Ein zutiefst bewegender Roman
Das Holz, aus dem wir geschnitzt sind„Bitter or Better? (Bitter oder besser?)“ oder „Am Ende ist alles gut. Wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende.“
So könnte man die Geschichte überschreiben.
Nachdem ich so viel Gutes ...
„Bitter or Better? (Bitter oder besser?)“ oder „Am Ende ist alles gut. Wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende.“
So könnte man die Geschichte überschreiben.
Nachdem ich so viel Gutes über dieses Buch gehört habe, bin ich bei meinem Aufenthalt in
Schwäbisch Gmünd genau mit der Absicht in den Buchshop marschiert: Dieses Buch zu ergattern. Hat dann auch geklappt und gelesen war es dann auch recht zügig.
Der Schreibstil ist echt schön und angenehm und ich kam schnell voran, wobei langsamer als beabsichtigt, da ich immer wieder innehalten musste und über Dinge nachdenken oder meine Emotionen wieder in den Griff bekommen musste.
Die unterschiedlichen Kapitel sind entweder aus Jakobs Sicht und geben einen Rückblick in seine Vergangenheit oder aber aus der Erzählerperspektive, mit Einblick in Karls Gedanken und Gefühle.
Meine Erwartungen an das Buch waren sehr hoch, wobei ich mich immer auch versuche zu bremsen, da ich genau weiß, dass wir an unterschiedlichen Punkten im Leben stehen und deshalb auch andere Dinge mögen, brauchen etc. Und Geschmäcker sind ja bekanntlich auch verschieden.
Deshalb muss ich gestehen: ich musste NICHT weinen.
Heißt aber nicht, dass ich nicht durch viele Emotionen durch bin. Dazu später mehr.
Im 18.Jahrhundert sind eher weniger die Bücher, die ich lese und Westerwald war auch neu für mich. Da ich mich in dem Setting nicht so auskenne, hätte ich mich über ein paar mehr Infos über das damalige Leben gefreut.
Ist aber nicht zwingend notwendig für die Geschichte.
Karl ist ein Außenseiter. Aber warum?
Ich habe mich immer wieder gefragt, warum er so unglaublich
aus dem Rahmen gefallen ist? Warum war dieses Sanfte und Ruhige so auffällig? Warum empfandman es als anders? Gab es wirklich nur wenige Männer mit diesen Eigenschaften? Da ich Männer mit
diesen Eigenschaften kenne, ist es für mich nicht ungewöhnlich. Doch ich vermute, dass es zu derdamaligen Zeit einfach nicht „normal“ war. Wer nicht hart anpacken konnte, sich durchzusetzen vermochte, ein gewisses Durchsetzungsvermögen und vielleicht auch einen leichten Hang zur Gewalt besaß, war wohl nicht männlich. Harte Zeiten verlangten nach harten Männern. Söhne, die anpacken konnten, taugten. Kopfarbeit, die Liebe zum Lernen, war verpönt und man galt als Schwächling. Adam, Karls Bruder, hat ihn sogar als „Wechselbalg“ (S.67) betitelt. Ich habe den Begriff googeln müssen, da ich ihn nicht kannte. Dürft ihr bei Bedarf auch gerne machen.
Neben Jakob, der mir unglaublich sympathisch war und Karl, lernen wir in dem Buch auch noch andere Familienmitglieder und Personen kennen. Es ist ganz schön schwierig dieses Buch zusammenzufassen, ohne zu viel vom Inhalt zu verraten.
Denn es passiert unglaublich viel. Das fand ich auch echt gut, auch wenn ich manches Mal dachte: Och nöö, jetzt reichts aber auch mal!
Während dem Lesen kam mir auch immer wieder die Frage: Wie viel Leid und Unrecht kann ein Mensch ertragen? Warum bekommen manche Menschen alles ab, während andere mit allem durchkommen?
Karl steht für die Schwachen ein. Er nimmt sein Anderssein an und hält unglaublich viel Ungerechtigkeit aus. Er ist resilient und empathisch. Er erkennt die Schwäche anderer und ist bereit Unrecht zu erdulden. Er möchte zwar gerne dazu gehören, jedoch nicht um jeden Preis. Das hilft ihm letztlich auch an seinem Traum festzuhalten, wenn die anderen ihn auch davon abhalten wollen.
Das hat mich beeindruckt und ich möchte gerne etwas mehr wie Karl sein!
Emotional ging es bei mir von Unglauben, Wut über Traurigkeit bis hin zu Fassungslosigkeit.
Manches mal wollte ich Karl zurufen, er solle gefälligst seinen Mund aufmachen und sich das ganzen nicht mehr gefallen lassen!
Manch andere Person hätte ich gerne mal geschüttelt und gefragt, wie es sein kann, dass man lieber irgendwelchen Stimmen glaubt, als der Person, die man kennt und täglich erlebt.
Also an Drama und Aufregung fehlt es dem Buch wahrlich nicht. Beeindruckend ist, wie schön herausgearbeitet ist, wie der Glaube durch die Schwierigkeiten hindurchhilft.
Lügen zerstören Leben, die Wahrheit, die einem zugesprochen wird und Wurzeln im Herzen fassen
kann, trägt durch Leid und Herausforderungen. Doch nur Vergebung macht frei und hilft einem, Bitterkeit loszulassen.
S. 195 „Nur wenige Menschen besitzen die charakterliche Stärke und die nötige Demut, um in allem die liebende Handschrift Gottes zu suchen.“
Karl hat das geschafft und für mich wünsche ich es mir auch.
Fazit: Ungerechtigkeiten widerfahren allen Menschen, manchen mehr, anderen weniger. Wichtig istves aber sich an diesen nicht festzuklammern und daran zu zerbrechen oder gar bitter zu werden,
sondern sie in Gottes Wort zu hüllen und bewusst loszulassen.
Jakob lehrte diese Werte mit seinen Worten und Taten und Karl erkennt, dass die Saat in seinemvLeben aufgegangen war. Was wir weitergeben ist nicht zu unterschätzen, auch wenn es vielleicht nicht sofort sichtbar.
Wer sich nicht vor vielen Emotionen und einer Achterbahnfahrt der Gefühle fürchtet, dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen!