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SofieWalden

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.03.2018

Eine große Familie und ihr Projekt 'Zuhause schaffen und leben' in der Nachwendezeit

Wo ist Norden
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1990, kurz nach der Wende, nutzt eine Familie die Gelegenheit, ein altes, sanierungsbedürftiges Gutshaus im weitflächigen mecklenburgischen Hinterland zu erstehen. Es folgt die aufwendige, irgendwie nie ...

1990, kurz nach der Wende, nutzt eine Familie die Gelegenheit, ein altes, sanierungsbedürftiges Gutshaus im weitflächigen mecklenburgischen Hinterland zu erstehen. Es folgt die aufwendige, irgendwie nie abgeschlossene Renovierung des Gebäudes. Die Mutter, Marlene, ist die treibende Kraft für dieses Mammutunternehmen und alle müssen mit ran. Neben den drei Kindern sind auch ein ganzer Haufen anderer Familienmitglieder an dem 'Gemeinschaftsprojekt' beteiligt. Die Großeltern ziehen mit ein und Marlenes Bruder, ein Arzt, kommt fast jedes Wochenende aus der Stadt und stellt Geld und die eigene Muskelkraft zur Verfügung. Turbulent geht es zu und die Gestaltung des 'Wohn- und Lebenstraums' steht irgendwie auch stellvertretend für die sehr in Bewegung befindliche Familiengemeinschaft. Sorgen und Nöte, eigene Lebenswünsche und -Perspektiven werden geradezu niedergedrückt vom Handwerkeln und all den anderen Problemen rund um den Gutshausumbau.
Und eine Einbindung im Gefüge der kleinen Dorfgemeinschaft, in die sie alle so einfach eingebrochen sind, ist auch nicht wirklich gegeben, zugezogene Außenseiter von weit weg eben.
Das Café, das Marlene schließlich eröffnet, findet wenigstens regen Anklang und bringt etwas, allerdings nie genug, Geld in die Familienkasse.
Der Einblick in diese sehr lebhafte Groß-Familie, ihre Konflikte, das Gezerre und Gezanke, das Miteinander und Aufbegehren, kommt sehr unterhaltsam mit leicht geschriebener Feder daher. Ein bisschen geht verloren, was dieses Leben hier den einzelnen Personen abverlangt, was sie selbst dafür zurückstellen oder gar ganz aufgeben müssen. Ein klein wenig mehr Notwendigkeit, die eigenen Belange zu leben, hätte man sich gewünscht. Manchmal möchte man dem ein oder anderen zurufen, denk doch mal an dich selbst. Aber als Leser ist man dafür ja nicht vorgesehen und es bleibt, darüber nachzudenken, dass einem dies in der eigenen Familie nicht passiert. Die Erwartung, das die kurz nach der Wende-Aktion eine vielleicht dann auch recht interessante politisch-persönliche Sichtweise mit in den Roman einbringen würde, wurde eher weniger erfüllt, aber im Nachhinein hat das diesem sehr unterhaltsamen Buch auch keinen Abbruch getan. Familie auf seine ganz spezielle Art.

Veröffentlicht am 10.02.2018

Aus einem Mehlwurm wird ein Freund

Käfer Elvis
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Eigentlich macht man sich keine Gedanken darüber, was aus einem Mehlwurm werden könnte, wenn man ihn denn ließe. Sissi Ulmer, die Autorin des Buches 'Käfer Elvis' hat genau dies getan, einen Mehlwurm, ...

Eigentlich macht man sich keine Gedanken darüber, was aus einem Mehlwurm werden könnte, wenn man ihn denn ließe. Sissi Ulmer, die Autorin des Buches 'Käfer Elvis' hat genau dies getan, einen Mehlwurm, der ihr zufällig über den Weg gelaufen ist, zum Käfer werden zu lassen. Und siehe da, der Käfer hat eine Persönlichkeit, der Käfer mit Namen Elvis wird zum Freund für einen ganzen langen Sommer.
Viel Spaß macht diese in Reimen erzählte Geschichte und die wirklich wunderbare Illustration trägt zusätzlich entscheidend zum Gelingen des Buches bei.

Veröffentlicht am 04.10.2017

Meine unbekannte Familie

Slawa und seine Frauen
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Felix Stephan, Kulturjournalist bei einer renommierten Zeitung, macht sich zusammen mit seiner Mutter auf den Weg, seine eigenen unbekannten Wurzeln zu erforschen, seinen Großvater und damit auch seine ...

Felix Stephan, Kulturjournalist bei einer renommierten Zeitung, macht sich zusammen mit seiner Mutter auf den Weg, seine eigenen unbekannten Wurzeln zu erforschen, seinen Großvater und damit auch seine diesseitige Familie kennenzulernen. Denn noch während seine Großmutter schwanger war, wurde ihr Freund, ein ukrainische Jude, von seinen Eltern zurück in die Heimat beordert, nachdem diese erfahren hatten, dass Großmutter eine Deutsche war, 17 Jahre nach dem Holocaust.
Nach mühsamen Recherchen, einigen glücklichen Zufällen und der ersten traurigen Nachricht, dass sein Großvater Slawa selbst bereits sehr früh verstorben ist, kommt die Einladung von Slawas Familie, doch endlich in den Schoß der Familie 'einzukehren', nachdem man doch so lange darauf gewartet habe. Und so beginnt diese Reise, in das große Land hinter der EU-Grenze, zu einer großen, vielfältigen und sehr ungewöhnlichen Familie voller Herzlichkeit und Humor. Hier finden sich tatsächlich Wurzeln, das Gefühl der Vertrautheit und der Gemeinsamkeit, ohne sich jemals zuvor getroffen zu haben. Und dies ist nur der Anfang, denn die Welt ist bunt und die Familie auch.
Ein unterhaltsames Buch, eine Familiengeschichte, das man mit einem Augenzwinkern erzählt bekommt, und die man als Leser auch als solche mit wirklich großem Vergnügen liest. Und das Besondere dabei, es ist wahr. Diese Familie ist echt, sie existiert und irgendein kleines Teilchen davon können wir mehr oder weniger auch in unserer eigenen Familie wiederfinden, was einem beim Lesen ein zusätzliches Lächeln abgewinnt.

Veröffentlicht am 29.02.2024

Was das Leben bisher so ausmacht und das meiste war doch ziemlich genau richtig

Der Lärm des Lebens
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Der Schauspieler Jörg Hartmann erzählt aus seinem Leben, nicht in Form einer Biographie, denn als so ein 'wichtiger' Mensch fühlt er sich nicht. Es ist mehr eine gedankliche Reise, die mal vor mal zurückschwenkt ...

Der Schauspieler Jörg Hartmann erzählt aus seinem Leben, nicht in Form einer Biographie, denn als so ein 'wichtiger' Mensch fühlt er sich nicht. Es ist mehr eine gedankliche Reise, die mal vor mal zurückschwenkt in der Zeit, an einigen Orten etwas länger verharrt wie an anderen und bei der er seine Betrachtungen anstellt, was all das Leben mit einem gemacht hat, so das er heute da steht, wo er beruflich und privat angekommen ist. Er denkt an seine Kindheit zurück, am Rande des Ruhrgebiets, einfach, aber glücklich, an seine taubstummen Großeltern, die die Nazizeit durchlebt haben, mit zusätzlicher Angst. Und auch die Demenz des Vaters und das Abschiednehmen wird erwähnt. Und dann ist da das große Paket rund um seinen Beruf, die mühsamen Anfänge, das unbedingte Wollen, den Schauspielberuf zu seinem erfolgreichen Broterwerb zu machen. Und dazu kommt der ganz normale Alltag, der bei jedem von uns auch irgendwie nicht anders ist, in dem Empfinden, was schief läuft oder eben in die falsche Richtung. Auch er hat hier seinen Platz und dabei hält der Autor direkt oder etwas subtiler, mit entsprechenden sprachlichen Mitteln, mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg.
Diese Betrachtungen, sie sind gut geschrieben, lassen auch ein angenehmes Quentchen Humor nicht vermissen und haben durchaus Unterhaltungswert. Gerade die Einblicke bzgl. seiner familiären Wurzeln im Ruhrgebiet waren sehr interessant und hatten auch die Substanz, die einigen anderen Passagen dieses Buches vielleicht ein wenig fehlen.
Alles in allem, wer ein größeres Interesse an der Person Jörg Hartmann hat, wird hier durchaus fündig.

Veröffentlicht am 19.12.2023

Sich Gewalt anzutrainieren, das macht etwas mit dem Menschen

NOVA
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Der Neurochirug Davide führt mit seiner Frau Barbara und Tommasco, dem inzwischen zum Jugendlichen herangewachsenen Sohn ein recht zufriedenes Leben. Seine Arbeit erfüllt ihn, bald steht eine Beförderung ...

Der Neurochirug Davide führt mit seiner Frau Barbara und Tommasco, dem inzwischen zum Jugendlichen herangewachsenen Sohn ein recht zufriedenes Leben. Seine Arbeit erfüllt ihn, bald steht eine Beförderung an und das Leben läuft in ruhigen Bahnen, bis zu diesem einen Tag. In einem Restaurant werden Ehefrau und Sohn von einem Mann geradezu übergriffig belästigt und er schaut dem Ganzen, wie gelähmt, zu. Er greift nicht ein. Das tut dann ein Anderer für ihn und klärt die Situation auf recht brutale Weise. Davide ist geschockt über sich selbst und hat das Gefühl, ein Feigling zu sein. Er war immer ein Mann der Worte und jetzt 'hat er versagt'. Das beschäftigt ihn so sehr, dass er beschließt, der Gewalt, der körperlichen Durchsetzungskraft mehr Gewicht zu geben. Und das führt, ganz langsam, auch zu Wandlung seiner selbst.
Dies ist mal eine ganz andere Art, sich mit dem Thema Gewalt auseinanderzusetzen. Ein Mensch versucht sich nicht, ihrer zu entledigen, nein, er trainiert sie sich, sozusagen bewusst, an, um ein Mann zu sein und vor sich selbst zu bestehen. Das ist spannend in der Konzeption, doch die Umsetzung in diesem Buch hat mich nicht überzeugt. Emotionen, Intensität, eine Geschichte, die einen mitreißt, das ist die Vorstellung, die einem dabei geradezu entgegenspringt, doch dies hier ist 'schön'. Im wahrsten Sinne des Wortes, schön, sprachlich ganz großes Kino. Hier liebt einer den Umgang mit seiner Sprache und setzt sie dementsprechend äußerst kunstvoll, literarisch gehoben ein. Aber der Autor will uns ja auch eine Geschichte erzählen, sie an uns Leser herantragen und uns begeistern. Und da ist hier noch viel Luft nach oben. Ich bin überzeugt, wünsche es mir zumindest, er bekommt das hin, beim nächsten Mal. Ein bisschen objektive Fachkunde seitens des Verlags hätte sicherlich nicht geschadet. Und es ist ja noch kein Meister vom Himmel gefallen. Also die vertraute 'Wohlfühlzone' verlassen, Mut zur Emotion und dann ist man auch gerne wieder mit dabei.

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