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Veröffentlicht am 04.02.2024

Zeitreise mit einer besonderen Sicht auf die Dinge

Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge
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Häufig trifft man auf Reisen Menschen, mit denen man auch ins Gespräch kommt. Und bei einer dieser Begegnungen trefft ihr auf einen Mann, der euch so abenteuerliche Geschichten aus seinem Leben und einer ...

Häufig trifft man auf Reisen Menschen, mit denen man auch ins Gespräch kommt. Und bei einer dieser Begegnungen trefft ihr auf einen Mann, der euch so abenteuerliche Geschichten aus seinem Leben und einer längst vergangenen Zeit berichtet. Sie kommen euch so abstrus vor, wie ein Wolkenkuckucksheim.
Dieser Mensch ist Heinz Labensky. Aufgewachsen in einem kleinen Dorf in Brandenburg, erlebte er die Nachkriegszeit, sowie die Ära der DDR. Mittlerweile ist Heinz ein 79-jähriger Feierabendheimbewohner, der nie den Osten Deutschlands geografisch wie gedanklich verlassen hat und es bestimmt auch nie getan hätte. Eines Tages erreicht ihn aber ein Brief, der ihn dazu veranlasst, die Geschehnisse von damals zu betrachten. Auf seine ganz eigene Weise beleuchtet Heinz dabei die Geschichte der DDR und zeigt uns und seinen Mitreisenden seine Sicht auf die Dinge.
Heinzi, der bei der Hirnvergabe nicht schnell genug war, hatte kein leichtes Leben. Als förderungsunfähig nahm ihn niemand wirklich ernst. Doch aufgrund seiner Denkweise und seiner besten Freundin Rita machte ihm dies nie viel aus. Sein Beschützerinstinkt Rita gegenüber, trieb ihn sein ganzes Leben an, auch wenn er sie immer wieder aus den Augen verlor.
Heinzi war mir von Beginn an sehr sympathisch. Seine herzerwärmende Fürsorge und Loyalität, in Verbindung mit seiner kindlich naiven Denkweise, machten ihn zu einem ganz besonderen Charakter, dem ich gern persönlich zuhören würde. Aufgrund seiner einfacheren Intelligenz wird Heinzi oft nicht ernst genommen und ausgenutzt. Oft hat er die richtigen Gedankengänge, die dann aber, wie in einem Kreisverkehr, die falsche Ausfahrt nahmen. Er versteht nicht immer alles oder aber falsch. Seine Allgemeinbildung stammt quasi aus einer Frauenzeitschrift. Doch weiß er, was Recht und Unrecht ist, wodurch viele unerwartete und irrwitzige Dinge passierten. Heinz zeigt uns die Geschichte der DDR, durch seine Augen, bei der er unbewusst und in zahlreiche historische Ereignisse involviert zu sein scheint, ohne dass er wirklich etwas davon mitbekam. Auch
Auf der Suche nach seiner besten Freundin, der er sich geschworen hatte auf ewig zu beschützen. Doch Rita war ein Mensch, der es ihm nicht leicht machte, dieses Versprechen zu halten. Ich konnte nicht verstehen, wie sie den einzigen Menschen, der sich so um sie sorgte, derart behandeln konnte.
Ich persönlich habe mit dem Ausgang der Geschichte nicht gerechnet. Es gab der Geschichte einen völlig neuen Blickwinkel und hat mich tief berührt. Leider wirkten auf mich einige Dinge unlogisch, abstrus und wirkten zu konstruiert. Ein ums andere Mal wusste er selbst nicht mehr, was der Realität entsprach oder doch seinem Wolkenkuckucksheim entsprang. Beispielsweise ist Heinzi Analphabet und kann dennoch komplizierte Wörter einer Geheimakte entziffern und teilweise begreifen.
Der Aufbau der Geschichte hat mich während des Lesens sehr überrascht. Ich wusste zwar, dass es viel um die DDR gehen würde, doch ahnte ich nicht, dass dieser geschichtsträchtige Teil Deutschlands derart viel Raum einnehmen würde. Auf der einen Seite war es wirklich interessant diese Historie nachzuerleben. Aber manchmal war es einfach nur anstrengend. Des Öfteren benötigte Ich eine Pause, um das Gelesene sacken zu lassen. Manches Mal waren es, in meinen Augen, lange Aufzählungen starrer Fakten, die eher an ein Geschichtsbuch aus der 9. Klasse erinnerten. Als wäre dieses Buch eine Zeitleiste und Heinzi wäre der rote Faden darin. Auch wenn ich ein Ostkind bin, so bin ich doch zu jung, um zu sagen, wie viel Korrektheit in der geschichtlichen Abfolge steckt. Mir kam sogar der Gedanke das Buch abzubrechen. Der Schreibstil war an einigen Stellen, aufgrund vieler Geschichtsfakten, recht trocken. Doch wenn Heinzi uns seine Sichtweise dazu zeigte, war es teilweise unfreiwillig komisch und versprühte eine gewisse Ostalgie. Viele Redewendungen und Bezeichnungen weckten in mir Erinnerungen und ich frage mich, warum man nicht mehr von Fisimatenten oder Erdmöbel spricht.
Trotz Heinzis besonderer Sicht auf die Geschehnisse der DDR Geschichte, wird dennoch nichts verklärt oder beschönigt. Es wurden auch viele negative Aspekte beleuchtet und dargestellt.
Für mich persönlich hatten die Mitreisenden keinen besonderen Mehrwert. Sie waren eher ein nettes Beiwerk, die Heinzi zuhörten und ab und an die richtigen Fragen stellten. Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, so hätte ich es glaube nicht geschafft, diese Unterhaltung abzubrechen, ohne das Ende der Geschichte gehört zu haben.
Auch wenn ich mich öfters zwischen all den starren Fakten verloren fühlte, bin ich froh Heinzi auf seiner Reise durch die Vergangenheit in die Gegenwart begleitet und seine Sicht der Dinge erlebt zu haben.

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Veröffentlicht am 23.07.2023

Am Ende zählt nur der Moment

Die Erinnerungsfotografen
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Wenn du stirbst, dann zieht dein ganzes Leben an dir vorbei. So oder so ähnlich stellen sich viele ihre letzten Augenblicke im Leben vor. Auch, wenn die Idee dahinter nicht neu ist, hat Sanaka Hiiragi ...

Wenn du stirbst, dann zieht dein ganzes Leben an dir vorbei. So oder so ähnlich stellen sich viele ihre letzten Augenblicke im Leben vor. Auch, wenn die Idee dahinter nicht neu ist, hat Sanaka Hiiragi in ihrem Roman diesem Thema eine ganz neue Bedeutung gegeben.
Dreh- und Angelpunkt dieser Geschichte ist ein ganz besonderes Fotoatelier. Es scheint auf den ersten Blick ganz gewöhnlich zu wirken, doch ist es ein mystischer Ort. Hier arbeitet Hirasaki und empfängt seine besonderen Kunden. Diese sind zeitnah verstorben und befinden sich nun in einer Art Zwischenwelt. Um weitergehen zu können, müssen sich seine Kunden aus den Fotografien ihres Lebens, ihre eigene Diashow voller Erinnerungen erstellen. Während dieses Prozesses steht Hirasaki stehts mit Rat und Tat zur Seite. Dabei kann es vorkommen, dass gewisse Fotografien abgegriffen wie Erinnerungen sein können. Hirasaki gibt seinen Kunden die Möglichkeit, zu diesem Tag zurück zu reisen und ihren besonderen Moment erneut aufzunehmen.
In 3 kurzen Episoden erhalten wir einen Einblick in Hirasakis Arbeit und deren Bedeutung dahinter. Ich muss gestehen, dass ich nach dem Besuch der alten Dame ein wenig Sorge hatte, dass es nun langweilig werden könnte beziehungsweise die Handlungen sich zu sehr ähneln würden. Meine Sorgen waren aber unbegründet. Natürlich sind Hirasakis Arbeitsabläufe in gewisser Weise stets gleich, doch macht die Individualität seiner Kunden den Unterschied.
Es kam mir so vor, als würde die Zeit hier wirklich still stehen. Auch wenn das Thema Tod kein fröhliches ist, so fühlte es sich nie schwermütig an. Ich empfand die hier geschaffene Atmosphäre eher heimelig, als würde ich selbst auf eine Tasse zu Besuch sein. Dies lag vor allem an Hirasaki selbst. Er besitzt eine unglaublich ruhige empathische Art. Während er seinen Kunden ihre Erinnerungen wiederherstellt, bleibt sein eigener Hintergrund blass wie eine abgegriffene Fotografie. Sein eigenes Schicksal wird am Ende nur dem Leser in kleinen Details offenbart. Dies machte mich doch traurig, da ich mir wünschte Hirasaki einen Teil seiner Erinnerungen wiedergeben zu können.
Die Idee mit den Fotografien war einfach nur bezaubernd. In unserer heutigen schnelllebigen Welt werden Erinnerungen meist nur noch digital festgehalten und schnell wieder vergessen. Diese aber in den Händen zu halten, macht sie aber wieder viel realer.
Man erfährt nur das Allernötigste über Hirakis Arbeit und dass es anscheinend noch mehr Ateliers dieser Art zu geben scheint. Normalerweise würde es mich stören, nicht mehr über das große Ganze dahinter zu erfahren. Doch hier lag der Fokus auf dem Leben an sich und die Bedeutung des Einzelnen. Daher mochte ich es, dass nicht das gesamte Leben der Verstorbenen beleuchtet wurde und ihr Leben nicht in Schwarz und Weiß unterteilt wurde. Ihr letzter Gedanke sollte eine besondere Bedeutung für sie haben. Es macht mich glücklich zu wissen, dass es die Möglichkeit gibt, mit seinen bedeutenden und vielleicht längst verblassten Erinnerungen von dieser Welt zu gehen. Und dabei zu bemerken, dass das eigene Leben doch nicht sinnlos oder vergeudet war. Es reicht meist eine vermeintlich bedeutungslose Tat, die für andere die Welt bedeuten. Ebenso zeigt diese Geschichte, wie unscheinbare Momente uns unbewusst beeinflussen können.
Es ist erstaunlich wie sehr ein Bild etwas in uns auslösen kann. Man fühlt sich in den Augenblick zurück versetzt, als er entstanden ist. Der Moment von einst ist fast körperlich spürbar mit all seinen Empfindungen, Gerüchen und Geräuschen. Selbst nach Beendigung des Buches ließ mich die Geschichte nicht los. Ich stellte mir selbst die Frage, wie ich entscheiden würde, sollte ich eines Tages in Hirasakis Fotoatelier erwachen. Welche Fotos meines Lebens würde ich für meine letzte Reise auswählen? Vor allem wie würde dieses letzte besondere Foto aussehen, deren Moment ich noch ein Mal rückblickend erleben dürfte?
Was die japanische Literatur ausmacht ist die Tatsache, dass sie sich nicht mit vermeintlich überflüssigen Details aufhält. Sie erzählt auf eine nüchterne Art und dennoch unterschwellig poetisch. Es mag zwar oft unspektakulär wirken, doch berührt mich diese ruhige Direktheit umso mehr. So passierte es, dass mich während des Lesens ein paar Sätze unvorbereitet tief getroffen haben. Für andere mag diese Szene unbedeutend erscheinen, doch mir wird sie noch lange im Gedächtnis bleiben. Am Ende hätte ich mir vielleicht noch mehr Episoden gewünscht, um noch länger in dieser Zwischenwelt zu verweilen.
Ein Buch für alle die das Entschleunigte suchen und sich auf das Wesentliche besinnen wollen

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Veröffentlicht am 19.07.2023

Wenn alle besonders sind, dann sind am Ende doch alle gleich

Genial normal
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Heutzutage versucht jeder irgendwie besonders zu sein und sich von der Masse abzuheben. Durchschnittlichkeit gilt als verpönt und bedeutet quasi langweilig zu sein. Doch es gibt sie, diese Menschen, die ...

Heutzutage versucht jeder irgendwie besonders zu sein und sich von der Masse abzuheben. Durchschnittlichkeit gilt als verpönt und bedeutet quasi langweilig zu sein. Doch es gibt sie, diese Menschen, die sich damit wohlfühlen und nicht herausstechen müssen. Der 15jährige Sam ist einer von ihnen. Er lebt mit seiner Familie in einer ganz normalen Stadt in England, hat ganz normale Freunde und ist damit mehr als zufrieden. Nur leider ist seine Familie alles andere als normal. Sein älterer Bruder Ethan ist ein begeisterter Musiker und scheint sehr talentiert zu sein. Zusätzlich ist seine kleine Schwester Freya ein kleines Zeichentalent und schreibt dazu Geschichten. Sams Mutter dagegen hat ständig wechselnde Interessen, in denen sie Bestimmung sucht. Sam scheint der einzige talentfreie in der Familie zu sein. Bisher hat ihn dies auch nie gestört, bis sein Vater der Familie eine beträchtliche Geldsumme einbringt und damit Sams bisheriges Leben auf den Kopf gestellt wird. Unerwartet zieht die gesamte Familie in einen noblen Vorort von London. Dies bedeutet natürlich auch, dass Sam seine Freunde verlassen muss und eine neue Schule besuchen muss. Als wäre dies nicht schon schlimm genug, muss es für seine Mutter unbedingt eine Schule für besonders kreativ-begabte Kinder sein. Für einen normalen Jungen wie Sam eine Katastrophe.

Auch, wenn ich eigentlich nicht mehr zur Zielgruppe gehöre, konnte ich mich sehr gut in Sam hineinversetzten. Ich muss gestehen, dass mich Sam wirklich beeindruckt hat. Er ist wirklich ein ganz normaler Teenager, der mit ganz normalen Umständen zu kämpfen hat. Nur dass seine Familie und seine Schule es ihm noch schwerer machen. Der Neue irgendwo zu sein ist schon nicht leicht. Mir selber wäre es glaube auch echt schwer gefallen mich in einer solchen Umgebung einzuleben.

Er hat gelernt nur sich selbst etwas beweisen zu müssen. Denn auch, wenn du etwas besonders gut kannst, macht es dich nicht automatisch zu einem besseren Menschen. Du kannst dich zwar vor anderen verstellen um akzeptiert zu werden aber es macht dich auf Dauer nicht glücklich. Schön war, dass Sam etwas gefunden hatte in dem er gut war aber nicht versuchte sich darüber zu definieren.

Sams Familie gegenüber bin ich doch etwas zwiegspalten. Von außen betrachtet wirkten die Gespräche schon sehr skurril und sehr witzig. Aber je mehr Zeit man in Sams Kopf verbrachte, desto belastender wurde es für mich. Was mich wirklich störte, war die Tatsache, dass sie doch sehr aneinander vorbei leben. Auch wenn der Vater nicht immer präsent ist, so empfinde ich es doch als sehr unglaubwürdig, dass keines der Kinder wusste beziehungsweise daran interessiert war, was ihr Vater beruflich macht. Aber am meisten hat mich die Mutter aufgeregt. Sie scheint sich in einem Selbstfindungsprozess zu befinden, um etwas Besonderes aus sich heraus zu holen. Dabei überträgt sie anscheinend vieles unbewusst auf Sam. Ich meine es ist schon schlimm von seinem sozialen Umfeld das Gefühl zu bekommen ungenügend zu sein. Wenn man dies aber auch noch von seiner eigenen Mutter zu spüren bekommt, sei es auch nur unbewusst, dann macht mich das echt wütend. Mich wundert es wirklich, dass Sam trotz allem so normal geblieben ist. Ich an seiner Stelle wäre längst durchgedreht. Zwar gab es auch einen Moment, in denen seine Geschwister sich für ihn eingesetzt haben. Dennoch hatte ich dabei kein schönes Gefühl, da ihm quasi vorgeworfen wurde, dass seine Probleme (Mobbing) von ihm selbst verschuldet wurden.

Der Schreibstil war sehr faszinierend. Durch die Ich-Perspektive war man direkt an Sams Gefühls- und Gedankenwelt beteiligt. Es wurde alles sehr bildreich geschildert. Für einen 15jährigen hat Sam recht tiefgreifende Gedankengänge. Aber gerade zum Ende hin, wurde es mir doch manchmal zu umgangssprachlich und auch ein bisschen zum fremdschämen. Dennoch gefiel mir der Erzählstil, da er auf der einen Seite sehr humorvoll aber dennoch einen melancholischen Grundton besaß.

Für mich ein sehr inspirierendes Buch über Akzeptanz und die eigene innere Stärke für Jugendliche ab 15 Jahren.

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Veröffentlicht am 07.07.2023

Irgendwann vielleicht für immer?

Vom Ende der Nacht
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Eine Freundin sagte letztens zu mir, dass sie daran glaube, dass es Seelenverwandtschaft wirklich gäbe. Dass zwei Menschen für einander bestimmt seien aber manchmal einfach nicht der richtige Zeitpunkt ...

Eine Freundin sagte letztens zu mir, dass sie daran glaube, dass es Seelenverwandtschaft wirklich gäbe. Dass zwei Menschen für einander bestimmt seien aber manchmal einfach nicht der richtige Zeitpunkt oder Ort sei. Nicht jede Reise sei dafür gemacht, sie gemeinsam zu bestreiten. Dass diese zwei Menschen dann voneinander getrennt wachsen müssten, um zu denen zu werden, die sie füreinander sein sollten.
So in etwa könnte man die Beziehung der beiden Protagonisten Will und Rosie beschreiben. Ihre ersten Begegnungen haben mich wirklich tief berührt. Es war von Anfang an eine derartige Anziehungskraft zwischen ihnen vorhanden, die sich kaum in Worte fassen lässt. Es ging mir förmlich unter die Haut. Es bestand zwischen den beiden eine Art Intimität, die man nie durch eine körperliche Verbindung erreichen könnte. Doch manchmal reicht dies leider für ein Happy End nicht aus. Dafür hatte jeder von ihnen einfach zu viel Ballast auf seinen Schultern. Ihre unterschiedlichen Lebenswelten und Zukunftspläne, machte die Sache auch nicht gerade leichter. Und außerdem hat das Leben auch noch ein Wörtchen mitzureden und schlug mit aller Härte zu. All dies sorgte dafür, dass es aufhörte, bevor es überhaupt beginnen konnte. Doch ganz stimmt das nicht, denn wenn die Seele sein Gegenstück gefunden hat, dann ist man auf ewig verbunden. Und so passiert es, dass sich ihre Lebenswege zwar trennen aber nie ihre innere Verbundenheit. Über viele Jahre hinweg, kreisen sie wie zwei Planeten umeinander, deren Umlaufbahnen sich ab und an kreuzen und den Sternenstaub des jeweils anderen mit sich tragen.
Doch je mehr Jahre ins Land gingen und mit jedem weiteren Aufeinandertreffen, schlichen sich bei mir immer mehr Zweifel ein, ob zwischen ihnen wirklich die unsterbliche Liebe besteht. Meine eigene Gefühlswelt war eine reine Achterbahnfahrt. Es lag nicht unbedingt an dem ständigen Auf und Ab der beiden, sondern vielmehr an Rosies Verhalten währenddessen. Will und Rosie hatten jeder für sich schon einiges zu verkraften. Rosies innerer Drang es alles Recht machen zu müssen und sich selbst dabei zu verlieren konnte ich noch nachvollziehen. Auch ihr schwerer Verlust machte es nicht besser. Doch hatte ich oft das Gefühl, dass je mehr sie sich für andere aufopfert, sie egoistischer Will gegenüber wurde. Will war ihr in all der Zeit immer bedingungslos gegenüber und hat sie bei allem unterstützt. Er ahnte, wenn sie ihn brauchte und lies für Rosie alles stehen und liegen. Rosie hingegen suchte eigentlich nur Kontakt zu Will, wenn sie ihm von einem wichtigen Ereignis berichten wollte oder ihr Seelenleben in Trümmern lag und er es wie selbstverständlich zusammen kehrte. Oft schlichen sich Worte, wie Notfallplan oder Ankermensch in meine Gedanken. Hielt Rosie an Will so fest, da sie sich bei ihm einfach fallen lassen konnte? War in Will einfach nur die Sehnsucht nach der Vorstellung was hätte sein können? Genau diese Aspekte nahmen mir leider im Laufe der Geschichte die starken Empfindungen, die ich anfangs durch die beiden empfunden hatte. Die Geschichte lebt dennoch vor allem durch seine Charaktere, deren starke Gefühls- und Gedankenwelt gut herausgearbeitet wurden. Die ständig wechselnde Erzählsicht gab mir wirklich das Gefühl, dass sie das was in ihrem Inneren verborgen liegt nur mir preis gaben. Der Schreibstil ist durchgehend schwermütig. Selbst in den kleinen gestohlenen Momenten des Glücks schwang eine tiefgreifende Melancholie mit, die tief in mir etwas zum Klingen brachte. Die teils sehr großen Zeitsprünge waren ein sehr effektives Stilmittel. Durch sie wurde noch deutlicher, dass selbst jahrelange Funkstille ihrer inneren Verbindung nichts anhaben konnte. Dennoch, trotz all der Schwermut, erklang zwischen den Zeilen eine immerwährende Hoffnung, dass am Ende der Nacht, ein für immer möglich sein könnte. Allerdings bin ich mir irgendwie unsicher, ob beide wirklich im sicheren Hafen angekommen sind oder es nicht einfach nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm ist. Letzten Endes war ich aber froh, dass Rosie es aus eigener Kraft geschafft hat sich weitestgehend selbst zu reparieren und jetzt für sich und ihre Wünsche einsteht.
Eine Geschichte voller Momente, verpassten Chancen und innerer Zerrissenheit. Es war ein Auf und Ab der Gefühle, das ich so noch nie erlebt habe.

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Veröffentlicht am 18.06.2023

Schattenseite einer leuchtenden Stadt

Die Wölfe von Pompeji
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Wir schreiben das Jahr 74 v. Chr. und befinden uns mitten im alten Pompeij. Jeder kennt diese antike griechische Stadt, die durch einen Vulkanausbruch vollständig zerstört wurde. Man verbindet sie ebenfalls ...

Wir schreiben das Jahr 74 v. Chr. und befinden uns mitten im alten Pompeij. Jeder kennt diese antike griechische Stadt, die durch einen Vulkanausbruch vollständig zerstört wurde. Man verbindet sie ebenfalls mit Demokratie, Philosophie und Kultur. Doch hinter all dieser zivilisierten Fassade, lauerten Schatten innerhalb dieser Stadt und besonders in den Köpfen der damaligen Menschen. Dieser Roman schildert das unwürdige Leben der Sklaven, insbesondere derer die in die Prostitution geschickt wurden.
Im Zentrum der Geschichte steht die junge Amara. Aufgewachsenen als wohlbehütete Arzttochter, landet sie durch widrige Umstände im berühmt berüchtigten Stadtbordell Pompeijs, der Wolfshöhle. Ein erniedrigendes Leben unter dem grausamen Zuhälter Felix wartet auf sie. Doch statt sich ihrem Schicksal zu ergeben oder gar daran zu zerbrechen, setzt sie alles daran diesem Leben entfliehen und wieder frei zu sein. Immer an ihrer Seite sind 4 weitere Leidensgenossinnen. Die „Wölfinnen“ könnten in ihren Charakteren und Lebensgeschichten nicht unterschiedlicher sein. Jede von ihnen geht anders mit ihrem Schicksal um und war dabei absolut nachvollziehbar. Ihr Leben wird eindringlich geschildert und der harte Alltag wird in all seinen Facetten dargestellt. Trotzt des enormen Konkurrenzdrucks herrscht eine unglaubliche Solidarität zwischen den Frauen, ohne die wohl keine lange durchgehalten hätte. Und auch von anderen Sklaven erfährt man einiges. Es berührte mich sehr, diese Menschen über ein Jahr zu begleiten und ihre Ängste, Leiden, Träume und Hoffnungen zu teilen. Die kleinen unerwarteten oder gestohlenen Momente von Glück, die manchmal schneller platzten als eine Seifenblase waren teilweise genauso schlimm wie all die Grausamkeiten, die sie zu ertragen hatten. Es wird auch ebenfalls gut dargestellt, dass nicht jeder der grausam ist auch so geboren wurde, sondern dass gewisse Umstände eine Persönlichkeit dazu bringen können. Bis zum Schluss blieb es unklar, ob Amara jemals wieder ein freies Leben führen würde. Das Ende kam für mich völlig abrupt. Erst im Nachhinein wurde mir klar, dass dies der Auftakt einer Trilogie sein sollte und Amaras Reise noch nicht zu Ende erzählt ist.
Die Beschreibung des Alltags und der Umgebung empfand ich als sehr lebendig und so konnte ich mir alles viel bildhafter vorstellen. Ob jetzt alles historisch korrekt war, kann ich leider nicht sagen aber es wirkte zumindest alles sehr authentisch. Anfangs tat ich mich wirklich schwer in die Geschichte hineinzufinden. Gleich zu Beginn wurde man so vielen Namen konfrontiert und es war zunächst nicht klar wer wer ist, sodass ich schnell den Überblick verlor. Ich brauchte etwas, um mich zurecht zu finden. Der Sprachstil an sich ist relativ derb gehalten, was aber aufgrund der Umgebung doch passend war. Dennoch war er mir stellenweise zu modern gehalten. Es wird nichts beschönigt aber ich bin froh, dass in vielen Dingen nicht zu sehr ins Detail gegangen wurde. Teilweise war das Unausgesprochene erschreckend genug.
Sprachlich gesehen konnte mich Elodie Harper nicht vollständig abholen, dennoch bin ich neugierig welche Wege das Schicksal für Amara und die Wölfinnen noch vorgesehen hat.



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