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Veröffentlicht am 02.02.2024

Jirkas Heimkehr

Krummes Holz
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Krummes Holz – Julja Linhof
Jirka kehrt nach 5 Jahren im Internat auf den heimatlichen Hof zurück. Damals war er 14, nun ist er 19 Jahre alt. Immer noch extrem jung. Seine Schwester Malene begegnet ihm ...

Krummes Holz – Julja Linhof
Jirka kehrt nach 5 Jahren im Internat auf den heimatlichen Hof zurück. Damals war er 14, nun ist er 19 Jahre alt. Immer noch extrem jung. Seine Schwester Malene begegnet ihm äußerst feindselig, fühlt sich von ihm im Stich gelassen. Das Verhältnis zu Leander scheint auf andere Art und Weise angespannt zu sein. Die Oma ist dement und der Vater Georg - der lässt sich nicht blicken. Eine seltsame Situation. Sowohl Haus als auch Bewohner lassen Jirka auflaufen. Der ist verunsichert und verliert sich immer wieder in Erinnerungen an die Kindheit, die keine gute war und auch ein Grund für das Verlassen des heimatlichen Hofes.
Obwohl sehr lange kaum etwas im Jetzt passiert und dies ein extrem ruhiger, nachdenklicher Roman ist, mochte ich den klaren, aber trotzdem eleganten Schreibstil sehr. Außerdem gefiel mir die Atmosphäre, so düster und melancholisch. Allerdings muss man sich wirklich konzentrieren, denn Jirkas Gedanken schweifen immer mal wieder mehr oder weniger willkürlich in verschiedene Begebenheiten der Vergangenheit ab. Mal ist es die lieblose Kindheit, mal Ereignisse in der frühen Jugend, die ihn beschäftigen. Vieles wird nur angedeutet, statt klar ausgesprochen. Klar ist, da ist noch ganz viel nicht verarbeitet.
Im letzten Drittel gibt es plötzlich einen krassen Bruch im Roman. Denn unvermittelt wird Jirka aus seinen Träumereien gerissen und nun tut sich doch noch ganz gewaltig etwas in der Gegenwart. Etliche Details, die irgendwann nebenbei erwähnt wurden, ergeben plötzlich einen Sinn und machen die Geschichte zu einer irgendwie runden Sache – trotz des großen Bruchs kurz zuvor. Jirka, Malene und Leander – sie alle leiden unter alten, schwerwiegenden Verletzungen und sind mit sich selbst und den Ereignissen überfordert.
Dieses Werk hat mich sehr fasziniert, trotz gelegentlicher Längen. Das liegt wohl an der schönen zarten Sprache und der tiefsinnigen Gedankenwelt Jirkas. Und dann ist da immer das Gefühl, dass da noch mehr dahinter steckt, dass noch etwas im Argen liegt. Unsicher bin ich tatsächlich, ob mir die Lösung des Endes gefällt. Irgendwie passt das – andererseits überhaupt nicht. Egal – unterhaltsam und bewegend war diese Geschichte allemal.
4 Sterne

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Vom Gehen und Bleiben

Lichtungen
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Lichtungen – Iris Wolff
Lev und Kato sind Freunde seit ihrer Kindheit in der rumänischen Provinz. Die Öffnung der europäischen Grenzen ändert alles. Kato sieht endlich die Möglichkeit ihren Freiheitsdrang ...

Lichtungen – Iris Wolff
Lev und Kato sind Freunde seit ihrer Kindheit in der rumänischen Provinz. Die Öffnung der europäischen Grenzen ändert alles. Kato sieht endlich die Möglichkeit ihren Freiheitsdrang zu befriedigen und hinaus in die Welt zu ziehen. Lev bleibt zurück – erst fünf Jahre später gibt es ein Wiedersehen.
Diese Geschichte hat eine interessante Erzählweise: Sie wird rückwärts erzählt. Mit jedem Kapitel springt man ein ganzes Stück in die Vergangenheit. Das ist raffiniert, denn für viele Hinweise oder Anmerkungen findet man die Erklärung erst später in der Erzählung. Außerdem ist man wirklich geneigt, nach dem Beenden des Romans einfach nochmal von vorne zu beginnen. Beim Lesen selbst habe ich diesen „Rückwärtsgang“ allerdings manches Mal als störend empfunden. Zu Beginn jedes neuen Kapitels (es sind 9) musste ich erst diese kurze Irritation überwinden und mich neu in der Zeit zurechtfinden. Es ist ungewohnt, doch wenn man einmal umdenkt, fällt auf, dass das Kennenlernen einer neuen Person auf eben dieselbe Art und Weise funktioniert. Zuerst lernt man die Person kennen, wie sie heute ist. Erst nach und nach erfährt man dann Details zu Herkunft und Vergangenheit.
Allzu einfach macht es die Autorin ihren Lesern nicht. Vieles wird nur angedeutet oder in Bildern ausgedrückt. Man muss sich als Leser viel dazudenken. Manche Passagen sind mehr Stimmung als Handlung. Im Prinzip ist es eine Aneinanderreihung von Momentaufnahmen zweier Leben. Eben vor dem Hintergrund der geschichtlichen Begebenheiten und Ereignisse. Gerade die Situation der Deutschen in Rumänien spielt eine große Rolle.
Abgesehen davon zeichnet Iris Wolffs Schreibstil eine wunderschöne poetische, treffsichere Sprache aus. Jeder Satz ein Genuss. Hier ein paar Beispiele vom Anfang des Romans:
„Zwischen Gestern und Morgen gab es nur eine hauchdünne Schicht.“ Seite 10
„Man ist einmal gegangen, immer ein Gehender.“ Seite 27
„Jeder Augenblick enthält alles Gewesene, und war doch immer wieder ein Neubeginn.“ Seite 34
Es ist eine tolle zarte Atmosphäre, die sich durch die Geschichte zieht.
Dieser Roman erfordert die volle Aufmerksamkeit des Lesers. Hat man sich aber erst mal mit der besonderen Erzählweise angefreundet, erhält man eine ganz besondere, raffiniert erzählte Geschichte.
4 Sterne

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Nele und Rio

Du, ich und das glitzernde Meer
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Nele und Rio auf Rhodos
An diesem Roman hat mich das ungewöhnliche Thema der künstlichen Befruchtung einer Single-Frau interessiert. Dies wurde auch angemessen feinfühlig behandelt und der Leser erhält ...

Nele und Rio auf Rhodos
An diesem Roman hat mich das ungewöhnliche Thema der künstlichen Befruchtung einer Single-Frau interessiert. Dies wurde auch angemessen feinfühlig behandelt und der Leser erhält so einige spannende Infos.
Abgesehen davon handelt es sich hierbei eigentlich um einen klassischen Insel-Sommer-Wohlfühlroman. Es gibt viele Strandszenen und Sightseeing-Touren. Das ist nett, war mir aber ein bisschen zu weichgespült und brav. Auch für die sympathischen Protagonisten Nele und Rio sind eine Woche Urlaub natürlich viel zur kurz, um sich wirklich kennenzulernen. Oder?
Im Prinzip, nur leider (nicht mehr) meine Literatur. Aber dafür können weder Autorin noch das Buch etwas. Deshalb, trotzdem 4 Sterne.

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Veröffentlicht am 19.01.2024

Fiona und Nikolai

The Peace That Is You
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Fiona und Nikolai
Wieder eine sehr emotionale Liebesgeschichte aus der Feder von Emma Scott, deren Schreibstil ich sehr schätze.
Wobei ich hier etwas holprig gestartet bin. Nikolais Geheimnis, das dem ...

Fiona und Nikolai
Wieder eine sehr emotionale Liebesgeschichte aus der Feder von Emma Scott, deren Schreibstil ich sehr schätze.
Wobei ich hier etwas holprig gestartet bin. Nikolais Geheimnis, das dem Leser gegenüber allerdings schon auf den ersten Seiten gelüftet wird, deutete für mich im ersten Moment in Richtung Fantasy/Übernatürliches/Magie, womit ich ja so überhaupt gar nichts anfangen kann.
Aber Emma Scott löst die Thematik auf eine auch für mich zufriedenstellende Weise und konnte mich wieder voll auf die wirklich herzzerreißende Story konzentrieren. Und es sind nicht gerade wenige Hindernisse, die Fiona und Nikolai aus dem Weg räumen müssen, um ihren Frieden zu finden.
4 Sterne

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Veröffentlicht am 18.01.2024

Leuchtfeuer

Leuchtfeuer
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Leuchtfeuer – Dani Shapiro
Die Tragödie passiert gleich ganz am Anfang des Romans. Der 15-jährige Theo verursacht einen Autounfall. Seine 17-jährige angetrunkene Schwester Sarah bleibt unverletzt, während ...

Leuchtfeuer – Dani Shapiro
Die Tragödie passiert gleich ganz am Anfang des Romans. Der 15-jährige Theo verursacht einen Autounfall. Seine 17-jährige angetrunkene Schwester Sarah bleibt unverletzt, während ihre Freundin stirbt. Auch die Rolle des dazukommenden Vaters Ben, ein Arzt, ist unglücklich. Drei Menschen, die ihre Schuldgefühle ihr Leben lang nicht mehr loswerden.
Tatsächlich werden die Protagonisten über viele Jahrzehnte hinweg begleitet. All ihre Entscheidungen und Handlungen werden fortan von dem fürchterlichen Unglück beeinflusst sein. Dennoch ist dies bei Weitem nicht das einzige Thema dieses Romans. Es geht um Schuld, aber auch um Liebe und Mitgefühl, es geht um das Alt werden. Und dann ist da noch Waldo, der Nachbarsjunge. Das Kind, das so anders ist und ausgerechnet in Ben einen Verbündeten findet.
All diese Menschen in diesem Roman haben Fehler gemacht, keiner spricht darüber, dennoch sind sie alle sehr reflektiert und denken viel über ihre jeweiligen Lebensentscheidungen nach. Ein häufiger Perspektivwechsel erleichtert den Zugang zu den Gedankenwelten der einzelnen Figuren.
Die recht nachdenkliche Handlung wird auf etwa drei Zeitebenen erzählt, wobei es auch immer mal wieder Ausreißer gibt. Aber im Wesentlichen ist die erste Erzählzeit, die Zeit des Unfalls 1985 - dann etwa fünfzehn Jahre später, kurz vor der Jahrtausendwende – und schließlich etwa 2020, während der Corona-Pandemie. Die Eltern sind nun alt und stehen vor ganz neuen Herausforderungen. Diese Zeitsprünge haben mich ehrlich gesagt immer wieder etwas durcheinandergebracht, weil ja auch die Perspektivwechsel noch dazukommen… eigentlich eine recht unruhige Erzählweise, die dann aber durch den sehr stillen Schreibstil gar nicht mehr auffällt. Außerdem ist die Geschichte sehr eingängig geschrieben und durch den Unfall ganz zu Beginn, ist der Leser fast zwangsläufig gefesselt.
Trotz allem ist es eine sehr ruhige, melancholische Atmosphäre, die diesen Roman trägt. Es wird sehr viel Rückschau betrieben und es gibt sehr viel innige Liebe und Zuneigung zwischen den Generationen. Liebe und Hoffnung führen die Figuren immer weiter – wie ein Leuchtfeuer in der Nacht.
Trotz des ernsten Themas und des tragischen Beginns habe ich mich mit diesem Roman sehr wohlgefühlt. Er macht sehr nachdenklich, aber auf tröstliche Art und Weise.
4 Sterne


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