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Veröffentlicht am 28.03.2024

Jung, jünger, Kind sein

Wir werden jung sein
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Vier Teilnehmer einer Medikamentenstudie an der Berliner Charité, deren Ziel es war, chronische Herzmuskelschwächen zu heilen, sind plötzlich nicht bloß gesund, sondern verjüngt. Und nicht nur das, sie ...

Vier Teilnehmer einer Medikamentenstudie an der Berliner Charité, deren Ziel es war, chronische Herzmuskelschwächen zu heilen, sind plötzlich nicht bloß gesund, sondern verjüngt. Und nicht nur das, sie werden unaufhaltsam immer jünger, was den zuständigen Professor vor eine große Aufgabe stellt, da sich unvorhersehbare Komplikationen einstellen, die es zu stoppen gilt. Gleichzeitig ist die Welt elektrisiert, denn wäre es nicht ein unvorstellbares Glück, für immer jung zu sein?

Durch den angenehmen Schreibstil war ich fast sofort im Buch angekommen, die ersten Kapitel stellten die vier Teilnehmer der Medikamentenstudie sowie ihre Besonderheiten vor, die Sicht des zuständigen Mediziners und eines Mitglieds des Deutschen Ethikrates vervollständigten das Bild. Zu Beginn war ich unsicher, ob mir die vielen wissenschaftlichen Erklärungen nicht zu viel werden würden, aber meine Bedenken waren unbegründet, weil der Autor eine tolle Art hat, die kompliziertesten Vorgänge gut zu erklären. Nicht dass ich mir anmaßen würde, zu behaupten, ich hätte auch nur annähernd verstanden, wie das Verfahren funktioniert, aber ich konnte es mir gut vorstellen. Erstaunlicherweise ist die Fiktion gar nicht mehr so fiktiv, wenn man sich in der Realität über den heutigen Stand der Forschung informiert. Ich weiß noch nicht, ob ich erfreut oder erschrocken darüber bin, wo die Reise hingeht.

Mir gefiel das vorliegende Buch sehr, besonders positiv ist mir aufgefallen, dass Maxim Leo Fragen aufwarf, die mir im Zusammenhang mit einem verjüngenden Medikament nicht eingefallen, geschweige denn überhaupt in den Sinn gekommen wären; beispielsweise gibt es neben Fragen der Ethik und der Moral natürlich die wichtige Frage, wie wir das Problem des Platzmangels lösen würden, wenn die Menschen immer älter oder in Zukunft gegebenenfalls gar nicht mehr sterben würden. Manche Szenarien bekomme ich da wohl nie mehr aus meinem Kopf!

Der weitere Verlauf der Geschichte war spannend und überraschend, eine kriminelle Episode inklusive. Hervorheben möchte ich den feinen Humor, der nie in die Lächerlichkeit abrutschte, was ich als wohltuend empfand. Das Ende war schlüssig und ließ mich zufrieden zurück. Das war ein tolles Leseerlebnis, gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Eine Frage der Perspektive

Die Hungrigen
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Die zwei Brüder Paolo und Antonio leben zusammen im elterlichen Haus; der ältere Paolo arbeitet auf der Baustelle und trägt zum Unterhalt bei, der jüngere Antonio ist ziellos und sucht noch nach dem Lebenssinn. ...

Die zwei Brüder Paolo und Antonio leben zusammen im elterlichen Haus; der ältere Paolo arbeitet auf der Baustelle und trägt zum Unterhalt bei, der jüngere Antonio ist ziellos und sucht noch nach dem Lebenssinn. In der süditalienischen Kleinstadt ist kaum etwas los, die Armut ist überall zu spüren, da kommt man schon auf seltsame Gedanken, dabei wollen beide nur eines; glücklich sein.

„Sie hätten gern miteinander gesprochen. Beide. Aber das Schweigen, zu dem sie sich gegenseitig erzogen hatten, war ihnen so zur Gewohnheit geworden, dass sie nicht gewusst hätten, wo sie überhaupt anfangen sollten. Sie blickten sich an, Paolo nahm den Kopf seines Bruders in die Hände und gab ihm ein paar Klapse auf die Wange. Das reichte schon.“ (Seite 97)

Das erste Kapitel fing mit einer Tragödie an, dramatische Szenen entstanden vor meinen Augen und lediglich eine Kleinigkeit ließ der Autor weg, um einen Weg zu ebnen für das, was danach kam. Der Sprung in die Vergangenheit, zwei Monate waren es genau, skizzierte das Leben der Brüder, verriet Werdegang und Grund für die Situation, in der beide sich befanden zu Beginn der Geschichte. Ich schwankte zwischen Entsetzen und Abscheu, suchte in meinem Inneren nach Mitleid, kam aber an meine Grenzen, je mehr ich erfuhr, war empört, angewidert, aber oft einfach nur traurig über die Zustände, die geschildert wurden. Natürlich gab es Stellen, die mich berührten, besonders als ich verstand, was die Brüder zu dem gemacht hat, der sie geworden sind. Aber immer, wenn sich mein Mitgefühl regte, geschah etwas, das alles zerbrechen ließ, die Scherben schnitten in mein Herz und schon war es weg, dieses Gefühl, das nur kurz aufgeblüht ist.

„Wie ein Grashalm beugte er sich in die Richtung, in die der stärkste Wind wehte. Mit Gefühlen konnte er nicht umgehen. Er ließ sich von den Befehlen derjenigen Menschen formen, die ihm nahestanden. Antonio lebte für die anderen, und so starb er jeden Tag.“ (Seite 51)

Vieles ereignete sich in den zwei Monaten, schlimme Dinge geschahen und einiges davon war so entsetzlich, es ergab einfach keinen Sinn. Ich spürte die Hoffnung und die Traurigkeit, verstand die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit. Ich hätte beiden gewünscht, dass es anders endet und wusste doch, dass dieser Wunsch sinnlos ist und einer Utopie gleich erlöscht, denn so funktioniert das Leben nicht. Aber trotzdem.

Eine Warnung will und muss ich aussprechen, denn eine Stelle im Buch könnte, wie für mich, schwer zu ertragen sein, es handelt sich um abscheuliche Tierquälerei, die der Autor leider nicht der Phantasie der Leserschaft überlassen, sondern in Einzelheiten geschildert hat. Obwohl es wichtig war für den Gesamtzusammenhang, hätte ich es mir anders gewünscht.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass dieses Debüt mir einiges abverlangt hat, ich aber froh und glücklich darüber bin, durch Zufall auf dieses Buch gestoßen zu sein, und glaube, dass da noch Größeres entstehen wird; ich freue mich sehr darauf. Große Leseempfehlung für dieses Highlight!

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Veröffentlicht am 22.03.2024

Böse, dunkel, tot

Das Nachthaus
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Als in der beschaulichen Kleinstadt Ballantyne ein Jugendlicher verschwindet, gerät dessen Freund Richard unter Verdacht, etwas damit zu tun zu haben, was er bestreitet, allerdings gibt es so viele Widersprüche ...

Als in der beschaulichen Kleinstadt Ballantyne ein Jugendlicher verschwindet, gerät dessen Freund Richard unter Verdacht, etwas damit zu tun zu haben, was er bestreitet, allerdings gibt es so viele Widersprüche in seiner Aussage, dass ihm niemand glaubt. Richard versucht auf eigene Faust, das Verschwinden seines Freundes aufzuklären und kommt dabei dem berühmt-berüchtigten Nachthaus zu nahe, was fürchterliche Konsequenzen nach sich zieht.

Dieses Buch entpuppte sich als etwas ganz anderes, als ich erwartet hätte, ich habe nach der Lektüre immer noch ein verstörtes, wahrscheinlich leicht debil wirkendes Lächeln im Gesicht. Der Mix aus Gruselgeschichte, Horrorstory und Drama, den ich Stephen King zuordnen würde, wüsste ich es nicht besser, zog mich fast unmittelbar in seinen Bann, ich war bereits nach wenigen Seiten belustigt, entgeistert sowie leicht angewidert, dabei aber auch sehr gespannt, wo das Ganze hinführen würde. Es folgte ein abgefahrener Roadtrip, der immer bizarrer wurde, ich konnte kaum glauben, was ich da las, als eine Wendung kam, die mich verblüfft innehalten ließ. War ich verrückt oder der Autor, war seine Buchfigur ein Blender, der mich in die Irre führte und dort willkommen hieß? Gerade als ich mich entspannt zurücklehnte und die Situation akzeptierte, ging es wieder los. Der folgende Twist gab mir dann den Rest, ich habe nicht schlecht gestaunt über den Einfallsreichtum und war fast schon traurig, als das Ende kam. So geht Unterhaltung, das war einfach großartig! Besuch das Nachthaus, wenn du dich traust. Aber Vorsicht, du tust es auf eigene Gefahr!

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Veröffentlicht am 20.03.2024

Eine Freundschaft

Der ehrliche Finder
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Tristan und Jimmy sind beste Freunde, seit der ältere Tristan vor einem Jahr mit seiner Familie im Dorf angekommen und in Jimmys Klasse gelandet ist. Die albanische Großfamilie ist vor dem Kosovo-Krieg ...

Tristan und Jimmy sind beste Freunde, seit der ältere Tristan vor einem Jahr mit seiner Familie im Dorf angekommen und in Jimmys Klasse gelandet ist. Die albanische Großfamilie ist vor dem Kosovo-Krieg geflohen und sucht in Belgien Asyl. Als ein behördlicher Bescheid erlassen wird, schmieden die Freunde einen Plan, der dafür sorgen soll, dass alles bleibt, wie es ist. Eine verhängnisvolle Entscheidung.

„Die schlimmen Einzelheiten über den Krieg und welche schwierigen Dinge Tristan vor seiner Ankunft in Belgien durchgemacht hatte, kamen erst spät und bruchstückhaft heraus. Jimmy hatte ein kleines Buch angelegt, mit dem Titel Tristans Krieg, in dem er, möglichst chronologisch, aufschrieb, was er darüber erfuhr.“ (Seite 39)

Dieses schmale Buch lässt mich erschüttert zurück, auf wenigen Seiten erzählte die Autorin eine tragische Geschichte, die inspiriert ist von tatsächlichen Ereignissen aus den Jahren 1998 und 1999. Aus der kindlichen Sicht von Jimmy empfand ich die Erzählung umso authentischer und eindringlicher, als geschähe dies aus einer erwachsenen Perspektive. Anfangs konnte ich mit dem Hobby von Jimmy nichts anfangen, er erzählte permanent von seiner Leidenschaft für Flippos, die er sammelt und in Alben klebt. Eine kurze Recherche ergab, dass es sich um Plastik- oder Pappscheiben handelt, die Ende der 1990er Jahre als Gratisprämie einer bestimmten Sorte Chips beigelegt wurden und auf denen Zeichentrickfiguren und Charaktere aus den Looney Tunes-Cartoons abgebildet waren. Das Sammeln und Tauschen dieser Scheiben erfreute sich besonders bei Kindern im Grundschulalter großer Beliebtheit.

Neben seiner Begeisterung von Flippos war Tristan die wichtigste Person für Jimmy, gerne hätte er das Hobby mit dem Freund geteilt, der aber lebte gefühlsmäßig mehr in seiner eigenen Welt, was den Erfahrungen der Familie bei der Flucht vor dem Krieg geschuldet war. Das Ausmaß der Nachwirkungen wäre für Erwachsene kaum zu begreifen, dass ein Kind dies nicht versteht, wurde im Buch glaubwürdig dargestellt. Der weitere Verlauf der Story war herzzerreißend, ich war entsetzt, als ich verstand, was in Planung war. Unfähig einzugreifen, konnte ich nur ohnmächtig zuschauen, was geschah. Das Ende habe ich so nicht erwartet, es berührte mich sehr. Mit Tränen in den Augen klappte ich das Buch zu und ließ das Geschehene auf mich wirken. Glück und Unglück liegen so nah beieinander. Von mir gibt es eine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 13.03.2024

Ein Herz und eine Seele

Hallo, du Schöne
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William Waters hatte keine schöne Kindheit, überlebt und hinter sich gebracht hat er diese, weil er auf dem Basketballplatz Freunde gewonnen sowie Gemeinschaft, Zusammenhalt und Zugehörigkeit kennengelernt ...

William Waters hatte keine schöne Kindheit, überlebt und hinter sich gebracht hat er diese, weil er auf dem Basketballplatz Freunde gewonnen sowie Gemeinschaft, Zusammenhalt und Zugehörigkeit kennengelernt hat. Als er Julia Padavano begegnet und sich in sie verliebt, wird er Teil ihrer Familie, besonders Julias drei Schwestern nehmen William mit offenen Armen auf. Die Vergangenheit lässt William aber nicht los, seine Traurigkeit und die düsteren Gefühle beeinflussen seine Ehe und werfen Schatten auf das junge Glück, sodass alle unaufhaltsam auf eine Katastrophe zusteuern, nach der nichts mehr sein wird, wie es vorher war.

„William dachte, dass seine Verlobte mit dem Taktstock eines Dirigenten durch die Welt ging, während Sylvie ein Buch mit sich trug und Cecelia einen Pinsel. Emeline dagegen hatte die Hände frei, um helfen oder das Kind einer Nachbarin nehmen und trösten zu können. Immer wenn sie William seit seiner Verletzung sah, fragte sie, ob sie etwas für ihn tragen oder ihm eine Tür aufhalten könne.“ (Seite 69)

Aus drei Perspektiven wird die Geschichte von William, den vier Schwestern und anderen Familienmitgliedern erzählt. Mir war zunächst nicht klar, warum die Autorin ausgerechnet diese drei Personen ausgewählt hat, aber bereits früh hatte ich einen Verdacht, wie es dazu kommen konnte, der sich dann auch bestätigt hat. Warmherzig und mit einer wunderbaren Sprache hat Ann Napolitano die Jahrzehnte umfassende Lebensgeschichte von William und der Padavano-Familie erzählt, die Jahre flossen nur so dahin, kleine und große Sorgen kamen und gingen, ein schicksalhafter Tag veränderte alles und eine neue Zeitrechnung begann. Ich habe mitgefiebert und mitgelitten, habe gelacht, geschmunzelt und an vielen Stellen geweint. Die Entscheidungen mancher Figur trieben mich auf die Palme, ich war verzweifelt und wütend, fragte mich, was richtig gewesen wäre. Nie hatte ich die Hoffnung aufgegeben, deswegen war ich erschüttert, als plötzlich etwas geschah, das so unglaublich schwer zu ertragen war. So viel Schmerz und Kummer, Trauer und Liebe war fast zu viel für mich und lediglich die Aussicht darauf, dass daraus etwas Gutes entstehen könnte, ließ mich durchhalten.

„Williams Herzschlag verlangsamte sich zu einem Murmeln in seiner Brust, und er musste auf eine seltsame Art atmen, um nicht in Tränen auszubrechen. Es überraschte ihn, wie sehr es ihn traf, etwas schien in ihm zerbrochen zu sein.“ (Seite 64)

So schwer ich es fand, die letzten Seiten zu lesen, so tröstlich war es, dass Ann Napolitano ein Ende schuf, das der Geschichte würdig war. Ein großartiger Roman über Familie, Freunde, Zusammenhalt und Liebe, der mir emotional einiges abverlangt hat, aber auch wunderbar unterhaltsam gewesen ist. Mit einem guten Gefühl klappte ich das Buch zu und träume davon, wie es weitergehen könnte, denn die Geschichte von William und den Padavano-Schwestern ist für mich noch lange nicht auserzählt. Manchmal werden Träume wahr.

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