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Veröffentlicht am 02.12.2023

Stillleben

Reichenburg
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In der schweizerischen March im Kanton Schwyz werden vier bestialisch zugerichtete männliche Leichen in einer abgelegenen Villa aufgefunden, zurückgelassen wie ein Stillleben. Worauf könnte dieses Arrangement ...

In der schweizerischen March im Kanton Schwyz werden vier bestialisch zugerichtete männliche Leichen in einer abgelegenen Villa aufgefunden, zurückgelassen wie ein Stillleben. Worauf könnte dieses Arrangement hinweisen? Gibt es gar eine Verbindung zur griechischen Mythologie?

Mit einem beklemmenden Prolog beginnt dieser Kriminalroman, dessen Handlung streckenweise recht brutale Bilder zutage bringt. Die weiteren Kapitel geben einen sehr detailliert und ausgezeichnet konzipierten Einblick in die Abgründe menschlicher Wesen, welche man kaum zu glauben vermag. Das Ermittlerteam stellt Überlegungen in verschiedenste Richtungen an, kommt allerdings kaum vorwärts. Da verschwinden auch noch drei Personen aus derselben Gegend. Zufall? Valerie kann es kaum glauben, denn die statistische Häufung ist für dieses Gebiet signifikant.

Stilistisch überaus ansprechend, mit regionalen Begriffen, welche mir als Ostösterreicherin fremd sind, fesselt Götschi den Leser vom ersten bis zum letzten Satz. Das Geschehen ist außergewöhnlich, mögliche Motive und Täter müssen genau hinterfragt werden, unter den Verdächtigen herrscht Stillschweigen. Lange Zeit sieht es so aus, als könnte dieser Fall nicht gelöst werden, die Wendung am Ende kommt – natürlich – überraschend.

Ich denke, dass das Ganze noch ein klein wenig spannender ist, wenn man Valerie Lehmanns Vergangenheit kennt, aber auch so gibt es genug Hinweise, um ihrer persönlichen Geschichte folgen zu können. Der Kriminalfall ist abgeschlossen, die letzte Szene weckt jedoch Neugierde auf die Fortsetzung. Da bin ich gerne wieder dabei!


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Veröffentlicht am 28.11.2023

Ein hervorragender (Kinder)Buchautor

Otfried Preußler
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Eine vollständige und vor allem vergnügliche Biografie über das Leben von Otfried Preußler und sein beachtliches Werk präsentiert Tilman Spreckelsen mit diesem übersichtlichen und kurzweiligen Buch.

Geboren ...

Eine vollständige und vor allem vergnügliche Biografie über das Leben von Otfried Preußler und sein beachtliches Werk präsentiert Tilman Spreckelsen mit diesem übersichtlichen und kurzweiligen Buch.

Geboren am 20. Oktober 1923 als Otfried Syrowatka in Reichenberg, heute Liberec in Tschechien, erlebt Preußler eine unbeschwerte Kindheit, geht bei einem sympathischen Lehrer in die Volksschule und wird im März 1942 zum Wehrdienst einberufen. Nach Jahren in russischer Gefangenschaft muss er sich erst neu orientieren. Er heiratet seine Verlobte Annelies, lässt sich zum Lehrer ausbilden und schreibt Texte für Zeitungen und Verlage. Spreckelsen schafft es, sachlich zu bleiben und dennoch den Leser an seine Zeilen zu fesseln. In größeren, detailliert geschriebenen Kapiteln setzt er Schwerpunkte, die allesamt sehr interessant sind und voller Lebendigkeit von Preußlers vielfältigem Schaffen erzählen. Vom kleinen Lausbuben, der sich in der freien Natur austoben darf entwickelt sich das Kind über einen gewissenhaften Schüler zum stolzen Soldaten im Zweiten Weltkrieg. Mit zahlreichen genau beleuchteten Beispielen aus Preußlers Kinder- und Jugendbüchern erfährt der Leser, dass Otfried nicht nur Talent gehabt hat zum Schreiben, sondern auch zum Illustrieren. Welche Beweggründe ihn zu seinen Geschichten geführt haben, weiß Spreckelsen ebenso wie Hintergründe zu Personen, welche für so manche Romanfigur Pate gestanden hat. Daneben gibt es auch viel Wissenswertes über die Literatur für Erwachsene, über seine Theaterprojekte und seine Weggefährten. Preußler war sicher nicht immer ein einfacher Mensch, aber großherzig und gütig, wenn es um Hilfsprojekte geht, um Bedürftige, denen man unter die Arme greifen kann. Über Preußlers Tod am 18. Februar 2013 hinaus findet Spreckelsen Worte, die dem phantastischen Schriftsteller in wunderbarer Weise gerecht werden.

Besonders gefallen haben mir die vielfältigen Informationen zu den Kinderbüchern, welche ich selbst und später gemeinsam mit meinen Kindern gelesen habe. Erinnerungen an eine wunderschöne Zeit voller Märchen und Sagen, Hexen und Wasserwesen werden wach und entführen den Leser erneut in eine fabelhafte Welt von Geschichten, die das Gute in sich tragen. Übersichtlich gestaltete Kapitel mit hübschen Zeichnungen und etlichen Fotos aus Otfried Preußlers Leben bilden ein großartiges Portrait über einen Menschen, der auch Generationen später noch seine Leser begeistern wird. Spreckelsens Biografie über Otfried Preußler empfehle ich gerne weiter.

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Veröffentlicht am 27.11.2023

Lina

Der Milchhof – Das Rauschen der Brandung
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Linas Vater sieht in Thees Bleeker den idealen Mann für Lina: als zweiter Sohn des Ziegeleibesitzers wird er den Familienbetrieb nicht übernehmen, aber eine gute Partie für Lina sein und gemeinsam mit ...

Linas Vater sieht in Thees Bleeker den idealen Mann für Lina: als zweiter Sohn des Ziegeleibesitzers wird er den Familienbetrieb nicht übernehmen, aber eine gute Partie für Lina sein und gemeinsam mit ihrem Vater den bäuerlichen Milchhof in eine moderne Molkerei umwandeln. Während Thees sich jedoch kaum für Milch, Butter und Käse interessiert, schlägt Linas Herz für das traditionelle Handwerk – und bald auch schon für den frisch eingestellten Obermeier Dirk Voigt. Als verheirateter Frau bleibt Lina nur die fachliche Zusammenarbeit mit Dirk, aber selbst das wird zur Jahrhundertwende nicht gern gesehen. „Een Frau gehört in de Kök“ und nicht in einen Betrieb, der sollte den schlauen Köpfen der Männer überlassen werden.

Der Auftakt zu dieser wundervollen Milchhof-Saga umfasst die Jahre 1890 bis 1914, schildert die Zeit des aufstrebenden Hofs bis hin zum Ersten Weltkrieg. Schauplatz ist der Hafenort Ellenserdammersiel in der Friesische Wehde, einer idyllischen Landschaft an der Küste des Jadebusens. Schnell freundet sich der Leser mit der warmherzigen und lebenslustigen Lina an und fiebert mit ihr mit, wenn das Schicksal es wieder einmal nicht so gut meint mit ihr. Neider jedoch sehen in Lina ein Glückskind, welches immer auf der Sonnenseite des Lebens steht und andere nicht aus dem Schatten treten lässt. So wirbeln die Gefühle durcheinander, welche einen großen Raum einnehmen in diesem sehr stimmungsvollen Roman. Gesellschaftliche Konventionen, wirtschaftliche Überlegungen und nicht zuletzt eine unmögliche Liebe spielen hier die Hauptrollen und lassen einen atemlos durch die Kapitel gleiten, um noch schnell ein wenig mehr vom Milchhof zu erfahren.

Regine Kölpins angenehmer und bildhafter Schreibstil lädt ein zum Verweilen in der Käserei, wo Lina mit schmackhaften Kräutern und stärkendem Bockshornklee experimentiert, lässt Gänsehaut aufkommen, wenn Thees seine Angetraute wie ein Kleinkind aufs Zimmer verweist, weil es sich nicht schickt, dass sie sich in der Fertigungshalle der Molkerei aufhält. Lieber solle sie den Haushalt führen, Wohltätigkeitsveranstaltungen planen oder sticken. Wunderbare Einblicke in den Milchbetrieb erhält der Leser ebenso wie lebendig charakterisierte Figuren, die genau so am Milchhof Bleeker gelebt haben könnten. Machtspiele und Intrigen prägen das Geschehen, stets stellt sich die Frage, ob die Liebe zwischen Lina und Derk eine Chance haben kann.

Abgerundet wird dieses bezaubernde Buch von einem übersichtlichen Personenregister zu Beginn und einer persönlichen Anmerkung der Autorin samt umfassendem Literaturnachweis zu den detaillierten Recherchen am Ende dieses Bandes.
Der Auftakt zur Milchhof-Saga hat mich vollends in seinen Bann gezogen, schön, dass bald die Fortsetzung zu lesen sein wird. Ich empfehle dieses Buch jedenfalls sehr gerne weiter und bin schon gespannt, welche Spuren der Krieg hinterlassen wird.


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Veröffentlicht am 27.11.2023

Was ist wahr?

Lügst Du? Wenn die Wahrheit alles zerstört
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Mira geht kurz nach der Entbindung von Töchterchen Isabelle wieder halbtags arbeiten, bis ihr alles über den Kopf wächst und sie in einen Nervenzusammenbruch schlittert. Vier Wochen verbringt sie in einer ...

Mira geht kurz nach der Entbindung von Töchterchen Isabelle wieder halbtags arbeiten, bis ihr alles über den Kopf wächst und sie in einen Nervenzusammenbruch schlittert. Vier Wochen verbringt sie in einer Spezialklinik, dann entlässt sie sich selbst und freut sich, ihre Familie daheim zu überraschen. Diese Überraschung ist gelungen, allerdings ganz anders als geplant, denn im Schlafzimmer findet sie nicht ihren Mann Samuel und Isy, sondern die blutüberströmte Leiche ihrer Freundin und Geschäftspartnerin Josie. Ein Alptraum beginnt, denn bald weiß Mira nicht mehr, ob sie das alles tatsächlich erlebt oder ob ihr die Psychopharmaka Wahnvorstellungen bescheren.

Gisela B. Schmidt schreibt flott und flüssig. Vom Fleck weg bin ich gefesselt von den detaillierten Einzelheiten, welche die Szenen besser schildern als jeder Film. Kurze Sätze steigern das Tempo, die Handlung lässt einen nicht mehr los. Der stete Wechsel zwischen aktuellen Geschehnissen und früheren Episoden erzeugt eine packende Atmosphäre und unterstreicht Miras Verwirrung, die sich rasch auf den Leser überträgt. Phantasiert die junge Mutter oder führen sie andere Personen an der Nase herum? Die Puzzlestücke, welche einige Hintergründe darlegen und Miras Vorgeschichte erklären, fallen nur langsam an ihren jeweiligen Platz. Als Leser tappt man mit unterschiedlichen Vermutungen bis zum Ende im Dunklen, da nur Mira aus ihrer selektiven Sichtweise erzählt und man keine weiteren Blickwinkel kennenlernt. Genau das aber lässt das Buch so spannend werden und die Neugierde auf die Auflösung beständig wachsen.

Fazit: ein bewegendes Buch mit unerwarteten Überraschungen und einem stimmigen Ende, das ich keinesfalls so vorhergesehen habe. Eine Empfehlung für alle, die logisch durchdachte Psychothriller ohne brutale Szenen lieben. *****

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Veröffentlicht am 16.11.2023

Aussichtslos

Monster (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 11)
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Die 16jährige Larissa, von allen Lissy genannt, kommt nach dem Eislaufen am Freitagnachmittag nicht mehr nach Hause, auch hat sie nicht, wie geplant, bei ihrer Freundin Sara übernachtet. Als ihre Leiche ...

Die 16jährige Larissa, von allen Lissy genannt, kommt nach dem Eislaufen am Freitagnachmittag nicht mehr nach Hause, auch hat sie nicht, wie geplant, bei ihrer Freundin Sara übernachtet. Als ihre Leiche am Wochenende hinter einem Marienaltar unter der frischen Schneedecke gefunden wird, deuten DNA-Spuren auf einen afghanischen Asylwerber hin, der bereits im Gefängnis gesessen ist. Die Wut der ansässigen Bevölkerung ist groß, allerdings ist Farwad Mahmoudi wie vom Erdboden verschluckt. Bald darauf wird ein Barfüßiger von einem Auto erfasst, der Tote muss aber bereits vor dem Unfall schwer misshandelt worden sein. Zwei Fälle, die aussichtslos erscheinen, denn niemand kann sachdienliche Hinweise liefern, keine einzige Spur führt zu irgendeinem Ziel.

Ein packender Krimi sorgt auf 560 Seiten für großartige Lesestunden und kurzweilige Unterhaltung. Nele Neuhaus schreibt überaus lebendig und vermag die Spannung von Anfang bis zum Ende hoch zu halten und den Leser völlig an die Handlung zu fesseln. Keine einzige Szene ist langweilig, keine Zeile zu viel. Die Kapitel sind übersichtlich auf die Ermittlungstage aufgeteilt, Schauplätze und Blickwinkel wechseln immer wieder ab und enden mit offenen Fragen, sodass der Sog sehr groß ist, stets weiter zu lesen.

Egal, ob man bereits vertraut ist mit dem Team vom K11 oder nicht, die Figuren sind bestens charakterisiert und werden mit wenigen Informationen über deren Privatleben zu ganz realen Menschen mit Stärken und Schwächen. Ihr Handeln wird aus dem Zusammenhang heraus glaubwürdig und authentisch, besonders dann, wenn sie in Gewissenskonflikten gefangen sind. Der Taunus mit seinen kleinen Dörfern, wo jeder jeden kennt und keine sprichwörtliche Leiche im Keller versteckt werden kann, bietet die perfekte Kulisse zu diesem Krimi, denn einerseits herrschen hier Zusammenhalt und Nachbarschaftshilfe, andererseits finden Gerüchte aber auch extrem schnell Verbreitung und säen Misstrauen unter den Bewohnern. Dieses knifflige Mit- und Gegeneinander herauszuarbeiten, gelingt Neuhaus spielend und überzeugend. Werden Missgunst und Argwohn siegen, kann es Gerechtigkeit geben – und wenn ja, dann wie? – das spielt für Pia Sander und Oliver von Bodenstein eine große Rolle und zieht sich wie ein roter Faden durchs spannende Geschehen.

Mich hat dieser Kriminalroman sofort gefesselt mit den phantastischen Ermittlern, die auf der Stelle treten und den gut ineinander verflochtenen Handlungssträngen, die immer dann wechseln, wenn es besonders aufregend ist. Ich spreche sehr gerne eine Leseempfehlung aus und rate dazu, genug freie Zeit einzuplanen, um „Monster“ ohne viele Unterbrechungen genießen zu können.

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