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Veröffentlicht am 15.09.2016

Anders!

Der Palast der Meere
1

Stürmische Zeiten herrschen während der Regentschaft von Elizabeth und zu Zeiten Francis Drake und der großen Entdeckungsfahrten auf den Weltmeeren. Und mittendrin finden zwei Waringhamsprösslinge ihren ...

Stürmische Zeiten herrschen während der Regentschaft von Elizabeth und zu Zeiten Francis Drake und der großen Entdeckungsfahrten auf den Weltmeeren. Und mittendrin finden zwei Waringhamsprösslinge ihren Weg durch nicht immer ruhige Fahrwasser.
Eleanor of Waringham ist das Auge der Königin und die engste Vertraute dieser mächtigen Frau. Und während sie am Hofe Auge und Ohr offen hält, soll Isaac of Waringham das Erbe seines Hauses antreten. Dass er jedoch ganz anderes im Sinn hat als auf dem idyllischen Landgut zu versauern, bekommt Lord Waringham spätestens dann mit, als sich Isaac auf ein Schiff schleicht um seinem Schicksal zu entgehen. So beginnt eine neue Ära in der Geschichte der Waringhams.

Ich habe seit Monaten dem „Palast der Meere“ entgegengefiebert und meine Erwartungen in einem kräftigen Freudenfeuer geschürt. Endlich wieder ein neuer Waringham von Rebecca Gablé – endlich! Als ich den Roman in den Händen hielt, war ich hin und weg vom Cover. Smaragdgrün und frisch kommt es daher, in der Mitte prangt ein Schiff, das eine Krone auf dem Haupte trägt. Unschwer ist zu erraten, was das Thema dieses Romans ist, oder? Die Seefahrt und die Kaperfahrten spielten tatsächlich eine große Rolle in dem Buch, jedoch auch das Leben Elizabeths, doch lasst uns von vorn beginnen und dann überprüfen, ob der Palast meine Erwartungen übertroffen hat, oder ob er gesunken ist, wie ein leckgeschlagener Kahn.

Zunächst einmal war ich erstaunt. Für dieses Buch hat Rebecca Gablé zwei Charakteren die Hauptrolle gleichermaßen zugedacht. Eleanor und Isaac of Waringham, zwei Charaktere, die sich einander nicht gerade in inniger Liebe zugewandt waren, und die auch zwei gänzlich unterschiedliche Geschichten zu erzählen hatten. Den beiden wurde gleich viel Raum in dem Buch zugedacht und ich lernte sie, und ihre kleinen Marotten schnell kennen und lieben. Die beiden sind sympathische, eigenwillige Persönlichkeiten, und das macht, denke ich auch, ihren besonderen Reiz aus. Auch die vielen anderen Charaktere aus Gablés neuem Roman waren überwältigend. Einige davon haben mein Herz im Sturm erobert, wie zum Beispiel der blinde Lappidot. Ganz nebenbei lernen wir Königin Elizabeth kennen (und verstehen), genauso wie wir die charakterlichen Widersprüche von Francis Drake enträtseln. Und diese kleinen Einblicke, nicht nur in den geschichtlichen Werdegang, sondern auch in das persönliche Leben historischer Persönlichkeiten macht für mich einen Teil des Charmes eines Gablé-Romans aus.

Der Fokus der vorherigen Waringham-Romane lag meistens auf einer einzigen fiktiven Persönlichkeit, vielleicht noch auf einem wichtigen Nebencharakter. In diesem Falle mussten zwei Geschichten in einem Roman untergebracht und die Charaktere im Detail dargestellt werden. Das erfordert natürlich Raum und stiehlt Seiten an anderer Stelle. Hat die Aufteilung auf zwei Protagonisten diesen Roman schlechter gemacht als ihre anderen Romane? So direkt würde ich das nicht behaupten. Er ist anders, aber trotzdem gut. Gablé hat eben gerade einen anderen Ansatzpunkt genommen, um in die Geschichte zweier so unterschiedlicher Themenstränge einzusteigen und sie historisch korrekt darzustellen.
Ich habe nur an manchen Stellen die politische Nähe vermisst, habe die Auswirkungen, die politische Entscheidungen auf die Figuren hatten, nicht wirklich mit Haut und Haaren gespürt und an mancher Stelle hätte ich mir durchaus noch mehr Erklärung gewünscht. Hier wurde eine Intrige am Rande erwähnt, da ein Putsch, aber selten wurde er wirklich geschildert. In den Vorgängern hatte ich mehr das Gefühl wirklich an der Materie und auch bei politischen Entscheidungen anwesend zu sein. In diesem Fall wurde sich eher auf private Diskussionen beschränkt. Manchen mag das eher zusagen, anderen sind lieber nahe an der Materie.

Die Schauplätze wurden bunt und opulent, spannend und exotisch gewählt. Gablé nimmt uns mit auf eine Reise in die neue Welt, und auch an den Hof, voller prächtiger Kleider und Prunk, von Elizabeth. Die Darstellung fand ich grandios. Ich war immer mit dabei, immer auf dem Schiff oder schlug mich mit einer Machete durchs Unterholz. Gablés Beschreibungen krochen mir so manches Mal förmlich unter die Haut. Doch leider Gottes rückte Waringham (notwendigerweise, ich versteh das schon) in den Hintergrund. Wie hab ich die Stallungen und die Burg vermisst und wie die kurzen Stippvisiten genossen, bei denen ich die Luft der Rosengärten schnuppern durfte.

Wie soll ich dieses Buch, voller wunderbarer kleiner Details, die mir die damalige Zeit näher gebracht haben, bloß beurteilen. Hat es meine Erwartungen erfüllt? Nein, nicht ganz. Gablé ist auf fremden Pfaden gewandelt, und hat mich, die doch eigentlich auf die bekannten Gefilde der Waringhamschen Heimat gehofft hatte, mitgenommen ins Unbekannte. Ich habe mich auf diese Fahrt eingelassen und wurde mit einem opulenten Einblick in eine Zeit voller Entdeckungen und Intrigen belohnt.

Trotzdem – ich habe Waringham vermisst, und die politische Nähe, die ich aus ihren anderen Büchern kenne und liebe. Aus diesem Grund bewerte ich das Buch mit 4,5 glorreichen Sternen. Ich setzte meine Messlatte in schwindelerregender Höhe an, doch als Maßstab sind mir die anderen Waringham-Romane leider zu lebhaft in Erinnerung geblieben!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Überraschend und mit viel Humor!

KALYPTO - Die Herren der Wälder
2

Während die Magier des vor tausenden von Jahren untergegangen Reiches Kalypto Pläne für ein Spiel voller Krieg und Verderben schmieden, wächst der junge Lasnic zu einem respektablen Jäger in den Wäldern ...

Während die Magier des vor tausenden von Jahren untergegangen Reiches Kalypto Pläne für ein Spiel voller Krieg und Verderben schmieden, wächst der junge Lasnic zu einem respektablen Jäger in den Wäldern heran. Weit entfernt in Bergreich Garona wird Prinzessin Ayrin darauf vorbereitet eines Tages die Herrschaft über das Land zu übernehmen. Beide wissen noch nicht, welch dunklen Zeiten sie entgegenblicken müssen.

Ich kenne Tom Jacuba von seinen historischen Romanen, in denen er durch historische Genauigkeit und einen schönen Stil besticht. Wo er mich in seinen historischen Romanen zu unterhalten wusste, löste er begeistertes „An-den-Seiten-kleben“ im Fantasy-Genre bei mir aus. Und das schon nach den ersten zwei Kapiteln! Aber beginnen wir am Anfang.
Das Cover sprang mir schon im Buchladen ins Auge, ist es weder zu Mädchenhaft gemacht, noch tummelt sich darauf die gesammelte Riege der Fantasygestalten, die man sonst gerne auf Büchern abbildet. Das Cover wirkt edel in seinen grau-bronze Tönen und der Zirkel hat zudem noch Wiedererkennungswert für die nächsten Bände die noch folgen werden. Die Karte in der Klappe zog ich oft zu Rate (ich liebe es, wenn Karten dabei sind, insbesondere wenn die Charaktere viel reisen, wie es in diesem Buch der Fall ist).
Tom warf mich in seine High-Fantasy-Welt und schon nach wenigen Kapiteln fühlte ich mich sowohl in Lasnics Flussdelta wie auch im Bergreich (so unterschiedlich die beiden von Stimmung und Thematik her sein mögen) heimisch und konnte mich zunächst gar nicht entscheiden, welchen der beiden Handlungsstränge ich nun gebannter verfolgen mochte. Oder vielleicht doch die Eroberungen der Magier? Wie schon angeklungen, wechselt der Autor zwischen drei Erzählsträngen hin und her, wobei Lasnic und Ayrin die Protagonisten sind, auf denen der Fokus (und auch meine Sympathie) lagen. Der Wechsel zwischen den Handlungssträngen wurde zudem durch die Sprache verdeutlicht. Wo Ayrin sich deutlich gewählter und ihrer gehobenen Geburt angemessen auszudrücken weis, bedient sich Lasnic des Öfteren unflätigen Fluss-Delta-Ausdrücken (Marderscheiße! Ich musste nach einer Weile so grinsen, wenn er mal wieder rumfluchte!). Die Nebencharaktere waren ebenso liebevoll gezeichnet und der ein oder andere mit einem augenzwinkernden Dialekt versehen, sodass auch sie Widererkennungswert genossen und ich mich während der Lektüre darauf freute, wieder über sie zu stolpern. Generell hatten die Helden ihre Makel. Sie trugen keine strahlende Rüstung ohne Fehl und Tadel, sondern handelten aus ihrem Emotionen heraus und folgten ihren Stärken und Schwächen. Lasnic flieht vor der Verantwortung. Aylin empfindet nicht gerade Zuneigung zu ihrer kleinen Halbschwester (und die Gründe für diese Haltung stellt der Autor auch mehr als Glaubwürdig dar). Und gerade solche Helden verfolge ich sehr gerne, da sie menschlich sind und ich Leben und Leidenschaft für die Sache, für die sie stehen, in ihnen spüre. Nicht selten habe ich Nägelkauend Seite um Seite durchblättert, um ihr Schicksal zu verfolgen. Habe Gehasst und Geliebt – und es ist selten, dass ein Buch so starke Gefühle bei mir hervorruft! Als ich die letzte Seite umgeschlagen hatte, musste ich erst mal lästerlich fluchen, da die Zeit bis zum zweiten Band mir noch so unendlich lang erscheint.

Tom Jacuba gelingt es, eine opulente, großangelegte Geschichte in weniger als 600 Seiten zum Leben zu erwecken. Das gelingt manch anderem Autoren nicht auf 1100 Seiten. Er schafft es mit vergleichsweise wenigen Worten ein Sogwirkung zu erzeugen, obwohl er sich dazu entschieden hat, manche Dinge im Hintergrund passieren zu lassen oder nur anzudeuten. Aber ich muss auch nicht unbedingt jeden einzelnen Reisetag oder jedes einzelne Pferdgehoppelt minutiös dokumentiert im Buch widerfinden.
Dort, wo ich manchmal in meinen Rezensionen schreibe, dass ein paar mehr Seiten der Storyline oder den Charakteren durchaus gut getan hätten, äußere ich hier, dass in diesem Buch wirklich in der Kürze die Würze liegt (wenn 560 Seiten „kurz“ nennen kann – Fantasyleser wissen, welche Kaliber ich miteinander vergleiche).

Das Buch hat mich mit sich fortgetragen und mir viele spannende, amüsante und fluchende Lesestunden beschert. Es hat mich verschlungen und am Ende kaum mehr aus seinen Klauen entlassen. Und, wenn Leser wie ich dem Autor gerne mal einen Besuch abstatten würden, um in einer Nacht und Nebelaktion das Manuskript des nächsten Bandes zu mopsen, hat der Autor ziemlich viel richtig gemacht. Ich vergebe begeisterte 5 Sterne.


Veröffentlicht am 15.09.2016

Tolle Fortführung der Reihe!

KALYPTO - Die Magierin der Tausend Inseln
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Ayrin, die einstige Königin von Garona, musste aus ihrem Reich fliehen, da das Bergreich überrannt worden ist von einer Armee unter der Führung der Magierin Catolis, ihres Zeichens Meisterin der Zeit, ...

Ayrin, die einstige Königin von Garona, musste aus ihrem Reich fliehen, da das Bergreich überrannt worden ist von einer Armee unter der Führung der Magierin Catolis, ihres Zeichens Meisterin der Zeit, die es sich zum Ziel gemacht hat, mit dem von ihr auserwählten Volk das untergegangene Reich Kalypto neu zu errichten. Doch sie hat nicht mit Ayrin, ihrer verhassten, größenwahnsinnigen kleinen Schwester Lauka und dem Waldmann Lasnic gerechnet, die alles daran setzen, ihrem Tun Einhalt zu gebieten.

Was war ich überrascht und geplättet vom ersten Band der Trilogie. Mit was für einem Cliffhänger hat uns Tom Jacuba nur zurückgelassen? Das Bergreich erobert, Ayrin mit Lasnic und ihren Getreuen auf der Flucht und hinzukommend brodelt es noch in den anderen Ländern? Das versprach mir eine sehr spannende Ausgangssituation für den zweiten Band zu werden, sodass ich ihm förmlich entgegengefiebert habe. Schließlich will man doch wissen, wie es mit den liebgewonnen und verhassten Charakteren weitergeht.
Dieser zweite Band der Trilogie schließt zum Glück nahtlos an den ersten an. Den ersten Band zu kennen, empfiehlt sich für die Lektüre des folgenden unbedingt, ansonsten kann man mit einigen Zusammenhängen und charakterlichen Entwicklungen recht wenig anfangen. Ich persönlich finde es gut, dass Tom den ersten Band nicht noch einmal lang und breit ausgewalzt hat, sondern lieber spannend eingestiegen ist und das Tempo von Anfang an hoch gehalten hat. So machte mir zumindest die Lektüre von Anfang an Spaß, und ich fand auch ohne Brotkrumenspur ziemlich schnell in die Geschichte zurück. Zunächst lernen wir eine paar Charaktere (mit denen ich für meinen Teil im ersten Band nur wenig Anfangen konnte) besser und von einer anderen Seite kennen als bisher. Das trug zumindest bei mir dazu bei, dass ich die Handlungen der Figuren besser verstand und in gewissem Sinne auch nachvollziehen konnte. Auch wenn sie niemals meine Lieblingscharaktere werden. Warum erwähne ich das? Weil ich es wichtig finde, nicht immer nur zu seinen Lieblingsprotagonisten eine Bindung aufzubauen, sondern auch die Antagonisten menschlich ein bisschen besser kennen zu lernen. Tom hat ihnen insbesondere in diesem Buch Struktur verliehen und sie mit düster-bunten Farben geschmückt, sodass selbst die Abschnitte über sie mein Interesse geweckt haben. Sonst habe ich bei vielen Perspektiven eigentlich immer meine Lieblinge, deren Abschnitten ich dann entgegenfiebere. Die Handlung springt zwischen vier oder fünf verschiedenen Sichtweisen hin und her, doch wo so manches Mal die Sprünge ungelenk wirken, hat es Tom hinbekommen, jedes Mal einen kleinen Cliff einzubauen, sodass man unbedingt wissen will wie es weitergeht. Ich denke, dass machte für mich ein wenig die Sogwirkung des Buches aus.
Die Handlung strotze vor Spannung, die unterfüttert wurde mit Kämpfen, Flucht und Leid, Mut und tollkühnem Wagemut. Die Geschichte konnte mich, wie auch schon im ersten Band begeistern. Trotz allem kamen die persönlichen Schicksale nicht zu kurz, wodurch sich für mich auch die Charaktere spürbar weiterentwickelt haben. Und eine solche konsequente Charakterentwicklung sieht man nicht oft in Büchern.
Tom Jacuba legt eine bildgewaltige Sprache an den Tag. Ich sah die Wälder, die Schiffe und die Furie oft mehr als bildlich vor mir. Manchmal ist das Buch auch nichts für allzu schwache Nerven, die ich zum Glück nicht habe. Die raue Sprache passt vor allen Dingen bei Lasnic, über dessen Flüche ich oftmals lachen musste. Manchmal war es mir aber auch etwas zu viel des Guten., wenn ihr versteht was ich meine. Ich kann es nicht genau festmachen, aber ein bisschen weniger Gefluche hätte meiner Meinung nach der Authentizität der Geschichte keinen Abbruch getan.
Was bleibt mir zu sagen? Das Buch ist ein wahrer Page-Turner für mich gewesen, mit glaubwürdigen, unvorhersehbaren Charakteren und einer spannenden Handlung. Wer vielschichtige Personen mag und auch nicht vor ein paar Persönlichkeiten zurückschreckt, die durchaus hassenswert sind (keine Sorge, es gibt genug liebenswerte Persönlichkeiten), dem sei dieser zweite Band wärmstens ans Herz gelegt. Ich denke trotzdem, das da noch ein bisschen Luft nach oben ist. Deshalb vergebe ich gerne 4,5 Sterne in der fiebrigen Erwartung des Abschlussbandes der

Veröffentlicht am 22.11.2023

Das Buch atmet durch seine Figuren

Die Bibliothek im Nebel
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„Bücher muss man fühlen, nicht katalogisieren. Dann bleiben sie ein Leben lang bei einem, selbst wenn man sie nicht mehr besitzt. Wie Erinnerungen, die dann und wann wieder auftauchen, zurückgerufen durch ...

„Bücher muss man fühlen, nicht katalogisieren. Dann bleiben sie ein Leben lang bei einem, selbst wenn man sie nicht mehr besitzt. Wie Erinnerungen, die dann und wann wieder auftauchen, zurückgerufen durch einen Geruch, einen Geschmack oder ein ganz besonderes Wort.“

Es gibt Bücher, die leben von ihrer ganz speziellen, ganz eigenen Atmosphäre. Und „Die Bibliothek im Nebel“ zähle ich definitiv dazu. Aus den Seiten dringt eine düstere Aura, fast beklemmend. Mystisch und geschichtsträchtig, geheimnisvoll, aber auch durchsetzt vom Klirren dünnwandiger Champagnergläser und dem fatalistischen Gelächter der UpperClass kurz vor Ausbruch des Krieges. Das vermischt mit dem Geruch aberhunderter alter Bücher und dem Wispern, dass Schreckliches getan und gesühnt wurde. Das ist für mich die Quintessenz dieses Buches. Ich wurde bei der Lektüre immer begleitet von diesem Wispern, davon, dass ich auf der Acht sein sollte, vor dem was im Schatten lauert.

Kai Meyer schafft in meinem Kopf eindrucksvolle Bilder, voller Kraft und Ausdrucksstärke. Diese sprachlichen Bilder, ganz gleich, ob sie von Partys oder Flucht, von der Cote d’Azur oder von den engen Gassen Leipzigs erzählen, erwecken für mich die Wörter zum Leben.

Das Buch spielt auf drei Zeitebenen: 1917 - der Bibliothekar Artur flieht vor der Revolution in Russland nach Deutschland, ein Manuskript im Gepäck. Artur ist einer der tragenden Charaktere in dem Buch - und man liebt und hasst mit ihm, man schließt mit ihm Freundschaften und irgendwann wird er zu einem Gefährten, den man nicht mehr missen möchte. Denn er sorgt sich um seine Freunde, Ofelya, Gregori, und all jene, die er in seinem Leben noch kennenlernt. Dabei hegt er einen großen Traum, den er stets im Herzen bewahrt. 1928 entdeckt das Mädchen Linette beim Spielen auf dem Dachboden eines Hotels vergessene Reisekisten während der Revolution ermordeter Familien. Darin befindet sich ein gut gesichertes Buch …
1958 beauftragt die erwachsene Linette den ehemaligen Reporter Thomas Jansen, mehr über die vormalige Besitzerin des Buches herauszufinden. Mara - eine Russin, die vor der Revolution nach Leipzig kam.
Mara war für mich der spannendste Charakter. Ich musste ihr Respekt zollen, gleichzeitig wollte ich die Personen, die mit ihr interagierten, schütteln und rufen „Tut das nicht!“ - Ich konnte ihre Handlungsweisen in gewissem Sinne nachvollziehen, auch wenn sie nahe am berechneten Wahnsinn taumelten. Kai hat in diesem Buch mit Mara eine sehr vielschichtige Person geschaffen (mal ganz abgesehen davon, dass Gregori aus „Die Bücher, der Junge und die Nacht“ auch seinen wohlverdienten Auftritt hatte). Das Buch hat durch den bunten Strauß an Figuren geatmet.

Die Spannung hielt sich im Hintergrund. Sie war immer da, ich habe sie immer gespürt, aber den Siedepunkt erreichte sie nur an ein oder zwei Stellen. Hat es mich gestört? Nein, nicht wirklich. Der Fokus des Buches lag auf anderen Faktoren. Der Bücherliebe beispielsweise, und das Aufeinandertreffen der Figuren auf der anderen Seite. Kai hat einen mystischen Familienroman mit Krimielementen geschrieben, durchdrungen von dem Duft nach Druckerschwärze, den ich unglaublich gerne mochte. Vielen Dank für die schönen Lesestunden.

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Veröffentlicht am 10.10.2023

Rückkehr nach Osten Ard

Im dunklen Tal 1
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Meine Reise führt endlich wieder in die tiefen Wälder und auf die rauen Burgen Osten Ards, an meiner Seite König und Königin, Prinz und Prinzessin, liebgewonnene Kobolde und gefährliche Sithi und Weissfüchse. ...

Meine Reise führt endlich wieder in die tiefen Wälder und auf die rauen Burgen Osten Ards, an meiner Seite König und Königin, Prinz und Prinzessin, liebgewonnene Kobolde und gefährliche Sithi und Weissfüchse. Osten Ard droht in Krieg zu versinken und es bleibt nicht mehr viel Zeit.

Achtung - das dunkle Tal ist das dritte von voraussichtlich vier Büchern (ob Tad Williams uns noch einen fünften Band beschert, da er sich nicht kurz fassen kann, bleibt abzuwarten), welche im deutschen aufgrund des Umfangs geteilt wurden. Die Rezension könnte also Spoiler auf die vorherigen Teile enthalten.

Die Handlung beginnt genau dort, wo wir die Charaktere im letzten Buch zurückgelassen haben. König Simon trauert um seine Frau, die ohne sein Wissen noch unter den Lebenden weilt, ihr Enkel, in den Tiefen des Adlerhorte verschollen, verbündet sich mit einer ihm eigentlich verfeindeten Norne um zu überleben und ein Verrat wird auf der Königsburg voran getrieben.

Ihr seht schon - Tad Williams musste viele Plotstränge weiterspinnen und viele Figuren auf dem Schachbrett in die richtige Position bewegen. Mir fiel es Anfangs nicht leicht, aus den Tiefen meiner Erinnerungsschubladen, die Details wieder hervorzukramen. Zum Glück wird dem eigentlichen Roman eine Zusammenfassung der ersten Bücher voran gestellt, auf die ich gerne zurückgegriffen habe. Dadurch fiel es leichter, sich die einzelnen Figuren wieder in Erinnerung zu rufen, da es doch eine Menge nicht unwichtiger Details gibt.


Ich habe gespürt, dass Williams die Fäden über die Landkarte spinnt und die Figuren in Postion bringt. Das benötigt natürlich Zeit und Seiten - was vor allen Dingen auf den ersten paar hundert Seiten manchmal für ein paar Längen sorgt. Aber ehrlich, wer Simon und Miri über so viele Bände gefolgt ist, verkraftet auch das spielend. Vor allen Dingen mit solch tollen Figuren an seiner Seite. Ich mochte vor allen Dingen König Simon sehr gerne, der trotz all der dargestellten Trauer hin und wieder seinen sarkastischen Humor durchblitzen ließ. Und Morgan, Simons Enkelsohn, der sich mit einer Feindin verbündet, um zu überleben und zwischen all den Unterschieden zwischen ihnen auch viele Gemeinsamkeiten entdeckt und sich spitze Gespräche mit der Weissfüchsin liefert.

Was mich vor allen anderen Dingen fasziniert (und das immer wieder) ist die lebendige Beschreibung von Osten Ard, den Lebewesen, Städten und verborgenen Orten, die auf mich immer so reich und erfüllt wirken. Da legt Tad Williams eine überbordende Liebe zum Detail an den Tag, die ich sehr teile. Deshalb kehre ich immer wieder gerne nach Osten Ard zurück.

Im letzten Drittel des Buches zieht Williams die Zügel unerwartet an und ich konnte meine Augen kaum mehr von den Seiten lösen, so spannend war es auf einmal und so viele wichtige Figuren trafen aufeinander.

Und ehrlich, liebe Hobitpresse - wie kann man sich nur so eine Stelle zum Teilen des Buches aussuchen? Ich habe die letzte Seite eine gute Minute lang angestarrt!

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