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Veröffentlicht am 16.10.2017

Der Jasmingarten

Der Jasmingarten
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Sizilien, Anfang des 20. Jahrhunderts:

Ignazio Marra, Anwalt und Anhänger der Sozialisten, war befreundet mit dem Vater von Giosuè, der bei einem Aufstand und hinterhältigen brutalen Niederschlag der ...

Sizilien, Anfang des 20. Jahrhunderts:

Ignazio Marra, Anwalt und Anhänger der Sozialisten, war befreundet mit dem Vater von Giosuè, der bei einem Aufstand und hinterhältigen brutalen Niederschlag der Regierung sein Leben verlor und Giosuè hinterließ: Ignazio kümmerte sich nach dem Tod des Freundes um den Jungen und so wuchsen Maria, die Tochter des Anwalts und Giosuè zusammen auf. Sie verband eine enge Freundschaft, die ein Leben lang halten sollte...
Pietro Sala, der aus einer mächtigen Familie Siziliens stammt, ein Lebemann mit Sinn für alles Schöne, verliebt sich in die noch sehr junge Maria, hält um ihre Hand an - und heiratet sie schließlich.
Der Kontakt zu Giosuè, der Maria helfen möchte, sich für die Lehrerinnenprüfung vorzubereiten, reißt jedoch nicht ab und Giosuè ist fortan ein enger Freund der Familie....

So beginnt dieser Roman, der ein Gesellschaftsporträt der sizilianischen Gesellschaft ist, deren normale Bürger von Armut geprägt war und es ein großes Gefälle zwischen Aristokraten, Minenbesitzern wie den Salas und der armen Bevölkerung gab, die ob der schlechten Arbeitsbedingungen in jungen Jahren nicht selten auswanderten. Frauen wie Maria, die "nach oben" heirateten, waren dennoch oftmals schlecht gestellt und ohne Absicherung durch den Ehemann. In diesem Falle jedoch war der Schwiegervater Vito Sala gut beraten, die tatkräftige und kluge Maria trotz ihres jungen Alters in die Geschäfte einzuweihen und sie ob der Glücksspielsucht Pietros in die Verwaltung einzuführen: Sie sollte später diese leiten, um das Vermögen ihrer Kinder Anna, Vito und - viel später Rita - zu sichern, während Pietro eine Leibrente zustand.

"Der Jasmingarten" liest sich wie ein Einblick in die Welt einer wohlhabenden sizilianischen Familie, die ihr Erbe sichern will und trotz unruhiger Zeiten (der erste wie auch der zweite Weltkrieg stehen noch bevor) ein relativ gutes Leben führt; in Palazzi wohnt und durch den Besitz der Schwefelminen reich wurde. Allerdings zahlen die "Carusi", halbwüchsige Kinder, die den Hauern unterstehen und meist keine 30 Jahre alt werden, da sie unter erbärmlichsten Bedingungen unter Tage arbeiten, einen hohen Preis für diese Art von Reichtum und Wohlstand.

Der Autorin gelingt es anhand von gut recherchierten politischen Fakten, das Sizilien - und Italien von etwa 1900 bis 1950 vor den Augen des Lesers wiederauferstehen zu lassen, indem sie ein facettenreiches und farbiges wie auch politisches Bild Italiens malt, das sowohl das Erstarken der Mafia, das Elend des Südens und der Reichtum des Nordens wie auch die Zeit Mussolinis beschreibt.

In all diese Beschreibungen und politischen Umbrüche spielt die Beziehung und die große Liebe zwischen Maria und Giosuè jedoch die bedeutendste Rolle - sie besteht selbst in Kriegswirren und ist unbezwingbar, teils auch sehr sinnlich beschrieben. Maria war durch ihre Klugheit, ihr soziales Engagement und ihre starke Empathie eine Sympathieträgerin für mich, Giosuè empfand ich als widersprüchlich - da er anfangs, in einem sozialistischen Haushalt aufgewachsen, ebenfalls sozialistische Meinungen vertrat, später jedoch "mit dem Faschismus (Mussolinis) zufrieden war" (Zitat), dieser Gesinnungswandel passte nicht, zumal er jüdischer Herkunft war und es in Italien niemanden entgehen konnte, was sich in Deutschland in diesen Jahren ereignete. So wird der aufkeimende Antisemitismus, der auch in Italien jüdische Familien zur Emigration bewegt, nicht ausgespart. Auch mit innerfamiliären Streitigkeiten seitens der Schwägerinnen, die Maria ihr Erbe des Schwiegervaters nicht gönnen, fließen immer wieder thematisch mit ein, ein sicher sehr realer Hintergrund.

Wer diesen Gesellschafts- und Liebesroman interessiert liest, kann eine ganze Menge über die italienische Geschichte lernen: Die Expansionspolitik Mussolinis, die dem Faschismus in Deutschland nicht nachstand, z..B. In den Kriegswirren wird es jedoch für die Liebenden zunehmend schwieriger, sich zu sehen, wenn Maria auch inzwischen Witwe ist. Der Roman endet in den späten 1940er Jahren und die Liebe zwischen Maria und Giosuè, wie auch zu den inzwischen erwachsenen Kindern besteht fort...

Der Schreibstil der Autorin ist flüssig, atmosphärisch und gut zu lesen; die 49 Romankapitel sind angenehm kurz gehalten und die Sinnlichkeit und Farbenpracht, der Ausdruck von Freude und Schmerz haben ihren angestammten Platz, der den Leser in die Palazzi des beginnenden 20. Jahrhunderts zu entführen vermag, leider fiel es mir dennoch etwas schwer, eine Beziehung zu den Hauptprotagonisten aufzubauen: Ich nahm sie recht distanziert wahr, mit Ausnahme von Maria.

Fazit:

Ich schließe mich gerne der Aussage an, dass dieser Roman der in Italien sehr bekannten Autorin "ein farbiges Gesellschaftsepos und (gleichzeitig) die Geschichte einer unbezwingbaren Liebe" zwischen Maria und Giosuè ist, die in all' ihren Facetten, sinnlich, voller Freude und auch Schmerzen beschrieben wird. Jedoch steht diese große Liebe für mich zu sehr im Vordergrund und ich hätte mir mehr historische und auch soziologische Einblicke in andere Gesellschaftsschichten Italiens gewünscht; hier liegt der Blickwinkel sehr in der Perspektive der "Palazzi", dem Hause Sala u.a., deren Reichtum auf den Besitz und der Unterhaltung der Schwefelminen zurückzuführen ist. Meine Wertung: 3,5 * und 87° auf der "Histo-Couch"

Veröffentlicht am 28.06.2017

Über den Dächern von Cambridge :)

Gray
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"Gray" von Leonie Swann erschien 2017 im Goldmann-Verlag (gebunden, HC) und der Hauptakteur dieses skurrilen und sehr unterhaltsamen 'Kriminalromans' sitzt recht zufrieden und eine Erdnuss knabbernd auf ...

"Gray" von Leonie Swann erschien 2017 im Goldmann-Verlag (gebunden, HC) und der Hauptakteur dieses skurrilen und sehr unterhaltsamen 'Kriminalromans' sitzt recht zufrieden und eine Erdnuss knabbernd auf dem Cover des ansprechenden farblich passenden grau-pinken Covers.

Dr. Augustus Huff, seines Zeichens Dozent für Anthropologie und Tutor von Elliot Fairbanks, wird nach dessen Tod 'temporärer Halter' des Graupapageis Gray, den Elliot zu seinen wissenschaftlichen Sprachforschungen hielt - und versorgte, bis sein Leben in einem jähen Absturz vom Kirchturm der Chapel in Cambridge ein vorzeitiges Ende fand.

War es ein Unfall oder war es Mord? Dieser Frage geht Huff gemeinsam mit Gray auf der Schulter nach - und leuchtet das Umfeld des Studenten Elliot in einer für ihn nicht gänzlich ungefährlichen Weise auf. Er findet kompromittierende Fotos in Elliots Zimmer, auf denen in delikater Weise namhafte Professoren und Mitarbeiter des College abgebildet sind: Ist Erpressung im Spiel? Wer machte die Fotos und wer könnte ein Interesse daran gehabt haben, dass diese niemals in die Öffentlichkeit - die altehrwürdige - gelangen?

Der sehr ordnungsliebende, zwangsneurotische August Huff muss aus dem durchgetakteten College-Alltag unbekannte Pfade beschreiten, um dem Mörder näher zu kommen: Hat er eine Abneigung gegen die Ordnungszahlen zwei, vier und acht sowie vor allem gegen jede Form von Schmutz oder gar Bakterien, die er mit zwanghaftem Händewaschen vom Leibe zu halten versucht, so muss er nun lernen, diese zu überwinden. Die Beschreibung Huffs, seine Gedankenpfade und das sich-aneinander-gewöhnen von Huff und Gray, der ebenfalls Ordnung liebt und sie auch braucht, da er sonst in Panik gerät, sind sehr witzig und skurril von Leonie Swann beschrieben und machen die Hauptcharakteristik dieses humorvollen Romans um den ominösen Tod eines Studenten aus; die Kriminalhandlung selbst ist gegenüber dem sprechenden Gray und den Versuchen Huffs, hier das jeweils Richtige herauszuhören, das den Fall lösen könnte, etwas nebensächlich.

Die Autorin versteht es, einen als Leser auf den "Gedankenpfaden" Huffs so einige Male - erstmal - in die falsche Richtung zu schicken; eine Reihe Tatverdächtiger zu präsentieren, die in die Liste der Verdächtigen einfließen. Zum Schluss gibt es eine unvorhersehbare Wendung und einen stimmigen Plot. Der Stil ist eingängig und leicht zu lesen, von kurzen Sätzen geprägt, etwas College-Lokalkolorit und vor allem haucht Gray diesem Roman an exakt den richtigen Stellen auf äußerst humorvolle Weise witzige Situationskomik ein, die sich in der Tat gewaschen hat.

Meine Lieblingssätze Grays sind: "Nimm ne Nuss!" (für Lob) oder
"Die Trauben kannst du dir abschminken!" - was mir einige schöne Lesestunden bescherte. Der Humor kam allerdings bei Gray sehr viel überzeugender 'rüber' als bei Dr. Augustus Huff; hier wirkte der Roman zuweilen nach meinem Empfinden etwas zu sehr 'bemüht', komisch zu sein. Gefallen haben mir die kurzen "Tagebucheinträge eines Luftikus", die die Spannung vergrößerten, da man nicht weiß, von wem sie stammen. Hier gelang es der Autorin auf pfiffige Art, den Leser auf falsche 'Gedankenpfade' zu locken...

Fazit:

Ohne die Vorgänger der Schafskrimis zu kennen, kann ich mir diese ähnlich vorstellen und hatte bei "Gray", einem skurrilen, sehr unterhaltsamen und humorvollen Kriminalroman aus der Feder Leonie Swanns durchaus einige witzige Lesestunden mit einem schrägen Ermittlerteam: Huff und Gray: Es gab spannende Kletterpartien auf altehrwürdig-historischem Cambridge-Gemäuer und einen intelligenten und aufgeweckten Graupapagei, dessen Sätze ich vermissen werde: Ich nehm jetzt ne Nuss und bedanke mich für vergnügliche Lesestunden. Ich vergebe 3,5 Erdnüsse - nein Lesesterne sowie 85 von 100 Krimikeksen auf der "Krimi-Couch" und empfehle den Roman gerne an Leonie Swann-Fans sowie allen Lesern mit einer gehörigen Portion Humor ;)

Veröffentlicht am 04.02.2024

Der literarische "Zauber" des Vorgängers fehlt!

Die Bibliothek im Nebel
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"Die Bibliothek im Nebel" des bekannten deutschen Autors Kai Meyer ist der Nachfolger von "Der Bücher, der Junge und die Nacht", das ich gelesen und das mich sehr begeistert hat: Dies kann ich bei dem ...

"Die Bibliothek im Nebel" des bekannten deutschen Autors Kai Meyer ist der Nachfolger von "Der Bücher, der Junge und die Nacht", das ich gelesen und das mich sehr begeistert hat: Dies kann ich bei dem vorliegenden Band (erschienen bei Droemer Knaur, 2023, HC, 556 Seiten) leider nicht bescheinigen, da ich mich (erstmals bei Kai Meyer, den ich als Autor von z.B. auch der Trilogie um die Alchimistin sehr schätze) durch viele Längen und fehlende Spannung über große Strecken eher durch den Roman quälte als dem üblichen Lesegenuss zu frönen.


"Die Bibliothek im Nebel" spielt auf drei Zeitebenen:


1917 in St. Petersburg, wo der Bibliothekar Artur Davilow, der in die Familie der wohlhabenden Verlegerfamilie Kalini wie ein Sohn aufgenommen, aber nie adoptiert wurde, sich unsterblich in die junge Straßenmalerin Mara verliebt. Xenia Kalini, selbst kein Zeichentalent, will die junge Frau fördern und ihr ein Zuhause geben. Ihre Tochter Ofeliya, die eine strahlende Zukunft als Tänzerin hätte leben können, ist durch einen Unfall an den Rollstuhl gefesselt - die beiden jungen Frauen werden jedoch bald zu Freundinnen. Mara lernt in Südfrankreich, wo die Kalinis sich gerne wie viele andere reiche Russen überwintern, die Söhne der Familie Eisenhuth aus Leipzig kennen: Sie soll auf sein Werben hin die Ehefrau von Demian werden und reist mit den Eisenhuths nach Leipzig. Die Geschichte nimmt ihren Anfang vor dem 1. WK und Frederik Eisenhuth, der Verleger, hat eine große Anzahl an Büchern (er liebt Märchen, besonders russische) bereits in besagte Villa an der Cote d'Azur schaffen lassen, die dem Buch seinen Titel gibt. Spiridon, ein Kuriositätenhändler, Fälscher und Freund Artur's, verhilft diesem zur Ausreise aus Russland auf dem Dampfer Saltan; als Gegenleistung soll Artur einem gewissen Petrow ein mit Ketten verschnürtes Buch in Leipzig übergeben, das dort - im Graphischen Viertel - in Druck gehen soll.


Cote d'Azur, 1928:


Liette Chevalier (11) findet auf dem Dachboden Trois Graces die Reisekisten russischer Familien, darunter ein mit einem Schloss gesichertes Buch und einen Mondstein-Anhänger. Liette liebt Bücher über alles und ist ein mutiges Mädchen: Diesen Mut sollte sie auch brauchen, um sich ihrem Onkel widersetzen zu können. Außerdem möchte Liette wissen, was es mit diesem Buch auf sich hat.


1957, Cote d'Azur, Paris, Finnland...

Liette, nun Direktorin des Hotels Trois Graces, beauftragt den Gentleman-Ganoven Thomas Jansen, mehr über die Besitzerin des Buches (und wie sich herausstellt, der Villa Eisenhuth, die Liette in ihren Besitz bringen möchte) herauszufinden. So machen sich die beiden auf den Weg, den Verbleib der mysteriösen Mara aufzuklären.


Meine Meinung:


Sind Romane auf verschiedenen Zeitebenen oft meine Favoriten, hatte ich hier den Eindruck, dass das Geflecht, das Kai Meyer hier gewoben hat, eher des Guten zuviel waren: Der Spannungsbogen war sehr niedrig und die erzählte Geschichte voller Längen, die mein Lesegusto nicht zufriedenstellen konnten. Allerdings gelingt dem Autor wie beim Vorgänger mit Bravour, die Orte des Romans sehr bildhaft und atmosphärisch darzustellen. Auch die Fahrt auf der Saltan mit Artur und Grigori, der für mich "der stille Held" dieses Romans ist, habe ich genossen (und hoffe, dass Letzterer den richtigen Boden für seine Minze - und für sich selbst finden möge). Auch fließen besonders im Romanteil, der 1917 spielt, viele historische Informationen über die russische Geschichte ein, diesen "Background" fand ich sehr interessant.


Fazit:


Versteht es Kai Meyer ansonsten par excellence, einen gelungenen Genremix zu erschaffen (hier sind es wie beim Vorgänger Familiensaga, Liebesgeschichte, Abenteuer und eine Prise Mystery und Kriminalroman), so kann ich diesem Können im vorliegenden Band leider nicht zustimmen: Besonders am Ende war ich sehr enttäuscht, da mir bis dahin schleierhaft war, welche Motive Mara, deren Geheimnisse durch das Buch tragen, tatsächlich hatte. Ob ich sie mochte oder eher nicht. Die "Kollateralschäden", die durch so manche Handlungen entstanden, fand ich furchtbar und Ofeliya wie auch Grigori waren meine Lieblingsfiguren. Wegen der unnötigen Längen und mir fehlender Spannung kann ich daher nur 3* vergeben.

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Veröffentlicht am 14.01.2024

Die Verwundbaren

Die Verletzlichen
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"Die Verletzlichen" von der bekannten amerikanischen Autorin Sigrid Nunez (übersetzt aus dem Amerikanischen von Anette Grube) erschien im Aufbau-Verlag, Berlin (HC, gebunden, 221 S.). Ich kannte die Autorin ...

"Die Verletzlichen" von der bekannten amerikanischen Autorin Sigrid Nunez (übersetzt aus dem Amerikanischen von Anette Grube) erschien im Aufbau-Verlag, Berlin (HC, gebunden, 221 S.). Ich kannte die Autorin zuvor nur dem Namen nach und musste im Verlauf des Lesens dieses Romans feststellen, dass ich andere Erwartungen an "Die Verletzlichen" hatte als ich letztlich darin vorgefunden habe.


Worum geht's?


Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten; denn: Es geht um so Vieles! Die Haupthandlung besteht darin, dass Iris, eine gute Freundin der "namenlosen Erzählerin" - nachfolgend n.E. von mir genannt - einen jungen Studenten damit beauftragt, für die Zeit ihrer Reise zu den Schwiegereltern in Kalifornien Eureka, den Papagei der Familie, zu hüten (und dies ist keine leichte Aufgabe, da Eureka, der sehr selbstgefällig ist "und weiß, wie schön er ist", ein Zimmer für sich alleine hat - die Wände erinnern an den Dschungel, seine eigentliche Heimat; und jeden Tag viel Aufmerksamkeit braucht). Der Student ist ein Freund der Familie und Iris vertraut ihm, auch wenn sie um die problematischen Hintergründe des jungen Mannes weiß. Da dieser Student es jedoch vorzieht, nach Vermont zu ziehen, da New York eine schwer betroffene Stadt der Pandemie ist (2020), kommt die n.E. ins Spiel, die hier gerne einspringt, da die Wohnung von Iris (und was für eine: Luxuriös ist kein Ausdruck; das Ehepaar hat drei Anwesen; eins davon in New York) fußläufig erreichbar ist.


So freunden sich der zuerst schreiende Papagei und die n.E., die tagsüber gerne durch die Parks streift, nach und nach an. Sie empfindet Freude daran, mit ihm zu spielen und sich mit ihm zu beschäftigen. Bis eines Tages unvermittelt der Student zurückkehrt - und beide sich (auf Wunsch von Iris) die - zugegebenermaßen sehr große Wohnung - teilen müssen. Was der n.E. anfangs gar nicht behagt. Beide sich auch weitläufig aus dem Wege gehen, bis - ja bis der Student bemerkt, dass die n.E. nicht kochen kann und jeden Tag dieselben Sandwiches isst: Nun kocht er (das vegane Kochen hat er während eines Klinikaufenthalts gelernt) für beide, wenn sie auch nie zusammen essen. Die Einsätze als Hüter von Eureka verlängern sich, da das Baby, das Iris erwartet, früher zu kommen scheint.


Meine Meinung:


Ich habe selten einen Roman gelesen, der eher einer Aneinanderreihung von teils interessanten, teils aber auch verworrenen Gedanken glich und dem jedweder rote Faden fehlte. Themen gibt es zuhauf (Tod und Verlust; das Verhalten von Menschen, das in Pandemiezeiten nicht immer nachvollziehbar ist, die Literatur, das Schreiben, die Natur und der Mensch als ihr Zerstörer, der "Brain Fog" als Folge der Pandemie, das Scheitern und seine Wichtigkeit, um als "Destillat dessen daraus hervorzugehen, der man eigentlich ist" und so vieles mehr.


Viele Themen sind an der Oberfläche geblieben; manche sind intellektuell und durchaus interessant, für eine tiefergehende Aussage reicht es jedoch nicht. Dagegen wird relativ schnell zum nächsten Thema übergegangen. Dies hat meine Lesefreude eher gebremst als sie anzufachen.


Der Roman ist in zwei Teile geteilt; dazwischen gibt es ein "Intermezzo", in dem es hauptsächlich um das Schreiben und das Lesen, um Literatur selbst geht. Hier fand ich einiges recht interessant, anderes nebensächlich. Nachdenklich stimmte hier, dass manche AutorInnen in der Lockdown-Zeit Probleme hatten, zu schreiben und sich zu konzentrieren (was dem Rest der Menschheit sicher ebenso erging). Der Stil ist schnörkellos, prägnant, die Kapitel sind kurz und vieles wirkte auf mich zusammenhanglos. Die interessanteste Figur war für mich der junge Student, dessen Ansichten ich teilte und von dem ich gerne mehr erfahren hätte. Im Klappentext geht es um "Nähe und Innigkeit in unwägbaren Zeiten", hier konkret um zwei Menschen wie die n.E., eine ältere Frau, und einen jungen Studenten, die sich in der "Papageien-Wohnung" einer sehr privilegierten Freundin miteinander arrangieren müssen: Von Nähe und Herzlichkeit war hier für mich allerdings meist wenig bis gar nichts zu spüren, was mehr von der n.E. auszugehen schien als von dem Studenten, den ich mochte und der dem Roman am Ende noch eine positive Wendung gibt, die auch Eureka gefallen haben dürfte.


Fazit:


Ein auf mich leider sehr fragmentarisch wirkender Roman in einer eher schwierigen Zeit (Pandemie, New York) um zwei Menschen, die sich um einen verwaisten Papagei kümmern. Eher eine wahllose Aneinanderreihung von (teils klugen, intellektuellen) Gedanken einer namenlosen Erzählerin, die für mich schemenhaft bleiben. Ähnlich wie der 'Brain Fog', der hier angesprochen wird. Der rote Faden fehlte und auch eine literarische Tiefe. Zumindest mir. Daher von mir knappe 3 Sterne.

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Veröffentlicht am 19.11.2023

Amo ergo sum (ich liebe, folglich bin ich)

Florence Butterfield und die Nachtschwalbe
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Der Roman "Florence Butterfield und die Nachtschwalbe" von Susan Fletcher erschien (HC, geb., 494 Seiten) im Verlag Kindler (Rowohlt Verlagsgruppe). Die mir bis dato unbekannte britische Autorin entführt ...

Der Roman "Florence Butterfield und die Nachtschwalbe" von Susan Fletcher erschien (HC, geb., 494 Seiten) im Verlag Kindler (Rowohlt Verlagsgruppe). Die mir bis dato unbekannte britische Autorin entführt hier ihre Leser in eine Seniorenresidenz namens "Babbington Hall". Ein umgebauter Herrensitz im ländlichen Oxfordshire mit großem Garten, das man sich recht zauberhaft vorstellen kann.


Hier lebt seit Kurzem Florence Butterfield (87), genannt Florrie, die Hauptprotagonistin des Romans, deren Vater Polizist war und die ihrem geliebten Bruder Bobs (im 1. Weltkrieg umgekommen) versprochen hat, die Abenteuer in ihrem Leben zu suchen, die er nicht mehr verwirklichen konnte. Florrie verlor durch einen Unfall ein Bein, was sie an den Rollstuhl fesselt und ist ohne ihre Hörgeräte stocktaub. Doch sie ist auch ein Mensch, der dem Positiven stets zugewandt ist und für den jeder Tag wie ein kleines Wunder ist. Trotz ihrer Malaisen ist sie lebenslustig, liebt Lavendel und ihr Sonnenblumenbild sowie das Teetrinken im Bett. Mit ihrer neuen Situation im Senioren- und Pflegeheim hat sie sich bestens arrangiert und lässt den Leser in Rückblicken ihr erfülltes Leben sehen, in dem sie weit gereist ist und 6 Männer von Herzen liebte.


Doch etwas kommt Florrie merkwürdig vor: Wieso verunglückte der liebenswerte Arthur Potts im Garten der Residenz tödlich? Und wieso sollte Renata Green, die zurückhaltende, aber liebenswerte Heimleiterin von Babbington Hall, sich durch einen Sturz aus ihrer im 3. Stock befindlichen Wohnung stürzen? Hatte sie ihr doch kurz zuvor erzählt, dass sie sehr gerne Paris besuchen würde und erstmals in ihrem Leben verliebt ist; sich gerne über Männer und die Liebe mit Florrie unterhalten würde? Diese Ungereimtheiten passen für Florrie nicht zusammen und sie findet in Stanhope, einem rüstigen, ebenfalls liebenswerten ehemaligen Lateinlehrer, unvermutet einen Verbündeten, der auch nicht an einen Freitod von Renata glauben mag: Die Handlung bekommt fortan Krimielemente und Florrie und Stanhope könnten entfernt an Miss Marple und Mister Stringer erinnern: Sehr findig (immerhin ist Florrie die Tochter eines Polizisten) versuchen sie nun, die Puzzleteile zusammenzusetzen, die das Gegenteil eines Suizids im Falle von Renata beweisen können: Einen Mord!


Sehr viele Personen bevölkern diesen Roman, der in Rückblicken Florries Leben beschreibt: Orte und die Männer, die sie geliebt hat wie auch ihre Eltern und ihr Bruder, den sie in kindlichem Alter verloren hat. Auch gibt es ein Geheimnis namens "Hackney-Vorfall", das erst ganz am Romanende gelüftet wird (für mich irgendwann etwas vorhersehbar war). Florrie muss man mit all' ihrer Lebensfreude und Lebenslust bis ins hohe Alter einfach ins Herz schließen; ebenso wie Stanhope, der ein liebenswürdiges Pendant zu Florrie ist und sie in den Ermittlungen der "Ungereimtheiten" erfinderisch unterstützt. Dennoch muss ich bei all' der Fülle der Themen sagen, dass mir persönlich dieser Roman in vielerlei Hinsicht zu ausufernd und von Längen durchzogen war, der meine Lesefreude zuweilen verringerte. Thematisch geht es um Freundschaft (hier war Pinky, die lebenslange Freundin von Florrie, ein menschlicher Leuchtturm), um Glück und Liebe, aber auch um Ängste, Traumata und Verluste, die das Lebensglück verhindern oder schmälern können. Schön fand ich die tief empfundene Dankbarkeit Florries für die Begleitung vieler netter Menschen in ihrem Leben und die "Pakete voller Liebe", die sie stets an diese absendete - sogar an die demente Tabitha, die einen Stock über ihr im Seniorenheim wohnt.


Fazit:


Eine wirklich schöne Buchidee in malerischer Atmosphäre, der Seniorenresidenz Babbington Hall, die jedoch allzu oft in Nebensächlichkeiten stilistisch 'ausufert' und durch langatmige Passagen die Lesefreude bei mir schmälerte. Daher von mir knappe 3*.

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