Platzhalter für Profilbild

books-and-sorcery

Lesejury-Mitglied
offline

books-and-sorcery ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit books-and-sorcery über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.05.2024

Dystopisch, prophetisch, hoffnungsvoll

Die Parabel der Talente
0

Was für ein Dilogie-Abschluss. Für Die Parabel der Talente, übersetzt von Dietlind Falk, kann ich eigentlich alles wiederholen, was ich schon zum ersten Band habe.

Octavia E. Butler schafft es, mit einer ...

Was für ein Dilogie-Abschluss. Für Die Parabel der Talente, übersetzt von Dietlind Falk, kann ich eigentlich alles wiederholen, was ich schon zum ersten Band habe.

Octavia E. Butler schafft es, mit einer einfachen, präzisen und klaren Sprache, mit einer durchdringenden Stimme und einer fast schon prophetischen Akkuratheit, dystopisch, aber dennoch stets mit Hoffnung zukunftsgerichtet zu schreiben. Ein Beispiel: In Butlers dystopischem Amerika kommt ein populistischer Präsident an die Macht, der christlichem Fundamentalismus und white supremacy direkt in die Hände spielt und dessen Wahlspruch “make America great again” lautet - der Slogan, der auch schon von Ronald Reagan genutzt wurde, erinnert daran, dass es oben genannte Themen nicht erst seit Trump gibt.

Ich liebe es, wie akkurat Butler Beobachtungen und Erfahrungen literarisch umsetzt, denn das zeigt einem auf, dass es Mut braucht, der sich aus Hoffnung speist, um etwas zu verändern. Die Lektüre war keinesfalls leicht, Die Parabel der Talente hat mir nochmal mehr abverlangt, als Die Parabel vom Sämann. Aber sie hat mir vielleicht auch mehr Hoffnung gegeben.

Mehr noch als im ersten Band legt sie den Fokus auf das Bilden von Community und das “Säen” von Ideen, die Hoffnung in sich tragen. Diesen Ansatz wünsche ich mir in noch viel mehr SFF-Werken, denn wie oft habe ich jetzt schon gelesen, dass Helden und Heldinnen super schnell bereit sind, ihre Familie und Gemeinschaft zu verlassen, um die Welt ganz alleine auf heroische Art zu retten? Nie verliert Butler die transformative Kraft aus den Augen, die aus Solidarität heraus entstehen kann. Trotzdem ist auch dieses Thema bei Butler nicht schwarz/weiß. So entwickelt sich eine Figur, die der Protagonistin nahe steht, in eine ganz andere Richtung - leider ein Punkt, der nah an der Realität ist.

Ich empfehle diese Dilogie unbedingt und freue mich, dass ich voraussichtlich bald wirklich zu den Sternen fliegen werde ✨ Butlers SF-Trilogie Xenogenesis bekommt nämlich eine Neuauflage! 🌌

Vielen Dank an den Verlag und das Bloggerportal für dieses Rezensionsexemplar.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.04.2024

Immersives Leseerlebnis

Fast verschwundene Fabelwesen. Die sagenhafte Expedition des Konstantin O. Boldt
0

So, Freunde. Ich habe meinen Reiserucksack gepackt und bin bereit, am Wochenende ins Reich der Fabelwesen aufzubrechen. Ihr wisst nicht, was das ist und wie man dorthin gelangt? Dann empfehle ich euch ...

So, Freunde. Ich habe meinen Reiserucksack gepackt und bin bereit, am Wochenende ins Reich der Fabelwesen aufzubrechen. Ihr wisst nicht, was das ist und wie man dorthin gelangt? Dann empfehle ich euch dringend, das Expeditionstagebuch von Konstantin O. Boldt zu lesen! Dort bekommt ihr einen wunderbaren Eindruck davon, was es für einen Forscher und Fabelwesenenthusiasten heißt, in einer Welt zu leben, in der die Fabelwesen wie Einhörner, Basilisken und Co. durch Industrialisierung und Entwaldung schon fast ausgestorben sind.

Mit dem hehren Ziel, eben jene Fabelwesen einzufangen und in ein Gebiet zu bringen, in dem sie friedvoll überleben können, bricht Konstantin O. Boldt mit weiteren Forschenden, einer Freischützin und einer Nonne auf eine Expedition, genannt Letho-Expedition, auf eine Reise durch Europa auf.

In Tagebucheinträgen erfahren wir Unwissenden mehr über das große Abenteuer, das allerhand Gefahren - tierischer, paranormaler und menschlicher Natur - bietet. Aber nicht nur das, denn es lassen sich auch Feldnotizen, Skizzen, Karten, Zeitungsartikel, Fotografien… (ich könnte an der Stelle noch ewig so weitermachen) finden, die uns die Welt der Fabelwesen näher bringen. Dies und die vollständige Kollorierung der Seiten lassen einen quasi selbst zum Teil der Letho-Expedition werden. (Mit weniger Werwölfen vielleicht)

Ein Highlight für mich waren die Illustrationen und die Bestiarien-Einträge - ich habe so viel gelernt! Die Balance aus wissenschaftlicher Fundierung, was das Historische und die Fabelwesen angeht, und das Phantastische an der Geschichte hat für mich perfekt funktioniert.

Wenn ich etwas kritisieren wollen würde, wäre es, dass ich gerne mehr über die anderen Mitglieder der Expedition erfahren hätte. Das sind nämlich echt interessante Charaktere! Außerdem musste ich so manches Mal eine Lupe zur Hand nehmen, denn es gab eine gewisse Schriftart, die ziemlich klein war… wobei das der Immersion keinen Abbruch tat.

Ich bin jetzt umso gespannter, wie meine eigene Expedition abläuft (hoffentlich mit weniger Unfällen) und kann euch dieses wunderschöne Buch wärmstens empfehlen. Für 32 Euro bekommt ihr hier unglaublich viel geboten.

Vielen Dank an den Verlag, Florian Schäfer und Elif Siebenpfeiffer für das Rezensionsexemplar!

P.S.: Im Sommer geht Konstantin O. Boldt wieder auf Reisen, habe ich gehört 🌊🦑

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.04.2024

Gemütliche spicy Romance, die sich selbst nicht zu ernst nimmt

Der Tag, an dem ich mich betrank und einen Werwolf bezauberte
0

🍯🧀 Sie ist eine Käsemacherin. Er ist laktoseintolerant. Can I make it anymore obvious? 🍻🍺

Auch der 2. Band der Mead-Mishaps-Reihe (engl. übrigens: The day I got drunk and yeeted a love potion at a werewolf) ...

🍯🧀 Sie ist eine Käsemacherin. Er ist laktoseintolerant. Can I make it anymore obvious? 🍻🍺

Auch der 2. Band der Mead-Mishaps-Reihe (engl. übrigens: The day I got drunk and yeeted a love potion at a werewolf) von Kimberly Lemming, übersetzt von Bettina Hengesbach, ist absolut unhinged, noch mehr als der erste Teil - und ich liebs!

Wir haben hier eine Käsemacherin namens Brie (wieder sehr passend, nachdem es im ersten Band um eine Gewürzhändlerin namens Cinnamon Hotpepper 🌶 ging), die in ihrer Freizeit gerne Omegaverse-Bücher, also spicy Werwolf-Geschichten, liest. Da passt es doch gut, dass sie aus Versehen im angetrunkenen Zustand einen Liebestrank auf einen eben solchen Werwolf namens Felix wirft! Er ist aber mehr so der Golden Retriever unter den Werwölfen. Oder stecken in ihm vielleicht noch eine düstere Seite? Das müsst ihr dann wohl selbst herausfinden.

Der zweite Band hat weniger Plot als der erste, was eine Leistung ist, was mir aber umso besser gefallen hat. Denn es gibt weniger spicy Szenen, dafür mehr Gemütlichkeit und noch mehr Humor und eine dicke popkulturelle Metaebene. Teilweise habe ich mich echt weggeschmissen! Außerdem lieb ich die ganz natürlich eingebrachte Body Positivity (das nächste Mal gern auch für die männlichen Protagonisten! das fehlt tatsächlich noch) und das diverse World Building.

Insgesamt sind das Bücher, die sich selbst überhaupt nicht ernst nehmen und einfach Spaß machen. Ich habe quasi nichts auszusetzen 🐝

Ich habe jetzt richtig Lust auf den 3. Band, denn das Pairing wurde schon angeteasert und hach, ich brauche das!

Vielen Dank an den Verlag für dieses Rezensionsexemplar.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.12.2023

Ein Must-Read-Jugendthriller

Warrior Girl Unearthed
0

Diese lose Fortsetzung, übersetzt von Petra Bös, steht Firekeeper's Daughter in nichts nach.

Es sind Sommerferien, und eigentlich will Perry Firekeeper-Birch nichts weiter als chillen und angeln gehen. ...

Diese lose Fortsetzung, übersetzt von Petra Bös, steht Firekeeper's Daughter in nichts nach.

Es sind Sommerferien, und eigentlich will Perry Firekeeper-Birch nichts weiter als chillen und angeln gehen. Doch es kommt ganz anders: Ihr Auto geht kaputt und sie muss die ganzen Sommerferien bei einem Praktikum schuften, um die Reparatur zu bezahlen. So landet sie bei dem etwas schrulligen Cooper, dem Leiter des Tribe-Museums, wo sie die Aufgabe bekommt, die Repatriierung (Rückführung/Rückgabe) des “Warrior Girls”, eines menschlichen Skellets, das in der nahe gelegenen Universität aufbewahrt wird, einzuleiten. Sie erfährt, dass das Gesetz “NAGPRA” (Native American Graves Protection and Repatriation Act) eigentlich dafür sorgen soll, dass diese so schnell wie möglich zurückgegeben werden, was aber in den seltensten Fällen geschieht.

Als immer mehr Frauen aus Perrys Community verschwinden, entwickelt sich ein spannender Jugendthriller, den ich einfach nicht mehr aus der Hand legen konnte. Boulley zeigt auch in diesem Buch, dass sie komplexe Themen anschaulich, verständlich und vielschichtig vermitteln kann. Sie konzentriert sich darauf, wie indigene und kolonisierte Körper damals wie heute ausgebeutet und kontrolliert werden - und schreibt gleichzeitig eigenwillige, empowernde indigene Charaktere, die alles für ihre Community und ihr Überleben tun.

Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir eine Szene, in der Perry “menschliche Überreste” in einer Cornflakes-Packung findet. “Überreste” - die Vorfahren von jemandem, die auf so gewaltsame Weise entmenschlicht werden. Auch in Deutschland lagern in Museen, Stiftungen, Archiven und Privathaushalten unzählige Knochen und Schädel, die während der Kolonialzeit geraubt, für rassistische Forschungszwecke missbraucht und als bloße “Objekte” betrachtet und entmenschlicht wurden (Decolonize Berlin e.V. 2022).

Fazit: Warrior Girl Unearthed hat mir, wie man wohl an dieser ausführlichen Rezension sieht, sehr sehr gut gefallen - es regt total zum Nachdenken an und ich hoffe sehr, dass noch viele weitere Bücher von Boulley erscheinen werden.

Anmerkung 1: Ich schreibe “menschliche Überreste” in Anführungszeichen, da es sich um einen verständlichen Begriff handelt. Perry und ihre Community sprechen im Buch aber von Vorfahren oder Ahnen - wissenschaftlich wird im Englischen oft “ancestral remains” genutzt (Decolonize Berlin e.V. 2022).

Anmerkung 2: In der deutschsprachigen Übersetzung das I-Wort reproduziert. Zwar an Stellen, an denen es eingeordnet wird, aber es hätte, meiner Meinung nach, zumindest eine einordnende Anmerkung der Übersetzung gebraucht.

Decolonize Berlin Quelle: Gutachten von www.ecchr.eu/fall/human-remains-ancestors/ unter "Dokumente"

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.08.2023

Absolutes Jahreshighlight

Die Parabel vom Sämann
0

Da es dieses Buch das erste Mal seit Langem in einer Neuübersetzung von Dietlind Falk zu kaufen gibt und ich das Gefühl habe, dass es klassische Science-Fiction-Werke auf Bookstagram nicht allzu leicht ...

Da es dieses Buch das erste Mal seit Langem in einer Neuübersetzung von Dietlind Falk zu kaufen gibt und ich das Gefühl habe, dass es klassische Science-Fiction-Werke auf Bookstagram nicht allzu leicht haben, möchte ich euch diese Reihe und die Autorin einmal genauer vorstellen.

Octavia E. Butler gilt als eine der einflussreichsten Autorinnen im Science Fiction-Genre und hat als Schwarze US-Amerikanerin den Afrofuturismus nachhaltig in seinen Themen geprägt. Besonders hervorzuheben ist hier z.B. die Xenogenesis-Trilogie, die es auf deutsch im Moment nur gebraucht zu kaufen gibt, oder ihr berühmtes Zeitreise-Werk “Kindred”.

Auch die “Die Parabel vom Sämann” (im Original 1993 erschienen) reiht sich als zeitloses Werk in den Afrofuturismus ein: Californien, 2024. Klimawandel und Naturkatastrophen und nicht zuletzt ein politischer Rechtsruck und Wirtschaftskrisen stürzen das Land in einen apokalyptischen Zustand. Die meisten Menschen leben in absoluter Armut und werden entweder dazu gezwungen, irgendwie auf der Straße zu überleben, zu plündern, stehlen und Drogen zu nehmen, oder sich riesigen Firmenstädte anzuschließen, die ihre Arbeiter
innen versklaven - und es geht augenscheinlich immer weiter bergab.

Die junge Lauren Olamina lebt in einer abgeschotteten Nachbarschaft, die zunächst vor Plünderungen geschützt ist. Sie leidet an “Hyperempathie”, d.h. sie spürt den Schmerz und die Freude von Personen als wären es ihre eigenen. Was sie besonders macht: Sie will sich eine bessere Zukunft schaffen, gründet sogar eine neue Religion - zunächst ganz für sich - mit dem Leitspruch: Gott ist Veränderung.

Butler beschreibt dieses apokalyptische Setting mit einer präzisen Klarheit, die WUCHT hat. Sie erzählt die wichtigsten Themen, die großen Anliegen der Menschheit, und trotzdem konnte ich das Buch ganz einfach von vorne bis hinten durchlesen (und werde es sicherlich irgendwann wieder tun). An vielen Stellen fühlte sich das Lesen gar prophetisch an - was nur für die Zeitlosigkeit dieses Buches spricht.

Was mich sehr berührt hat war, wie verschiedene Generationen beschrieben wurden. Die ältere Generation, wie z.B. Laurens Vater, versucht einfach nur irgendwie über die Runden zu kommen - sie wissen, wie gut es ihnen früher gegangen ist und sehen keine Zukunft. Doch die jüngere Generation, mit Lauren als zentrale Figur, hat NUR die Zukunft. Sie können sich die Vergangenheit gar nicht vorstellen, da sie immer nur Armut gekannt haben - dafür ist ihnen eine lebenswerte Zukunft umso wichtiger. Deshalb lautet Laurens Leitspruch eben auch:
Gott ist Veränderung.

N.K. Jemisin fasst im Vorwort zusammen:

“Butler scheint Die Parabel vom Sämann nicht als Lebensratgeber konzipiert zu haben, und doch ist es das. Das trifft auf alle großen Werke der Science-Fiction zu: Sie haben nicht nur einen akkuraten Blick auf die Zukunft zu bieten, sondern auch Vorschläge, wie man mit den daraus resultierenden Veränderungen umgehen kann. […] Die Zukunft zu erobern, wird ein ungemütlicher, gewaltvoller Kampf werden, aber ich bin bereit, ihn bis zum Schluss auszufechten. Die Zukunft ist nichts weniger wert.”
...und dem möchte ich unbedingt zustimmen.

Für mich war dieses Buch quasi ein Gateway in das Werk vom Octavia E. Butler und ich freue mich schon sehr auf den 2. Band, der nächstes Jahr erscheint. Leider ist diese Reihe unvollständig geblieben, soll wohl aber zu einem guten Abschluss kommen. Den ersten Band kann man durchaus auch als Einzelwerk lesen.

Ich vergebe eine absolute Leseempfehlung für alle. Die Kirsche auf der Sahne ist natürlich erreicht, wenn ihr euch auch nur ansatzweise für Science-Fiction oder apokalyptische Settings begeistern könnt. Falls ihr euch vom “Klassiker”-Status abgeschreckt fühlt - seid es nicht, es ist wirklich super lesbar. Für mich ein absolutes Jahreshighlight!

Danke an den Verlag und das Bloggerportal für dieses Rezensionsexemplar.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere