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caro_phie

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.11.2023

Für mich ein absolutes Überraschungsherzensbuch!

Morgen, morgen und wieder morgen
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Letzten Frühling ist mir dieses Buch immer wieder über den Weg gelaufen. In zahlreichen Rezensionen habe ich es gesehen und doch kam es nicht auf meine Leseliste, war mir die Gamingwelt doch zu fremd. ...

Letzten Frühling ist mir dieses Buch immer wieder über den Weg gelaufen. In zahlreichen Rezensionen habe ich es gesehen und doch kam es nicht auf meine Leseliste, war mir die Gamingwelt doch zu fremd. Und dann fiel es mir durch Zufall doch in die Hände durch eine Bekannte, die es mir in die Hände drückte.

Ich bin im Nachhinein wahnsinnig froh, dass ich es gelesen habe. Ja, Videospiele sind das Thema des Buches und des Lebens von Sam, Sadie und Marx, die als Studierende anfangen Videospiele zu entwickeln eine Gaming-Firma gründen und damit berühmt werden. Videospiele sind Thema in der Sprache des Buches und dem Titel (warum, muss man sich selbst erlesen ;)). Es ist aber auch die Geschichte von drei jungen Erwachsenen, die eine gemeinsame Zukunft beginnen, deren Leben sich emotional auseinanderentwickeln und mit voller Wucht wieder aufeinanderprallen.

Für mich eine absolute Überraschungsentdeckung, und auch wenn es in meinem eigenen Leben nicht nachhallt, erinnere ich mich doch gerne an diese wunderbare, warmherzige Geschichte über so viel mehr als Videospielen. Eine absolute Leseempfehlung für Gamerinnen und Nicht-Gamerinnen.

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Veröffentlicht am 17.05.2024

Aus dem Leben gegriffen

Sieben Sekunden Luft
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Wer ist Selah? Das habe ich mich oft gefragt während ich Luca Mael Milschs Debütroman “Sieben Sekunden Luft” gelesen habe. Wer ist Selah? Das scheint sich auch Selah selbst zu fragen:

In der Kindheit, ...

Wer ist Selah? Das habe ich mich oft gefragt während ich Luca Mael Milschs Debütroman “Sieben Sekunden Luft” gelesen habe. Wer ist Selah? Das scheint sich auch Selah selbst zu fragen:

In der Kindheit, in der Selah versucht der Mutter gerecht zu werden. Ihren Stimmungsschwankungen, die das Kind versucht abzuschätzen sobald die Mutter durch die Tür kommt, ihrer Idee wer Selah wirklich ist, ihren Erwartungen.

In der Studierendenzeit, in der Selah sich zunehmend abkapselt von der Mutter, den Einfluss dieser auf das eigene Leben versucht zu minimieren und doch jedes Treffen mit der Mutter zu einem Rückschlag, einem Gefühl des Versagens wird, denn plötzlich hat die Mutter wieder so viel Macht, beherrscht Gedanken und Gefühle.

Als Erwachsene - überarbeitet und weiterhin verzweifelt auf der Suche nach sich selbst bis zur fast vollständigen Selbstauflösung führen.

Es ist immer Selah und doch wirkt es durch Luca Mael Milschs kunstvoll komponierten Aufbau des Buches fast wie drei unterschiedliche Personen. So wenig wie Selah sich selbst kennt, kann man auch als Leser
in greifen, wer Selah ist. Man spürt förmlich Selahs Verzweiflung über den immer wieder scheiternden Versuch sich von der Mutter zu lösen, die Deutungshoheit über die eigene Identität zu erringen und sich dann vor die Mutter zu stellen und zu sagen “Schau Mama! Das bin ich.”

Doch da ist das langjährige Schweigen über Dinge, die unsagbar schienen und ungesagt geblieben sind, über Dinge die damals noch nicht in Worte zu fassen waren, keine Worte hatten, für die es keine Worte gab. Worte die Selah erst langsam findet.

“Ich will dir davon erzählen, was passiert ist, worüber ich nie sprechen konnte und wer ich heute bin. Fertig. Doch jedes Mal blicke ich in die Augen einer Mutter, die das nicht aushalten kann. Jedes Mal schaue ich in ein Gesicht, in dessen Spiegel sich das Bild von mir nicht erneuern lässt, höre Erinnerungen, die ich nur aus deinen Erzählungen kenne, die dir alles bedeuten, die ich dir glauben müsste.” (S. 191)

Es ist ein Buch über Mutter-Kind-Beziehung, über Identitätssuche. Es ist ein queeres Buch, aber nicht vordergründig, nicht nur. Vielmehr zeichnet es das komplexe Bild einer ganzen Person, das durch vielmehr bestimmt wird als ihre Queerness. Gerade das hat mir so gut gefallen. Dass Queer-sein ein Teil von einer Person ist und als solches im Buch behandelt wird, vielmehr als ein alleinstellendes Merkmal.

Ich wurde hineingezogen in das Buch, konnte so viele der Gedanken Selahs nachvollziehen, wurde emotional mitgenommen, getragen über viele Seiten, auf denen ich ganz bei Selah war. Und dann plötzlich fallen gelassen, in einen unendlich langen Gedankenstrom Selahs angesichts der plötzlich todkranken Mutter. Ein Gedankenstrom, der sich zu wiederholen schien, kein Ventil fand, sich über fast 100 Seiten erstreckte, künstlerisch beeindruckend und doch ließ bei mir an dieser Stelle die Aufmerksamkeit nach. Die einzelnen Gedanken schienen weniger wichtig zu sein, denn sie würden sich ja zwangsläufig wiederholen. Und so habe ich am Ende das Buch mit gemischten Gefühlen zugeklappt, irgendwie unbefriedigt weil mir gerade das Ende nicht greifbar wurde.

Dennoch war es ein unglaublich intensives Leseerlebnis, das mich während des Lesens sehr berührt hat.

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Veröffentlicht am 22.04.2024

Mit- und weiterdenken

Unlearn Patriarchy 2
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Es gibt viele Aspekte in unserem Leben, die vom Patriarchat geprägt sind, die wir hinnehmen, nach keiner Alternative suchen, uns teilweise ihres Diskriminierungspotentials nicht bewusst sind. Unlearn Patriarchy ...

Es gibt viele Aspekte in unserem Leben, die vom Patriarchat geprägt sind, die wir hinnehmen, nach keiner Alternative suchen, uns teilweise ihres Diskriminierungspotentials nicht bewusst sind. Unlearn Patriarchy 2 greift in Essays von unterschiedlichen Autor*innen 13 dieser Aspekte auf.

Ich war wahnsinnig überrascht von den vielen Dimensionen des Patriarchats, die sich auftaten und die ich vorher gar nicht oder nicht in der Tiefe mitgedacht habe. Immer wieder musste ich zum Stift greifen mir ganze Passagen unterstreichen, weitere Leseempfehlungen rausschreiben. Es ist ein Buch das zum Mitdenken anregt, sowohl während der Lektüre als auch danach, denn dass man danach genauso auf die Gesellschaft schaut wie vorher ist unwahrscheinlich.

Leider muss ich dennoch mein Lob für dieses wichtige Buch ein wenig einschränken, denn so wie sich die Themen unterscheiden, unterscheiden sich auch die Stimmen in diesem Buch. Während Schreibstil (von sachlich bis wütend) sicherlich Geschmackssache ist und ich es auch sehr schön fand, dass so viele verschiedene Stimmen in einem Buch versammelt sind, hat die Aufarbeitung mancher Themen meines Erachtens manche Argumente schwächer gemacht als nötig - Argumente, denen ich in 99% der Fälle folgen konnte, bei denen mir aber, wenn sie als generelles Statement und nicht als eigene Erfahrung dargestellt wurden, oft die Referenzen gefehlt haben.

Dennoch eine klare Leseempfehlung für dieses wichtige Buch, aus dem ich viel mitgenommen habe!

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Veröffentlicht am 01.04.2024

Düsteres Porträt eines Ortes

Der rechte Pfad
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Es ist ein Ort, der wie aus der Zeit gefallen wirkt. Welsum, eine kleine Gemeinde in Nordrhein-Westfahlen, in die Benni nach einem Unfall zurückkehrt. Denn hier hat er immer seine Sommer in seiner Kindheit ...

Es ist ein Ort, der wie aus der Zeit gefallen wirkt. Welsum, eine kleine Gemeinde in Nordrhein-Westfahlen, in die Benni nach einem Unfall zurückkehrt. Denn hier hat er immer seine Sommer in seiner Kindheit verbracht, bei seinem Vater. Einem Vater, der ihm trotzdem immer ein wenig fremd geblieben ist. So wie der ganze Ort und seine Bewohner - so scheint es. Denn Welsum ist Zentrum einer sektenartigen Glaubensgemeinschaft, der ein Großteil der Bewohner angehören.

Dennoch scheint es den kleinen Benni und nun auch den erwachsenen immer wieder hinzuziehen, der Glaube an Himmel und Fegefeuer ihn zugleich abzustoßen und anzuziehen. Hier findet er in seiner Jugend einen engen Freund und die erste Liebe. Hier erlebt er Gewalt, Fremdenhass, Angst und Tod.

Großartig verwebt Astrid Sozio die zwei Zeitebenen zu einem atmosphärischen, düsteren Roman darüber, welche Kräfte ein wahnhafter Glaube an Gott freisetzen kann. Obwohl das Buch eigentlich nicht ganz in mein übliches Lesemuster passt, und ich die ersten huntert Seiten gebraucht habe, um in die Geschichte reinzukommen, war ich letztendlich wahnsinnig gefesselt - von der Handlung, aber auch von Astrid Sozios Sprache, ihrer detailreichen Erzählweise, die das Buch für mich zu einem intensiven Leseerlebnis gemacht haben.

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Veröffentlicht am 20.03.2024

Eine intergenerationale Geschichte über Mütter und Töchter

Wir sitzen im Dickicht und weinen
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Sie sitzen im Dickicht und weinen. In einem Dickicht aus gegenseitigen Vorwürfen, die den ganzen Raum einnehmen, sich zwischen sie drängen, ihnen die Luft nehmen, in diesem Moment als Valerie am Krankenbett ...

Sie sitzen im Dickicht und weinen. In einem Dickicht aus gegenseitigen Vorwürfen, die den ganzen Raum einnehmen, sich zwischen sie drängen, ihnen die Luft nehmen, in diesem Moment als Valerie am Krankenbett ihrer Mutter sitzt. Denn Christina hat Krebs. Eine neue Realität, die sich so plötzlich, so unwiderruflich in ihre Leben drängt, zu neuer, alter physischer Nähe zwingt und alte Verletzungen wieder aufreißen lässt. Denn Christina war keine fürsorgliche Mutter, war zu sehr mit ihren eigenen Träumen beschäftigt, um zu merken, wie sehr ihre Tochter darunter litt keine Bezugsperson zu haben, die sich um sie kümmerte, und welche Wunden das hinterließ.

„Hätte Mama auch mein Vater sein können, wäre jemand anderer dafür zuständig gewesen, mich zu versorgen, hätte sie unbehelligt von allen häuslichen und emotionalen Verpflichtungen einem Beruf ihrer Wahl nachgehen können, wäre sie wahrscheinlich stabiler gewesen; es hätte gereicht.“

Meisterlich verwebt Felicitas Prokopetz über mehrere Generationen hinweg den Kampf für mehr weibliche Selbstbestimmung mit dem gleichzeitigen gesellschaftlichen Anspruch an Mütter. Es ist nicht nur die Geschichte von Christina und Valerie, sondern auch die Geschichte von Christinas Mutter Martha, von Valeries anderer Oma Charlotte und die Geschichte von deren Müttern. Jede einzelne versucht in ihrer Rolle als Mutter zu bestehen. Jedes Scheitern verursacht Verletzungen. Jede Verletzung resultiert in dem Wunsch der Tochter es besser zu machen als ihre jeweilige Mutter.

Es ist ein wichtiges, ein großes Thema, das Felicitas Prokopetz hier aufmacht und wahnsinnig gut beobachtet beschreibt. Aber es ist auch ein fast zu großes Thema für die wenigen Seiten dieses Buches. Viele Charaktere bleiben skizzenhaft. Viel geschieht in den Zeilen, wenig dazwischen.

Vielleicht ist das der Grund dafür, dass die Autorin mich trotz der starken Message, nicht ganz abholen konnte, mich nicht so berührt hat, wie ich es mir gewünscht hätte. Dennoch ein schönes, leicht zu lesendes Buch, das sehr warmherzig von Müttern und Töchtern erzählt.

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