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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.04.2024

Intensiv und fesselnd

Geordnete Verhältnisse
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Philipp und Faina sind, seit Faina als Kind mit ihrer Familie aus der Ukraine nach Deutschland gekommen ist, die besten Freunde. Diese Freundschaft wandelt sich im Laufe des Buches und mündet in einer ...

Philipp und Faina sind, seit Faina als Kind mit ihrer Familie aus der Ukraine nach Deutschland gekommen ist, die besten Freunde. Diese Freundschaft wandelt sich im Laufe des Buches und mündet in einer absoluten Abhängigkeit und Toxizität, die ihresgleichen sucht.

Diese Geschichte ist einfach krass. Für mich trifft es das ziemlich genau, weil es vor Extremen strotzt und es mich als Leserin fassungs- und nahezu sprachlos zurücklässt. Das Buch führt uns in die tiefsten Abgründe der menschlichen Psyche und da das Setting das Ganze so nahe an mich heranbringt (Philipp und ich haben im gleichen Jahr Abi gemacht und deutsche Systeme und Denkweisen werden sehr authentisch wiedergegeben) ist es unglaublich bedrückend.

Die Erzählung jeweils aus Sicht von Philipp und Faina ist sehr sehr gut gelungen. Ich habe die ganze Zeit versucht zu verstehen wie es zu solch einer Eskalation kommen könnte, dass es dazu kommt ahnt man von Anfang an. Philipp wird durch seinen POV nicht sympathischer und diese Erzählsicht hat auch nicht das Ziel sein Handeln zu entschuldigen. Vielmehr bringt es eine unglaubliche Intensität und Grausamkeit in die Erzählung.
Wenn man eine Triggerwarnung aussprechen wollen würde, würde diese wahrscheinlich die gesamte erste Seite des Buches einnehmen, daher sollte man vor dieser Lektüre einfach wissen, dass man sich auf richtig harte Kost einlässt, die allerdings so wahnsinnig gut erzählt wird, dass man gleichzeit schreien und weinen will. Mich beschäftigt die Geschichte seit Tagen und das wird sicherlich auch noch eine Zeit so bleiben.

Veröffentlicht am 20.04.2024

Intensive Familiengeschichte mit Sogwirkung

Treibgut
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Adam Gardener, PhD, renommierter Walforscher, hat, nach dem Tod seiner Frau bei der Geburt der gemeinsamen Tochter Abby, seine beiden Kinder alleine großziehen müssen. Als sein 70er Geburtstag vor der ...

Adam Gardener, PhD, renommierter Walforscher, hat, nach dem Tod seiner Frau bei der Geburt der gemeinsamen Tochter Abby, seine beiden Kinder alleine großziehen müssen. Als sein 70er Geburtstag vor der Tür steht, will er der Wissenschaftswelt beweisen, dass er es noch drauf hat. Er setzt die Medikamente, die er aufgrund seiner manisch-depressiven Störung nimmt, ab, um seinem Genie freien Lauf zu lassen. Doch das ist nicht das einzige Geheimnis, das sich bis zu seiner großen Geburtstagsfeier Bahn bricht.

De facto ist es eine Geschichte über die beiden Kinder Adams, Abby und Ken, die unter der psychischen Erkrankung ihres Vaters und dem Tod ihrer Mutter eine große Last auf ihren Schultern tragen. Dass diese erst Jahrzehnte später überhaupt einmal von den beiden aufgearbeitet wird, zeigt schon, welche Explosionsgefahr sich dahinter verbirgt. Das Unheil schaukelt sich von Seite zu Seite herauf, bis an Adams Geburtstag alles auf dem Tisch liegt und klar ist, dass es nicht mehr so weiter gehen kann wie zuvor.

Diese Entwicklung ist unglaublich spannend anzusehen. Ich war davon gefesselt und bin durch die Seiten geflogen. Besonders gut hat mir gefallen, dass die weiblichen Protagonistinnen hier besonders stark herausgearbeitet sind, während die Herren der Schöpfung eher unangenehm auffallen. Die Persönlichkeiten der Männer sind durch die Krankheit (Adam) und das Kindheitstrauma (Ken) bestimmt, wodurch ich zwar Verständnis für die beiden hatte, sie aber dennoch unsympathisch sind. Ich denke hier wurde ganz bewusst der Fokus auf die Frauen gelegt, da jede von ihnen auch ihr Päckchen mit sich trägt, sie aber gefestigt und vor allem durch ihren internen Zusammenhalt viel besser mit den Widrigkeiten des Lebens klarkommen und sogar gestärkt aus ihnen hervorgehen.

Von mir gibt es definitiv eine große Leseempfehlung für Liebhaber von feministischen, tiefgründigen Familiengeschichten!

Veröffentlicht am 16.04.2024

Coming-of-Age meets Comedy - grandios gut!

Zierfische in Händen von Idioten
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Es ist 1996 und es sind Sommerferien. Und vier Freunde, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben, außer, dass sie nicht gerade die Beliebtesten und Coolsten in ihrer Schule sind, brechen aus ...

Es ist 1996 und es sind Sommerferien. Und vier Freunde, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben, außer, dass sie nicht gerade die Beliebtesten und Coolsten in ihrer Schule sind, brechen aus einer Kurzschlussreaktion heraus auf zum Roadtrip ihres Lebens.

1996 war ich gerade einmal 8 Jahre alt und damit 10 Jahre jünger als die Hauptprotagonistin. Das Feeling aber, das man beim Lesen hat, versetzt einen schlagartig zurück in diese Zeit und in die eigene Jugend. Als ich dann 18 war, hatten viele meiner Freunde einen Golf Bon Jovi - Edition, die Lieder von ihm hat man auch noch gehört, Macarena konnte ich ebenfalls tanzen (ja, okay, ich kann es immer noch…) und das erste, was mein Bruder und ich uns im Holland-Urlaub im Supermarkt ausgesucht haben, war Hagelslag.
Kommt dir alles auch irgendwie bekannt vor und du hast gleich Kopfkino? Dann ist dieses Buch genau das Richtige für dich!

Ich habe mich in einer Minute beömmelt vor Lachen und im nächsten Moment bleibt dir ebendieses Lachen im Hals stecken. Dieser Balanceact zwischen ernster und berührender Coming-of-Age Geschichte und Komik ist unfassbar gut gelungen, eben weil ich mich in einigen Situationen wieder erkannt habe.
Ich will gar nicht mehr über die Geschichte verraten, weil die Situationen, in die die vier hineingeraten, viel über Emotionen und Situationskomik funktionieren, die man nicht mal eben so zusammenfassen oder nacherzählen kann. Da hilft nur eines: selbst lesen und zwar unbedingt! Große Leseempfehlung!

PS. Wer, wie ich, aus Sorge um die Titel-gebenden Zierfische aka Seepferdchen zögert zum Buch zu greifen, kann unbekümmert sein!

Veröffentlicht am 02.04.2024

Wunderschöne Geschichte für alle, die Bücher lieben

Die Vermesserin der Worte
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Ida, von Beruf Autorin, bringt seit Monaten kein Wort mehr zu Papier. Als langsam aber sicher das Geld knapp wird und die Schreibblockade anhält, nimmt sie einen Job als Haushälterin bei der alten Ottilie ...

Ida, von Beruf Autorin, bringt seit Monaten kein Wort mehr zu Papier. Als langsam aber sicher das Geld knapp wird und die Schreibblockade anhält, nimmt sie einen Job als Haushälterin bei der alten Ottilie Selig an. Während Ottilie anfangs sehr eigenbrötlerisch und verschlossen daherkommt, entwickelt sich zwischen den beiden Frauen eine Freundschaft. Denn eines verbindet sie beide: die Liebe zu den Worten.

Dieser kleine Einblick kann in kleinster Weise das widerspiegeln, was diese Geschichte ausmacht. Es ist die Hingabe und Liebe zur Welt der Bücher und der Geschichten.
— „Denn ein Mensch, der zu einer ersten Begegnung ein Buch mitbrachte, dem würde sie zu Beginn immer einen Vertrauensvorschuss gewähren. Das war ein ungeschriebenes Gesetz unter Lesenden.“ (Seite 33) —
Ida beginnt der an Demenz erkrankten Ottilie eine Geschichte zu erzählen, um sie vor dem Vergessen zu bewahren und sich gleichzeitig auch selbst die Frage zu beantworten, warum sie nicht mehr schreiben kann. Alles dreht dabei um die Frage, ob man Fantasie und Worte messen kann, weil Ida sich leichter fühlt, seit ihr ebendiese Worte fehlen. Hier möchte man, ohne in die Geschichte eingetaucht zu sein, sofort NEIN !brüllen. Selbstverständlich ist das nicht messbar! Doch die Autorin stellt diese Frage immer wieder so geschickt, dass ich am Ende denke, ja, vielleicht kann man es messen, nur nicht so wie wir es kennen, mit Zahlen und Gewichten, sondern mit Geschichten, Gefühlen, Emotionen und Erinnerungen.

Für mich lebt das Buch von seiner unfassbar sanften und liebevollen Erzählweise, die davon ablenkt, dass der Plot an sich und das Ende nicht überraschen. Du weißt, welche Charakterentwicklung dich erwartet und wie es ausgehen wird, wenn du die ersten Seiten gelesen hast, aber was mich überrascht und in den Bann gezogen hat, war, wie berührend und einfach nur schön geschrieben es ist.
Diese Buch ist für alle, die es genießen, dass das Geschichtenerzählen im Vordergrund steht, Worte ein Leben ausmachen und Bücher alles verändern können. Eine große Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 29.03.2024

Toller Ausflug in den Wald

Waldgeheimnisse
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Das Leben des Ökosystems Wald gepackt in ein interessantes, kurzweiliges, lehrreiches und obendrein optisch ansprechendes Buch.
Präzise und auf den Punkt kommt hier ein Fakt nach dem anderen auf den Tisch, ...

Das Leben des Ökosystems Wald gepackt in ein interessantes, kurzweiliges, lehrreiches und obendrein optisch ansprechendes Buch.
Präzise und auf den Punkt kommt hier ein Fakt nach dem anderen auf den Tisch, sodass keine Langeweile aufkommt. Am Anfang geht es viel darum wie der Wald funktioniert und wie Bäume aufgebaut sind. Das sollte der ein oder andere vielleicht noch aus dem Biologieunterricht kennen, aber wusstet ihr zum Beispiel, dass ein ausgewachsener Baum an einem Sommertag etwa 500 Liter Wasser braucht? Wenn ich da so an diese Bewässerungssäcke an Bäumen denke, die man mittlerweile im Sommer hin und wieder sieht, sind die wohl eher ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Interessant auch das Zusammenspiel von Mensch und Wald und die Zukunftsaussichten, die gegeben werden. Toll ist, dass man sich bei der Lektüre keinesfalls durch lange Texte ackern muss. Immer wieder gibt es kleine Info Boxen, „Probier‘s aus“ - Challenges und, was ich besonders gelungen fand, Mythos Facts, die den Text auflockern.
Das Buch lädt wirklich in den Wald ein, man möchte sofort raus und Spitzwegerich und Brombeeren sammeln (nein, du wirst nicht am Fuchsbandwurm sterben, wenn du etwas aus dem Wald isst!) und Barfuß über das Laub gehen.
Wir wohnen ca 500m vom Wald entfernt und wir sind wirklich gerne dort zum Spazieren, Schnecken beobachten, Laub rascheln und Moos streicheln. Nach diesem Buch sehe ich den Wald noch einmal mit anderen Augen und werde meine Adleraugen nach dem nächsten Elsternest offen halten, ob ich es jetzt wirklich von dem eines Eichhörnchens unterscheiden kann…

Kurz und knapp: für alle Waldfans und die, die es werden wollen eine riesengroße Leseempfehlung!