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Veröffentlicht am 26.03.2024

Mehr als nur ein Kochbuch

Hier fließt die Liebe. Persische Küche
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Dieses Buch ist weit mehr als nur ein Kochbuch.

Für Sahar und Forough Sodoudi ist es eine Art Mission. Sie haben erfolgreiche Karrieren an den Nagel gehängt, um den interkulturellen Austausch zu fördern ...

Dieses Buch ist weit mehr als nur ein Kochbuch.

Für Sahar und Forough Sodoudi ist es eine Art Mission. Sie haben erfolgreiche Karrieren an den Nagel gehängt, um den interkulturellen Austausch zu fördern und die nahöstliche Kultur in die Welt zu tragen. Sie möchten ihre Heimat, den Iran, repräsentieren jenseits von politischen oder religiösen Narrativen. Dabei ist Essen ein wesentlicher Faktor.

„Wenn unsere Kindheit im Iran einen Geschmack hätte, wäre es der von Salad Olivier. Beim Zubereiten und Essen dieser nahrhaften Speise wird uns bis heute warm ums Herz: es weckt Erinnerungen an unsere Schulzeit und die beinahe wöchentlich stattfindenden Kindergeburtstage.“

Sie erzählen ihre Geschichte und gleichzeitig ganz viel über iranische Küche und Kultur. Hier wird nicht nur gekocht, hier werden liebevoll Gerichte zubereitet und genossen.

Für die meisten Rezepte muss man sich Zeit nehmen, schnelle Küche ist das nicht. Dafür bekommt man dann aber etwas sehr Feines.

Es ist alles dabei, leckere Vorspeisen, tolle Fingerfoodideen, Gerichte mit und ohne Fleisch, Eingelegtes, Süßes und auch spannende Drinks. Dabei fand ich es bemerkenswert, mit wie wenig exotischen Zutaten man da auskommt. Die persische Küche ist sanft aber fein, für den europäischen Gaumen nicht so exotisch wie etwa indisches Essen, trotzdem ganz anders, hoch interessant und lecker.

Das Buch ist großzügig bebildert und auch da bleiben keine Wünsche offen. Neben Fotos von Speisen, die so toll aussehen, dass man sie sich an die Wand hängen möchte, gibt es auch Familienfotos der Autorinnen, ganz viel Persien, Teheran, Dattelpalmen und der Markt von Rasht. Es ist nicht nur ein Kochbuch sondern auch ein aufregender Ausflug in eine fremde Welt. Fast möchte ich hinfahren.

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Aufschlussreich, berührend und unterhaltsam

Issa
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Ein Buch wie dieses habe ich mir schon lange gewünscht. Afrika live und in Farbe und so verpackt, dass man einen schönen Rundumblick bekommt.

Issa ist schwanger und in Deutschland, als ihre Mutter sie ...

Ein Buch wie dieses habe ich mir schon lange gewünscht. Afrika live und in Farbe und so verpackt, dass man einen schönen Rundumblick bekommt.

Issa ist schwanger und in Deutschland, als ihre Mutter sie nötigt, in ihre Heimat Kamerun zu fliegen, um reinigende Rituale durchzuführen, weil sie und ihr Kind in Gefahr sind. Es ist einfacher sich zu fügen, als den Kampf mit ihrer Mutter aufzunehmen und, wer weiß, vielleicht ist ja was dran an dem Aberglauben. Issa will nichts riskieren und fliegt einfach.

In Kamerun wird sie schon von ihren Omas erwartet, die wissen, was getan werden muss. Generationen von Großmüttern haben ihr Wissen weitergegeben.

Issas Geschichte ist eingebettet in die Geschichte ihrer Großmütter, die von 100 Jahren Kamerun erzählt. Es war nie leicht, ein kamerunisches Mädchen zu sein in einem Land, wo Männer das Sagen haben und beliebig viele Ehefrauen haben können. Sie sind das schwächste Glied in der Kette, noch dazu haben die Deutschen das Land annektiert und mischen die Haufarbenskala durch. Mehr oder weniger schwarz oder weiß zu sein bietet Vor- und Nachteile, je nach Situation. Das hat auch Issa schon zu spüren bekommen.

Dieses Buch erzählt von einem ganz besonderen Selbstfindungstrip, der zeigt, dass weder Traditionen, noch Schamanen, Familie oder Männer dein Leben bestimmen sollten.

Der originelle Erzählton macht Spaß, die Figuren und ihre Geschichten lebendig. Es ist aufschlussreich, berührend und unterhaltsam gleichzeitig, ein frecher Appell gegen Rassismus und Misogynie, der beeindruckt, das Buch, das ich allen meinen Freundinnen schenken möchte.

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Veröffentlicht am 19.03.2024

Leidvolle Geschichte

Mein Name ist Estela
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Dieses Buch ist eigentlich ein Verhör, eine Aussage zu einem schrecklichen Ereignis, oder auch ein Aufschrei und eine bittere Anklage. Die Haushälterin, Estela, erzählt wie es sich so lebte in der Familie ...

Dieses Buch ist eigentlich ein Verhör, eine Aussage zu einem schrecklichen Ereignis, oder auch ein Aufschrei und eine bittere Anklage. Die Haushälterin, Estela, erzählt wie es sich so lebte in der Familie von Don Juan Christóbal Jensen: Ein Arzt, eine Unternehmerin, ein kleines Mädchen, für das niemand Zeit hat.

Anfangs hatte ich ein bisschen zu kämpfen. Die Situation kommt einem gar zu klischeehaft vor. Die Herrschaften scheinen ignorante Snobs aus dem Bilderbuch zu sein. Estela hat wirklich nichts zu lachen in ihrer neuen Anstellung. Sie bekommt ein Zimmer, das eine bessere Abstellkammer ist und muss springen, wenn die Señora ruft. Auch das Mädchen muss funktionieren, Leistung bringen, den Erwartungen entsprechen und ansonsten nicht stören. Das haben sie gemeinsam, Estela und die bedauernswerte Kleine, die plötzlich tot ist. Wie konnte das passieren?

Estela ist verbittert und verzweifelt, das fühlt man hier in jeder Zeile. Ab und an redet sie sich fast in Rage. Nie hat jemanden ihre Meinung interessiert und jetzt, wo es zu spät ist, soll sie erzählen? Sie schmeißt uns die ganze Wahrheit vor die Füße, schonungslos.

Das Lesen dieses Buches ist leidvoll und nimmt sehr mit. Ich musste es tatsächlich öfter mal beiseite legen. Alles steuert auf ein schreckliches Finale zu, man ist gespannt, aber auch ein bisschen angstvoll.

Am Ende stellt man mit Erstaunen fest, das Fragen bleiben, aber auch eine Erkenntnis. Wir haben den leidvollen Alltag eines Hausmädchens erlebt, das für viele steht und uns spüren ließ, wie sich die Zwei-Klassen-Gesellschaft in Chile auswirkt, wie soziale Ungleichheit immer wieder laute Protestbewegungen in Gang setzt.

Ich bin sehr beeindruckt.

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Veröffentlicht am 15.03.2024

Hinterhältiges Verwirrspiel

Yellowface
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Das einzige Problem an diesem Buch ist eigentlich der irre Hype, der darum betrieben wird und dem im Grunde nichts gerecht werden kann.

Ich fand es gut, nur eben nicht sensationell. Und dann findet man ...

Das einzige Problem an diesem Buch ist eigentlich der irre Hype, der darum betrieben wird und dem im Grunde nichts gerecht werden kann.

Ich fand es gut, nur eben nicht sensationell. Und dann findet man ein Buch grundsätzlich gut und sucht trotzdem das Haar in der Suppe, weil man sich ja nicht vom Hype beeinflussen lassen möchte. Ein Dilemma, das im Grunde auch Thema dieses Buches ist.

Woran liegt der Erfolg eines Buches? Reicht es, ein geniales Buch zu schreiben, oder muss man auch Starpotenzial haben und mit den Medien umgehen können, damit die Welt es bemerkt?

June stand immer im Schatten ihrer schillernden Freundin Athena, mit der sie gemeinsam Literatur studiert hat. Athena hatte alles Schönheit, Ruhm, Follower, Migrationshintergrund und einen Bestseller. Als ihr nach Athenas Tod ein Manuskript in die Hände fällt, kann sie nicht widerstehen, es zu benutzen und tritt damit eine Lawine los.

Wem gehört eine Geschichte? Dem, der sie erdacht oder erlebt hat, der sie erzählt oder der sie aufschreibt? Was nützt Geschriebenes, das keiner liest? Genie in der Schublade, Skandale in den Medien, wird gekauft, was gefällt oder gefällt, was einen Farbschnitt hat? Huhn oder Ei?

Rebecca F. Kuang hat hier ein Verwirrspiel entworfen, das Grenzen sprengt und gleichzeitig auf ganz hinterhältig verdrehte Art die eigene Biografie auf die Schippe nimmt. Dieses Buch ist die Beichte der Juniper Song, wahrscheinlich, und ein genial erdachter Thriller, der unterhaltsam die Routinen des modernen Verlagswesens untersucht und bewirkt, dass wir am Ende gar nicht mehr wissen, was wir glauben sollen.

Eigentlich wollte ich einen Stern abziehen, aber mir fällt nichts ein, was ich bemängeln könnte, außer, dass ich natürlich keinem Hype erliege (Ich würde töten für die gelbe Tasche!).

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Veröffentlicht am 10.03.2024

Aufwühlend und witzig gleichzeitig

Demon Copperhead
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Wer David Copperfields Geschichte kennt, kann es ahnen, dieses Buch nimmt einen mit. Es bleibt tatsächlich ganz nah an der Originalgeschichte, nur verlegt es sie ins Hillbillymilieu der 90er Jahre.

Demon ...

Wer David Copperfields Geschichte kennt, kann es ahnen, dieses Buch nimmt einen mit. Es bleibt tatsächlich ganz nah an der Originalgeschichte, nur verlegt es sie ins Hillbillymilieu der 90er Jahre.

Demon Copperhead hat die rötesten Haare der Welt und wird in einem Trailerpark geboren. Seine drogensüchtige Mutter stirbt früh. Demon ist plötzlich seinem brutalen Stiefvater ausgeliefert und durchläuft dann jede traurige Station, die ein Waisenkind durchlaufen kann, das keinen groß zu interessieren scheint. Es ist herzzerreißend, was dieser kleine Junge alles ertragen muss.

Später hat er auch mal ein bisschen Glück, wäre beinahe ein Baseballstar geworden, aber seine Vergangenheit holt ihn immer wieder ein. Es ist ein steiniger Weg, bis er sich aus der Abwärtsspirale durch Drogen, Alkohol und falsche Freunde befreien kann.

Der Schreibstil ist soghaft und auf ganz eigene Art poetisch. Da jagen sich die originellen Vergleiche, es ist amüsant und bedrückend gleichzeitig. „Ich versuchte, mich nicht wie einer zu benehmen, der ungefähr seit August keinen Nachschlag mehr gekriegt hatte.“

„…ich war ein Stück größer als Mr Golly, der wie ein kleiner brauner Baum aussah, denn man vergessen hatte zu gießen.“

Solche Formulierungen sind grandios. Ich habe in diesem fetten Schinken jeden einzelnen Satz genossen.

Man muss die Dickens-Version nicht kennen, um dieses Buch zu lesen. Allerdings hat man noch viel mehr davon, wenn man David Copperfield kennt. Es macht großen Spaß, die Parallelen zu suchen und immer wieder Copperfield Figuren zu identifizieren. Sie sind irgendwie alle da und es ist spaßig zu gucken, wie sie hier präsentiert werden. U-Haul ist Uriah Heep, der hier wie da ganz besonders schleimig ist. Selbst Dickens Weitschweifigkeit und feinen Humor nimmt die Autorin auf und macht sehr elegant etwas Neues daraus.

Das war ein wundervolles Buch, eine aufwühlend dramatische Geschichte, mitreißend erzählt und dabei auch noch witzig. Ich bin begeistert und tief beeindruckt.

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