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Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Wächterin der Krone

Die Wächterin der Krone
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England gegen Ende des 12. Jahrhunderts. Schon als Kind lernt die junge Robin den Umgang mit Pfeil und Bogen und dem Dolch, steht ihr doch wie ein mahnendes Bild das Schicksal ihrer Mutter vor Augen, das ...

England gegen Ende des 12. Jahrhunderts. Schon als Kind lernt die junge Robin den Umgang mit Pfeil und Bogen und dem Dolch, steht ihr doch wie ein mahnendes Bild das Schicksal ihrer Mutter vor Augen, das ihr verdeutlicht hat, wie wichtig es ist, sich selbst verteidigen zu können. Obwohl sie sich nie verlieben möchte, weil Liebe einen Menschen verwundbar macht und Schmerzen bereitet, geschieht es trotzdem. Sie begegnet Cederick de Molesme, der ihre Gefühle erwidert. Als beide jedoch voneinander erfahren, dass sie durch die Feindschaft ihre Familien auf gegensätzlichen Seiten stehen, wandelt sich ihre Liebe in Hass und eine gemeinsame Zukunft scheint aussichtslos.

Mit die "Wächterin der Krone" beendet Beate Sauer eine dreiteilige Reihe. Standen im ersten Buch "Am Hofe der Löwin" Aline und in "Die Rache der Heilerin" deren Tochter Adela im Mittelpunkt des Geschehens, ist es nun Enkelin und Tochter Robin, die sich dem Kampf gegen die Familie de Thorigny stellen muss.

Es ist eine ereignisreiche Zeit, die Ära von Richard Löwenherz. Nachdem er auf dem Rückweg vom Heiligen Land gefangen genommen wird, übernimmt sein Bruder John die Regierungsgeschäfte, sieht seine Chance gekommen, selbst als König zu regieren und weigert sich daher, Richards Freilassung durch die Zahlung des Lösegelds zu erreichen. Vielmehr ist es Eleonore, die Mutter der beiden, die alles dafür tut, die geforderte Summe aufzubringen. Und sie hat Hilfe...

Beate Sauer entwickelt aus der Legende von Robin Hood eine weibliche Heldin, die sich nach der Vertreibung von ihren Familiengütern gemeinsam mit ihrem Bruder Luce und anderen Geächteten im Wald versteckt und von hier aus gegen die Unterdrückung des Volkes kämpft und sich für die Befreiung von König Richard einsetzt. Allerdings weitet sie die Geschichte nicht über Gebühr aus, denn der Sheriff von Nottingham, Little John und weitere Getreue tauchen im Roman nicht auf. Stattdessen erfindet die Autorin andere liebenswerte Charaktere wie Bruder Oswin oder den Schmied Matthew, die einem gern in der Erinnerung bleiben.

Daneben liegt das Augenmerk natürlich vor allem auf den hauptsächlich agierenden Protagonisten.

Robin, jung, unerfahren, ein wenig starrsinnig, aber auch mutig, begeistert sich neben den "männlichen" Vorlieben wie Reiten und Bogenschießen für das Sticken, findet darin Erfüllung und Glück. Sie ist noch auf der Suche nach dem Sinn ihres Lebens.

Cederick ist kein Ritter wie er im Buche steht. Schon allein, weil er mit seiner Verkrüppelung härter als andere darum kämpfen musste, etwas in seinem Leben zu erreichen. Er zeichnet sich durch eine gewisse Charakterstärke aus, ist mit sich im Reinen. Er steht loyal zu seinem Treueid, solange er meint, das Richtige zu tun. Denn Intrigen sowie Ungerechtigkeiten gegenüber Schwächeren sind ihm zuwider.

Mit Philipp begegnet der Leser einem nachgiebigen jungen Mann ohne Eitelkeit, der in Robin verliebt ist und sich auch auf die Gefahr hin, eine Abfuhr zu bekommen, ihr gegenüber offenbart. Als er tatsächlich "einen Korb" erhält, reagiert er verständnisvoll und ohne Groll, ist geduldig und zurückhaltend und bewahrt sich die Hoffnung, vielleicht doch noch die Liebe von Robin zu erringen. Ein bisschen mehr Kampfgeist würde ihm gut zu Gesicht stehen.

Edward de Thorigny erscheint als ein vom Hass zerfressener Mann, der ohne Zweifel und Skrupel handelt, wenn es darum geht, etwas zu seinem Vorteil zu erlangen. Er stellt dies über moralische Grundsätze, weswegen er mit John gegen König Richard sympathisiert und intrigiert. Anderseits ist er derjenige, der seinen Halbbruder Cederick immer respektiert und unterstützt hat, ihm die Anerkennung gewährt, die der eigene (gemeinsame) Vater verwehrte.

Sie und all die anderen begegnen sich in einer dramatischen Geschichte, die bis ins Heilige Land führt. Beate Sauer erzählt sie gut. Die Handlung ist überschaubar in den historischen Kontex gelegt und kommt ohne Längen aus.

Die Liebesbeziehung von Robin und Cederick beginnt recht schnell, erfährt aber eine gewisse Tragik, da die beiden jeweils feindlichen Lagern angehören und ihre Liebe ins Gegenteil umschlägt. Das wird nachvollziehbar und emotional glaubhaft geschildert. Es ist zu spüren, wie verzweifelt beide sind, als all die gegenseitigen Liebesbezeugungen bedeutungslos werden und der Hass die Oberhand gewinnt. Zerrissen zwischen der Fehde ihrer Familie liegt noch ein langer Weg vor ihnen, und es ist fraglich, ob sie ihn vor diesem Hintergrund am Ende gemeinsam gehen werden...

3,5 Sterne

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Tuchvilla

Die Tuchvilla
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Herbst 1913. Es ist das letzte Jahr vor dem Ersten Weltkrieg, der "Urkatastrophe Europas". Während auf dem Balkan zwei Kriege um das Erbe des zerfallenden Osmanischen Reiches toben, die erahnen lassen, ...

Herbst 1913. Es ist das letzte Jahr vor dem Ersten Weltkrieg, der "Urkatastrophe Europas". Während auf dem Balkan zwei Kriege um das Erbe des zerfallenden Osmanischen Reiches toben, die erahnen lassen, welche Schrecken eine Auseinandersetzung mit Waffengewalt birgt, verbringt das übrige (westliche) Europa eine vermeintlich unbeschwerte Zeit in stabiler Ordnung. Hier herrscht seit vierzig Jahren Frieden, der einen technischen Fortschritt, die Hochindustrialisierung (auch als Zweite industrielle Revolution bezeichnet) ermöglicht, der die Nationen wirtschaftlich miteinander verflechtet. Gleichzeitig konkurrieren die europäischen Großmächte um Kolonien und Weltgeltung, instrumentalisieren die Konfliktparteien auf dem Balkan für ihre jeweiligen Interessen und rüsten ihre Flotten und Armeen auf - natürlich nur für den Verteidigungsfall. Das deutsche Kaiserreich erlebt wirtschaftliche Erfolge und baut vor allem gegenüber Großbritannien als einstigem Industriepionier seine Position aus und steht im Vergleich der Industrieländer an zweiter Stelle.

Von diesem Aufschwung hat auch Johann Melzer profitiert und es als Sohn eines Lehrers im Laufe der Jahre nicht nur zu einer florierenden Tuchfabrik in der Textilstadt Augsburg, sondern zudem zu einer adligen Ehefrau, drei präsentablen Nachkommen und einer mondänen Villa samt Dienstpersonal gebracht.

Hier tritt im Herbst 1913 Marie ihre Arbeit als Küchenmädchen an. Bislang hat ihr das Schicksal übel mitgespielt, für das arme, bemitleidenswerte Waisenmädchen ist der Dienst in der Tuchvilla die letzte Chance. In der Hierarchie der Dienstboten nimmt sie die unterste Stufe ein und wird dementsprechend behandelt.

Doch die jüngste Tochter des Hauses Katharina hat einen Narren an der gleichaltrigen Marie gefressen und bietet ihr die Freundschaft an, die Marie verwundert, aber dankbar annimmt. In relativ kurzer Zeit steigt sie zur Kammerzofe auf.

Noch eine weitere Person des Melzerschen Haushaltes schenkt ihr Zuneigung: Paul. Und obwohl Marie die Gefühle erwidert, weiß sie dennoch, dass sie als Paar keine Zukunft haben. Denn wenn eine Bedienstete sich in den jungen Herrn verliebt, kann daraus nur Unglück erwachsen.

Bald stellt sich heraus, dass Maries Herkunft nicht so unklar und rätselhaft ist, wie man es ihr im Waisenhaus darstellte. Darüber hinaus scheint ihr neuer Arbeitgeber, Johann Melzer, mehr darüber zu wissen, als er preiszugeben bereit ist. Deshalb lässt sich Marie auch von ihm nicht abbringen, Nachforschungen anzustellen, um das Geheimnis zu lüften, während in der Zwischenzeit Katharina mit einem Franzosen davonläuft...

In ihrem Roman "Die Tuchvilla" erzählt Anne Jakobs eine Familien- und Liebesgeschichte, ohne konkret Bezug auf die historischen Gesichtspunkte der Vorkriegsjahre zu nehmen. Im Grunde stellt sie ein Stück heile Welt dar, in der sich das Leben einer Familie gestaltet, die es zu Ansehen und Vermögen gebracht hat. Denn tatsächlich ist es vermutlich für Familie Melzer nicht von großer Bedeutung, was außerhalb ihres Kosmos' geschieht. Leider führt die geringe oder fehlende Einbeziehung geschichtlicher Gegebenheiten dazu, dass die Handlung zeitlich austauschbar ist. Sie hätte so zu jeder anderen Epoche an jedem anderen Ort spielen können.

Ansätze sind durchaus vorhanden. Beispielsweise erhält der Leser eine Beschreibung des Arbeitsgeschehens in der Fabrik, in dem Funktionsweise von Maschinen usw. dargestellt werden. Und Unfälle und Arbeitskampf werden ebenfalls thematisiert. Hingegen wird das hierin liegende Konfliktpotenzial bedauerlicherweise nicht ausgeschöpft. Letzten Endes löst sich alles in Wohlgefallen auf.

Der Schreibstil der Autorin stellt keine große Anforderungen. Er ist einfach und solide. Einigen sehr ausführlichen Schilderungen hätte eine Straffung gut getan. Außerdem ist das Geheimnis um Maries Herkunft recht früh zu erkennen, so dass der Leser der Lösung nicht wirklich entgegenfiebert. Insgesamt fehlt es an aufregenden Momenten, die wahrlich berühren und Herzklopfen bescheren.

In der Figurenzeichnung gibt es gute Ansätze, allerdings auch Klischees.

Marie ist ein Mensch, den der Leser sofort ins Herz schließen kann. Weil sie trotz des Übels, das ihr widerfahren ist, immer Haltung bewahrt, nicht herumjammert, sich nicht einschüchtern lässt und klein beigibt. Sie beobachtet ihre Umgebung und die Menschen intensiv und versucht, eine Wertung vorzunehmen. Sie lässt sich als Mensch nicht erniedrigen, schafft es, ihre Würde zu bewahren und sei es nur im Kampf um die Beibehaltung ihres Vornamens.

Zudem beweist sie außerordentliches Talent beim Zeichnen und ist äußerst geschickt mit der Nadel, was alle Damen der Tuchvilla für sich zu nutzen wissen.

Doch bei allen positiven Eigenschaften hätte es zu Marie mit den wunderschönen Augen, in denen ihre Seele liegt und so viel Trauer und Sehnsucht, so viel Hunger nach Glück, so viel Müdigkeit und so viel Kraft gepasst, auch die eine Ecke oder Kante zu bekommen, um sie von der armen, standhaften und untadeligen Waise zu einer interessanten Figur zu formen, so dass sie eben nicht fehlerlos gewesen wäre.

Bei Paul Melzer ist eine Entwicklung zu erkennen. Zunächst kann er es seinem Vater nicht recht machen. Wiederum bewahrheitet sich im Verlauf der Handlung, dass Paul durchaus Fähigkeiten besitzt, die ihm sein Vater bislang überhaupt nicht zugetraut hat.

Daneben wirken die Schwestern Melzer sehr stereotyp: Elisabeth, unscheinbar und pummelig ist zwar äußerst intelligent, gleichwohl aber intrigant, neidisch und gehässig. Ständig fühlt sie sich im Vergleich zur jüngeren, hübschen, weltfremden Katharina abgewertet. Der durchschimmernden Unsicherheit mehr Raum zu geben, wäre eine Abwechslung gewesen. Oder möglicherweise die Einbeziehung der Tatsache, dass sich gerade in dieser Zeit das Frauenbild verändert. So bleibt es dabei, dass Elisabeth der Euphorie und verklärten Schwärmerei ihrer Schwester nichts entgegenzusetzen hat. Selbst dann nicht, als Katharina diejenige ist, die sorglos und ohne Rücksicht auf andere Menschen handelt, kann sie nicht punkten.

Insgesamt unterhält der Roman, ohne große Anforderungen zu stellen, und wartet zu guter Letzt mit einem zuckrigen Happy End auf. Es bleibt zu wünschen, dass die Autorin diesen Pfad im zu erwartenden Folgeband verlässt und Dramatik in die Geschichte bringt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Vom Schicksal geküsst

Vom Schicksal geküsst
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Willa Chandler-Golden ist mit der Überzeugung aufgewachsen, dass alles vorherbestimmt ist und sich das eigene Schicksal nicht verändern lässt. Diese Ansicht kommt nicht von ungefähr, hat doch ihr Vater ...

Willa Chandler-Golden ist mit der Überzeugung aufgewachsen, dass alles vorherbestimmt ist und sich das eigene Schicksal nicht verändern lässt. Diese Ansicht kommt nicht von ungefähr, hat doch ihr Vater Richard Chandler einen Selbsthilfe-Bestseller, der genau das behauptet, geschrieben und ist damit berühmt geworden. Nicht genug, er hat ihr zudem den Vornamen William gegeben, weil er sich tatsächlich einen Sohn wünschte, jedoch eine weitere Tochter bekam.

Zwar ist Willa nicht vollständig von den Thesen ihres Vaters überzeugt, fügt sich aber bereitwillig ihrem Schicksal: sie hat Karriere gemacht, ein behagliches Zuhause, einen zuverlässigen, liebevollen Mann, und nur ein Baby fehlt ihr noch zu ihrem vermeintlich vollständigen Glück. Das ist vielleicht die einzige Herausforderung. Ansonsten sucht Willa diese nicht und überlässt auch das Entscheiden den anderen.

Es ist nicht verwunderlich, dass doch alles anders kommt, als gedacht. Innerhalb weniger Tage gerät Willas Leben aus den Fugen. Erst meldet sich ihr Ex-Freund Theodore und stellt ihr eine Freundschaftsanfrage auf Facebook. Dann schlägt ihr Shawn, ihr scheinbar doch nicht so zuverlässiger Ehemann, eine zweimonatige Ehe-Pause vor, für die er dann fein säuberlich festgelegte Verhaltensregeln aufstellt, bevor er sich aus der Stadt verabschiedet. Willa verliert ihren Job, muss ein Auge auf Shawns zwölfjährigen Nick haben, der ohne Vater aufwächst und dessen Mutter gerade in Afrika weilt, und obendrein verkraften, dass ihre Eltern ein neues Beziehungskonzept ausprobieren. Zu guter Letzt überredet ihre Freundin Vanessa sie außerdem noch dazu, mit ihr gemeinsam ein Buch für die erfolgreiche Fernsehsendung Dare you! (Trau dich!) zu schreiben, in dem so ganz nebenbei mit praktischen Beispielen und Erfahrungen die Theorien von Richard Chandler widerlegt werden sollen. Ganz zu schweigen von dem Trouble um Willas Bruder Oliver, einem Promi-Yoga-Guru.

Allison Winn Scotch erzählt in "Vom Schicksal geküsst" auf humorvolle Weise von einer jungen Frau, die begreift, dass das Leben nicht vom Schicksal vorherbestimmt ist. Dass man bereit sein muss, Risiken einzugehen, um letztlich das Leben leben zu können, das einem tatsächlich gefällt.

"Es ist nie zu spät,... das zu suchen, worin man wirklich gut ist und hinter dem man aus vollem Herzen steht." (Seite 271)

Willa hat es sich leicht gemacht. Denn glaubt man ihrem Vater, gibt es keine Zufälle im Leben. Dieses besteht vielmehr aus lauter vorbestimmten Erlebnissen, was schlussfolgernd bedeutet, dass der freie Wille eines Menschen mehr oder weniger ausgeschlossen und jeder auf Gedeih und Verderb dem Schicksal ausgeliefert ist. Getreu dem Motto: "Alles geschieht aus einem guten Grund."

Willa ist sympathisch und ehrlich, wenn auch mit geringem Selbstwertgefühl und -vertrauen ausgestattet. Sie zögert und zaudert sich mit Gleichmut etwas träge durchs Leben, trifft keine Entscheidungen, stellt ihren Mann nicht in Frage. Sie und Shawn sind "Shilla", ein Paar, das dermaßen miteinander verbunden scheint, dass es als Einzelperson nicht mehr existiert. Nie tut einer etwas ohne den anderen. Sie sind die Schweiz. Ohne Zwist und Komplikationen. Während das Paar am Anfang der Beziehung nur so vor Selbstzufriedenheit und Stolz auf ihre neu gefundene Liebe strahlte, pendelte sich nach der Euphorie der ersten Verliebtheit ein normaler, lauwarmer Beziehungsalltag ein. Ruhig und ereignislos, dafür jedoch sicher, entspannt und gemütlich, vermeintlich glücklich und zufrieden plätschert ihr Leben dahin.

Bis Shawn nicht mehr die Schweiz sein möchte und die weitere Umstände Willa im Grunde nötigen, ihr Leben zu überdenken. Denn Willa ist gezwungen, genau das Gegenteil von dem zu tun, was sie jahrelang gewohnt ist. Sie muss neue Wege erkunden und beschreiten, schwierige Entscheidungen treffen, sich ihren größten Ängsten stellen und die Gelegenheit nutzen, ihr eigenes Schicksal zu kontrollieren. Dies tut sie zunächst nicht frei-, sondern eher widerwillig, und es bedarf mehrerer Anstöße von ihrer besten Freundin Vanessa.

"Vom Schicksal geküsst" liest sich überwiegend leicht, wenn einen die vielen in Klammern gesetzten Anmerkungen nicht stören. Die Geschichte ist unterhaltsam und amüsant und bedient sich aktueller Medien. So darf der Leser unter anderem E-Mails, SMS, Facebook- und Twitter-Nachrichten (mit)lesen, wenn die Protagonistin Willa aus ihrer Perspektive heraus erzählt. Das ist von Vorteil für den Leser, denn so erfährt er ihre Gedanken und Gefühle aus erster Hand. Nachteilig sind allerdings sich wiederholende Überlegungen. Auch die philosophischen Thesen von Richard Chandler erschließen sich dem Leser nicht immer sofort.

Zudem ist es eben wegen der Ich-Position von Willa schwer möglich, den anderen Personen wirklich nahe zu kommen, weil es vielfach nur bei Beschreibungen aus der Sicht von Willa bleibt.

Trotzdem ist "Vom Schicksal geküsst" ist eine kurzweilige Chick-Lit, also (Frauen)Lektüre, in der Themen wie Liebe, Ehe, Beziehung zwischen Eltern und Kindern, Freundschaft, Verlust und Trauer, Bedauern über verpasste Möglichkeiten und zweite Chancen, Schicksal und Glück vereinen. Sie zeigt, dass es möglich ist, sich selbst und die eigene Kräfte und Möglichkeiten zu entdecken, wenngleich dies manchmal auch bedeuten kann, Risiken einzugehen. Doch stets mit der Frage: "Was kommt als Nächstes?"

Dafür vergebe ich 3,5 Sterne.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Kaltgestellt

Codename E.L.I.A.S. – Kaltgestellt
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Michael Cavenaugh kann so schnell nichts erschüttern. Schließlich ist er Agent bei der Central Intelligence Agency, dem amerikanischen Geheimdienst. Bei einem seiner Einsätze kommt es zu einem Schusswechsel, ...

Michael Cavenaugh kann so schnell nichts erschüttern. Schließlich ist er Agent bei der Central Intelligence Agency, dem amerikanischen Geheimdienst. Bei einem seiner Einsätze kommt es zu einem Schusswechsel, die von ihm observierte Person ist tot, und nach einer darauffolgenden Explosion findet sich Michael im Krankenhaus wieder. Soweit so gut. Das sind die Risiken, die ein Agent einplanen muss. Womit er allerdings nicht rechnet, ist, dass irgendwo auf dem Weg zwischen Explosion und Krankenhaus die eigene Identität gelöscht wird. Denn bei seinem Erwachen verfügt Michael weder über einen Ausweis noch eine Sozialversicherungsnummer, ja nicht einmal ein Bankkonto. In seiner Wohnung lebt jemand anderes, und selbst sein Arbeitgeber kennt ihn nicht (mehr). Somit sind auch Wohnung und Job futsch.

In dieser Situation scheint sich Michael nur auf zwei Personen verlassen zu können: Brianna, seine Ex, die zwar nicht unbedingt gut auf ihn zu sprechen ist, ihm aber trotzdem ihre hilfreichen Hände reicht, und Luke, ein alter Freund.

Mila Roth vermag mit dem Startband der Serie "Codename E.L.I.A.S." gut zu unterhalten. Die Geschichte ist kurzweilig, die Handlung schreitet zügig voran, verfügt über spannungsreiche Elemente. Dabei wählt sie einen lässigen Grundton, der einerseits ironisch - besonders die Äußerungen der spitzzüngige Brianna bereiten vergnüglichen Lesespaß - und andererseits mit ernsten Klängen versetzt ist. Ihre in Los Angeles angesiedelte Geschichte beginnt gleich mit einem Knall, im wahrsten Sinne des Wortes, denn bei einem Einsatz wird Agent Michael Cavenaugh Opfer einer Explosion, bei der er zwar sein Leben im eigentlichen Sinne behält, jedoch das Leben, das er führte, existiert nicht mehr. Er ist "kaltgestellt".

Wie in einer Serie üblich, werden im "Pilot" zunächst die Protagonisten präsentiert. Michael ist ein äußerst professioneller Agent, der eine Situation hervorragend einzuschätzen vermag. Er vermittelt einen geradlinigen Eindruck, auch wenn er Entscheidungen treffen muss, die auf den ersten Blick fragwürdig erscheinen. Zudem ist er kein Mensch, der den Kopf in den Sand steckt, sondern ihn kühl auf seinen Schultern behält und die Sache angeht. Trotzdem stellt die Autorin ihn keineswegs als makellosen Held dar. Auch er hat seine wunden Punkte, die bereits angedeutet werden.

Ihm gegenüber steht seine Ex-Freundin Brianna, die nicht in Begeisterungsstürmen ausbricht, als sie Michael in der für ihn prekären Situation wiederbegegnet. Es zeigt sich jedoch, dass unter ihrer harten Schale ein weicher Kern sitzt. Der Dritte im Bunde ist Luke, mit dem Michael die Zeit beim Militär verbindet. Ein unkomplizierter Typ, dessen Figur in der Geschichte noch etwas im Hintergrund bleibt, der aber zumindest hier zur Stelle ist, als Michael ihn braucht, und der für einen Job sorgt.

Mila Roth ist eine routinierte Schreiberin. Sie setzt auf einen ungezwungenen amerikanischen Stil ähnlich einer TV-Vorabendserie, in der neben der Suche nach den Verantwortlichen für Michaels "Kaltstellung" Folge für Folge Probleme anderer Menschen bearbeitet und am Ende gelöst werden. Wer daran Freude hat, hält auch mit "Codename E.L.I.A.S." die richtige Lektüre in der Hand.

3,5 Sterne

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Bernsteinbraut

Die Bernsteinbraut
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Im Sommer 1310 wartet Antonia sehnsüchtig auf die Rückkehr ihres Vaters, eines erfolgreichen Stralsunder Kaufmanns. Die junge Frau führt nach dem Tod der Mutter den Haushalt, der Verlust verbindet beide, ...

Im Sommer 1310 wartet Antonia sehnsüchtig auf die Rückkehr ihres Vaters, eines erfolgreichen Stralsunder Kaufmanns. Die junge Frau führt nach dem Tod der Mutter den Haushalt, der Verlust verbindet beide, so dass seitens des Vaters kein eiliges Interesse besteht, Antonia zu verheiraten. Etwas getrübter ist das Verhältnis zum älteren Bruder Severin, weil dieser sich dem Deutschorden angeschlossen hat.

Doch das Schicksal hat einen anderen Plan für Antonia vorgesehen. Ihr Vater verunglückt tödlich, und Severin und Antonia reisen auf die Insel Rügen, um ihn zu begraben. Hier lernt Antonia den Bernsteinfischer Jaramir kennen, der tatsächlich zur Rügenschen Fürstenfamilie gehört. Die beiden entdecken Gefühle füreinander, werden hingegen getrennt, weil Severin schnellstens die Last der Verantwortung für seine Schwester abgeben will. Es kommt ihm gelegen, als er auf Rügen Conrad von Drachenfels begegnet. Antonia trifft das Los ihrer Zeit, sie kann zwischen dem Leben im Kloster oder als Ehefrau wählen, aber sie muss sich ihrem Bruder fügen, der sie Conrad als Ehefrau anträgt. Und so befindet Antonia sich unmittelbar darauf auf dem Weg zur Burg Drachenfels, wo sie nicht nur in Konfrontation mit ihrer zukünftigen Schwägerin Metza gerät, sondern zudem feststellen muss, was für ein Scheusal ihr mit Conrad aufgezwungen wurde. Denn dieser ist äußerst gewaltsam im Umgang mit seinen Untergebenen und auf seinen eigenen Vorteil bedacht, betreibt einen Bernsteinschmuggel und "hält" sich zu allem Übel Sklaven für die Arbeit in seinem Steinbruch. Einer dieser Unglücklichen ist Jaramir, der zusammen mit seinem Freund Dragan von der Insel Rügen entführt wurde. Und Antonia setzt alles daran, dem geliebten Mann zu helfen...

Gabriele Breuer erzählt mit leichter Hand eine unterhaltsame Geschichte, die an den Leser keine großen Ansprüche stellt. Dabei bindet sie das fiktive Geschehen überwiegend gut in den historischen Kontext ein und lässt ihre Fantasie spielen, wenn die Rujanenburg auf dem Rugard, von nur noch die Fragmente des Burgwalls existieren, und die Ruine der Burg Drachenfels im Siebengebirge wieder erstehen, thematisiert unter anderem (fehlenden) Rechte der Frauen und die Allmacht der Männer, den Bernstein- und Sklavenhandel. Es ist die Zeit des letzten slawischen Fürsten Wizlaw III. von Rügen, die Menschen der Insel sind christianisiert, doch noch immer gibt es Ranen, die die alten Götter verehren.

Die Autorin schildert das damalige Leben - nicht nur auf der Insel Rügen, sondern ebenso auf Burg Drachenfels und in der Umgebung - vorstellbar, wenngleich Ersteres angesichts des Titels "Die Bernsteinbraut" durchaus umfangreicher hätte sein können. Außerdem überzeugen einige Handlungsweisen nicht. So ist es eher unwahrscheinlich, dass eine Magd auf ihren gesamten Wochenlohn verzichtet, ihn einer Fremden übergibt und darauf hofft, das Geld zurückgezahlt zu bekommen.

Lobend sei hervorgehoben, dass das Cover überaus gelungen ist und einen Bezug zum Inhalt hat.

Die Schar der handelnden Personen ist überschaubar, und ihre Rollen sind im Großen und Ganzen klar aufgeteilt.

Antonia und Jaramir erledigen ihren zugewiesenen Part derart, dass sich der Leser von Anfang vorstellen kann, wie das Ganze für die beiden endet. Während Antonia als Mädchen, das wohlbehütet aufwuchs, mit viel Empathie für das Leid der Mitmenschen ausgestattet ist, zum Teil leichtgläubig und ein wenig weltfremd daherkommt, aber auf jeden Fall unerschrocken und energisch handelt, wenn es um das Wohl derer geht, denen sie zugetan ist, punktet Jaramir damit, niemanden wegen seiner Herkunft gering zu schätzen und sich um Gerechtigkeit zu bemühen.

Davon kann bei Conrad keine Rede sein. Er lenkt die Geschicke der Burg, dessen eigentlicher Herr - sein Bruder Rutger - wegen seiner Krankheiten dazu nicht in der Lage ist, und wertet seine geringe Körpergröße mit Brutalität auf, schlägt zu, ohne Rücksicht auf sein Gegenüber und entpuppt sich schon früh als zum Wahnsinn neigender Mann. Lediglich für seinen melancholischen, ja depressiven Bruder, den er nicht verlieren möchte, scheint er Zuneigung zu spüren, obwohl dessen ständiges Gejammer ihm auf die Nerven geht. Allerdings bleibt das Beziehungsgeflecht von Conrad und Rutger an der Oberfläche und hätte zum besseren Verständnis mehr Hintergrund vertragen.

Etwas vielschichtiger ist Antonias Bruder Severin, obwohl dessen Auftritte im Roman eher gering sind. Auf den ersten Blick erscheint er als gefühlskalter Mensch, dem das Schicksal seiner Schwester gleichgültig ist. Tatsächlich aber ist er ein verschlossener Mensch, der einfach nicht in der Lage ist, seine Empfindungen zu offenbaren.

Auch Metza, Rutgers Ehefrau, kann nicht eindeutig in die Kategorie Gut oder Böse eingeordnet werden. Bei ihr ist eine Entwicklung zu erkennen, die plötzlich ist und deshalb umso mehr überrascht.

Auf jeden Fall sei noch Jenne erwähnt, die Magd mit dem mutigen Herzen, die im Verlauf der Handlung von einem schüchternen, ängstlichen Mädchen zur selbstbewussten Frau wird, die mit Klugheit und Verstand agiert und einen großen Beitrag dazu leistet, dass die Geschichte in einem malerischen Happy End mündet.