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Veröffentlicht am 29.09.2017

Raquels Schicksal

Die Burg am Mondsee
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19. Jh. Raquel wird als kleines Mädchen von den Forschern Vossberg und Hjortdahl aus dem brasilianischen Urwald gefunden und per Schiff nach Deutschland gebracht. Vossberg, der ein Sanatorium leitet, erklärt ...

19. Jh. Raquel wird als kleines Mädchen von den Forschern Vossberg und Hjortdahl aus dem brasilianischen Urwald gefunden und per Schiff nach Deutschland gebracht. Vossberg, der ein Sanatorium leitet, erklärt Raquel zu seinem Forschungsobjekt, denn sie kann weder sprechen noch hat sie ein menschliches Benehmen. Doch leider gelingt es ihm nicht, mit seinen Ergebnissen Ruhm zu erlangen. So lebt Raquel lange Jahre an seiner Seite, bis Vossberg sich wieder auf den Weg nach Brasilien macht und Raquel als Gesellschafterin der Ehefrau seines Studienfreundes Jakob Martin Donkert nach Burg Weidenau weiterreicht. Je länger Raquel sich auf der Burg aufhält, umso mehr entflammen sie und Jakob füreinander. Als dessen Ehefrau stirbt und Raquel von ihm schwanger wird, beginnt das Unglück…

Tessa Donkert hat mit ihrem Ehemann Burg Weidenau renoviert und zu einem Hotel umfunktioniert. Als ihr Mann auf einer Geschäftsreise tödlich verunglückt, steht Tessa allein da und verlässt sich gänzlich auf die Unterstützung ihrer Geschäftsführerin Valerie, um sich in ihrem Schmerz zu vergraben. Erst, als sie von der Bank erfährt, wie schlecht es um das Hotel bestellt ist und ihre Eltern ihr zureden, stellt sie einen Steuerprüfer ein, um herauszufinden, warum es mit dem Geschäft bergab geht. Dabei kommen einige unangenehme Wahrheiten zutage und auch einige Geheimnisse werden gelüftet. Der junge Fotograf Jan unterstützt sie dabei…

Carolin Rath hat mit ihrem Buch „Die Burg am Mondsee“ einen interessanten Roman über zwei Zeitebenen vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und nimmt den Leser sofort mit an die Seite von Tessa, um mit ihr auf Burg Weidenau heimisch zu werden und deren Geheimnisse zu erforschen. Die Geschichte wird in zwei Handlungssträngen erzählt. Der eine handelt von der Gegenwart, der andere beschäftigt sich mit der Vergangenheit. Durch die wechselnden Perspektiven baut sich langsam immer mehr Spannung auf und lässt den Leser um die diversen Geheimnisse rätseln und mitfiebern. Die Beschreibungen des Hotelbetriebs wirken etwas unrealistisch, vor allem was die Angestellten angeht, weshalb es hier Abzüge gibt. Auch die kleine angedeutete Liebesgeschichte wirkt nicht wirklich realistisch, da die Charaktere so grundverschieden sind, um zueinander zu passen.

Die Charaktere sind individuell angelegt und ausgestaltet worden. Leider wirken sie bis auf wenige Ausnahmen recht blass und unscheinbar. So fällt es schwer, sich als Leser mit ihnen zu identifizieren und Sympathie bzw. Gefühle zu entwickeln. Tessa ist zwar schon in ihren Dreißigern, wirkt jedoch wie ein junges naives Mädchen, das nicht allein zurechtkommt. Sie ist recht blauäugig und viel zu gutgläubig, allerdings kümmert sie sich auch viel zu wenig um ihr eigenes Geschäft, sondern überlässt alles anderen. Da haben zwielichtige Gestalten natürlich leichtes Spiel. Jan ist ein lockerer und kreativer Typ, der in den Tag hineinlebt. Raquel ist eine junge Frau, die als Versuchsobjekt für Forscher herhalten muss. Dabei muss sie auf Liebe und Zuwendung verzichten und ein Leben führen, was andere für sie vorgesehen haben. Als sie endlich glaubt, frei zu sein und ein eigenständiges Leben führen zu können, trifft sie ihre große Liebe, doch diesem Mann sind Standesdünkel wichtiger als sie. Vossberg ist ein ehrgeiziger Forscher, der sich mit seiner Situation als Leiter eines Sanatoriums nicht wohl fühlt und sich als Opfer der Gesellschaft fühlt, die ihn nicht zu würdigen weiß. Valerie ist eine Frau, die tough und allwissend wirkt, oftmals arrogant und überheblich rüberkommt, dabei allerdings nur eines im Sinn hat.

„Die Burg am Mondsee“ ist ein ganz unterhaltsamer Roman über Liebe, Geheimnisse um eine Burg und eine junge Frau, die im 19. Jh. ihre eigenen Wurzeln sucht. Als Urlaubslektüre ein netter Zeitvertreib.

Veröffentlicht am 16.09.2017

Tragische Ereignisse

Die Liebe, die uns bleibt
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Edwina Spinner ist in den Siebzigern und zweifach verwitwet. Nachdem die Kinder ihre eigenen Wege gehen, lebt sie allein in einem zu großen Haus, das seit 50 Jahren ihr Zuhause ist. Inzwischen ist sie ...

Edwina Spinner ist in den Siebzigern und zweifach verwitwet. Nachdem die Kinder ihre eigenen Wege gehen, lebt sie allein in einem zu großen Haus, das seit 50 Jahren ihr Zuhause ist. Inzwischen ist sie in einem Alter, dass sie mit den täglichen Anforderungen und der Pflege des Gartens nicht mehr zurechtkommt. So entscheidet sie sich schweren Herzens, ihr Haus zu verkaufen. Sie schaltet einen Makler ein und während der Begehung der Räumlichkeiten überfallen Edwina bei jedem einzelnen Zimmer die Erinnerungen ihrer Vergangenheit. So sieht sie vor ihrem inneren Auge ihren ersten Ehemann Ollie und ihre gemeinsamen Zwillinge Charlie und Rowena, wie sie zur Witwe wird, ihre Arbeit als Illustratorin und später mit Dickie einen neuen Mann findet, der mit Lucas einen Sohn mit in die Ehe bringt. Neben vielen schönen Erinnerungen gibt es allerdings auch ein dunkles Geheimnis, dass so schicksalhaft und schmerzhaft war, dass Edwina am Ende einsam und allein ist. Was hat die Familie so auseinander gebracht?

Jenny Eclair hat mit ihrem Buch „Die Liebe, die uns bleibt“ einen sehr berührenden tragischen Roman vorgelegt, dessen Geschichte dem Leser ans Herz geht und nicht unbeteiligt lässt. Der Schreibstil ist flüssig und besitzt einen schönen unterschwelligen Humor, der den Leser zwischen all der Tragik oftmals unbewusst schmunzeln lässt. Die Spannung wird gemächlich aufgebaut und steigert sich im Verlauf der Handlung immer mehr. Auch die Erzählweise aus drei verschiedenen Perspektiven gibt der Geschichte einiges an Spannung dazu. Die Autorin versteht es sehr gut, durch geschickte Platzierung der einzelnen Erinnerungen die Dramatik zu steigern und dem Leser erst ganz am Ende das eigentliche Geheimnis zu enthüllen. Einige Dinge werden dabei etwas zu ausführlich und detailliert erzählt, hier wäre weniger mehr gewesen.

Die Charaktere sind individuell ausgestaltet und in Szene gesetzt worden, aber einzig Edwina wirkt lebendig und authentisch, die anderen bleiben eher im Hintergrund und wenig greifbar. Edwina ist eine sympathische alte Dame, die sich aufgrund ihres Alters von ihrem Zuhause trennen muss. Es fällt ihr schwer, sich selbst einzugestehen, dass sie den täglichen Anforderungen nicht mehr gewachsen ist, die solch ein Grundstück mit sich bringt. Aber auch die vielen Erinnerungen, die sie im Laufe von 50 Jahren angehäuft hat, machen ihr das Leben nicht leichter. Edwina ist von eher zurückhaltender Natur, wirkt oftmals schuldbewusst und hilflos. Aber vor allem ist sie eines – einsam. Stiefsohn Lucas ist ein unangenehmer Zeitgenosse. Bei ihm fällt es schwer, als Leser objektiv zu bleiben und keine Partei zu ergreifen. Alle anderen Protagonisten sind leider nur oberflächlich dargestellt, hier wäre etwas mehr Detailliebe wünschenswert gewesen.

„Die Liebe, die uns bleibt“ ist ein tragisch-komischer Roman über eine generationsübergreifende Familie mit einem dunklen Geheimnis. Das Buch verspricht gute Unterhaltung für zwischendurch, leider keine denkwürdige Lektüre. Eingeschränkte Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 25.08.2017

Die Vision Zar Peter des Großen

Die Stadt des Zaren
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1703 Russland. Zar Peter der Große ist ein fortschrittlicher Herrscher, der in seiner Heimat dem Lebensstil der Europäer nacheifern und im schlammigen Newa Delta eine neue Stadt errichten will, die er ...

1703 Russland. Zar Peter der Große ist ein fortschrittlicher Herrscher, der in seiner Heimat dem Lebensstil der Europäer nacheifern und im schlammigen Newa Delta eine neue Stadt errichten will, die er St. Pieterburch benennen und gleichzeitig als neue Hauptstadt küren will. Um seine Vision in die Tat umzusetzen, lädt er talentierte Handwerker, Ärzte und andere Kunstfertige aus ganz Europa nach Russland ein, denn ihm schwebt eine Großstadt nach europäischem Vorbild vor mit einem Hafen und guten Anbindungen Richtung Europa. Seine Einladung wird breitgefächert angenommen, denn alle versprechen sich eine erfolgreiche Mission, die ihren eigenen Ruhm noch vergrößern wird. Doch es werden auch Gefangene und Sklaven eingesetzt, die unter unwürdigen Umständen arbeiten müssen, um Peters Vision zum Leben zu erwecken, und dabei muss so mancher mit dem Leben bezahlen…

Martina Sahler hat mit ihrem Buch „Die Stadt des Zaren“ einen historischen Roman vorgelegt, der über einen Zeitraum von 10 Jahren (1702-1712) den Aufbau der Stadt St. Petersburg (St. Pieterburch) begleitet, den Leser hautnah daran teilhaben lässt und ihm Einblick in das Leben und Schicksal einiger Protagonisten gewährt, die mit am Bau involviert sind. Der Leser bekommt so einen Rundumblick über die vielfältig auftretenden Probleme, die der Aufbau mit sich bringt und über die Vorstellungen Peter des Großen. Der Schreibstil ist flüssig und gut zu lesen, jedoch verliert sich die Erzählweise der Autorin zu sehr ins Detail, was den Bau betrifft, dafür kommen die zwischenmenschlichen Beziehungen und das Schicksal der einzelnen Personen leider zu kurz. Die Geschichte wird aus der Sicht von verschiedenen Protagonisten erzählt, die einen guten Rundumblick über die Bauphasen der Stadt und die einzelnen Schicksale gewährt und wie sie miteinander verbunden sind. Der geschichtliche Hintergrund wurde von der Autorin mit der Handlung schön verwoben, wobei der Leser ebenfalls einiges über das politische und militärische Russland erfährt.

Die Charaktere sind vielfältig angelegt und ausgearbeitet. Sie haben individuelle Eigenheiten, kommen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und geben so einen guten Querschnitt durch die damalige Gesellschaft. Zar Peter der Große ist ein Visionär seiner Zeit, er steht für Fortschritt und Weltoffenheit. Er ist kulturell interessiert, hat aber auch eine harte Hand und einen festen Willen, der unumstößlich ist. Die neue Stadt hat für ihn oberste Priorität, der er alles unterordnet. Die deutsche Arztfamilie Albrecht gehört zu den ersten Siedlern, die von Moskau in die neue Stadt zieht. Während die Eltern mit dem Aufbau der Praxis vollauf beschäftigt sind, gehen die beiden Töchter Helena und Paula ihre eigenen Wege. Der Tischler Theodorus ist mit seinem Sohn Willem aus Amsterdam nach Russland gekommen, um dort ihr Handwerk auszuüben und den Stadtbau zu unterstützen. Ebenso sind italienische Architekten dem Ruf Peter dem Großen gefolgt, während schwedische Gefangene die Arbeiten am Bau unter widrigsten Bedingungen verrichten müssen. Die Mischung aus tatsächlichen historischen und fiktiv-erdachten Personen gibt einen interessanten Einblick in sämtliche Gesellschaftsschichten.

„Die Stadt des Zaren“ ist ein historischer Roman, der viele Themen in sich vereint, die mit dem Bau der Stadt St.Peterburg verbunden sind. Menschliche Schicksale aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, politische Machtspiele, Wunschvorstellungen, unmenschliche Arbeitsbedingungen und nicht zuletzt die Widrigkeiten der Natur zeigen ein reales Bild. Wer gern historische Bücher über Russland liest und auch nicht vor detaillierten Bauberichten zurückschreckt, der wird an diesem Buch Gefallen finden. Die menschlichen Schicksale kommen hier leider etwas zu kurz. Deshalb auch nur eine eingeschränkte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 19.08.2017

Das Haus der Geheimnisse

Ein Haus voller Träume
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Als Hope nach kurzer Krankheit in London stirbt, beschließen ihre drei Kinder, die Halbgeschwister Lucy, Tom und Jo, ihrem Elternhaus im spanischen Andalusien einen letzten Besuch abzustatten, denn Hope ...

Als Hope nach kurzer Krankheit in London stirbt, beschließen ihre drei Kinder, die Halbgeschwister Lucy, Tom und Jo, ihrem Elternhaus im spanischen Andalusien einen letzten Besuch abzustatten, denn Hope hat sich gewünscht, dass das Haus verkauft werden soll. So machen sich die drei an einem Wochenende auf, die letzten Wünsche ihrer Mutter zu erfüllen, ein Fest für alle Freunde und Bekannten zu veranstalten und sich von ihrem Zuhause zu verabschieden. Tom bringt seine Ehefrau Belle und seine Söhne mit, Jo kommt mit ihrer kleinen Tochter und Lucy reist ohne ihren Ehemann Art an. Während ihres Aufenthaltes spüren sowohl Lucy als auch Tom und Jo ihren Erinnerungen nach und stoßen beim Durchsuchen der Habseligkeiten auf so manche Überraschung. Tom trifft auf seine alte Jugendliebe Maria, die so einige Stimmungen in ihm weckt. Lucy dagegen würde gern das Haus behalten, mit dem sie viele schöne Erinnerungen verbindet. Aber auch Mutter Hope sorgt aus dem Grab noch für einigen Wirbel und so manche geheimnisvolle Überraschung…

Fanny Blake hat mit ihrem Buch “Ein Haus voller Träume” einen sehr unterhaltsamen Familienroman vorgelegt, der einen Zeitraum von nur vier Tagen umfasst und so manchem Leser wohl den Spiegel vorhalten wird. Der Schreibstil ist flüssig, eingängig und sehr ausführlich. Die Autorin legt viel Wert darauf, dass der Leser sich alles sehr gut vorstellen kann und bis ins kleinste Detail informiert ist, sei es über das Umfeld, das Haus und die einzelnen Charaktere. Ebenso versteht sie es, ein Gefühl der spanischen Mentalität und Lebensweise zu vermitteln. Die Landschaftsbeschreibungen sind sehr bildhaft und beflügeln die Vorstellungskraft des Lesers. Der Spannungsbogen wird gemächlich aufgebaut, flacht dann leider wieder ab und kann dann nicht wirklich wieder hochkommen. Auch sind so einige Wendungen eingebaut, die erst einmal mehr Fragen aufwerfen als Antworten liefern, am Ende werden aber nicht alle aufgelöst. Leider konnte sich die Autorin nicht für einen schwerpunktmäßigen Handlungsstrang entscheiden, so gibt es viele Richtungen, denen zum Teil die Luft ausgeht und somit eigentlich überflüssig sind. Dadurch wirkt die Geschichte manchmal langatmig und flach.

Die Charaktere sind sehr detailliert und individuell ausgearbeitet, sie wirken sehr realistisch und lebensnah. Bei dem einen oder anderen hat man das Gefühl, die Person persönlich zu kennen. Lucy ist Single und hat ihre Mutter bis kurz vor deren Tod gepflegt. Sie ist ausgebildete Köchin und hängt von allen Geschwistern am meisten an dem Elternhaus. Lucy wirkt oftmals recht naiv und kindlich. Sie lechzt regelrecht nach Aufmerksamkeit. Ihre Ehe mit Art steht vor dem Aus und irgendwie vermittelt sie den Eindruck, als würde es sie aus heiterem Himmel treffen. Tom ist ein eher pragmatischer Typ, eher still als schlagfertig. Es wirkt fast so, als wäre er harmoniesüchtig, denn seine ständig nörgelnde Ehefrau Belle verlangt einiges an Geduld. Belle macht selbst dem Leser oftmals das Leben schwer mit ihrer perfektionistischen Ader. Man fragt sich oft, wie diese beiden Menschen überhaupt zusammenleben können und das für einige Jahre. Belle ist ein nicht so leicht zu durchschauender Charakter, doch so nach und nach erkennt man, dass auch sie sich nur nach Aufmerksamkeit und vor allem nach Anerkennung sehnt. Jo ist die sympathischste der Geschwister, sie ist eine alleinerziehende Mutter, wirkt recht normal und gefestigt bzw. stabil. Sie hat sich ihr Leben gut eingerichtet und möchte jetzt eigentlich nur noch eine Lücke schließen, denn sie möchte erfahren, wer ihr Vater ist. Hope war eine exzentrische Frau, die ihr Leben sehr unkonventionell und eigenwillig gestaltet und gelebt hat. Dass sie dabei auch Menschen verletzt, ist ihr wahrscheinlich nie in den Sinn gekommen. Das zeugt aber auch von grenzenlosem Egoismus und Selbstverliebtheit, was sich irgendwann rächt. Auch die weiteren Protagonisten tragen mit ihren kleinen Geschichten und Episoden zur Handlung bei und steigern einmal mehr die Spannung und das Geheimnisvolle dieses Romans.

“Ein Haus voller Träume” ist ein Familienroman, der einige Charakterstudien beinhaltet, die sehr interessant sind. Die Geschichte selbst ist nicht uninteressant, jedoch wird mit viel zu vielen anderen Nebengeschichten davon immer wieder abgelenkt. Deshalb gibt es hierfür auch nur eine eingeschränkte Leseempfehlung, da die Umsetzung nicht so ganz überzeugen konnte.

Veröffentlicht am 22.07.2017

Probleme auf Französisch

Willkommen in der Provence
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Vivianne lebt mit ihrem Ehemann Victor, einem Bankdirektor, in einem großen Haus in Aix-en-Provence. Die beiden sind seit 25 Jahren verheiratet. Alles ist wie immer, als sie Victor morgens verabschiedet. ...

Vivianne lebt mit ihrem Ehemann Victor, einem Bankdirektor, in einem großen Haus in Aix-en-Provence. Die beiden sind seit 25 Jahren verheiratet. Alles ist wie immer, als sie Victor morgens verabschiedet. Doch Victor kommt nicht mehr nach Hause. Nachdem sie ihn telefonisch nicht erreichen kann, weil er sein Handy abgestellt hat, meldet Vivianne ihn im Büro als schwerkrank ab und wird bei einem Mittagessen mit Victors Kollegen Emile darüber informiert, dass ihr Mann sie mit einem Berg an Schulden sitzengelassen hat: er hat sämtliche Konten leergeräumt und auch noch eine Traumwohnung in Paris gekauft. Was soll Vivianne jetzt machen ohne Geld und mit jeder Menge Schulden? Nach dem Schock erst mal ein Hèrmes-Täschchen kaufen und dann auf Freundin Aline hören, die sie sofort bei Airbnb anmeldet und Zimmer in ihrem Wohnhaus für Touristen öffnet. Ab jetzt hat Vivianne Begegnungen mit Gästen unterschiedlichster Couleur und lernt währenddessen auch noch den netten Arzt Felix kennen, der ihr Herz höher schlagen lässt. Vivianne hat sich schon fast mit ihrer Situation als „Neu-Single“ angefreundet, da platzt auf einmal Victor wieder in ihr Leben…

Brigitte Guggisberg hat mit ihrem Buch „Willkommen in der Provence“ ihren Debütroman vorgelegt. Der Schreibstil ist locker und flüssig, ab und an blitzt ein wenig Humor hervor. Die Handlung wird aus der Perspektive von Vivianne in der Ich-Form erzählt. Die Beschreibungen der Umgebung von Aix-en-Provence sind bildhaft und lassen vor dem inneren Auge diese wunderschöne Landschaft mit ihrer Vielfalt an Gerüchen, Farben und Eindrücken, die das Gefühl von Urlaubsstimmung hochkommen lassen. Der Spannungsbogen, der kurz nach Beginn gelegt wird, steigert sich im weiteren Verlauf nicht sehr und lassen die Handlung so vor sich her plätschern bis zum offenen Ende.

Die Charaktere sind unterschiedlich ausgestaltet und innerhalb der Handlung platziert worden. Vivianne ist nicht gerade eine sympathische Protagonistin, ihre Oberflächlichkeit ist oftmals regelrecht unerträglich. Sie schaut arrogant auf andere herab und dafür gibt es eigentlich keinen Grund. Sie wirkt wie die gelangweilte reiche Ehefrau, die nicht weiß, was sie mit sich anfangen soll. Auch ihre Freundinnen behandelt sie nicht immer nett, wobei die Frage ist, wie man in diesen Kreisen Freundschaft definiert. Da wird gelogen und versteckt, damit die anderen nicht erfahren, was einem gerade widerfahren ist. Victor ist auch nicht gerade eine Leuchte, er ist auf Selbstfindungstrip und denkt erst einmal nur an sich selbst, was ihn auch nicht gerade sympathisch macht. Dafür sind die Freundinnen Aline, Dodo, Eloise und Marcelle menschlicher als Vivianne wirkt. Die eine schreibt einen Sexroman, die andere leistet sich das eine oder andere Fettnäpfchen, eine will ihren Traum verwirklichen und die letzte ist Karrierefrau mit guten Ideen. Aber bei ihnen allen stimmt die Bezeichnung „Freundin“. Emile ist ein schmieriger Kerl, der sich einen Vorteil verschaffen will, wie auch immer. Und Felix ist ein netter Mann, der aber leider einfach zu blass bleibt, um wirklich Herzklopfen zu verursachen.

„Willkommen in der Provence“ ist ein Roman über neue Chancen, alte Freundschaften, verdrängte Träume und Veränderungen. An sich alles Themen, die einen wirklich gut unterhalten können. Leider ist die Umsetzung hier nicht ganz gelungen und landet nur im Mittelfeld, vor allem aufgrund der unsympathischen Hauptprotagonistin, die nicht mitreißen konnte.