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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.03.2024

Spannend, mitreißend und unglaublich atmosphärisch

Lichtspiel
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Kehlmann erzählt hier über das Leben von G.W. Papst, einem bekannten Regisseur der 30er Jahre, der während des zweiten Weltkrieges auch Filme für das nationalsozialistische Deutschland gemacht hat.
Pabst ...

Kehlmann erzählt hier über das Leben von G.W. Papst, einem bekannten Regisseur der 30er Jahre, der während des zweiten Weltkrieges auch Filme für das nationalsozialistische Deutschland gemacht hat.
Pabst wird als sympathischer Mann dargestellt, der in etwas hineingerät, das er nicht mehr kontrollieren kann.
Das Buch lebt von der Atmosphäre und hin und wieder verschwimmen Fiktion und Realität. Die Erzählweise und Sprache schafft so ein lebendiges Bild, dass man sich selbst wie im Film vorkommt. Das ganz gipfelt in der Flucht aus Prag 1945, die Pabst wie ein Filmdreh kommentiert. Grandios!

Das gesamte Thema des Filmes im Nationalsozialismus, und dabei insbesonde einzelnen Szenen, wie die Ausnutzung von KZ-Inhaftierten als Komparsen, sind schwere Kost, weil es ein Gefühl von absoluter Hilflosigkeit auslöst. Mich hat insbesondere die Figur von Jakob berührt, der Sohn von Pabst, der erst durch verschiedene Länder und von Schule zu Schule geschleift wird, versucht seinen Weg zu gehen und nicht unter die Räder zu kommen, bevor er dann in einem Internat der HJ-Gehirnwäsche anheim fällt. Er ist ein einfühlsamer und intelligenter Junge, der ein großes Talent für (abstrakte) Zeichnungen hat und dessen einzige Schuld es ist in der falschen Zeit geboren worden zu sein.

Kurzum ein absolut fesselnder Roman, der mich berührt hat und vor allem durch seine Atmosphäre besticht. Ganz große Empfehlung für alle, die Winter der Welt oder Das Neunte Gemälde so sehr mochten, wie ich.

Veröffentlicht am 03.03.2024

Fesselnd und aufklärend

Marseille 1940
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Uwe Wittstock nimmt uns mit in das besetzte Frankreich 1940 und erzählt die Geschichten vieler Künstler, Literaten und anderer kluger Köpfen, die Ende der 30er Jahre dort ins Exil gingen. Man könnte denken ...

Uwe Wittstock nimmt uns mit in das besetzte Frankreich 1940 und erzählt die Geschichten vieler Künstler, Literaten und anderer kluger Köpfen, die Ende der 30er Jahre dort ins Exil gingen. Man könnte denken hier wären sie in Sicherheit gewesen. Was mir in diesem Ausmaß (und vor allem unter diesen unsäglichen Bedingungen) nicht klar war: mit der Besetzung Frankreichs mussten deutschstämmige Personen sich in Internierungslagern melden, weil die Franzosen Angst hatten, dass unter den Deutschen auch Kollaborateure der Nazis waren. Das muss man sich mal vorstellen: aus Deutschland aus Angst um das eigene Leben geflohen mussten diese Menschen nun fürchten, dass man sie verdächtigt mit denen zusammenzuarbeiten, aufgrund derer man das Land mal verlassen hat.

Abenteuerlich, man kann es gar nicht anders sagen, waren die Wege, die die Exilanten daher raus aus Europa genommen haben. Varian Fry spielt hierbei die Hauptrolle, da der Amerikaner als Dreh- und Angelpunkt des Emergency Rescue Committee in Frankreich maßgeblich für die Rettung vieler Flüchtlinge verantwortlich war. Dass man kaum etwas über ihn gehört hat, liegt vielleicht daran, dass er es sich, zurück in Amerika, mit einigen wichtigen Leuten verscherzt hat weil er wohl ein gewisses Autoritätsproblem hatte.

Auch wenn es sich hier um ein Sachbuch handelt und der Autor Wert auf die korrekte Wiedergabe der Geschehnisse legt, liest es sich wie ein Roman. Mir hat es den Hals zugeschnürt zu lesen was diesen Menschen passiert ist und welche Ängste sie ausstehen mussten. So in den Bann gezogen fliegt man durch die Seiten und wagt es kaum zu atmen. Dies war mein erstes Buch von Uwe Wittstock und bestimmt nicht mein letztes. Eine große Leseempfehlung kann ich daher für alle Literaturinteressierten aussprechen und diejenigen, die auch bereits Florian Illies Erzählungen kennen und mögen.

Veröffentlicht am 22.02.2024

Toller Mix aus Krimi und französischen Savoir-vivre

Der tote Bäcker vom Montmartre
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Der Bäcker des besten Baguettes Paris wird in seiner Backstube tot aufgefunden. Geneviève Morel, die leitende Polizistin beim zuständigen Kommissariat, nimmt die Ermittlungen auf ohne zu ahnen, dass sie ...

Der Bäcker des besten Baguettes Paris wird in seiner Backstube tot aufgefunden. Geneviève Morel, die leitende Polizistin beim zuständigen Kommissariat, nimmt die Ermittlungen auf ohne zu ahnen, dass sie in diesem Fall bald auf die Hilfe ihrer eigenen Familie angewiesen ist. Nur ist das nicht so einfach, schließlich ist Genevièves Familie nicht nur unfassbar reich, sondern trägt vor allem ein großes Familiengeheimnis mit sich herum: sie sind allesamt Kunstdiebe. Alle bis auf Geneviève. Sie steht auf der anderen Seite des Gesetzes.

Die Idee finde ich wirklich toll und die Umsetzung super gelungen. Geneviève ist so herrlich normal, während die Großmutter und sogar Genevièves Kater Merlot ein wenig drüber aber dennoch unfassbar liebenswert sind. Mein absoluter Liebling war Letitia, Genevièves Schwägerin, die als Kunsthistorikerin in die Kunstdieb-Familie Morel eingeheiratet hat. Das Buch lebt von dem französischen Flair und Savoir-vivre. Sowohl Paris als auch die Côte d’Azur sind die perfekten Sehnsuchtsorte und ich hab mich ein wenig gefühlt wie Geneviève; ich wusste gar nicht wo ich jetzt lieber wäre, in der Stadt oder am Meer. Ob des tollen Settings ist fast der Krimiplot ein wenig in den Hintergrund gerückt (aber auch nur fast). Erst passiert gar nicht viel und dann irgendwie alles auf einmal. Wie es meiner Meinung nach bei einem guten und soliden Krimi sein sollte.
Dass Geneviève bei ihren Ermittlungen dann doch ihre Prinzipien über Bord wirft und, entgegen ihrer zu Beginn korrekten Polizeiarbeit, sich im Alleingang in große Gefahr begibt, lässt mich als Leser zwar erstmal aufstöhnen, macht sie aber im Nachhinein betrachtet noch authentischer und nahbarer.

Dieses Buch ist absolut empfehlenswert, sowohl für Krimifans, als auch für nicht so Krimi-affine, dafür aber sehr frankophile Leser. Ich für meinen Teil freue mich auf jeden Fall sehr auf ein Wiedersehen mit Commissaire Morel!

Veröffentlicht am 11.02.2024

Wunderschöne Reise durch die Zeit

Zauber der Stille
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Anlässlich des 250. Geburtstages von Caspar David Friedrich nimmt Illies uns mit auf eine Reise. Dabei wird nicht nur das Leben Friedrichs beleuchtet, sondern vor allem seine Bilder im Laufe der Zeit.

Welche ...

Anlässlich des 250. Geburtstages von Caspar David Friedrich nimmt Illies uns mit auf eine Reise. Dabei wird nicht nur das Leben Friedrichs beleuchtet, sondern vor allem seine Bilder im Laufe der Zeit.

Welche Wege die Bilder teilweise gegangen sind und wieviele tatsächlich auch zerstört wurden, ist wirklich unglaublich spannend. Die Natur und die Sichtweise auf diese ist dabei der rote Faden. Das Buch ist in vier Kapitel unterteilt, die mit den Elementen überschrieben sind und die vorgestellten Bilder, ihre Motive und verschiedenen Stationen über Jahrhunderte, spiegeln jeweils Feuer, Wasser, Erde und Luft wieder.
Es werden dabei historische Ereignisse und Persönlichkeiten beleuchtet, die man nicht unbedingt in einem Buch erwartet hätte: vom Kunstraub aus der Schirn 1994 bis zum Ausbruch des Tambora Vulkans 1815, von Goethe bis Walt Disney.

Fairerweise könnte man hier anmerken, dass die Zeitsprünge etwas verwirrend sein können. Aber da das Buch thematisch und nicht zeitlich geordnet ist und das Leitmotiv der Elemente strikt durchgezogen wird, hatte ich keine Probleme (bzw. war es für mich teilweise einfach nicht relevant in welchem Jahr genau wir uns jetzt befinden) dem Erzählgedanken zu folgen.

Das Buch war nach Liebe in Zeiten des Hasses mein zweites Buch von Illies. Er hat es geschafft mich mit seiner Erzählart und fantastischen Sprache vollends zu überzeugen, sodass ich mich hiermit offiziell und ab sofort wirksam als absoluter Florian Illies Fan oute!

Veröffentlicht am 08.02.2024

Intensiv und grandios

Das Damengambit
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Beth stellt innerhalb weniger Jahre die Männer-dominierte Welt des Schachs auf den Kopf. Nicht nur, dass sie eine junge Frau ist, sie wächst auch noch in einem Waisenhaus auf und wird heimlich vom Hausmeister ...

Beth stellt innerhalb weniger Jahre die Männer-dominierte Welt des Schachs auf den Kopf. Nicht nur, dass sie eine junge Frau ist, sie wächst auch noch in einem Waisenhaus auf und wird heimlich vom Hausmeister des Heimes in Schach unterrichtet. Mit 14 Jahren nimmt sie an ihrem ersten Schachturnier teil und als sie erstmals dem russischen Großmeister Borgov gegenüber sitzt, ist sie noch nicht einmal volljährig.

Hier habe ich tatsächlich erst die Serie gesehen und danach erst das Buch gelesen, weil ich die Geschichte einfach großartig fand. Jetzt kann ich sagen, dass die Serienadaption wirklich toll gelungen ist. Das Buch zeichnet sich allerdings vor allem durch sehr viel inneres Geschehen aus, was eine Fernsehserie nur teilweise vermitteln kann. So ist das Buch viel detaillierter, was die Schachpartien anbelangt. Ehrlich gesagt: ich habe null Ahnung vom Schach und musste sogar googeln was eine Rochade ist, Tevis könnte mir also sonst was erzählen, was Beth da aufs Brett bringt und trotzdem ist es so spannend und hinreißend! Auch der innere Struggle mit sich selbst, wie viel Arbeit Schach tatsächlich ist, der Medikamentenmissbrauch und die Alkoholsucht, all das kommt im Buch besser rüber. In der Serie hatte ich immer das Gefühl Beth fällt das Spiel als Wunderkind im Prinzip in den Schoß und sie muss kaum etwas dafür tun. Das ist im Buch ganz anders, weshalb mir unter dem Strich das Buch auch besser gefallen hat als die Serie (Überraschung!) Was beiden gemein ist: es ist kaum vorstellbar, dass Beth zu Ende noch keine 20 Jahre alt ist!

Eine uneingeschränkte Leseempfehlung für alle, die eine spannende und intensive Lektüre mögen und gleichzeitig voll und ganz in die Welt des Schach eintauchen möchten.