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Veröffentlicht am 09.02.2024

Liest sich von selbst

Geordnete Verhältnisse
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Dieses Buch liest sich von selbst, hat man es aufgeschlagen, ist man schon fast durch.

Es erzählt eine tragische Geschichte, die man nicht so recht einordnen kann. Es ist beinahe eine Liebesgeschichte, ...

Dieses Buch liest sich von selbst, hat man es aufgeschlagen, ist man schon fast durch.

Es erzählt eine tragische Geschichte, die man nicht so recht einordnen kann. Es ist beinahe eine Liebesgeschichte, aber auch eine von besonderen Menschen, die ihren Platz im Leben suchen.

Phillipp und Faina sind anders, schon immer. Schon in der Schule haben sie gemeinsam die Außenseiterecke besetzt. Beide haben unglaublich rote Haare und einen schwierigen familiären Hintergrund, der sie beeinflusst und von anderen abgrenzt und beide haben psychische Probleme, die in ihrer Familie niemanden interessiert. Sie werden Freunde, die gelernt haben, die Eigenarten des anderen zu verstehen, wie sonst niemand.

Das bekommt man hier wunderbar einleuchtend erzählt, nimmt abwechselnd Philipps und Fainas Blickwinkel an, lernt sie sehr gut kennen und beinahe verstehen.

Später sind sie erwachsen, noch immer speziell und führen sehr anschaulich vor, wie toxische Beziehungen entstehen können. Ganz allmählich landet man in einem schrecklichen Drama.

Diese Geschichte ist originell, toll erzählt, sehr fesselnd und berührt. Allerdings bemüht sie sich auch sehr, Dramatik zu erzeugen. Philipp und Faina haben reichlich Probleme, fast ein bisschen viele für meinen Geschmack.

Ein tolles Buch ist es trotzdem. Ich habe es in kürzester Zeit verschlungen und bin nach dem Lesen sehr aufgewühlt. Das Ende ist eine echte Überraschung.

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Veröffentlicht am 09.01.2024

Erschreckend plausibler Weltuntergang

Und dann verschwand die Zeit
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Ganz genau so kann man sich das vorstellen. Während um mich herum Sandsäcke gefüllt werden, kommt mir die Geschichte in diesem Buch vor wie der logische nächste Schritt.

Hier steht England unter Wasser. ...

Ganz genau so kann man sich das vorstellen. Während um mich herum Sandsäcke gefüllt werden, kommt mir die Geschichte in diesem Buch vor wie der logische nächste Schritt.

Hier steht England unter Wasser. Im „High House“ am Rande eines kleinen englischen Küstenorts leben ein paar Menschen weiter, während alle anderen geflohen sind. Als Caro mit ihrem kleinen Bruder Pauly mit letzter Kraft dort ankam, wurden sie von Sally begrüßt. Sally und ihr Großvater hatten die beiden schon erwartet. Alles war gut für sie vorbereitet.

Wie es dazu kam und wie allmählich die Welt untergeht, erzählt dieses Buch plausibel und anschaulich. Ganz allmählich nimmt es einen mit in die Katastrophe. Dabei erzählen Sally, Caro und Pauly abwechselnd die Ereignisse aus ihrer Sicht.

Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen, auch wenn es ab und an etwas ausführlich geraten ist. Der Fokus liegt mehr auf der Gefühlswelt der Figuren als auf Action. Dadurch zieht die Erzählweise aus verschiedenen Perspektiven das Ganze eher in die Länge, als dass es die Geschichte ergänzen würde. Besonders Paulys Gedanken aus Kleinkindersicht wirken ein wenig wie überflüssige Dekoration.

Dieses Buch lässt uns jetzt schon mal erleben wie es sein wird, wenn die Menschen weniger werden und das Wasser mehr, wenn die Insekten und sogar die Vögel verschwinden und die Dorfkirche ein allerletztes Mal läutet. Es erzählt die Geschichte einer Katastrophe, die sich anschleicht, vom trotzdem Weiterleben, nahezu melancholischer Grusel mit einem sehr bitteren Kern.

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Veröffentlicht am 05.01.2024

Eigen

Draußen feiern die Leute
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Wirklich schade, eigentlich mag ich dieses Buch. Leider habe ich es nicht verstanden.
Wir sind in einem Dorf bei Hannover, in dem auffallend viele Freaks leben. Sie sind nicht nur Außenseiter, sie haben ...

Wirklich schade, eigentlich mag ich dieses Buch. Leider habe ich es nicht verstanden.
Wir sind in einem Dorf bei Hannover, in dem auffallend viele Freaks leben. Sie sind nicht nur Außenseiter, sie haben auch Eigenarten, die ihnen das Leben schwer machen. Richard zum Beispiel löst Langeweile aus, wenn er Menschen näherkommt. Wo er geht und steht fängt alles an zu gähnen. Ich habe versucht, deren Gebrechen metaphorisch zu lesen, aber Valerie schläft glatt 45 Tage am Stück. Wo ist da die Metapher? Man muss diese Absonderlichkeiten als Tatsachen hinnehmen, aber das fällt schwer. Ich war beim Lesen abwechselnd genervt und fasziniert.

Die Situation ist oft wirklich absurd. Dabei ist der Erzählstil großartig, hat eine ganz eigene schnodderige Poesie und schafft es, dass man diese seltsamen Figuren mag und mitfiebert.

Alle sind Deutsche und haben Wurzeln in Kasachstan, was den Eindruck vermittelt, wir blickten in eine Art russische Enklave in Deutschland, die eigene Regeln und mafiöse Strukturen hat. Das ist aber mehr Kulisse als Thema (glaube ich). Es geht eher um Heimat, Wünsche, Lebensziele (glaube ich), ein Stück weit auch um Familie und Erwachsenwerden (wahrscheinlich). Es zeigt, dass Drogen keine Lösung sind, aber helfen können und dass Polizisten manchmal nur Väter namens Manfred sind.

Mit diesem Buch habe ich gerungen, gehadert, es verflucht, beinahe abgebrochen, mich dann aber doch auch amüsiert und wollte wissen, wie es ausgeht. Es ist auf jeden Fall besonders.

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Veröffentlicht am 01.01.2024

Ein gutes Buch mit Längen

Wellness
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Dass man für ein Buch von Nathan Hill Geduld braucht, ist bekannt. Dieses hier lotet dafür nochmal die Grenzen aus. Es ist wirklich, wirklich, wirklich ausführlich.

Im Grunde geht es um Jack und Elisabeth, ...

Dass man für ein Buch von Nathan Hill Geduld braucht, ist bekannt. Dieses hier lotet dafür nochmal die Grenzen aus. Es ist wirklich, wirklich, wirklich ausführlich.

Im Grunde geht es um Jack und Elisabeth, die dachten, sie wären originelle Menschen und ein Traumpaar, bis schließlich auch sie Alltagsroutinen erliegen. „Wellness“, die Firma, bei der Elisabeth arbeitet, bietet ungewöhnliche Kuren für tausenderlei Probleme an, nur helfen die nur Uneingeweihten. Man kann nur an Zauberei glauben, wenn man die Zaubertricks nicht kennt, aber was ist, wenn der Zauberer einen Zauber braucht?

Das ist grob das Thema, wobei allerdings alle Befindlichkeiten akribisch beleuchtet werden. Der familiäre Hintergrund spielt ja immer eine Rolle, und wenn es um eine angesehene Familie wie die von Elisabeth geht, kann man auch ruhig mal bis ins 19.Jahrhundert ausholen. Mit nervtötender Konsequenz erscheint immer eine Rückblende, wenn man gerade dachte, jetzt kommen Dinge in Bewegung. Die Figuren und deren Umfeld werden seziert und in jeder Lebenslage neu analysiert.

Das passiert alles in einer wunderbaren Sprache, mit Humor, Einfühlungsvermögen und einem scharfen Blick auf unsere Gesellschaft. Man findet sich sehr oft wieder oder kennt jemanden, der genauso hilflos das Internet entdeckt wie Jacks Vater Lawrence – herrlich komisch!

Alles in allem ist es ein sehr gutes, sehr kluges Buch mit viel Humor und einigen Längen, bei dem ich mir ein klareres Ziel gewünscht hätte. Es spricht zahlreiche Themen an, nur fehlt die Pointe, mit der ich eigentlich gerechnet habe. Lesenswert ist es trotzdem.

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Veröffentlicht am 26.11.2023

Ungewöhnlich und berührend

Endstation Malma
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Anhand der Buchbeschreibung hatte ich eigentlich mit einer Art Roadtrip gerechnet und Beschauliches befürchtet. Davon verabschiedet man sich aber blitzschnell. Hier bricht einem das Herz schon auf Seite ...

Anhand der Buchbeschreibung hatte ich eigentlich mit einer Art Roadtrip gerechnet und Beschauliches befürchtet. Davon verabschiedet man sich aber blitzschnell. Hier bricht einem das Herz schon auf Seite 16, wenn die kleine Harriet gedankenlos von ihren Eltern gemobbt wird.

Tatsächlich liest man hier eine Familiengeschichte über drei Generationen, die episodenhaft aus drei Perspektiven erzählt wird. Nach und nach setzt sich eine Geschichte zusammen, die immer verhängnisvoller wird.

Der Erzählstil fasst einen an, lässt uns mitten ins Herz der Figuren schauen, zeigt, was ignorante Eltern für Schäden anrichten und wie sich ein Kindheitstrauma vererbt.

Es ist eine sehr leidvolle Lektüre, aber trotzdem fesselnd. Hat man erst angefangen, legt man das Buch nicht wieder zur Seite. Mich hat das Buch sehr beeindruck, auch wenn ich einen Stern abziehen für eine Spur zu viel Pathos hier und da.

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