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Veröffentlicht am 17.08.2017

Wunderbar erzählt

Ein Gentleman in Moskau
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Der junge Graf Rostov ist im besten Lebensalter und doch zu Untätigkeit verdammt. Eingesperrt im Hotel Metropol - zuerst in einer standesgemäßen Suite, dann in einem Dienstbotenzimmer - verliert er trotzdem ...

Der junge Graf Rostov ist im besten Lebensalter und doch zu Untätigkeit verdammt. Eingesperrt im Hotel Metropol - zuerst in einer standesgemäßen Suite, dann in einem Dienstbotenzimmer - verliert er trotzdem weder Lebensfreude noch seinen Charme. Keine einfache Aufgabe, ist er doch ein Niemand, nach der Oktoberrevolution in Russland wurden ihm Land und Titel aberkannt. Verlässt er das Metropol, wartet auf ihn der Tod...

Towles‘ Geschichte hat wirklich das gewisse Etwas. Das Etwas heißt der Graf. Eine charismatische Figur, die an ihrem aussichtslosen Schicksal nicht etwa verzweifelt, sondern das Allerbeste daraus macht. Der beschließt endlich mal alle Bücher aus der väterlichen Bibliothek zu lesen (vorher hatte man ja schließlich keine Zeit) und dann schon nach Essay zwei grandios elegant scheitert (was den Leser wiederum schmunzeln lässt). Man sollte meinen, dass es ihm nach jahrelangem Aufenthalt im Metropol sterbenslangweilig würde. Mitnichten. Es entwickeln sich tiefe Freundschaften, ob mit der kleinen Nina oder dem Hackmesser schwingenden Küchenchef. Diese zwischenmenschlichen Beziehungen werden von allen Seiten beleuchtet und es macht Spaß ihre Entwicklungen zu verfolgen. Dem Metropol ist eine ausgezeichnete Küche (ja, es gehört auch ein Weinkeller dazu) zu eigen, sodass der Graf dem Leser auch allerlei Gaumenfreuden näher bringt. Da er ja nicht in die Welt hinaus darf, kommt die Welt eben zu ihm hinein. Seien es hohe Funktionäre, amerikanische Spione oder große russische Schauspielerinnen, alle finden den Weg ins Metropol und so ist der Mikrokosmos des Hotels immer auch ein Abbild der Verhältnisse in der großen weiten Welt.
Die ganze Geschichte wird vom Autor wunderbar leicht und gleichzeitig elegant erzählt, man könnte meinen, dass es der Graf selbst nicht besser gekonnt hätte. Und so fesselten mich nicht nur die mitreißende Handlung, sondern auch der elegante Stil an die Seiten. Sollte der Graf jemals wieder im Metropol gastieren, ich würde mich jederzeit mit ihm auf ein gutes Glas Wein und ein noch besseres Gespräch treffen.

Veröffentlicht am 05.08.2017

Klasse Schwedenthriller

Die Fährte des Wolfes
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Zack Herry ist tagsüber aufsteigender Stern in der schwedischen Kripo. Nachts zieht er durch die Clubs und gewisse Pülverchen durch die Nase. Ein gefährliches Doppelleben, das ihm alles abverlangt. So ...

Zack Herry ist tagsüber aufsteigender Stern in der schwedischen Kripo. Nachts zieht er durch die Clubs und gewisse Pülverchen durch die Nase. Ein gefährliches Doppelleben, das ihm alles abverlangt. So wie sein neuester Fall: gleich vier Mitarbeiterinnen eines thailändischen Massagesalons wurden auf bestialische Weise ermordet.

Eigentlich bin ich kein Fan von Autorenduos, da ich bisher damit regelmäßig auf die Nase gefallen bin. Kallentoft und Lutteman haben mich jedoch sehr positiv überrascht und einen überzeugenden Thriller abgeliefert. Nordisch düster, mit einer sympathischen, aber irgendwie kaputten Hauptfigur. Zack ist noch relativ jung, trotzdem schon ziemlich fertig. Ermittler mit Drogenproblemen und ganz, ganz schlimmer Kindheit sind jetzt nichts neues auf dem Thrillermarkt, trotzdem hat mich die Figur überzeugt, weil die Autoren diesen altbekannten Eigenschaften ein neues, überzeugendes Gewand verpasst haben. Ich würde mich auf jeden Fall auf weitere Bände mit Zack einlassen. Der Fall entwickelt sich sehr spannend, es gibt immer wieder ungeahnte Überraschungen und Wendungen. Die Ermittlungen sind logisch aufgebaut und führen Zack hin zu menschlichen Abgründen; oft brutal, blutig und mitunter auch recht eklig. Sicherlich kein Thriller für den gemäßigteren Krimileser. Mir hats gefallen ; ) Der Erzählstil ist oft entsprechend derb, manchmal geradezu sachlich nüchtern, insgesamt aber immer passend zur Handlung. Mich hat „Die Fährte des Wolfes“ derart gefesselt, dass ich das Buch am Stück weglesen musste. Ein toller Serieneinstieg, der definitiv Lust auf mehr macht.

Veröffentlicht am 04.08.2017

Grace

alias Grace
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Mitte des 19ten Jahrhunderts wird die 16jährige Grace Marks wegen Mordes an ihrem Dienstherren verurteilt. Ihr Komplize landet am Galgen, sie selbst im Gefängnis. Doch ist Grace wirklich schuldig? Immer ...

Mitte des 19ten Jahrhunderts wird die 16jährige Grace Marks wegen Mordes an ihrem Dienstherren verurteilt. Ihr Komplize landet am Galgen, sie selbst im Gefängnis. Doch ist Grace wirklich schuldig? Immer wieder kommen Zweifel auf. Jahre später befasst sich der Nervenarzt Dr. Simon Jordan mit ihrem Schicksal…

Margaret Atwood hat sich den realen Fall von Grace Marks vorgenommen und daraus eine meisterhafte Erzählung gemacht. Sie lässt Grace ihre Geschichte berichten und man ist als Leser schnell für das junge Mädchen eingenommen. Eine sympathische Figur, die allerlei Scheußliches erlebt. Immer wieder muss man sich in Erinnerung rufen, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt, auch wenn Atwood die Lücken in der Historie natürlich füllen musste. Schuldig oder nicht, das ist die große Frage, die jedoch immer wieder in den Hintergrund rückt. Denn Atwood thematisiert u.a. die gesellschaftlichen Strukturen, die Frauenrolle im 19ten Jahrhundert und auch den Umgang mit den „Irren“ in dieser Zeit. Interessante Thematiken also, die sich rundum gelungen mit Grace’s Geschichte verbinden. Unterlegt wird das fiktive Geschehen mit vielen Zeitungsausschnitten, Briefen und Gedichten aus jener Zeit, sodass ein sehr authentisches Bild entsteht. Fasziniert hat mich auch wie unterschiedlich Grace in den historischen Quellen dargestellt wurde: auf der einen Seite das durchtriebene Flittchen mit mörderischen Absichten, auf der anderen Seite die harmlose Irre, die unschuldig im Gefängnis sitzt. Wo die Wahrheit dazwischen liegt, lässt sich bis heute nicht abschließend klären.

Auch Atwoods Erzählstil hat mir sehr gut gefallen, sie findet sowohl für Grace selbst, als auch für Jordan den richtigen Ton. Geduldig rollt sie die Geschichte auf und trotz des etwas holprigen Einstiegs, war ich von der ersten Seite an fasziniert und gefesselt.

Ein Roman, der Realität und Fiktion meisterhaft verbindet. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 02.07.2017

Okapialarm

Was man von hier aus sehen kann
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Ein kleines Dörfchen im Westerwald wird erschüttert: Selma hat von einem Okapi geträumt! Eigentlich kein Drama, die letzten Male ist nach diesem Traum jedoch jemand gestorben. Schnell ist das Dorf in Aufruhr ...

Ein kleines Dörfchen im Westerwald wird erschüttert: Selma hat von einem Okapi geträumt! Eigentlich kein Drama, die letzten Male ist nach diesem Traum jedoch jemand gestorben. Schnell ist das Dorf in Aufruhr und auch Luise, Selmas Enkelin hat die nächsten Stunden ein mulmiges Gefühl im Bauch. Zu Recht wie sich bald zeigt.

Mariana Leky hat einen tollen Roman geschrieben, der mich gefesselt hat wie schon lange keiner mehr. Die Inhaltsbeschreibung kommt eigentlich ganz alltäglich daher (sehen wir mal vom Todesokapi und Uralthund Alaska ab) und doch ist dieses Dörfchen ganz besonders. Die Autorin hat wunderbare, lebensechte Figuren geschaffen: den herzensguten Optiker, die forsche Selma, selbst die unleidliche Marlies nimmt den Leser ein. Unterm Strich mochte ich sie alle und bin fast ein bisschen traurig nichts mehr über sie lesen zu dürfen. Luise fungiert als Ich-Erzählerin, lässt uns an ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben. Zu Beginn der Handlung ist sie noch relativ jung, das ändert sich im Laufe des Buches. Die Veränderung ihres Charakters, das Erwachsenwerden, wirken sehr authentisch. Irgendwie fungiert das ganze Dorf als Hauptperson, ohne dass der Roman überfrachtet oder unübersichtlich wirkt.
Die Autorin hat einen ganz eigenen Erzählstil, der einerseits wunderbar leicht, andererseits ernst oder traurig daher kommt. Ich war schnell gefesselt und fand immer wieder Sätze, die man eigentlich dick hätte anstreichen müssen, um sie wieder und wieder zu lesen. Dazwischen finden sich auch sehr humorvolle Seiten, die das Ganze etwas auflockern. Sprachlich rundum gelungen also.
Fazit: auf in den Westerwald! Ein Buch, das mich wirklich überzeugt hat.

Veröffentlicht am 13.03.2024

Freundschaft

Der ehrliche Finder
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Der 12-Jährige Tristan ist mit seiner Familie aus dem Kosovo geflohen und landet in einem kleinen belgischen Dorf. Vor allem in Jimmy, seinem Banknachbarn in der Schule, hat er einen wirklich guten Freund ...

Der 12-Jährige Tristan ist mit seiner Familie aus dem Kosovo geflohen und landet in einem kleinen belgischen Dorf. Vor allem in Jimmy, seinem Banknachbarn in der Schule, hat er einen wirklich guten Freund gefunden. Der leidet unter der Trennung seiner Eltern und der Tatsache, dass er oft einfach ein bisschen klüger als die anderen ist. Natürlich will er Tristan helfen; nicht nur dabei, ins nächste Schuljahr versetzt zu werden.
Aus Jimmys noch sehr kindlichen Sicht bekommt die Handlung einen ganz eigenen Dreh. Er ist ein liebenswerter Nerd, der ganz typisch auch mal ein Fettnäpfchen mitnimmt. Über Tristan erfährt man Dinge nur in kleinen Dosen, selbst Jimmy scheint dessen Erlebnisse auf der Flucht, seine Ängste nicht zu kennen. Man kann die Erfahrungen von Tristans Familie (angelehnt an die wahre Geschichte der Familie Zenelaj) manchmal nur erahnen, und doch wird das Grauen der Flucht spürbar gemacht. Die Kinder haben komplett gegensätzliche Vorstellungen was wichtig ist im Leben; beispielhaft dargestellt am Umgang mit den Flippos, die Jimmy mit großem Ernst sammelt, und dieses Hobby nun auch Tristan nahe bringen will. Spits Sprache, Jimmys Sprache ist relativ einfach gehalten, und doch kommt die Botschaft an, werden Gefühle gekonnt transportiert.
Spits Roman ist relativ kurz, mir dann doch vielleicht einen Ticken zu kurz. Denn die Stimmung wird zwar auf das Finale vorbereitet, das kommt dann aber doch irgendwie abgearbeitet rüber. Trotzdem ist Der ehrliche Finder ein kleiner, feiner Roman, den ich gerne gelesen habe.

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