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Veröffentlicht am 18.02.2024

Eine großartige Wiederentdeckung

Die Alleinseglerin
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Eine Geschichte so ruhig wie das Meer bei Sonnenschein, so aufwühlend wie ein Sturm auf hoher See und so tief wie der Marianengraben – als Almut von ihrem Vater das Segeln auf seinem Drachen erlernt, ahnt ...

Eine Geschichte so ruhig wie das Meer bei Sonnenschein, so aufwühlend wie ein Sturm auf hoher See und so tief wie der Marianengraben – als Almut von ihrem Vater das Segeln auf seinem Drachen erlernt, ahnt sie nicht, dass das Boot für sie lebensentscheidend wird. Und das in vielerlei Hinsicht: Denn der Drachen bringt nach Jahren der Trennung Vater und Tochter wieder zusammen, schafft Verständnis für die Entscheidungen und das Leben des jeweils anderen und stellt zugleich einen Grund und Ort ihres regelmäßigen Zusammenkommens dar.
Als Almut das Boot schließlich von ihrem Vater übernimmt, wird der Drachen jedoch zu etwas ganz Neuem für sie: eine Bürde, Herausforderung und auch Belastung. Zumindest in den Anfängen. Denn als Alleinerziehende reicht ihr mühsam verdientes Geld nicht aus, um die anfallenden Reparatur- und Erneuerungsarbeiten zu beauftragen. Der Drachen scheint unersättlich. Almut übernimmt zusätzliche Aufgaben und verbringt im eisigen Winter doch jedes Wochenende am See, um das Boot für die anstehende Saison fit zu machen. Und hier ist sie die einzige Frau in einer männerdominierten Welt. Almut muss gegen Vorurteile angehen, sich ihren Platz unter den Bootsbesitzerin erkämpfen und ihren Kampgeist beweisen – und wird dabei selbst immer stärker.
Von ihrem ursprünglichen Plan, den Drachen in einen derart guten Zustand zu bringen, dass ein Verkauf einen ihr angemessen erscheinenden Erlös einbringt, weicht sie dabei nach und nach ab. Und das nicht nur, weil sie begreift, dass ihre eigenen finanziellen Vorstellungen auf dem Markt nicht zu verwirklichen sind. Auch ist es das Erkennen, dass der Wert, den Almut selbst dem Drachen beimisst, nicht mit Geld aufzuwiegen ist. Er ist Erinnerung an ihren Vater und die gemeinsame Zeit. Doch vor allem ist er zu ihrem Heimathafen geworden, zu dem es sie immer wieder zurückzieht, und der ihr Stunden der Freiheit, des Einklangs mit sich selbst und eines Siegs über die Kräfte der Natur ermöglicht.
Diese Geschichte ist so viel: ein Entwicklungs- und Wachstumsroman, eine Erzählung über den Emanzipationsweg der Protagonistin und ein Gleichnis über den Besitz eines Bootes in einem Land, das seine Grenzen und Mauern für die Menschen geschlossen hielt. Doch vor allem ist „Die Alleinseglerin“ eine großartige Wiederentdeckung, stark und überzeugend in ihren Aussagen – heute wie zur Zeit ihrer Entstehung.

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Veröffentlicht am 04.02.2024

Ein Comic so einzigartig wie wunderschön

The Many Deaths of Laila Starr
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Bei mir war es Liebe auf den ersten Blick! Und das geschieht mir nicht häufig. Doch diesmal hat es mich erwischt: die wunderschönen, ausdrucksstarken Bilder, eine Farbgebung, die nicht nur den Verlauf ...

Bei mir war es Liebe auf den ersten Blick! Und das geschieht mir nicht häufig. Doch diesmal hat es mich erwischt: die wunderschönen, ausdrucksstarken Bilder, eine Farbgebung, die nicht nur den Verlauf der Handlung direkt verstärkt und widerspiegelt, sondern auch Atmosphäre und Flair Indiens einfängt, und eine Geschichte so tief und doch so schwerelos in ihrem Verlauf.
Und nicht nur das: Auch Witz und gerade Wortwitz haben mir den Kopf verdreht. Denn Lachen soll doch verbinden! Hat es auch – mich mit Laila Starr und den Künstler*innen, die dieses großartige Werk geschaffen haben.
Dabei ist das Sujet, um welches Geschichte und Handlung kreisen, alles andere als leicht und erfreulich: der Tod. Oder eher: die Tod. Denn „Tod“ ist eine Göttin, mit sechs Armen – und leider arbeitslos. Denn sie wurde gefeuert, um genau zu sein: überflüssig und als Mensch auf die Erde verbannt. Grund für ihre plötzliche Arbeitslosigkeit ist Darius, ein kleiner Junge, gerade erst geboren, doch wird er in seinem weiteren Leben die Unsterblichkeit über die Menschheit bringen. Und da Tod, im Körper der Studentin Laila Starr, ihren Job geliebt hat, steht für sie fest: Darius muss sterben! Welche andere Form der Lösungsfindung sollte der Tod auch kennen.
Damit geht es los: eine Reise durch die Jahrzehnte, Begegnungen, die verstören und auch ans Herzen gehen und ein Plot, der für mich so unerwartet wie voller Gedanken und Gefühle ist.
Die Bilder scheinen dabei die Handlung geradezu mühelos zu transportieren, haben mich in einen Rausch an Farben, Formen und Bewegungen abtauchen und über die Seiten fliegen lassen. Und haben mich am Ende eines jeden Kapitels wieder staunend ausgespuckt, ihre Schatten und Trugbilder auf meinen Augen hinterlassend.
Selten hat mich ein Comic so in seinen Bann gezogen und so nachdenklich hinterlassend. Und die erläuternden Texte am Ende des Buches haben diese Empfindungen noch einmal verstärkt, denn zu wissen, dass gerade diese Geschichte mit ihrem Topos zu Zeiten der Pandemie entstanden ist, rührt und trifft noch einmal zusätzlich. Und hebt die Einzigartigkeit dieses Werkes zusätzlich hervor.

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Poznanski in Höchstform

Die Burg
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Was zeichnet einen typischen Poznanski aus? Richtig! Der Sogeffekt. Die atemlose Spannung. Und ein überraschender Plot, der Dich sprachlos zurücklässt. Und mit „Die Burg“ haben wir einen Poznanski der ...

Was zeichnet einen typischen Poznanski aus? Richtig! Der Sogeffekt. Die atemlose Spannung. Und ein überraschender Plot, der Dich sprachlos zurücklässt. Und mit „Die Burg“ haben wir einen Poznanski der Meisterklasse. Entsprechend waren meine vergangenen Tage und Nächte: Ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen.
Gemeinsam mit einer ausgesuchten Gruppe VIP-Gäste bin ich in die finsteren Gemäuer der Burg Greiffenau abgetaucht, um das neue Projekt des Milliardärs Nevio zu testen: ein Escape-Paradies, gesteuert und individuell geschaffen von einer hochentwickelten KI. Und diese KI lehrt einen das Fürchten. Denn der Gruselfaktor der virtuellen Welten lässt den Besucher*innen das Blut in den Adern gefrieren. Und die Rätsel, die Rettung und den Eintritt in den nächsten Raum versprechen, haben es in sich.
Doch statt Schnittchen und Champagner nach erfolgreicher Schnitzeljagd kommt alles ganz anders. Und die KI treibt plötzlich ihr eigenes Spiel. Und verriegelt die Türen zur Außenwelt.
Was dann folgt, wird natürlich nicht verraten. Nur so viel: Die Autorin hat ein Setting geschaffen, in welchem sie ihre schier grenzenlose Fantasie von der virtuellen Leine lassen kann. Und diese sich so richtig durch die Säle, Grotten und Verliese der mittelalterlichen Burg tobt. Starke Nerven sollten die Leser schon mitbringen, denn es wird blutig. Und Abgründe tun sich auf.
Auch nach den knapp 400 Seiten hatte ich noch lange nicht genug von Gänsehaut, Luft anhalten und Wogen von Adrenalin. Und hätte immer, immer weiterlesen können. So sehr habe ich mich in der virtuellen Spielewelt verloren. Und den Plot tatsächlich nicht kommen sehen. Jetzt wird das Buch schnell weiter an meinen Mann gereicht, denn der sitzt bereits auf glühenden Kohlen. Wenn er wüsste, wie sehr.

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Veröffentlicht am 24.11.2023

Wieviel kosten Glück und Liebe?

Die kleinen Lügen der Ivy Lin
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Willst Du glücklich sein? Und wenn ja, zu welchem Preis?
Doch vor allem: Was bedeutet Glück für Dich?
Ivy Lin kann die Frage ganz klar für sich beantworten: Sie möchte die ärmlichen Verhältnisse ihrer ...

Willst Du glücklich sein? Und wenn ja, zu welchem Preis?
Doch vor allem: Was bedeutet Glück für Dich?
Ivy Lin kann die Frage ganz klar für sich beantworten: Sie möchte die ärmlichen Verhältnisse ihrer Familie verlassen, ein sorgloses Leben führen – und auch die romantische Liebe darf nicht zu kurz kommen. Das Objekt ihrer Begierde ist dabei Gideon Speyer, aus sogenanntem guten, wohlhabende Hause stammend, distinguiert in Auftreten und Erscheinung und – nicht ganz unerheblich – für Ivys Geschmack äußerst attraktiv.
Nachdem Ivy noch in der Schulzeit das graue Entlein für Gideon war, scheinen sich ihre Chancen bei dem Millionär einige Jahre später erheblich zu verbessern. Verkuppelt von Gideons Schwester ist plötzlich eine gemeinsame Zukunft denkbar, doch vieles bleibt ungeklärt und mehr Illusion und schöner Schein als der große Traum und all die Sehnsüchte, die Ivy ein Leben lang begleitet haben. Und dann taucht in Form ihres ehemaligen Schulfreundes und Nachbarsjungen Roux auch noch die Vergangenheit in Ivys neuem, wohlgeordnetem Leben auf. Und für Ivy steht wieder einmal alles auf dem Spiel – auch ihre Moral und die Grenzen, die sie zu überschreiten bereit ist.
Die Erzählung um die junge Aufsteigerin Ivy Lin, die als Tochter chinesischer Einwanderer in den USA ihr Glück zu erzwingen versucht, ist so vieles: Krimi, Pageturner und Studie einer Gesellschaft, die diejenigen Zugänge und Aufstieg verwehrt, die „fremd und anders“ sind und sich von Herkunft, Tradition und Werten unterscheiden zu den bisherigen Inhaber sozialer (Macht-) Positionen. Doch vor allem ist der Roman für mich ein fesselndes Leseerlebnis, die Entdeckung einer aufstrebenden Autorin und ein Versprechen auf weitere Werke, die mit feinem Blick Gesellschaftsstudie und -kritik sowie hochkarätige Unterhaltung miteinander zu verbinden verstehen.

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Veröffentlicht am 28.10.2023

Ein Meisterwerk über Kunst und Schönheit in dunklen Zeiten

Lichtspiel
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Mit Fokus, Schärfe und einer Brennweite, die den Einzelnen hervortreten lässt – Daniel Kehlmann ist mit „Lichtspiel“ großer Roman und Pageturner zugleich gelungen. Obwohl das Sujet so schwer ist. Und die ...

Mit Fokus, Schärfe und einer Brennweite, die den Einzelnen hervortreten lässt – Daniel Kehlmann ist mit „Lichtspiel“ großer Roman und Pageturner zugleich gelungen. Obwohl das Sujet so schwer ist. Und die Geschichte selbst dafür umso faszinierender.
Denn Hauptdarsteller seiner Erzählung ist der Österreicher G. W. Pabst, eine historische Figur und zugleich Ausgangspunkt von Kehlmanns ganz eigener „Dichtung und Wahrheit“. An den Fersen des großen Regisseurs entrollt sich dann die Zeit des Zweiten Weltkriegs, der fortschreitenden Zerstörung von Freiheit, Leben, Mensch und Menschlichkeit sowie die Frage, in welchem Verhältnis Kunst und Macht zueinanderstehen. Und ob und in wieweit Wunsch oder Drang nach einem unabhängigen kulturellen Schaffen in einem System der Unterdrückung ihre Berechtigung finden.
Und in genau diesem Spannungsverhältnis befindet sich Pabst als er zurück nach Österreich kehrt, inzwischen angeschlossen an das „Großdeutsche Reich“ – und es mit seiner Familie nicht mehr vermag, die inzwischen sogenannte „Ostmark“ wieder zu verlassen. Wie geht es nun weiter mit den großen Ambitionen eines ehemals auch großen Regisseurs, der Greta Garbo ins Rampenlicht führte und doch selbst an seinem Fluchtpunkt Hollywood klein und unbedeutend zu werden drohte?
Die Antwort darauf ist für Pabst eindeutig: Die Kunst selbst will er auf den Thron heben! Ein Meisterwerk nach dem anderen schaffen. Und das Regime, das ihm das ermöglicht, unter besten Bedingungen? Bedingt seine Filme, findet sich in einer jeden Szene, in jeder Einstellung wieder und soll, wenn es nach Pabst selbst ginge, doch nur Mittelgeber sein.
Ein schier unlösbarer Konflikt, ein Patt, eine innere Zerrissenheit, der so viele Menschen und auch Künstler*innen im sogenannten Dritten Reich ausgesetzt waren. Die Folgen, die sind für jeden individuell, ganz eigen, doch kollektiv nähern sich Ethik und Moral dem Abgrund, verschwimmen die Grenzen von Recht und Unrecht, und die „Freiheit der Kunst“ sind nur mehr Worte. Leer.
Reich gefüllt und voll von Ideen, Inspirationen und einer Sprache, so präzise und klingend zugleich, ist dagegen das Meisterwerk, das Kehlmann zu schaffen vermag. Und sein „Lichtspiel“ entfaltet sich wie ein Film vor den Augen der Leser, lässt Wörter und Text vor den Augen verschwimmen und leuchtende Bilder und Figuren vor einem scharfen Hintergrund entstehen. Und diese noch lange nachwirken – in Geist, Herz und Verstand seiner begeisterten Zuschauer.

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