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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.10.2018

Hätte ich nicht gebraucht

Mit der Faust in die Welt schlagen
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Unweit von Dresden wachsen Tobias und Philip im sächsischen Hinterland auf. Auch Jahre nach der Wende ist hier von Aufbruchsstimmung keine Spur. Der DDR wird nachgetrauert, die aus dem Westen skeptisch ...

Unweit von Dresden wachsen Tobias und Philip im sächsischen Hinterland auf. Auch Jahre nach der Wende ist hier von Aufbruchsstimmung keine Spur. Der DDR wird nachgetrauert, die aus dem Westen skeptisch beäugt, Flüchtlinge sowieso. Perspektive? Eigentlich keine. Die Unzufriedenheit schlägt immer mehr in Wut um. Auch bei den ganz Jungen.

Rietzschels Roman versucht aufzuzeigen wie und warum auch junge Leute im Osten Deutschlands zu Neonazis werden. Das gelingt ihm leider nur mäßig, in die Köpfe der Figuren kann man sich als Leser schon mal überhaupt nicht hineinversetzen. Das liegt vor allem an dem sehr nüchternen Erzählstil, Emotionen (auch negative) sucht man in der Geschichte vergebens. Natürlich habe ich mich über das braune Gedankengut geärgert, dafür hätte ich aber Rietzschels Roman nicht lesen müssen. Er stellt die Neonazis zudem durchweg als dumme, dauerbesoffene und perspektivlose Menschen dar, das erscheint mir dann doch sehr einfach gedacht. Egal ob Ost oder West. Sprachlich wirkt das Buch veraltet, immer wieder wurde ich von recht aktuellen Geschehnissen überrascht, weil ich mich in den 70ern oder 80ern wähnte. Die Handlung und auch die Figurenentwicklung sind wenig überraschend, irgendwie wirkt alles sehr konstruiert wie nach Lehrplan. Im Endeffekt hätte ich diesen Roman nicht lesen brauchen, ich habe weder neue Einsichten gewonnen, noch hätten mich Sprachstil oder außergewöhnliche Handlung fesseln können.

Veröffentlicht am 17.08.2018

Viel zu dick aufgetragen

Der Duft des Lebens
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Kaminski ist Arzt, aber deswegen noch lange kein Menschenfreund. Im Gegenteil, er stiehlt Sterbenden ihre Seelen. Diese sammelt er in Glasfläschchen, die der junge Aviv hergestellt hat. Und der kommt ihm ...

Kaminski ist Arzt, aber deswegen noch lange kein Menschenfreund. Im Gegenteil, er stiehlt Sterbenden ihre Seelen. Diese sammelt er in Glasfläschchen, die der junge Aviv hergestellt hat. Und der kommt ihm eines Tages auf die Spur.

Ich hatte mir eine märchenhafte Erzählung über Gut und Böse, über den Sinn des Lebens erwartet. Thematisch stimmt das schon, ich hätte die Geschichte nur gerne subtiler und ohne beständiges Einhämmern der Botschaft mit dem Holzhammer gehabt. Ohne Allgemeinplätze. Ohne ausgelutschte Zitate (z.B. Wilde: die Menschen kennen von allem den Preis usw.). Ohne mich ständig an andere Romane erinnert zu fühlen (z.B. Süskinds Parfüm). Ohne schon seitenweise vorher zu wissen, welche „überraschende Wendung“ mich erwartet. Und vor allem OHNE diese Massen an übersüßem Kitsch, blumigen Worten und der gefühlt 1000fachen Verwendung des Worts Seele. Ich bin wirklich enttäuscht, denn die Grundidee ist eigentlich recht gut gelungen, Kaminski und Aviv hätten durchaus Potential gehabt. Aber die Autorin ist meilenweit über ihr Ziel hinausgeschossen und hat mir als einzige Weisheit hinterlassen, dass das Leserleben zu kurz für Bücher ist, die den eigenen Geschmack verfehlen.

Veröffentlicht am 18.06.2017

Hinter Internatstüren

Die Verwirrungen des Zöglings Törleß
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Der junge Törleß lebt in einem Internat zu Zeiten der k.-u.-k. Monarchie. Neben der schulischen Ausbildung soll das Institut die Schüler auch auf eine Karriere im Militär vorbereiten. Törleß fühlt sich ...

Der junge Törleß lebt in einem Internat zu Zeiten der k.-u.-k. Monarchie. Neben der schulischen Ausbildung soll das Institut die Schüler auch auf eine Karriere im Militär vorbereiten. Törleß fühlt sich zunehmend unwohl und entdeckt eine völlig neue Seite an sich selbst, als der Mitschüler Basini von anderen erpresst und gequält wird. Eine dunkle Seite.

Musils Debut wirft einen tiefen Blick in die Psyche pubertärer Jugendlicher und zeichnet ein verstörendes Bild. Unterdrückung, Sadismus, sexuelle Gewalt, Scham… Musils Figuren kennen keine Grenzen. Törleß als Hauptfigur bildet da keine Ausnahme, auch wenn er eher an den psychologischen Folgen für das Opfer Basini interessiert ist. Kein leichter Stoff also, den sich Musil da vorgenommen hat. Auch sprachlich fand ich zur Geschichte keinen rechten Zugang, manchmal sperrig, manchmal wirr, erzählt Musil vor sich hin. Insgesamt ein Klassiker, der mich so gar nicht begeistern konnte.

Veröffentlicht am 07.05.2017

Cold Hill House

Das Haus in Cold Hill
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Unweit von Brighton steht das hochherrschaftliche Cold Hill House. Naja, zumindest war es mal hochherrschaftlich. Vor dem Zerfall. Doch die Familie Harcourt will ihm neues Leben einhauchen, scheut weder ...

Unweit von Brighton steht das hochherrschaftliche Cold Hill House. Naja, zumindest war es mal hochherrschaftlich. Vor dem Zerfall. Doch die Familie Harcourt will ihm neues Leben einhauchen, scheut weder Kosten noch Mühe noch Handwerker. Doch ist das Haus wirklich unbewohnt? Zweifel machen sich breit. Und Angst…

Peter James ist für seine Krimis bekannt und wagt sich mit diesem Buch in die Welt des Grusels. Naja, oder was er eben für Grusel hält. Mich hats beim Lesen durchaus gegruselt: vor seiner platten Schreibe, der lahmen Story, den saudämlichen (ehrlich!) Protagonisten und dem vorhersehbaren Ende. Das sah ich auch ohne übersinnliche Fähigkeiten meilenweit kommen. Ich weiß nicht genau welche Zielgruppe hier erreicht werden soll, die Horrorfans gähnen ab Seite 2 und selbst der geneigte Ich-les-alles-Leser dürfte ziemlich schnell von der dahintröpfelnden Geschichte gelangweilt sein. Hält einen ja bei anderen Werken vielleicht ein ansprechender Schreibstil an der Stange, so hat James auch hier für mich total danebengegriffen. Kurze Sätze, kurze Kapitel und lahme Dialoge prägen seine Story.
Ich konnte dem Buch so leider gar nichts abgewinnen und verteile somit 1,5 Punkte für eine im Ansatz mittelmäßige Geschichte und den Hauch von Atmosphäre, der zumindest am Anfang mal kurz aufkam. Bevor auch er sich wahrscheinlich zu Tode gelangweilt hat.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Man hätte so viel draus machen können

The Tortilla Curtain
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L.A.: Glamour, Sonne, schmucker Lebensstil. Hier lässt es sich leben. Zumindest, wenn man wie Delaney Mossbacher auf der Sonnenseite des Lebens wohnt. In seiner upper-class-Gegend ist sein größtes Problem, ...

L.A.: Glamour, Sonne, schmucker Lebensstil. Hier lässt es sich leben. Zumindest, wenn man wie Delaney Mossbacher auf der Sonnenseite des Lebens wohnt. In seiner upper-class-Gegend ist sein größtes Problem, dass die Muscheln zum Abendessen verkocht sind. Doch dann wächst sich eine „Bedrohung“ zu immer größerem Ausmaß heran: illegale Einwanderer aus Mexiko siedeln sich im nahen Canyon an, lungern auf Supermarktparkplätzen herum, „stören“ das Stadtbild. Zunächst für Delaney kein wirkliches Problem, doch dann ist er plötzlich ganz persönlich beteiligt und alles ändert sich.

Aus dem Thema hätte man so viel machen können. T. C. Boyle reflektiert leider nur sehr oberflächlich über das Einwandererthema, sammelt gängige Vorurteile zu Hauf und verliert sich in extrem langweiligen Beschreibungen von den nichtigsten Kleinigkeiten. Ich hätte mir eine kritische soziale Studie gewünscht, eine Erzählung, die nachdenklich macht. Starke Charaktere wollte ich sehen, jemand mit dem man sich identifizieren kann. Eine realitätsnahe Geschichte wenigstens, die einem das harte Leben als Illegaler näher bringt. Nichts davon habe ich bekommen. Sehr schade. Mir tut jeder Schüler leid, der dieses Werk als Schullektüre durchkauen musste.

Fazit: interessantes Thema, mehr aber auch nicht.