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Veröffentlicht am 10.01.2024

Das Haus der bunten Vögel

Wir Frauen aus der Villa Hermann
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„Du bist eine Frau, Luise. Zu viel geschäftliche Einsatz ziemt sich nicht für dein Geschlecht.“ (S. 14) Als Luises Mann 1932 stirbt, bleibt sie mit einem großen Haus, zwei kleinen Kindern und einer bankrotten ...

„Du bist eine Frau, Luise. Zu viel geschäftliche Einsatz ziemt sich nicht für dein Geschlecht.“ (S. 14) Als Luises Mann 1932 stirbt, bleibt sie mit einem großen Haus, zwei kleinen Kindern und einer bankrotten Holzhandlung zurück. Als Freunde ihr raten, ein eigenes Geschäft zu eröffnen, gründet sie eine Näherei für Berufsbekleidung, weil die immer gebraucht wird und im Obergeschoss des Hauses betrieben werden kann. Der Plan geht auf, auch wenn sie im 2. WK Krieg Uniformen statt Arbeitsanzügen nähen müssen. Doch nach 1945 weiß auch Luise nicht mehr weiter, da tauchen die ersten Soldaten in Levi‘s auf …

Pia Rosenberger erzählt 20 Jahre deutsche Geschichte und wie die (Mustang) Jeans nach Deutschland kam, dabei orientiert sie sich an der wahren Geschichte der L. Hermann Bekleidungswerke Künzelsau. Sie beschreibt diese Jahre so emotional und fesselnd aus verschiedenen Blickwinkeln, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte und an nur 2 Tagen gelesen habe.

Luise ist eine pragmatische, herzensgute Frau, die niemandem abweisen kann. Ihr Haus entwickelt sich schnell zum Sammelbecken bunter Vögel. Neben ihrer Tochter Erika und ihrem Sohn Rudolf lebt hier auch die Haushälterin Marga mit ihrer Tochter Lia. Marga äußert sich nie zu Lias Vater und Luise fragt nicht nach. Als sie die Näherei eröffnen, stellen sie einen Herrenschneider ein – Paul Falbe, einen ewigen Junggesellen mit einem pikanten Geheimnis.

Die drei Kinder wachsen wie Geschwister auf, Erika und Lia werden beste Freundinnen. Leider hat Erika weder das Talent noch Lust dazu, sich in die Schneiderei einzuarbeiten, dafür überrascht Lia alle mit ihrer Kreativität und ihrem treffsicheren Geschmack. Doch als sie eine jugendliche Dummheit begeht, wird sie nach Berlin in Sicherheit gebracht. Dadurch bekommt man einen sehr guten Einblick, wie unterschiedlich sich der Krieg im beschaulichen Baden-Württemberg und in Berlin „anfühlte“.
Erika erleidet einen herben Verlust, als ihre Jugendliebe Martin, ein Jude, aus Deutschland fliehen muss.

In „Wir Frauen aus der Villa Hermann“ geht es um Menschlichkeit, Mitgefühl und Zusammenhalt. Die Geschichte zeigt, dass man auch in dunkelsten Zeiten für seine Ideale und Überzeugungen einstehen sollte. „Die Dinge, die wir tun, sind so geheim, dass wir sie selbst nicht wissen dürfen.“ (S. 147) Heimlich und unabhängig voneinander engagieren sich alle 4 Frauen für Verfolgte und unterstützen z.B. jüdische Mitbürger, obwohl sie sich damit selber in Gefahr bringen.
Aber sie zeigt auch, wie anpassungsfähig, kreativ und vorausschauend die Frauen waren, dass sie sich nie von den äußeren Umständen unterkriegen ließen, wie sie die Jeans nach Deutschland holten und dabei neben dem geschäftlichen auch ihr privates Glück fanden. Ein absolutes #Lesehighlight!

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Veröffentlicht am 04.01.2024

„Die Merkel hat mal wieder einen Toten.“

Miss Merkel: Mord auf hoher See
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Eigentlich hatte die ehemalige Kanzlerin nach einem langweiligen, mordlosen Jahr in Kleinfreundenstadt auf der Krimi-Kreuzfahrt nur mit den Leichen in den Büchern der anwesenden Autoren gerechnet und nicht ...

Eigentlich hatte die ehemalige Kanzlerin nach einem langweiligen, mordlosen Jahr in Kleinfreundenstadt auf der Krimi-Kreuzfahrt nur mit den Leichen in den Büchern der anwesenden Autoren gerechnet und nicht mit einer echten, die noch dazu der angekündigte Thriller-Starautor war. Aber wenn es nun schon mal einen Toten gibt und die Umstände seines Ablebens so ungewöhnlich sind, kann sich Angela das Ermitteln natürlich nicht verkneifen. Zumal außer ihr alle an einen Unfall glauben – auch Kommissar Hannemann, Merkels Intimfeind, und die raubeinige Pathologin Dr. Radszinski, die vom Veranstalter als Überraschungsgäste angepriesen werden.

David Safier hat es geschafft, sich selbst, Krimi- bzw. Thriller-Autoren und deren Fanszene aufs Korn zu nehmen. Mit viel Humor und Situationskomik lässt er Angela ihren dritten Fall klären, mehr oder weniger freiwillig unterstützt von Ehemann Achim, Mops Pupsi, Personenschützer Mike und Freundin Marie samt Patenkind Adrian Angel. Dabei kommt es wieder zu einigen sehr aufregenden und lebensgefährlichen Situationen für Angela und ihr Team, denn der Mörder kann dem Schiff zwar nicht entkommen, aber Angela ihm eben auch nicht. Sie orientiert sich bei der Mörderjagd an klassischen Whondunit-Krimis und berühmten Autorinnen wie Agatha Christie und Dorothy L. Sayers um herauszubekommen, wer ein Motiv hat – und das sind am Ende einige.

Ich liebe das liebevoll und leicht überspitzt gezeichnete Figurenensemble. Angela ist in ihrem Innersten immer noch Kanzlerin und ihr Wort Gesetz, gern vergleicht sie aktuelle Situationen mit von ihr erlebten schwierigen politischen Begebenheiten. Achim geht (im übertragenen Sinn) stets 2 Schritte hinter ihr und hält ihr den Rücken frei, während er versucht, mit uralten Sprachkassetten Englisch zu lernen. Mike würde gern kündigen, weil ihm die Eskapaden seiner Chefin den letzten Nerv rauben, traut sich aber nicht, und Marie geht in ihrer Rolle als Mutter auf.

Wer sich ein bisschen in der Krimiszene auskennt, erkennt auch auf Anhieb die Autoren, die Safier als Vorbild für seine Schriftsteller nutzt und hat damit einen zusätzlichen Anreiz, das Buch zu lesen und sich dabei köstlich zu amüsieren. Ich hoffe, dass Angela noch ganz oft über Leichen stolpert und des Ermittelns nie müde wird. 5 Sterne für dieses Lesehighlight.

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Veröffentlicht am 26.12.2023

Jedem Anfang geht ein Abschied voraus

Eine halbe Ewigkeit
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„Mein Tagebuch. Dieser unerwartete Gruß aus einer Zeit, von der ich heute weiß, dass sie ein Countdown war, reißt mir ein Loch in meine ohnehin gerade bröckelige Fassade.“ (S. 22) Wäre der Altpapiercontainer ...

„Mein Tagebuch. Dieser unerwartete Gruß aus einer Zeit, von der ich heute weiß, dass sie ein Countdown war, reißt mir ein Loch in meine ohnehin gerade bröckelige Fassade.“ (S. 22) Wäre der Altpapiercontainer nicht voll gewesen, hätte Cora ihr Tagebuch von vor 25 Jahren nie wiedergefunden, so aber fällt es aus dem Karton, den sie eigentlich entsorgen wollte. Sie hat es damals „Mondscheintarif“ genannt und die knapp 7 Stunden protokolliert, in denen sie in Selbstzweifeln badet, alles überdenkt und mit ihrer Freundin Johanna (zer-)redet, während sie auf den Anruf von Daniel wartet, in den sie sich gerade verliebt hat.
Jetzt, 25 Jahre später, ist sie immer noch mit sich unzufrieden und in einer ganz ähnlichen Situation. Das letzte ihrer 3 Kinder hat das Haus verlassen und ihre Ehe ist schon lange eingeschlafen. Plötzlich stellt sich ihr die Frage, ob das der perfekte Moment für einen Neuanfang ist.
Wanda, die ebenfalls Altpapier entsorgen wollte und Cora von einem Shooting von vor einem Jahr kennt, rettet sie aus ihrem Selbstmitleid und nimmt sie mit in die Villa Ohnsorg, wo sie deren Mitbewohner Erdal und seine Mutter Ruth, Gloria und Johann kennenlernt.

„Eine halbe Ewigkeit“ schlägt den Bogen vom „Mondscheintarif“ zu „Der Morgen kann kommen“ und erzählt beide Geschichten weiter.

„Ich heiße Cora Hübsch, bin fünfundvierzigdreiviertel Jahre alt und habe auch in fortschreitendem Alter weder eine passende Frisur noch inneren Frieden gefunden.“ (S. 108) Die Cora von heute ist noch genauso unsicher wie damals, hat Schwierigkeiten sich zu entscheiden, schwankt zwischen Verzweiflung, Stagnation und Neuanfang, zieht die Bequemlichkeit der Aufregung vor und ist keine Frau für halbe Sachen, wenn es um Schokoriegel oder Kuchen geht. Außerdem ist damals etwas passiert, was sie sich nie vergeben und ihr Leben für immer verändert hat. Jetzt bekommt sie unerwartet nicht nur eine Menge neuer Freunde und Leidens-genossen, sondern auch die Chance auf Veränderung.

„Jedem Anfang geht ein Abschied voraus, verdammt noch mal. Und der ist schwer und schmerzhaft und unfassbar endgültig, und manchmal auch einfach nicht zu ertragen.“ (S. 97) Die Bewohner der Villa Ohnsorg hat der Freitod ihres Mitbewohners Rudi vor einem Jahr noch mehr zusammengeschweißt. Sie haben zum Teil radikale Veränderungen durchgemacht, weil sie sich ihrer Endlichkeit bewusst geworden sind. Jetzt genießen sie ihr Leben, machen weniger Kompromisse und lassen sich nichts mehr gefallen.

Sehr gefühl- und humorvoll und einige Situationen gekonnt überspitzend erzählt Ildikó von Kürthy von der zweiten Hälfte des Lebens, von der Menopause, den Sorgen und Problemen des Elterndaseins und der Angst vor dem Leben nach den Kindern, wenn man wieder „nur“ zweit ist, von großen Lieben und Verlusten, von Schuldgefühlen und Vergebung und davon, sich endlich auf sich zu besinnen, (zu sich selbst) ehrlich zu sein, sich zu akzeptieren und selbst zu lieben.

Ich habe wieder gelacht und geweint und hätte Cora gern in den Arm genommen. Und ich habe mich gefreut, auch den anderen ProtagonistInnen wieder zu begegnen, die mir so ans Herz gewachsen sind: die Diva Erdal mit dem riesengroßen Herz aus Gold, seine abgeklärte und raubeinige Mutter Renate, die kompromisslose Wanda, die stille Ruth – ich habe oft an sie gedacht, mich gefragt, was wohl aus ihnen geworden ist und mich jetzt beim Lesen oft in ihnen wiedererkannt.

Auch „Eine halbe Ewigkeit“ ist wieder ein emotionales Lesehighlight, das noch lange in mir nachklingen wird.

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Veröffentlicht am 18.12.2023

Die Nachricht des Mörders

Revanche
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Eines Morgens verschwindet ein Mann auf der Fähre von Lamarque nach Blaye. Beim Anlegen ist nur noch das Auto des allseits bekannten Malermeisters an Bord, von ihm selbst fehlt trotz mehrfacher Überprüfung ...

Eines Morgens verschwindet ein Mann auf der Fähre von Lamarque nach Blaye. Beim Anlegen ist nur noch das Auto des allseits bekannten Malermeisters an Bord, von ihm selbst fehlt trotz mehrfacher Überprüfung jede Spur. Das Team um Commissaire Luc Verlain und seiner Partnerin und Vorgesetzten Anouk wird auf die Suche angesetzt. Doch dann wird der Vermisste ertrunken im Becken eines Garnelenzüchters aufgefunden, in seiner Tasche eine Rasiermessermuschel, die weder hier vorkommt, noch da, wo die Fähre langfährt. Für Luc sieht das nach einer Nachricht des Mörders aus, vor allem, als in Paris eine junge Frau in der Badewanne ertränkt aufgefunden wird, in der ebenfalls eine Rasiermessermuschel schwimmt.

„Revanche“ ist der 7. Band der Reihe um den ehemaligen Pariser Commissaire Luc Verlain und entführt seine Leser wieder an die Küste des Aquitaine. Die Ermittler vermuten den Täter im privaten Umfeld der Opfer, da der Maler es mit der ehelichen Treue nicht so genau nahm und bei der Pariser Toten keine Abwehrspuren vorhanden waren. Aber was verband sie miteinander und mit dem Mörder?!

Auch dieser Fall ist wieder extrem spannend. Der Mörder muss auf der Fähre gewesen sein, aber niemand will den Toten nach dem Ablegen noch mal gesehen haben. Die Besatzung und Fahrgäste haben mehr oder weniger glaubhafte Alibis, außerdem kann man ihnen keine Mordmotiv nachweisen. Ich muss zugeben, dass ich im Laufe der Handlung einige Verdächtige hatte, aber natürlich wie immer komplett daneben lag.

Ich mag auch die private Komponente der Reihe. Luc und seine Freundin Anouk sind nicht nur jungen Eltern, sondern auch Kollegen, bzw. ist Anouk sogar seine neue Vorgesetzte. Aber bei Einsätzen übernimmt Luc gern und automatisch die Führung und sie lässt ihm diese kleinen Freiheiten.
Durch die Tote in Paris kann Luc (endlich) wieder mit seinem ehemaligen Kollegen Yacine zusammenarbeiten, den er als Jugendlichen in den Banlieues aufgegriffen und zur Polizei „gelockt“ hat.

Mein Fazit: Wieder ein extrem spannender und gefährlicher Fall mit viel französischem Flair.

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Veröffentlicht am 17.12.2023

Es liegt was in der Luft

Stille Nacht im Schnee
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… und damit ist nicht nur der Schnee gemeint, der Heiligabend unablässig im Wallis fällt und das Tal, in dem das Ferienhaus von Elisabeth und Pascal steht, langsam von der Außenwelt abschneidet. Seit 35 ...

… und damit ist nicht nur der Schnee gemeint, der Heiligabend unablässig im Wallis fällt und das Tal, in dem das Ferienhaus von Elisabeth und Pascal steht, langsam von der Außenwelt abschneidet. Seit 35 Jahren feiern sie hier mit der Familie Weihnachten. Inzwischen sind die Kinder erwachsen und bringen ihre PartnerInnen und den Nachwuchs mit.

Als erstes kommt ihr Ältester Christoph mit seiner Frau Gesine, Söhnchen Mats und Hamster Willi. So erfolgreich und gesprächig Christoph in seinem Beruf ist, zu Hause versteckt er sich stumm hinter der Zeitung und überlässt Gesine das Regiment. Da ist es kein Wunder, dass Mats‘ (ganz das verzogene Einzelkind) sämtliche Wünsche sofort erfüllt werden und sich alles nach ihm zu richten hat. Zudem hat er gerade das Wörtchen „doof“ für sich entdeckt und setzt es sehr gern ein: doofe Oma, doofer Opa …
Als nächstes kommt Cord mit seinen beiden Töchtern, aber ohne Frau. Warum, will er erst nach mehreren Bechern Glühwein preisgeben.
Als letzte, wie immer zu spät, kommt Cleo mit ihrer Dogge Grinch und (schon wieder?!) einem neuen Freund.
Die Familie ist endlich komplett und die Besinnlichkeit könnte langsam einkehren, aber natürlich verläuft der Weihnachtabend nicht konfliktfrei, zumal Elisabeth und Pascal eine Ankündigung zu machen haben: „Elisabeths Stimme klang so gelassen und ungerührt, als wäre es ein ganz gewöhnlicher Abend – und nicht der ungewöhnlichste Heiligabend, den sie jemals erlebt hatten.“ (S. 72)

Ich schwanke beim Lesen zwischen Amüsement und Mitleid. Einige „Katastrophen“ sieht man schon kommen und würde gern eingreifen, andere haben mich völlig überrascht. Vor allem Willi sorgt für einige Aufregung und dafür, dass ein Geheimnis viel früher gelüftet werden muss als geplant.

„Weihnachten mit der Familie, und man wird zum Alki.“ (S. 50) Alexander Oetker schildert diesen Tag so, wie ihn wohl viele kennen. Zum Fest der Liebe findet man sich plötzlich auf engstem Raum zusammen und muss sich arrangieren. Alle sind mit irgendwelchen Erwartungen oder Geheimnissen angereist und dann eskaliert es. Da werden uralte Streitigkeiten ausgegraben und man hackt auf den augenscheinlichen Fehlern der anderen rum, ohne zu wissen, wie es beim Gegenüber wirklich aussieht oder was dahintersteckt. Aber es gibt natürlich auch versöhnliche und überraschende Momente und letztendlich wird hoffentlich alles gut.

„Stille Nacht im Schnee“ ist nicht die typische, romantische Weihnachtsgeschichte mit Happy End, sondern eine, die anders ist, zum Nachdenken anregt und trotzdem glücklich macht.

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