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Veröffentlicht am 08.02.2024

Überladen, unglaubwürdig und zerfleddert

Der stille Vogel
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Mit „Der stille Vogel“ setzen die beiden schwedischen Autoren Peter Mohlin und Peter Nyström ihre Reihe um den ehemaligen FBI-Agenten und gebürtigen Schweden John Adderley fort, der im Zuge des Zeugenschutzprogramms ...

Mit „Der stille Vogel“ setzen die beiden schwedischen Autoren Peter Mohlin und Peter Nyström ihre Reihe um den ehemaligen FBI-Agenten und gebürtigen Schweden John Adderley fort, der im Zuge des Zeugenschutzprogramms in seine Heimat zurückgekehrt ist. Obwohl dies bereits der dritte Band der Reihe ist, muss man die beiden Vorgänger nicht zwingend gelesen haben, da immer wieder Informationen zu den Ereignissen aus seinem früheren Leben in die Handlung eingebettet sind, beispielsweise warum seine achtjährige Nichte bei ihm lebt.

Der aktuelle Fall hat es in sich. Alles beginnt mit dem Knochen, der aus einem Vogelnest gefallen ist. Dieser zufällige Fund erweckt einen alten Fall wieder zum Leben, da die forensische Analyse auf eine Verbindung mit dem Fall der vor Jahrzenten verschwundenen Brodin-Zwillinge hinweist. Es gab und gibt keinerlei Hinweise auf deren Verbleib, weshalb der Fall als ungelöst zu den Akten gelegt wurde. Doch das könnte sich nun ändern. Zumindest, wenn es nach dem Dafürhalten der Dorfgemeinschaft geht, die von Anfang an den Vater der beiden Buben wegen seines absonderlichen Verhaltens im Visier hatten.

Das ist zwar die Ausgangssituation, aber noch längst nicht alles, denn etwas über 500 Seiten wollen gefüllt werden. Es reicht nicht, dass noch einen Toten gibt. Nein, um diesen Fall gruppieren sich zusätzlich noch mehrere Nebenhandlungen: ein dubioser Heimkehrer, ein Ehepaar mit Problemen, die Schwester des Protagonisten, die etwas zu verbergen hat und nicht zuletzt Adderley selbst, der der Verantwortung für seine Nichte nicht mehr gerecht werden kann.

Zusätzlich dazu gibt es, und das kennen wir ja von den skandinavischen Kriminalromanen, die Verweise auf aktuelle gesellschaftliche Themen wie Drogen, Migranten, Demenz und psychische Erkrankungen. Also jede Menge Stoff, die noch für zwei weitere, dafür aber besser geplottete Krimis, gereicht hätte. Obwohl man der Handlung die Spannung nicht absprechen kann, wirkt diese doch viel zu überladen, durch die Vielzahl der Wendungen im Verlauf höchst unglaubwürdig und durch die gewählte Form der verschiedenen Perspektiven nicht wie aus einem Guss sondern zerfleddert.

Veröffentlicht am 25.01.2024

Wenig Historie, dafür zähe Ermittlungsarbeit

Alte Schuld
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Dem äußeren Anschein nach hat sich in dem Hamburg von 1948 seit dem Ende des Krieges nicht viel verändert. Seit dem Hungerwinter sind zwar schon zwei Jahre vergangen, aber noch immer ist die Versorgung ...

Dem äußeren Anschein nach hat sich in dem Hamburg von 1948 seit dem Ende des Krieges nicht viel verändert. Seit dem Hungerwinter sind zwar schon zwei Jahre vergangen, aber noch immer ist die Versorgung mit Nahrung und Wohnraum für die Zivilbevölkerung nicht gesichert. Die Menschen hungern, die Stadt liegt in Trümmern, und wer das Glück hat, nicht obdachlos zu sein, kann dem Schicksal danken. Der Schwarzmarkt blüht noch immer, aber das könnte sich schnell ändern, denn die Währungsreform steht vor der Tür. Das bereitet zwar den Kriminellen Kopfzerbrechen, aber sie haben bereits Pläne geschmiedet, um sich ihren Teil vom Kuchen zu sichern.

Auch auf der Davidwache ist die Polizei in Bereitschaft, um dem Transport des Bargelds sicheres Geleit zu garantieren. Nur Ida und Heide, die beiden Polizistinnen der Davidwache, bleiben außen vor, denn noch immer sind die Vorurteile der männlichen Kollegen nicht ausgeräumt, was dazu führt, dass sie sich in erster Linie um Fälle zu kümmern haben, in die Frauen und Kinder involviert sind. Zumindest für Ida könnte sich nach dem Eingreifen ihrer Vorgesetzten etwas ändern, hat sie diese doch zu einem Fortbildungslehrgang geschickt. Ein schlechter Zeitpunkt, denn der aktuelle Fall der misshandelten Frau entwickelt sich in eine völlig unvorhergesehene Richtung, als deren Verlobter ermordet aufgefunden wird und ihre Tochter spurlos verschwindet. Entgegen jeder Vernunft bezüglich ihres beruflichen Fortkommens widersetzt sich Ida, vertraut auf ihre Intuition und führt auf eigene Faust ihre Ermittlungen fort.

Stellt man „Alte Schuld“ dem Vorgänger „Altes Leid“ gegenüber, so schneidet die Fortsetzung im Vergleich deutlich schlechter ab. Es ist verständlich, dass sich die Autorin nicht wiederholen und bereits Bekanntes wieder aufwärmen möchte, haben sich doch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in der Hansestadt im Laufe des vergangenen Jahres nur unwesentlich verändert. Aber ein historischer Kriminalroman lebt nunmal von atmosphärischen Beschreibungen, doch diese verkommen hier leider zur Nebensache. Stattdessen konzentriert sich die Story auf die kleinteilige Ermittlungsarbeit im aktuellen Fall der Protagonistin und nimmt, speziell über den Mittelteil hinaus, breiten Raum ein, was sich negativ sowohl auf das Tempo als auch auf die Spannung auswirkt. Unerwartete Wendungen sucht man hier leider vergeblich. Und auch der Schlussteil konnte nicht überraschen, da die Anzahl der Verdächtigen von Beginn an recht übersichtlich und die Hinweise auf den Täter überdeutlich waren.

Veröffentlicht am 18.01.2024

Holpriger Reihenauftakt

NACHT - Die Toten von Jütland
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„Nacht. Die Toten von Jütland“ ist nach der Hjortheede/Staal-Trilogie (noch nicht übersetzt) der Beginn einer ebenfalls auf drei Bände angelegten Thriller-Reihe mit David Flugt und Lucas Stage, zwei Sonderermittler ...

„Nacht. Die Toten von Jütland“ ist nach der Hjortheede/Staal-Trilogie (noch nicht übersetzt) der Beginn einer ebenfalls auf drei Bände angelegten Thriller-Reihe mit David Flugt und Lucas Stage, zwei Sonderermittler der Task Force 14. In Dänemark ist der Autor schon längst kein Unbekannter mehr, wurde er dort doch bereits zweimal für einen Krimipreis nominiert. Und nun schickt er sich also an, den deutschen Markt zu erobern, was ihm durchaus gelingen könnte, denn der Aufbau seiner Thriller ist weniger von der skandinavischen Melancholie als vielmehr von einer rohen, teilweise schon grenzwertigen Härte geprägt, wie man sie beispielsweise aus der erfolgreichen Hunter/Garcia-Reihe Chris Carters kennt.

Aber worum geht es? Ein Bauer wird durch seltsame Vorkommnisse in der Nacht aufgeschreckt. Beunruhigt geht er nach draußen und findet auf einem Erdwall in der Nähe einen Toten, auf dessen Brust der Name Grandberg eingeschnitten ist. Die Grandberg sind eine Familie mit Einfluss, besetzen wichtige Ämter, unter anderem auch die Leitung der Mordkommission. Bei den nachfolgenden Grabungsarbeiten auf dem Wall werden die Überreste weiterer Leichen gefunden und es ist davon auszugehen, dass hier ein Serienmörder seine Opfer verscharrt hat. Wegen Befangenheit darf Grandberg, Leiter der Mordkommission, in diesen Fall natürlich nicht tätig werden, weshalb Flugt und Stage von der Kopenhagener Task Force die Kommissarin vor Ort unterstützen sollen. Aber das ist nur der Anfang, denn zwei weitere Handlungsstränge ergänzen diese Ausgangssituation. Zum einen ist da noch die Suche nach einer jungen Vermissten, vermutlich auch ein Opfer des Serienkillers, zum anderen geht es um ein Verbrechersyndikat aus Osteuropa, dessen Vorgehen nicht besonders zimperlich ist.

So weit, so gut. Keine Frage, Bagger erzählt spannend und mit Tempo, wechselt die Sicht auf die Fälle in kurzen Abständen, schafft in Ansätzen eine Dynamik durch die unterschiedlichen Persönlichkeiten der beiden Ermittler…aber leider verliert er sich, und damit auch den Leser/die Leserin, in dem komplizierten und teilweise unglaubwürdigen Konstrukt des Plots. Erschwerend hinzu kommt die vage Charakterisierung seiner beiden Showrunner, die für den ersten Band einer Reihe einfach zu sehr an der Oberfläche bleibt. Um diesen Mangel zu kaschieren setzt er auf die schon grenzwertige Darstellung von Gewalt. Damit ist er zwar in der „guten“ Gesellschaft von Carter, Fitzek und Co, was für mich aber leider kein Qualitätsmerkmal ist.

Bleibt zu hoffen, dass in dem bereits erschienene zweite Band „Feuer. Mord auf den Färöern“ diese Mängel ausgeglichen werden. Luft nach oben ist hier allemal.

Veröffentlicht am 09.01.2024

Zuviel und doch zu wenig

Book Lovers - Die Liebe steckt zwischen den Zeilen
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Zwischen den Jahren lese ich gerne Bücher außerhalb meiner Komfortzone, die sich von meinen üblichen Lesevorlieben unterscheiden. Angesprochen hat mich Emily Henrys „Book Lovers“. Bereits der Titel weckt ...

Zwischen den Jahren lese ich gerne Bücher außerhalb meiner Komfortzone, die sich von meinen üblichen Lesevorlieben unterscheiden. Angesprochen hat mich Emily Henrys „Book Lovers“. Bereits der Titel weckt doch positive Erwartungen, oder etwa nicht?

Der Anfang hat gepasst, und auch später gab es durchaus Passagen, die meine Erwartungen erfüllt haben. Beispielsweise, wenn in den Dialogen literarische Anspielungen gemacht wurden oder man Details über das Arbeitsumfeld der beiden Hauptfiguren erfahren hat. Aber das tritt leider mit dem Fortschreiten der Geschichte immer mehr in den Hintergrund und muss Platz machen für völlig überhöhte und über Gebühr aufgeblähte Petitessen.

Zwei Akteure beherrschen die Bühne: Nora, Literaturagentin, pausenlos im Einsatz für ihre Klienten, und Charlie, Lektor mit Einfluss, mit dem sich ihre Wege bereits in der Vergangenheit unschön gekreuzt haben. Wir ahnen schon, wohin das führen wird. Aber beide schleppen jede Menge emotionales Gepäck mit sich herum, das über viele Seiten für das unsägliche Halb-zog-sie-ihn-halb-sank-er-hin verantwortlich ist.

Sie treffen wieder in Sunshine Falls aufeinander, einer Kleinstadt, in der Nora mit ihrer Schwester Libby einen vierwöchigen Urlaub verbringt. Libby, die, wen wundert’s, mit dem Gedanken spielt, ihren Mann zu verlassen. Puh, noch jemand, der sich mit Problemen herumschlägt.

Dazu kommen noch jede Menge Wie-sie-wurden-was-sie-sind Erklärungen mit Bezug zu Noras und Charlies persönlichen Biografien sowie künstlich überhöhte Alltagsdramen, die sich bei im Umfeld der beiden während dieser Auszeit in Sunshine Falls ergeben.

Emily Henrys Romane sind Bestseller, und schaut man sich die Bewertungen dieses Buches an, dann funktioniert das Konzept für die meisten Leserinnen. Es tut mir leid, aber mir war das einfach viel zu viel von allem, aber doch unterm Strich zu wenig.

Veröffentlicht am 04.01.2024

Debüt mit Schwächen

Wer den Löffel abgibt
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Weil ich von „Der späte Ruhm der Mrs Quinn“ begeistert war, hat auch Jessa Maxwells „Wer den Löffel abgibt“ mein Interesse geweckt. Der Vergleich drängt sich auf, denn die Ausgangssituation ist ähnlich: ...

Weil ich von „Der späte Ruhm der Mrs Quinn“ begeistert war, hat auch Jessa Maxwells „Wer den Löffel abgibt“ mein Interesse geweckt. Der Vergleich drängt sich auf, denn die Ausgangssituation ist ähnlich: Ein Backwettbewerb mit sechs Teilnehmern, bei dem es gilt, in täglichen Challenges sein Können zu beweisen, um am Ende auf dem Siegerpodest zu stehen. Ergänzt wird dies allerdings relativ früh durch einen Leichenfund und zahlreiche Sabotageakte während des Wettbewerbs, was dem Roman einen Dreh in Richtung ‚Cozy crime‘ verpasst.

Aber sowohl die Repräsentanten des Veranstalters als auch die Teilnehmer sind samt und sonders höchst unsympathisch, verbissen und nicht wählerisch in der Wahl ihrer Mittel, wenn es darum geht, den Konkurrenten zu schaden und ihre eigene Position zu verbessern.

„Wer den Löffel abgibt“ ist nach Bilderbüchern, Comics und Graphic Novels, allesamt dialogbasierte Medien, der erste Roman der Autorin, und das merkt man. Gute Ansätze sind zwar vorhanden, aber leider so ausgeführt, dass daraus weder ein spannender Krimi noch ein befriedigender Roman wird. Nach meinem Dafürhalten liegt das in erster Linie daran, dass die Autorin kapitelweise die Perspektiven wechseln lässt und es versäumt, Verbindungen zu schaffen. Die Übergänge sind mir zu abrupt, so dass ich die aus einem Guss erzählte Story vermisst habe. Das schafft Distanz zu den Personen, die sich auch leider im Verlauf der Geschichte nicht verliert. Und was definitiv auch viel zu kurz gekommen ist, war die Spannung, denn gemordet wird erst relativ spät. Bis dahin passiert außer der eher oberflächlichen Beschreibung der einzelnen Aufgaben des Wettbewerbs reichlich wenig.

Eine Lektüre für zwischendurch. Schnell gelesen, aber leider auch schnell wieder vergessen. Kann man lesen, muss man aber nicht.