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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.12.2017

John Green hat mich wieder überzeugt

Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken
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INHALT:
Die 16-jährige Aza Holmes hatte ganz sicher nicht vor, sich an der Suche nach dem verschwundenen Milliardär Russell Pickett zu beteiligen. Sie hat genug mit ihren eigenen Sorgen und Ängsten zu ...

INHALT:
Die 16-jährige Aza Holmes hatte ganz sicher nicht vor, sich an der Suche nach dem verschwundenen Milliardär Russell Pickett zu beteiligen. Sie hat genug mit ihren eigenen Sorgen und Ängsten zu kämpfen, die ihre Gedankenwelt zwanghaft beherrschen. Doch als eine Hunderttausend-Dollar-Belohnung auf dem Spiel steht und ihre furchtlose beste Freundin Daisy es kaum erwarten kann, das Geheimnis um Pickett aufzuklären, macht Aza mit. Sie versucht Mut zu beweisen und überwindet durch Daisy nicht nur kleine Hindernisse, sondern auch große Gegensätze, die sie von anderen Menschen trennen. Für Aza wird es ein großes Abenteuer und eine Reise ins Zentrum ihrer Gedankenspirale, der sie zu entkommen versucht.

COVER:
Bei der Cover- bzw. Umschlagsgestaltung hat sich der Hanser Verlag etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Vorab durften die Leser über divers Social Media Plattformen abstimmen, welches deutsche Cover es werden soll. Da es keine eindeutige Entscheidung gab, hat sich der Verlag entschieden die Umschlagshülle beidseitig zu bedrucken und so kann der Leser entscheiden, welches ihm besser gefällt. Diese Aufmachung erscheint in einer limitierten Anzahl. Mir persönlich gefällt das Cover mit Blau und Orange besser, da mir das andere einfach ein wenig zu düster ist. Dennoch passt es auch gut zum Buch.

MEINUNG:
Ich habe von John Green bereits Das Schicksal ist ein mieser Verräter und Eine wie Alaska gelesen. Ersteres hat mir unfassbar gut gefallen und auch den Film fand ich sehr gelungen. Eine wie Alaska hat mich dann nicht mehr so richtig vom Hocken gehauen und es war erstmal vorbei mit John Green und mir. Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken hat dann aber wieder mein Interesse geweckt und es hat mich nicht enttäuscht.
Der Roman wird aus der Sicht der 16-jährige Aza Holmes erzählt. Recht schnell merkt man, dass Aza anders ist. Aza ist oft gefangen in ihren Gedanken. Dazu braucht es nur einen kleinen Auslöser und sie bekommt zwanghafter Gedankengänge erkranken zu können und bearbeitet dafür immer ihren Daumen. John Green hat diese Art von psychischer Erkrankung in Form einer Zwangsstörung hier in meinen Augen sehr gut recherchiert und sensibel verarbeitet. Natürlich leidet auch Azas Umfeld darunter, aber man akzeptiert Aza so wie sie ist. Vor allem Azas Freundin Daisy geht wirklich klasse damit um. Natürlich haben die beiden auch Reibungspunkte, denn Aza vergisst manchmal, dass sich die Welt nicht nur um sie dreht.
Die Such nach dem Milliardär ist eigentlich fast nebensächlich, aber dennoch ein wichtiges Schlüsselereignis für Russels Picketts Söhne. Über diesen doch tragischen Zustand lernt Aza Picketts älteren Sohn Davis kennen und mögen. Azas Krankheit macht es ihr aber schwer eine richtige Beziehung aufzubauen, obwohl Davis sehr verständnisvoll damit umgeht und immer ihre Grenzen wahrt. Ich fand die beiden sehr süß zusammen. Die Liebesgeschichte nimmt aber nur einen zweitrangigen Platz ein neben Aza selbst und ihrer Freundschaft zu Daisy.Es gibt kein klassisches Happy End, aber auch kein Ende, welches den Leser unzufrieden zurücklässt.

FAZIT:
John Green konnte mich mit diesem Buch wieder überzeugen. Es fehlt irgendwie nur so das gewisse Etwas, damit mich das Buch vollends vom Hocker gerissen hätte. Es war eine tolle Geschichte und mir gefiel John Greens einfühlsame Art der Erzählung und dem Umgang mit Azas Erkrankung. Es ist wichtig, dass solche Themen in der Literatur aufgegriffen werden.

Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 03.11.2017

Das Buch kann ein Anfang sein

Für immer zuckerfrei
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INHALT:
Anastasia Zampounidis ist trockener Sugarholic. Jahrzehntelang griff sie zu Süßigkeiten, wenn sie sich beruhigen, trösten oder belohnen wollte, und erweckte damit nur neuen Heißhunger. Ein regelrechter ...

INHALT:
Anastasia Zampounidis ist trockener Sugarholic. Jahrzehntelang griff sie zu Süßigkeiten, wenn sie sich beruhigen, trösten oder belohnen wollte, und erweckte damit nur neuen Heißhunger. Ein regelrechter Suchtkreislauf aus kurzfristiger Befriedigung und baldigem Verlagen nach mehr entstand. Dann ging sie auf Entzug, mit großartigen Folgen: Sie verlor Gewicht, fühlte sich ausgeglichener und fitter, zudem sieht die Endvierzigerin aus wie Anfang dreißig.
Welche Folgen hat Konsum von Zucker also wirklich? Wie wirkt er, wo steckt er überall drin und wie nascht man ohne das süße Gift? Anastasia Zampounidis erzählt von ihrem Weg aus der Zuckerhölle, sie klärt über seine Wirkungsweise auf und verrät Tipps und Rezepte, die zuckerfrei glücklich machen.

MEINUNG:
Ich lese nicht oft Ratgeber, aber gesunde Ernährung interessiert mich schon seit langem immer mehr. Anastasia kenn ich noch aus meiner Jugendzeit von MTV. Ein bekanntes Gesicht, über das ich dennoch recht wenig weiß. Umso besser hat es mir gefallen, dass Anastasia hier auch ein wenig ihre Lebensgeschichte geschildert hat. Natürlich mit Fokus auf ihrer „Esskarriere“, die aber unweigerliche an ihren beruflichen Werdegang geknüpft ist. Anastasia schreibt so wie sie vermutlich auch sprechen würde, locker, leicht und mit einer Prise Humor. Sie schreibt leicht verständlich und wiederholt auch immer wieder wichtige Dinge (so setzen sie sich ja bekanntlich besser fest).

Ich habe das Buch innerhalb von zwei Tagen verschlungen. Zugegebenermaßen hat es aber auch nur gute 200 Seiten, wovon ca. 40 Seiten noch Anhang ist, in dem zusätzliche Informationen und auch Rezepte enthalten sind (aber es ist kein reines Rezeptbuch!). Gleich nach dem Beenden, habe ich angefangen zu schauen, wo überall Zucker drin und es ist wirklich erschreckend. Es wüsste nicht, wie ich das anstellen sollte, komplett darauf zu verzichten. Zucker ist einfach überall drin. Selbst dort, wo man es nicht vermuten würde. Warum das so ist, erklärt Anastasia auch sehr gut. Mir gefiel auch, dass sie die Geschichte des Zuckers mit rein genommen hat. Positiv ist wirklich, dass sie komplexe Themen wirklich gut und einfach erklärt, sodass sie wirklich von jedem verstanden werden können. Man ist nach dem Lesen nicht erschlagen, sondern es lädt dazu an dem Thema weiter dranzubleiben, wenn man das möchte. Für einige andere ist es interessanter Überblick.

FAZIT:
Es war wirklich sehr aufschlussreich. Locker und vor allem informativ geschrieben. Am Ende wüsste ich jetzt zwar nicht, wie ich eine solche Umstellung angehen sollte, aber das Buch kann ein Anfang sein. Es kann die Augen und kann auch ein stärkeres Bewusstsein schaffen, mehr zu prüfen, was man eigentlich so zu sich nimmt den lieben langen Tag.

Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 26.10.2017

Zurück ins Leben

Tage ohne Hunger
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INHALT:
»Die Kälte in ihr sagte ihr, dass sie zwischen Leben und Sterben wählen musste.« Laure ist neunzehn Jahre alt und magersüchtig. Als die Krankheit lebensbedrohlich ist, wird sie in eine Klinik eingewiesen. ...

INHALT:
»Die Kälte in ihr sagte ihr, dass sie zwischen Leben und Sterben wählen musste.« Laure ist neunzehn Jahre alt und magersüchtig. Als die Krankheit lebensbedrohlich ist, wird sie in eine Klinik eingewiesen. Bei der Wahl für oder gegen das Leben hilft ihr vor allem der Arzt, dessen Patientin sie wird. Er ist der Einzige, der hartnäckig um sie ringt. Nach langer Zeit ist er der erste Mensch, dem sich Laure öffnet. Und sie erzählt von dem Teil ihrer Kindheit, der sie in diese Krankheit getrieben hat: das Zusammenleben mit ihrer psychisch kranken Mutter.

Drei Monate Krankenhausleben werden geschildert, drei Monate, in denen Laure ihren Todeswunsch überwindet und sich in ihr allmählich ein Lebenswille und sogar der Wunsch nach Freude am Leben wieder einstellt.

MEINUNG:
Von Delphine de Vigan wollte ich immer schon gerne etwas lesen und ich freut mich ein neues Buch von ihr in Rahmen einer Leserunde zu entdecken. Mit Tage ohne Hunger greift sie das schwere Thema Anorexie auf, welches auch autobiographische Züge enthält, wenn ich es richtig verstanden habe.

Laures Weg beginnt mit der Einweisung in die Klinik. Sie hat bereits ein lebensbedrohliches Gewicht erreicht und dies ist ihre letzte Chance am Leben zu bleiben. Den Wunsch zu überleben erweckt vor allem ein Arzt in ihr, der ihr das Gefühl gibt wirklich um sie kämpfen zu wollen. Man weiß, wie wichtiger er für Laure ist, aber in meinen Augen blieb er sonst relativ im Hintergrund. Was sicherlich auch daran liegt, dass die Geschichte komplett aus Laure Sicht erzählt wird und man keine Perspektive von außen auf Laure zu lesen bekommt (was sicher interessant gewesen wäre), aber es handelt sich hier um eine sehr persönliche Geschichte. Oft liest es sich wie ein Tagebuch.
Die Gründe für eine solche Erkrankung sind ja stets mannigfaltig, aber bei Laure spielt sicher auch das schwierige Elternhaus eine Rolle. Eine Mutter, die starke psychische Probleme hat und mehr mit sich selbst beschäftigt ist, als sich um Laure und ihre Schwester zu kümmern und einen Vater, der neu verheiratet ist, aber seine Kinder nur beschimpft als wären sie ihm eine Last. Das zu lesen hat mir wirklich innerlich wehgetan. Ich habe mich mal wieder gefragt, wie man so seine eigenen Kinder behandeln kann. Die Quintessenz daraus ist, dass Laure auf sich alleine gestellt ist und wenig Rückhalt hat. Scheinbar fällt es auch kaum jemanden auf, dass mit ihr etwas nicht stimmt.

Das Buch beschreibt Laures Zeit in der Klinik von der Einweisung bis zur Entlassung. Dort kommt sie auch in Kontakt mit anderen Erkrankten. Es wird nicht viel auf die gesundheitlichen Konsequenzen eingegangen, aber ein Freundin von ihr kann auf Grund der Magersucht nun keine Kinder mehr bekommen und ihr Mann droht ihr damit sie deswegen zu verlassen. Das hat mich wirklich sehr mitgenommen. Ansonsten begleiten wir Laure in ihrem Alltag und bei den kleinen Schritten, die sie macht, um wieder richtig zu essen. Laure inneren Kampf dabei fand ich sehr gut dargestellt. Das Buch weißt keine große Spannung auf Anfang und Ende sind relativ klar. Manchmal habe ich mich erwischt, wie meine Gedanken beim Lesen abgedriftet sind. Gerne hätte es auch noch ein paar mehr Seiten sein können. Ein wenig mehr Einblick hätte ich mir noch gewünscht.

FAZIT:
Tage ohne Hunger lässt den Leser in den Gedanken- und Gefühlwelt einer an Magersucht erkrankten jungen Frau. Ebenso wie der Prozess der Heilung und des täglichen Kampfes mit dem Essen wird hier eindringlich beschrieben. Man sollte beachten, dass es sich hier nicht um einen Ratgeber oder eine ausführliche Erläuterung von Therapiemöglichkeiten handelt, sondern es ist Laures Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben.
Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 19.10.2017

Überlebende eines Massakers

Menschenwerk
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INHALT:
"Ich kämpfe, jeden Tag. Ich kämpfe gegen die Schande, überlebt zu haben und immer noch am Leben zu sein. Ich kämpfe gegen die Tatsache, dass ich ein Mensch bin. Und Sie, ebenso ein Mensch wie ich, ...

INHALT:
"Ich kämpfe, jeden Tag. Ich kämpfe gegen die Schande, überlebt zu haben und immer noch am Leben zu sein. Ich kämpfe gegen die Tatsache, dass ich ein Mensch bin. Und Sie, ebenso ein Mensch wie ich, welche Antworten können Sie mir geben?"

Ein Junge ist gestorben, und die Hinterbliebenen müssen weiterleben. Doch was ist ihnen ihr Leben noch wert? Han Kang beschreibt in ihrem neuen Roman, wie dehnbar die Grenzen menschlicher Leidensfähigkeit sind. Ein höchst mutiges Buch und ein brennender Aufruf gegen jede Art von Gewalt.

MEINUNG:
Ich habe von Han Kang bereits Die Vegetarierin gelesen und ich war nach dem Lesen nur mäßig begeistert. Wenn ich heute darüber nachdenke, dann würde ich meine Bewertung von drei Sternen auf jeden Fall nochmal nach oben korrigieren. Aus diesem Antrieb heraus war ich total gespannt auf das neue Werk von Han Kang. Menschenwerk ist ein Werk für sich und sollte auf keinen Fall mit Die Vegetarierin verglichen werden.

Menschenwerk beruht auf wahren Begebenheiten und zwar aus dem Gwangju-Massaker in den frühen 1980er in Südkorea, von dem ich zu meiner Schande behaupten muss, noch nie etwas gehört zu haben. Die Charaktere sind allerdings fiktiv. Da Han Kang selbst aus Gwangju stammt und zu der Zeit ca. zehn Jahre alt war, könnte man vermuten, dass hier auch persönliche Erfahrungen miteingeflossen sind. Vielleicht ist auch eine Art Aufarbeitung, weil sie vielleicht selbst jemanden verloren hat, der ihr wichtig war. Im Epilog kommt sich auch noch einmal selbst zu Wort. So ein Massaker verursacht in der Regel immer ein Trauma bei den Hinterbliebenen und den Überlebenden und genau darum geht es in dem Buch.

Die Geschichte beginnt direkt nach dem Massaker und arbeitet sich dann langsam in die Gegenwart vor. Jedes Kapitel ist aus der Sicht einer anderen Person geschrieben und doch hängen alle miteinander zusammen. Anfangs war es schwierig mit den koreanischen Namen zurecht zu kommen, da man diese einfach nicht gewohnt ist. Ich musste ein paar Mal hin und her blättern. Die verschiedenen Perspektiven auf das gleiche Ereignis haben mich ein wenig an Geständnisse Kanae Minato erinnert.
Die Erzählungen der einzelnen Personen habe alle eines gemeinsam: Sie sind schmerzlich und sie kämpfen damit überlebt zu haben. Jeder geht damit anders um, aber alle sind innerlich zerbrochen und sie versuchen ihren Weg alle irgendwie weiterzuleben. Dem einen gelingt es. Der andere zerbricht an den Nachwirkungen von Gefängnis und Folter. Immer wieder gewehrt Han Kang auch Einblicke in die südkoreanische Gesellschaft, so z.B. unterliegen Bücher zumindest zu dieser Zeit ein strengen Zensur und werden vor Veröffentlichung durch eine staatliche Stell geprüft. Das Dinge, die man sich irgendwie als Deutscher schwer vorstellen kann.

Die geschilderte Brutalität und Gewalt ist grausam zu lesen, dennoch fand ich die Erzählung recht nüchtern und konnte mich wenig in die Charaktere hineinfühlen. Vielleicht ist das auch eine kulturelle Art damit umzugehen, die ich nicht ganz nachvollziehen konnte. Dennoch bleibt Fassungslosigkeit zurück und das Unverständnis, wie eine vermeintlichen studentischer Aufstand so eskalieren konnte. Nachdem Lesen habe ich mich mit dem Massaker noch einmal ausführlicher beschäftigt und das sollte man auch, um zu verstehen, was dort wirklich passiert ist.

FAZIT:
Menschenwerk ist der Versuch einer Verarbeitung des Traumas aus dem Gwangju-Massaker in Südkorea. Ein Buch, welches sehr ehrlich und bewegend ist. Es gibt uns einen Teil Geschichte, der Mahnung für all jene Massaker stehen sollte, an dem unschuldige Menschen ums Leben gekommen sind.

Veröffentlicht am 06.10.2017

Ein Buch, das alles gibt und alles verlangt.- Zu Recht!

Und es schmilzt
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INHALT:
Ein Buch, das alles gibt und alles verlangt.
Mit geschlossenen Augen hätte Eva damals den Weg zu Pims Bauernhof radeln können. Sie könnte es heute noch, obwohl sie viele Jahre nicht in Bovenmeer ...

INHALT:
Ein Buch, das alles gibt und alles verlangt.
Mit geschlossenen Augen hätte Eva damals den Weg zu Pims Bauernhof radeln können. Sie könnte es heute noch, obwohl sie viele Jahre nicht in Bovenmeer gewesen ist. Hier wurde sie zwischen Rapsfeldern und Pferdekoppeln erwachsen. Hier liegt auch die Wurzel all ihrer aufgestauten Traurigkeit. Dreizehn Jahre nach dem Sommer, an den sie nie wieder zu denken wagte, kehrt Eva zurück in ihr Dorf – mit einem großen Eisblock im Kofferraum.

MEINUNG:
Ein Buch, das alles gibt und alles verlangt. Mit diesem Spruch auf dem Schutzumschlag wird das Buch beworben. Häufig ist ein solcher Aufkleber einerseits ein Kaufanreiz und andererseits häufig völlig übertrieben. Bei Und es schmilzt trifft er (leider) komplett zu. Mich hat das Buch genau deswegen und wegen des relativ wenig aussagekräftigen Klappentext neugierig gemacht. Um es gleich vorweg zu nehmen, dass Buch ist nichts für Zartbesaitete. Da man es nicht sofort erahnt, möchte ich das als Warnung mitgeben.
Ich habe das Buch mit Unterstützung des Hörbuchs gelesen, was wirklich ganz gut war, denn in der Geschichte passiert lange nicht wirklich etwas. Man muss hier wirklich Durchhaltevermögen beweisen. Erzählt wird die Geschichte auf zwei Zeitebenen aus der Sicht von Eva. Mir fiel es anfangs schwer da richtig durchzusehen, denn es gibt Kapitelüberschriften und innerhalb dessen gibt es Uhrzeiten, die die Gegenwart signalisieren und Daten, die die Vergangenheit darstellen. Innerhalb der Gegenwart blickt Eva aber immer auch noch ab und an in die Vergangenheit. Es hat ein wenig gedauert bis ich mich zurecht fand.
Auch wenn Lize Spits Erzählweise sehr nüchtern ist, schließt man Eva und auch ihre Geschwister schnell in Herz, denn ihre familiäre Situation ist ziemlich schwierig. Besonders die Mutter hat starke Alkoholprobleme und der Vater denkt an Selbstmord, was Eva auch wissen lässt. Beide sind mehr mit sich und dem Tod von Evas Zwillingsschwester beschäftigt als mit ihren noch lebenden Kindern. Besonders an Evas jüngerer Schwester geht das nicht spurlos vorüber, die immer mehr starke Neurosen entwickelt und an einer Essstörung leidet. Das Schlimme ist, dass einige Leute im Dorf etwas ahnen, aber nicht unternehmen, damit die Kinder aus dieser Situation heraus kommen. Das Wegschauen ist in meinen Augen ein zentrales Thema in diesem Buch.
Eva hat zwei Freunde, Pim und Laurens, mit denen sie immer abhängt. Zwei Jungs, die mir von Anfang an wenig sympathisch waren. Eva erschien mir immer eher wie ein Anhängsel der beiden. Sie wollte irgendwo dazugehören. Das ist für mich auch am Ende die einzige Erklärung, um die Katastrophe ganz am Schluss ansatzweise verstehen zu können. Im Sommer 2002 erfinden sie zusammen ein Spiel. Eva denkt sich ein Rätsel aus und die Jungs laden Mädchen nach einem selbsterdachten Bewertungssystem ein, welche dann das Rätsel lösen sollen. Tun sie dies nicht, müssen sie tun, was die Jungs von ihnen verlangen. Nun sind Pim und Laurens aber keine kleinen Jungen mehr, sondern befinden mitten in der Phase ihrer beginnenden Sexualität. Eva spielt bei dem Ganzen solange mit, bis es ihr zum Verhängnis wird.

Dieser Moment kommt relativ spät im Buch, hat mir aber innerliche Schmerzen verursacht, weil ich es in der Grausamkeit nicht erahnt habe. Ich weiß gar nicht, ob die Tat an sich oder das Danach schlimmer waren, denn wieder wird weg gesehen und verschwiegen. Mal abgesehen davon, dass es mir bis heute schwer fällt zu verstehen, warum Eva das hat mit sich machen lassen, ist die Hilflosigkeit das Schlimmste. Am liebsten wollte ich sie in die Arme nehmen und nicht wieder los lassen. Doch niemand ist für sie da, obwohl es offensichtlich ist, dass sie Hilfe braucht.

Die Sache mit dem Eisblock habe ich auch noch nicht gekannt und erst spät erkannt, was es damit auf sich hat. Als mir dann ein Licht aufging, war ich dann nochmals schockiert. Der Eisblock hat auch direkt etwas mit dem Ende des Buches zu tun. Es machte mich sehr traurig, aber es war gut gewählt. Der Ausgang ist relativ offensichtlich, aber ein minimaler Spielraum bleibt für Spekulation.

FAZIT:
Und es schmilzt ist ein Buch, was einem viel abverlangt, auch noch lange nachdem man es beendet hat. Ein Buch über dessen Botschaft man sprechen sollte. Es lässt einen fassungslos, verstört und mit einem schalen Nachgeschmack zurück, in dem Wissen, dass solche Geschichten nicht weit von der Realität entfernt sind. Eine Empfehlung spreche ich nur mit der Warnung aus, dass man vorher wissen sollte, worauf man sich einlässt.

Ich vergebe 4 von 5 Sternen.