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Veröffentlicht am 06.08.2024

Starker Roman über Frauenrechte zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Im Nordwind
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1913 findet sich Alice in der Ehe mit einem gewalttätigen Mann gefangen. Für ihre Tochter nimmt sie das Risiko der Scheidung in Kauf, die zu dieser Zeit Männer mehr als bevorzugt. Unterstützung erhält ...

1913 findet sich Alice in der Ehe mit einem gewalttätigen Mann gefangen. Für ihre Tochter nimmt sie das Risiko der Scheidung in Kauf, die zu dieser Zeit Männer mehr als bevorzugt. Unterstützung erhält sie dabei vom Juristen John. Doch Schicksalsschläge in seiner Familie und Alice‘ eigene verheerende Vergangenheit drohen sowohl die Scheidung wie auch die keimende Beziehung zwischen John und Alice zu zerreißen.
Kurze Warnung, ich bin etwas erkältet, hoffentlich ist die Rezension dennoch verständlich.
Zweite Warnung, der Band endet auf eine Art und Weise, dass man unbedingt den nächsten Teil lesen möchte, der aber erst im Oktober erscheint. Jetzt aber erst mal mehr zum ersten Band: über den schönen Schreibstil von Miriam Georg kann ich nicht genug sagen. Einfach sehr bildlich, aber ohne überladen oder kitschig zu sein. Grade beim Thema häusliche Gewalt hat sie hier an mehreren Stellen genau das richtige Maß getroffen. Ich persönlich hätte mir zwar einmal eine Darstellung gewünscht, bei dem es neben Phasen der Aggression auch lovebombing gibt, doch hier ist die Situation in der Hinsicht simpler. Die Nebencharaktere sind gut ausgearbeitet, was auch daran liegt, dass aus mehreren Perspektiven erzählt wird. Hinzu kommen Kapitel, die einem Alice‘ Vergangenheit näherbringen und dazu beitragen, ihr Verhalten in der Gegenwart und nicht zuletzt auch den Eheschluss zu einem Mann, den sie nie liebte, zu erklären. Ihre Kindheit/Jugend fiel düsterer aus, als ich zu Beginn des Romans erwartet habe, doch es entwickelt sich schleichend und ist kein plötzlicher Stimmungsbruch. Ebenso kommt die Romanze nicht von jetzt auf gleich zustande, doch an der ein oder anderen Stelle ging es mir angesichts von Alice‘ Vergangenheit etwas zu schnell. Aber es ist schließlich weniger ein Liebesroman als ein historischer Roman oder sogar Familienroman, deshalb handelt es sich hier nur um Jammern auf hohem Niveau. Besonders die Konfrontation mit historischem Ehe- und Scheidungsrecht hat mir sehr gut gefallen und ist ausgezeichnet von der Autorin recherchiert und vermittelt worden. Der Gerichtstermin war unterhaltungsmäßig einer der Höhepunkte für mich, was mich total überrascht hat, weil ich Gerichtsshows im Fernsehen immer totlangweilig finde. Und hier bin ich nun und hoffe auf mehr solcher Szenen im nächsten Band. Als letzten Punkt möchte ich noch knapp die Tochter Rosa ansprechen: sie liest sich wirklich wie ein Kind ihres Alters mitsamt den dazugehörigen Macken. Das hat mir gut gefallen, weil grade junge Kinder in Romanen immer wieder irritierend unaltersgemäß auftreten.
Alles in allem, große Empfehlung an alle Leser historischer Romane.

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Veröffentlicht am 27.12.2023

Humorvoller Krimi mit Tiefgang

Der Donnerstagsmordclub oder Ein Teufel stirbt immer zuletzt (Die Mordclub-Serie 4)
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Im vierten Band der Reihe um den Donnerstagsmordclub wird es sehr persönlich: Antiquitätenhändler Kuldesh Shamar, ein Freund von Elizabeths Ehemann, wird aufgrund seiner Verstrickung in Drogenhandel ermordet. ...

Im vierten Band der Reihe um den Donnerstagsmordclub wird es sehr persönlich: Antiquitätenhändler Kuldesh Shamar, ein Freund von Elizabeths Ehemann, wird aufgrund seiner Verstrickung in Drogenhandel ermordet. Zudem ist besagte Handelsware verschwunden. Natürlich fangen unsere Senioren an zu ermitteln…
Gleich vorab: wer hier einen klassischen who-done-it Krimi sucht, wird enttäuscht werden. Der Schwerpunkt der Handlung liegt eindeutig nicht auf der Mordgeschichte, sondern vielmehr den Mitgliedern des Donnerstagsmordclub, ihren Marotten und Eigenheiten sowie diversen liebevoll skizzierten Alltagserzählungen die von humorvoll bis hin zu nachdenklich gestimmt sind.
Und obwohl dieser Band, wie jeder in der Reihe, theoretisch in sich abgeschlossen ist und somit eigenständig gelesen werden kann – tut es nicht. Der Roman setzt Vorwissen voraus, als Neueinsteiger wird man an dem über mehrere Bücher hinweg angewachsenen Netz aus Nebenfiguren, ihren Entwicklungen und Beziehungen untereinander wenig Freude finden.
Wem das bewusst ist, der findet hier allerdings mehr als einen Krimi: Man kommt sehr schnell wieder in die Handlung hinein, die Figuren ergänzen einander hervorragend und der Leser erlebt die eine oder andere Überraschung. Das komplexe Thema des Alters und Alterns wird vielschichtig dargestellt, nicht nur unterhaltsam, wenn die Senioren sich gekonnt dumm stellen um ihren Willen durchzusetzen, sondern auch nachdenklich und ergreifend was Demenz und Sterbehilfe angeht. Besonders die Tragödie Demenzerkrankung ist hier extrem sensibel und viel zu greifbar geschrieben, ohne dabei aber zu viel Raum einzunehmen oder übertrieben zu wirken. Das hat mich dann doch sehr innehalten lassen und mir zu denken gegeben.
Alles in allem eine rundum gelungene Fortsetzung, die ich jedem Leser der Reihe weiterempfehlen möchte.

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Veröffentlicht am 20.10.2023

Abschied von Schloss Liebenberg

Schloss Liebenberg. Hinter dem goldenen Schatten
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Im dritten Teil der Reihe um die den Haushalt von Philipp Fürst zu Eulenburg ist die Zeit der Folgen von Handlungen und Geheimnissen angebrochen: der Fürst wird verhaftet, Hedda hat ihren Job verloren ...

Im dritten Teil der Reihe um die den Haushalt von Philipp Fürst zu Eulenburg ist die Zeit der Folgen von Handlungen und Geheimnissen angebrochen: der Fürst wird verhaftet, Hedda hat ihren Job verloren und sucht nach einer neuen Anstellung, Viktor fiebert der Prüfung seines Bruders Leander entgegen und Adelheid beginnt zu spüren, dass ein Spion im Schloss vermutet wir. Und dann ist da natürlich noch Opitz, der allen Dienstboten nach wie vor das Leben erschwert…
Thematisch geht es neben den in den ersten zwei Bänden begonnenen Intrigen und Geheimnissen vermehrt um Rache und Vergebung. Figuren, die zuvor unter Zugzwang standen, sehen sich nun mit Domino-Effekten ihrer Entscheidungen konfrontiert. Spannungsfelder von persönlichem Wohlergehen, Moral und politischen Auswirkungen tun sich auf und einfache, folgenlose Entscheidungen gibt wie auch im echten Leben nicht. Und selbst in vertraute Allianzen schleicht sich mehr und mehr Ungesagtes ein.
Ohne zu viel zu verraten, die diversen Handlungsstränge werden alle gut zum Abschluss gebracht und die jeweiligen Enden fühlen sich nicht erzwungen an, sondern eher wie das Ende eines Lebensabschnittes der Charakter. Besonders überrascht hat mich dabei Adelheids weiterer Lebensweg, das habe ich so nicht kommen sehen. (Und seien wir ehrlich, für Opitz haben wir uns alle etwas mehr gewünscht)
Wie für Hanna Caspian typisch findet sich auch hier eine gelungene Mischung aus Fakt und Fiktion, besonders schön sind dabei das ein oder andere Alltagsdetail, das auch häufige Leser historischer Romane überrascht. Ein Nachwort, in dem u.a. das spätere Schicksal des historischen Eulenburgs zusammengefasst wird, schließt das Ganze gut ab.
Alles in allem ein sehr fesselnder Abschluss einer spannenden Trilogie. Klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 03.04.2023

Die Lebensgeschichte eines Gesetzlosen

Der Paria
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Der Paria gehört ohne Zweifel zu den Romanen, die nur veröffentlicht wurden, weil der Autor sich bereits einen Namen gemacht hat. Das ist nicht abwertend gemeint. Der Roman lässt sich in keine der gegenwärtigen ...

Der Paria gehört ohne Zweifel zu den Romanen, die nur veröffentlicht wurden, weil der Autor sich bereits einen Namen gemacht hat. Das ist nicht abwertend gemeint. Der Roman lässt sich in keine der gegenwärtigen Genre-Kategorien gut einordnen: kein historischer Roman, kein Fantasy-Roman. Wie in vielen Low-Fantasy Büchern ist ein Gesetzloser hier Protagonist, doch wer hier nach konkreten Fantasy-Elementen sucht, wird enttäuscht werden.
Im Rückblick berichtet Alwyn dem Lesenden seine Lebensgeschichte. In einer komplexen, vielschichtigen Welt gerät er, Waisenkind, Gesetzloser, Schreiber, in den Sog der Ereignisse um einen Thronstreit und schwehlende religiöse Konflikte. Hierbei hat mir besonders gut gefallen, dass statt dem typischen Format Religion A versus Religion B auch verschiedene innerreligiöse Strömungen eine Rolle spielen. Aber das zeichnet die diversen Fraktionen hier generell aus: sie sind keine Monolithen.
Passend dazu trifft unser Protagonist mal gute, rational Entscheidungen und mal solche, bei denen man auf Anhieb Übles ahnt. Der starke Überlebenswille des Protagonisten gerät dabei in Konflikt mit Rache und persönlichem Ehrgefühl. Auch die Nebencharaktere, sympathische wie unsympathische, sind gut ausgeformt, sind erinnerungswürdig und interessant. Eine Liste am Ende ist vorhanden, aber eigentlich nicht notwendig.
Obwohl der Spannungsbogen nicht so hoch wie bei einem Thriller verläuft, konnte mich der Roman dennoch von Anfang an fesseln. Die Handlung entwickelt sich eher langsam, durchsetzt mit einigen konkreten Actionszenen. Gewalt wird dabei explizit, wenn auch nicht ausufernd, beschrieben. Der Abschluss passt und lässt genug offene Handlungsstränge für den nächsten Band.
Alles in allem kann ich den Roman allen empfehlen, die ein Buch nicht nur schnell runterlesen möchten, sondern eine Reise suchen.

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Veröffentlicht am 15.03.2023

Gelungene Fortsetzung, die Lust auf den nächsten Band macht

Schloss Liebenberg. Hinter dem falschen Glanz
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Der zweite Band Hanna Caspians um die Eulenburg-Harden-Affäre aus den Perspektiven mehrerer Bediensteter setzt nahtlos da an, wo Band 1 aufhört.
Der Tod ihrer Mutter lastet schwer auf Adelheid und ihrer ...

Der zweite Band Hanna Caspians um die Eulenburg-Harden-Affäre aus den Perspektiven mehrerer Bediensteter setzt nahtlos da an, wo Band 1 aufhört.
Der Tod ihrer Mutter lastet schwer auf Adelheid und ihrer Familie. Als Informantin kann sie dringend benötigtes Geld verdienen und gleichzeitig Rache an der Fürstin üben, doch bringt sie sich selbst damit ebenfalls in Gefahr. Auch Viktor nimmt die Gefährdung seiner Dienststelle war und muss entscheiden, ob er eine Zukunft im Schloss Liebenberg haben wird. Für Constanze wurde diese Entscheidung bereits im ersten Band getroffen, doch die zukünftige Laufbahn ihres Verlobten ist eng mit dem Ausgang der Eulenburg-Harden-Affäre verwoben. Und Hedda findet nicht nur Verbündete gegen Opitz, sondern gerät in den Sog einer Bewegung, die sich für die Verbesserung der Lebensumstände aller Bediensteten einsetzt und von der besitzenden Klasse nicht gerade wohlwollend betrachtet wird…
Was soll ich sagen? Hanna Caspian beweist wieder einmal, dass sie große politische Ereignisse anschaulich mit Einzelschicksalen verknüpfen kann. Erzähltempo, Abschnittlängen und Perspektivwechsel sind einwandfrei gewählt. Diverse historische Alltagdetails offenbaren nicht nur die großartige Rechercheleistung, sondern bringen den Leser näher an das Geschehen heran und machen die Kulisse lebendiger.
Insgesamt würde ich sagen, dass die politischen Ereignisse im Vergleich zum ersten Band hier mehr in den Vordergrund rücken, doch war dies angesichts der Tatsache, dass besagte Ereignisse nun eine drängendere, bedrohlichere Dimension annehmen durchaus zu erwarten.
Alles in allem eine gelungene Fortsetzung, die einen von der ersten Seite an wieder direkt in die Handlung eintauchen lässt.

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