührt von dem, was sie dort erlebt. Die Protagonistin war mir auch deswegen sympathisch, weil sie über andere Meinungen nachdenkt und ihnen Respekt zollt, auch wenn sie nicht immer Verständnis dafür hat.
Die Handlung ist rein fiktiv, steht aber für viele Schicksale, von denen die Autorin erfahren hat. Daher weist sie dem Krieg auch kein Land zu, denn er könnte überall spielen. Wer vor dem Krieg aus seiner Heimat flüchtet, hat in der Regel Schreckliches erlebt. Das Wo spielt keine Rolle.
Anhand der Geschichte der erdachten Figur Madina zeigt Julya Rabinowich in ihrem Roman „Der Geruch von Ruß und Rosen“ das, was Krieg ausmacht. Sie führt den Blick auf die Gefühle der Menschen, die als Flüchtlinge ein neues Daheim gefunden haben, allerdings oft, ohne mit dem Schrecken abschließen zu können. Gerne empfehle ich das Buch uneingeschränkt weiter.

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Veröffentlicht am 14.11.2023

Eine liebevolle Hommage an die Großeltern

Sylter Welle
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In seinem Roman „Sylter Welle“ erinnert sich Max Richard Leßmann, der nicht nur Autor des Buchs, sondern auch Sänger und Podcaster ist, an die gemeinsamen Urlaube mit seinen Großeltern auf der größten ...

In seinem Roman „Sylter Welle“ erinnert sich Max Richard Leßmann, der nicht nur Autor des Buchs, sondern auch Sänger und Podcaster ist, an die gemeinsamen Urlaube mit seinen Großeltern auf der größten nordfriesischen Insel zurück. Es ist eine Geschichte, in die Max Leßmann eigene Erlebnisse hat einfließen lassen. Das Cover verspricht womöglich auf den ersten Blick schöne idyllische Tage am Meer, doch auf den zweiten erkennt man den in Flammen stehenden Strandkorb. Beim Betrachten stellte ich mir die Frage, ob der Brand eine Metapher zu den Ferientagen von Max darstellt und war daher gespannt auf seine Erzählung.
Viele Jahre lang hat der Protagonist Max die Eltern seines Vaters auf Sylt auf dem Campingplatz besucht. Inzwischen haben diese aber ihren Wohnwagen verkauft, beabsichtigen jedoch, noch ein letztes Mal auf die Insel zu fahren. Max besucht sie dort für drei Tage in ihrer Ferienwohnung, die zu dem Wohnkomplex „Sylter Welle“ gehört und neben dem gleichnamigen Freizeitbad in Westerland liegt. Bereits bei seiner Ankunft macht Max sich einige Gedanken zu dem gesundheitlichen Zustand seiner Großeltern, denn ihm wird bewusst, dass er irgendwann für immer von ihnen Abschied nehmen muss.
Mit seinem ihm eigenen Humor nimmt Max Leßmann manches Detail am Rande seines Urlaubs in den Blick, wie beispielsweise Ess- und Schwimmgewohnheiten. Seine Gedanken sind amüsierend, mit einer kurzen Bemerkung erhalten sie Würze und manchmal auch Tiefsinn. Gerne schwelgt er in seinen Erinnerungen an vergangene Ferien. Dabei stellt er die Eigenheiten seiner Großeltern heraus und verdeutlicht die Punkte, an denen es typischerweise zu Generationenkonflikten kommt.
Bald schon wurde mir bewusst, dass es dem Autor in seinem Roman um mehr geht als einer Schilderung von Urlaubserlebnissen. Aus den Erzählungen seiner Verwandtschaft weiß er um die niederschlesische Herkunft seines Großvaters, der nach der Flucht aus der Heimat mit seiner Familie im westfälischen Dorf der Großmutter ankam. Max erinnert sich an die Schilderungen von dessen Kindheit mit einem strengen Vater. Sein Opa hat ihm aber auch von den Freiheiten erzählt, die er seinen eigenen Kindern gewährt hat. Die Großmutter von Max erscheint reserviert und stellt für die Familie ihre eigenen, manches Mal befremdenden Regeln auf. Sie ist immer um das leibliche Wohl ihrer Liebsten besorgt.
Es wird nicht deutlich, inwieweit der Roman reale Begebenheiten widergibt. Max Leßmann sagt dazu, dass er die Geschichte verfremdet hat, aber einige Verwandte sich gegenseitig wieder erkennen. Nichtsdestotrotz beschreibt der Autor die Familienmitglieder eigenwillig liebevoll mit Ecken und Macken und schont sich nicht, einige sonderliche Eigenarten seines Alter-Ego darzulegen.
Max Richard Leßmann widmet seinen Roman „Sylter Welle“ seiner Großmutter. Doch nicht nur mit ihrem Leben und ihren Ansichten setzt er sich darin auseinander, sondern auch mit denen seines Großvaters. Er schaut aber genauso auf deren Verständnis für seine Meinungen, seinen Beruf und seine Lebensgestaltung. Die Geschichte hat den Aufforderungscharakter, sich mit seinen Familienangehörigen auseinanderzusetzen und andere Sichtweisen zu respektieren. Sehr gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 13.11.2023

Ein gruseliges Lesevergnügen

Biblioteca Obscura: Frankenstein
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Mary Shelleys Buch „Frankenstein“ ist ein Schauerroman mit Elementen aus dem Sciene Fiction. Die Geschichte ist verschachtelt geschrieben und zum ersten Mal l1818 veröffentlicht. Darin schreibt der Abenteurer ...

Mary Shelleys Buch „Frankenstein“ ist ein Schauerroman mit Elementen aus dem Sciene Fiction. Die Geschichte ist verschachtelt geschrieben und zum ersten Mal l1818 veröffentlicht. Darin schreibt der Abenteurer Robert Walton während einer Fahrt in den Norden, bei der er sich die Entdeckung neuer Länder erhofft und die Lüftung des Geheimnisses des Magnetismus, an seine Schwester in England von einer Begegnung besonderer Art. Während das Schiff, auf dem er als Kapitän unterwegs ist, von Eisschollen eingeschlossen ist, nehmen sie den aus Genf stammenden Naturwissenschaftler Frankenstein an Bord, dem es ein dringendes Bedürfnis zu sein scheint, sein Leben zu erzählen.
Robert Walton hört ihm zu und macht weitreichende Aufzeichnungen, die er an seine Schwester schickt. Dennoch wird die Haupthandlung des Romans in der Ich-Form von Frankenstein erzählt. Aufgrund seines regen Interesses hat er sich sämtliches bekanntes Wissen über Chemie und Physik angeeignet und damit aus unbelebten Teilen ein Monster geschaffen, vor dem er selbst Angst bekommt, als es erwacht. Mehrere Jahre später stellt Frankenstein fest, dass ein geliebtes Familienmitglied von dem Unwesen ermordet wurde. Das Monster sucht ihn auf und fordert, dass er für ihn eine Gefährtin konstruiert. Sollte er ihm nicht Folge leisten, werden seine Freunde nach und nach getötet werden.
Mary Shelley nennt keine Details über die Erschaffung des Monsters. Sie schrieb das Buch in einer Zeit, in der Galvinismus und Elektrizität neu entdeckt und eifrig diskutiert wurden. Die Überlegungen sind hochaktuell, denn so wie damals über die Belebung des menschlichen Körpers spekuliert wurde, so wird heute darüber nachgedenkt, inwieweit Künstliche Intelligenz den menschlichen Intellekt ersetzen kann. Die Autorin schafft in ihrem Werk Kontraste zwischen bezaubernden Naturlandschaften und der meist vorherrschenden düsteren Stimmung von Frankenstein. Sowohl Schöpfer wie Geschaffener sehnen sich nach Liebe, um der Einsamkeit zu entkommen. Die Geschichte zeigt, welche Ausmaße möglich sind, wenn körperliche Überlegenheit gegen Intellekt eingesetzt wird, wobei keiner der Kontrahenten dazu bereit ist, seine Macht aufzugeben.
Die Schmuckausgabe aus der Serie Biblioteca Obscura der arsEdition stattet den Roman „Frankenstein“ von Mary Shelley opulent aus, sowohl optisch wie auch haptisch. Der polnische Gegenwartskünstler Marcin Minor hat das Buch passend zum Inhalt mit finsteren Illustrationen in grauen und blutroten Farbtönen ausgestattet. Ein wahrlich gruseliges Leseereignis!

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Veröffentlicht am 03.11.2023

Ein Buch zum Ansporn des Selbstvertrauens

Be Your Own F*cking Hero
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Das Buch „Be your own fucking Hero” der Unternehmerin und Investorin Tijen Onaran ist ein durchgängiges Plädoyer dafür, in der Öffentlichkeit den Mut aufzubringen, mehr Selbstbewusstsein zu zeigen. Beim ...

Das Buch „Be your own fucking Hero” der Unternehmerin und Investorin Tijen Onaran ist ein durchgängiges Plädoyer dafür, in der Öffentlichkeit den Mut aufzubringen, mehr Selbstbewusstsein zu zeigen. Beim Schreiben wurde sie von der Journalistin Dagmar Zimmermann unterstützt. Die Aufforderung von Tijen Onaran richtet sich vor allem an Frauen, aber nicht nur. In fünfzehn Kapiteln schreibt sie zu verschiedenen Themen wie beispielsweise Herkunft, Kleidung, finanzielle Unabhängigkeit und die Wahl der richtigen Wegbegleiter(innen). Der Schreibstil ist frisch, unterhaltsam und aktivierend.
Tijen Onaran greift immer wieder auf ihre eigenen Erfahrungen zurück, um dem Lesenden zu verdeutlichen, wie es gelingen kann, sich selbst zu verwirklichen, ohne sich für andere anpassen zu müssen. Damit meint sie sowohl das Stylen des eigenen Erscheinungsbilds als auch das Äußern seiner Meinung.
Über die Kapitel hinweg konnte ich über den beeindruckenden Karriereweg der Autorin lesen, aus dem sie gerne Beispiele anführt, um ihre Statements zu unterstreichen. Sie wuchs als Kind türkischer Eltern in Karlsruhe auf und begann nach dem Abitur ein Studium in Heidelberg. Als Zwanzigjährige kandidierte sie für ein Mandat bei der Landtagswahl, leitete später ein Wahlkreisbüro und arbeitete weiter in verschiedenen Jobs im politischen und unternehmerischen Umfeld, bis sie sich 2018 mit Global Digital Women Community selbständig machte.
Diversität, Netzwerken und die Verbesserung der Sichtbarkeit von Frauen in der Wirtschaft liegen Tijen Onaran besonders am Herzen, was man auch im vorliegenden Buch spürt. Bereits der Titel und die auffallend rote Einbandgestaltung sind im Vergleich zu vielen anderen Büchern auffallend, was das Anliegen der Autorin zusätzlich verdeutlicht. Sie setzt sich dafür ein, dass man sich traut, schwer erreichbar scheinende Ziele anzustreben, auch wenn man dabei Rückschläge einstecken muss. Ihrer Meinung nach kann man sich Wissen aneignen, mit Niederlagen sollte man umzugehen lernen. Auch dazu gibt sie ihre Erfahrungen weiter und verweist darauf, dass es wichtig ist, Kontakte aufzubauen und zu pflegen.
Tijen Onaran plädiert in ihrem Buch „Be Your Own F
cking Hero” dafür, dass man sich gegenüber anderen so geben soll, wie man sein will. Dabei richtet sie sich insbesondere an Frauen. Mit Beispielen aus ihrer eigenen Karriere wird sie zur Mutmacherin für viele Lebenslagen, in denen Frau/Mann für sich einstehen soll. Daher empfehle ich das Buch zum Ansporn des Selbstvertrauens gerne weiter.

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Veröffentlicht am 25.10.2023

Liebe, Verärgerung, Aufregung und Freude im verschneiten Wallis

Stille Nacht im Schnee
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Zunächst erscheint es wie ein Heiliger Abend, den einige der Lesenden des Romans „Stille Nacht im Schnee“ von Alexander Oetker vielleicht selbst so oder ähnlich bereits erlebt haben. Das Setting liegt ...

Zunächst erscheint es wie ein Heiliger Abend, den einige der Lesenden des Romans „Stille Nacht im Schnee“ von Alexander Oetker vielleicht selbst so oder ähnlich bereits erlebt haben. Das Setting liegt in den Schweizer Bergen, die tief verschneit sind und die erwachsenen Kinder besuchen mit ihren Partner(inne)n ihre Eltern im Ferienhaus, um gemeinsam die Weihnachtstage zu verbringen. Das Cover sorgt für ein behagliches Gefühl beim Betrachten, noch bevor man das Buch aufschlägt.

Pascal und Elisabeth sind seit vielen Jahren verheiratet und genießen, wie in den Vorjahren, ihren Urlaub im Wallis. Die beiden fragen sich, welches ihrer drei Kinder als erstes eintriffen wird und wundern sich nicht, dass es der ältere Sohn samt nörgeliger Frau, rüpelhaftem fünfjährigem Sohn und Haustier ist. Doch am Rande des ganz normalen Chaos, bemerkte ich die Zuneigung von Pascal und Elisabeth, in die sich jedoch ein Störelement einmischte, eine Andeutung darauf, dass die kommenden Stunden gewiss einen anderen Verlauf nehmen, als in der Familie sonst üblich ist. Bis sich am Ende meine Vermutung bestätigte, beschreibt der Autor einen Vorweihnachtstag mit amüsanten Szenen. Gleichzeitig lässt er auch Themen einfließen, die unsere Welt bewegen und sowohl Figuren wie aus den Lesenden nachdenklich stimmen, beispielsweise den Klimawandel und gesunde Ernährung.

Die Figuren, die Alexander Oetker gestaltet sind vielfältig und interessant in ihrer Zusammenstellung. Pascal und Elisabeth sorgen für einen respekt- und verständnisvollen Umgang miteinander. Obwohl die Geschichte nur über wenige Stunden handelt, durchlebt die Familie einige turbulente Höhen und Tiefen miteinander.

Bis es zum Schluss hin nochmals zu einer unerwarteten Wendung in Form der Aufklärung der bis dahin im Hintergrund knisternder Anspannung der Eltern kommt, erlebte ich Liebe, Verärgerung, Aufregung und Freude zwischen den handelnden Personen, die den Roman „Stille Nacht im Schnee“ von Alexander Oetker unvergleichbar machten. Leider war die Handlung, die mich bestens unterhalten hat, nach etwa 150 Seiten allzu schnell vorbei. Das Buch passt von der Stimmung her vor allem zum Lesen in der Adventszeit. Gerne empfehle ich es weiter.

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