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Veröffentlicht am 04.05.2024

Ein Buch wie eine herzliche Umarmung

25 letzte Sommer
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Worum geht’s?
Der namenlose Ich-Erzähler teilt das Schicksal vieler Menschen. Immer erreichbar dank Smartphone, das Leben eine einzige To-Do-Liste. Eines Tages bricht er bei einer Joggingrunde aus den ...

Worum geht’s?
Der namenlose Ich-Erzähler teilt das Schicksal vieler Menschen. Immer erreichbar dank Smartphone, das Leben eine einzige To-Do-Liste. Eines Tages bricht er bei einer Joggingrunde aus den gewohnten Bahnen aus und begegnet dem älteren Karl, der mit seinem sehr einfachen Lebensstil, der hauptsächlich aus Kartoffeln sortieren und nachdenken zu bestehen scheint, rundum zufrieden ist.

Wie war’s?
Ein Buch, das sich wie eine herzliche Umarmung anfühlt. Ich habe mich sehr gerne mit den beiden Männern an den Tisch gesetzt, um ihren angeregten Gesprächen zu folgen.
Es regt zum Nachdenken an, was im Leben wirklich wichtig ist und warum wir so viel Zeit mit Belanglosem wie dem ständigen Kleben am Smartphone und so wenig Zeit mit den Menschen verbringen, die uns wichtig sind.
Hand aufs Herz, wann erlaubt man sich heute schon mal ohne schlechtes Gewissen das Nichtstun? Einfach einen faulen Sonntag mit einem Nickerchen am Nachmittag, Kuchenresten mit Schlagsahne, einem guten Essen ohne Gedanken an die Kalorien? Weniger Selbstoptimierung und mehr Leben, genussvoll und ohne schlechtes Gewissen oder irgendwelche Hintergedanken, das ist für mich eine der wichtigsten Botschaften dieses Romans.

Fazit
Ein Buch, das entschleunigt und sich fast anfühlt wie ein Urlaubstag am Meer. Von mir eine unbedingte Leseempfehlung, auch (aber nicht nur) für Fans von John Streckley.

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Veröffentlicht am 05.03.2024

Viel Nordseefeeling und ein Hauch von Legende

Leute von früher
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Inhalt

Langzeitstudentin Marlene hat nach fast neun Jahren endlich ihr Studium hinter sich und es zieht sie zum Arbeiten von Hamburg auf die Insel Strand im nordfriesischen Wattenmeer. Sie tritt einen ...

Inhalt

Langzeitstudentin Marlene hat nach fast neun Jahren endlich ihr Studium hinter sich und es zieht sie zum Arbeiten von Hamburg auf die Insel Strand im nordfriesischen Wattenmeer. Sie tritt einen Job als Verkäuferin in einem Erlebnisdorf an, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint – alles wird so gemacht wie 1900. Verantwortlich für die Inszenierung ist eine ganze Horde von Saisonkräften, die in einfachen Baracken hausen, auch in der Freizeit stets die „Kostümgrenze“ im Kopf. Marlene lernt Janne kennen, die auf der Insel aufgewachsen ist und fühlt sich sofort zu ihr hingezogen. Je näher sich die beiden Frauen kommen, desto öfter kommt es zu rätselhaften Zwischenfällen, die sich Marlene einfach nicht erklären kann.


Wie war’s?

Schon das Cover hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Die Farben und die Darstellung der tosenden, rauen See bilden der perfekten Bogen zum ersten Satz: „Es war ein Wetter ohne Jahreszeit: vierzehn Grad und ein schwerer Himmel.“ Jeder Nordseeliebhaber kennt so ein Wetter, man weiß manchmal nicht, ob es nun ein kühler Sommer, vielleicht doch noch Frühling oder schon wieder Herbst ist.

Kristin Höller gelingt es in diesem Roman, das Bild der schönen Scheinwelt im Erlebnisdorf für die Leserinnen und Leser sehr anschaulich lebendig werden zu lassen. (Es war, als beträte sie ein Gemälde). Auch diese Beschreibung der Vogelwarte in den Salzwiesen lässt mich vom nächsten Inselurlaub träumen. Diese ganz besondere Stimmung dort wird für mich perfekt transportiert.

Interessant sind auch der Spagat zwischen der heilen Welt, die für die Touristen inszeniert wird, und der Lebenswirklichkeit der Menschen, die dort leben und arbeiten. Auf engstem Raum, in einfachen Baracken, mit all ihrem „Gepäck“ und zwischenmenschlichen Problemen – und dem Inselkoller, den auch Marlene mal zu spüren bekommt.

Faszinierend fand ich den Teil der Geschichte, der von der versunkenen Stadt Rungholt handelt, die einer Legende zufolge in der Johannisnacht wieder auftaucht.

Die Charaktere im Buch sind für mich sehr stimmig dargestellt. Mit Marlene als Protagonistin wurde ich anfangs nicht richtig war, sie wirkte oft ein bisschen unterkühlt und unnahbar, schien vieles auch gar nicht begreifen zu wollen. Insgesamt passt sie aber perfekt im diese ruhige, unaufgeregt erzählte Geschichte.

Die letzten 50 Seiten habe ich mit angehaltenem Atem gelesen, ohne hier irgendwie spoilern zu wollen, das Finale kam für mich völlig unerwartet und war einfach nur wow!


Fazit

Für alle, die auf der Suche nach Lesestoff sind, mit dem sie sich gedanklich an die Nordsee träumen können, und die unaufgeregt erzählte Liebesgeschichten und einen Hauch von alter Legende mögen, eine unbedingte Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 04.05.2024

Filmreif verwobene Frauenschicksale

Unter dem Moor
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Unter dem Moor von Tanja Weber

Worum geht’s?

Drei Frauenschicksale, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, drei Jahrzehnte.

In der Gegenwart geht es um Nina, eine ausgebrannte ...

Unter dem Moor von Tanja Weber

Worum geht’s?

Drei Frauenschicksale, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, drei Jahrzehnte.

In der Gegenwart geht es um Nina, eine ausgebrannte Ärztin, die sich mit ihrer gerade erst adoptierten Hündin vom Tierschutz eine Auszeit im Stettiner Haff nimmt.

1936 lernen wir die 14-jährige Gine kennen, die zum Landjahr ins Haff geschickt wird und schreckliches erlebt.

1979 schließlich die zwanzigjährige Sigrun, die vom Ausbruch aus dem reglementierten Leben in der ehemaligen DDR träumt.

Wie war’s?

Eine packende Geschichte, in der sich die drei Einzelschicksale immer enger miteinander verflechten, bis hin zum Finale, das die letzte offene Frage klärt, welche der drei Frauen nicht überlebt hat und warum.

Ich persönlich hätte eine kurze Personenaufstellung zu Beginn nicht übel gefunden, ab und an fiel es mir bei längeren Lesepausen schwer, den Überblick zu behalten, um wen es jetzt gerade geht und in welcher Zeit das Kapitel spielt. Mag natürlich anders sein, wenn man das Buch in einem Rutsch liest.

Die bildhafte Sprache der Autorin und die ausführlichen Landschaftsbeschreibungen sind einerseits toll, vor allem wenn man wie ich noch nie in dieser Region war, allerdings waren mir diese ab und an ein wenig zu langatmig. Dieses Buch könnte ich mir super als Film vorstellen, weil man dann die Flora und Fauna quasi nebenbei aufsaugen und sich stattdessen nur auf die Handlung konzentrieren könnte.

Fazit:

Leseempfehlung für alle, die Familienromane mit diversen Handlungssträngen mögen und nichts gegen ausführliche Naturbeschreibungen haben.

Lieblingszitat:

Kommentar von Henni, als die Mädchen im Laufe des Landjahrs für einen Regelverstoß mit Latrinendienst bestraft werden, eine Strafe, die Henni mit stoischer Gelassenheit erträgt:

„Das ist der Preis der Freiheit. Wenn Freiheit nichts kosten würde, dann wär sie auch nichts wert.“

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Veröffentlicht am 18.03.2024

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm - oder doch?

Wir sitzen im Dickicht und weinen
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Wir sitzen im Dickicht und weinen
Felicitas Prokopetz


Worum geht’s?

Zu ihrer Mutter Christina hatte Valerie noch nie ein sonderlich gutes Verhältnis. Die Vernachlässigung, die sie durch ihre eigene ...

Wir sitzen im Dickicht und weinen
Felicitas Prokopetz


Worum geht’s?

Zu ihrer Mutter Christina hatte Valerie noch nie ein sonderlich gutes Verhältnis. Die Vernachlässigung, die sie durch ihre eigene Mutter erlebt hat, gleicht sie bei ihrem Sohn Tobi aus, indem sie zu einer regelrechten Übermutter mutiert, die den Sechzehnjährigen nach Strich und Faden verwöhnt.

Als Christina an Krebs erkrankt, muss Val für sie da sein. Ganz egal, wie schwer ihr das fällt. Die langen Pausen zwischen den einzelnen Begegnungen mit der Mutter, in denen sie sonst Zeit hatte, ihre Wunden zu lecken und sich für den nächsten Kampf zu wappnen, fallen plötzlich weg. Val ist gefordert, überfordert. Als dann Sohn Tobi plötzlich unbedingt ein Auslandsjahr in England machen möchte, gerät ihre Welt vollends aus den Fugen. Val kann nicht loslassen. Zwischen den Konflikten zwischen Val und ihrer Mutter und Val und ihrem Sohn entspinnt sich in verschiedenen Handlungssträngen auch die Geschichte der Großeltern in verschiedenen Phasen ihres Lebens, und die Leserinnen und Leser verstehen plötzlich, warum Christa zu der Frau geworden ist, die sie eben ist. Ihre eigene Mutter Martha hatte ebenfalls kein einfaches Leben, erkrankte kurz nach ihrer Geburt an einer regelrechten Wochenbettdepression und hatte das Gefühl, ihr Leben sei mit der Geburt der kleinen Christa vorbei („Sie fühlte sich, als hätte man sie in Ketten gelegt, und grauste sich vor diesem Egerling, der sie aussaugte“). Dass es am Ende eben kein Happy End gibt, war zu erwarten, ist für mich stimmig und der Ausklang auf den letzten Seiten stimmt versöhnlich.


Wie war’s?

Wenn es an diesem Roman für mich einen Kritikpunkt gibt, dann eindeutig, dass ein Personenverzeichnis am Anfang des Buches fehlt. Immer wieder springt die Handlung zwischen den verschiedenen Personen und Epochen hin und her und häufig ging es mir so, dass ich hier ein wenig den Überblick verloren habe.

Ansonsten ist es ein stilles, tiefgründiges Buch, das ich gerne gelesen habe. Gefallen haben mir vor allem die kurzen Kapitel, sodass man immer mal ein paar Seiten zwischendurch lesen kann, und die bildhafte Sprache, insgesamt hatte ich den Eindruck, dass hier jedes Wort mit Bedacht gewählt wurde und genau an der richtigen Stelle steht. („Tobi stellt sich Anschreien wie ein reinigendes Gewitter vor, er weiß nicht, wie viel Verwüstung die Blitzeinschläge eines richtigen Krachs anrichten“).

Es geht um die großen Fragen, die wohl jede Familie, ob dysfunktional oder nicht, irgendwie beschäftigen. Wie funktioniert Abgrenzung, auch und gerade, wenn es um die eigenen Kinder und Eltern geht? Und ist ein Kind den Eltern „was schuldig“ fürs in die Welt setzen und großziehen? Und folgen wir den Verhaltensmustern unserer Eltern getreu dem Motto "der Apfel fällt nicht weit vom Stamm?" - oder versuchen wir, alles anders zu machen, ohne genau zu wissen, ob das nun besser oder noch schlimmer ist?

Gerne hätte der eine oder andere Handlungsstrang etwas ausführlicher in die Tiefe gehen dürfen, ich hatte ein bisschen den Eindruck, als hätte die Autorin versucht, hier sehr viel Handlung auf wenige Seiten zu packen.

Fazit

Als Tochter (einer schwierigen Mutter, bei der eine Abgrenzung leider nur mit völligem Kontaktabbruch gelungen ist) hat mich dieser Roman sehr nachdenklich gemacht. Trotzdem würde ich ihn uneingeschränkt empfehlen, denn letzten Endes ist es ja genau das, was Literatur ausmacht: dass sie den Leserinnen und Lesern ans Herz geht und sie berührt.

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Veröffentlicht am 05.05.2024

Inselalltag, der mich seltsam emotionslos zurücklässt

Die Tage des Wals
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Die Tage des Wals von Elizabeth O’Connor (Übersetzung: Astrid Finke)

Worum geht’s?

Das Leben auf einer kleinen walisischen Insel irgendwo im nirgendwo hält für die achtzehnjährige Manod nicht viele ...

Die Tage des Wals von Elizabeth O’Connor (Übersetzung: Astrid Finke)

Worum geht’s?

Das Leben auf einer kleinen walisischen Insel irgendwo im nirgendwo hält für die achtzehnjährige Manod nicht viele Überraschungen bereit. Das Leben orientiert sich am Rhythmus der Gezeiten und Jahreszeiten. Manod, deren Mutter schon früh gestorben ist, hilft dem Vater mit den gefangenen Hummern, kümmert sich um ihre jüngere Schwester Llinos und verbringt die Freizeit mit kunstvollen Stickereien, während sie immer wieder davon träumt, das Leben auf der Insel, das ihr kaum Perspektiven bietet, hinter sich zu lassen („Im Kopf hatte ich es geplant. Ich träumte immer wieder davon“, S. 99)

Als eines Tages ein Wal strandet und kurz danach zwei Engländer eintreffen, gerät nicht nur der Alltag auf der Insel, sondern auch Manods Innenleben gehörig aus den Fugen.

Wie war’s?

Eine schwierige Frage. Das Buch lässt mich nach dem Zuklappen der letzten Seite merkwürdig emotionslos zurück. Eigentlich liebe ich Bücher mit maritimem Setting, auch hier hat mich die bildhafte Sprache der Autorin gedanklich direkt ans Meer transportiert:

„Möwen lassen Fische aus dem Schnabel auf den Hof fallen, die in die schmalen Ritzen und Löcher der Steine kriechen, sodass er monatelang ranzig riecht. Die Hitze bringt sie nur noch näher zu uns: ihre Vogelgerüche, ihre Rufe, ihre rosig roten Jungen .“ Seite 10

Also die Grundstimmung passt für mich, erinnert an ein aufgewühltes Meer. Auch die Kapitelstruktur passt dazu, kurze, manchmal nur ½ Seite umfassende Kapitel wechseln sich mit Kapiteln ab, die über etliche Seiten gehen.

Mein Kritikpunkt an der Geschichte ist, dass die Charaktere seltsam blass bleiben. Hier wäre meiner Meinung nach deutlich mehr Potenzial gewesen, so bleibt man als unbeteiligter Beobachter ein wenig außen vor, kann sich mit niemandem näher identifizieren, was sehr schade ist.

Thematisch fühlte ich mich immer wieder ein wenig an Dörte Hanssens „Zur See“ erinnert, dort geht es ja auch um einen gestrandeten Wal, der den Alltag auf der Insel durcheinander bringt, im Vergleich dazu finde ich „Die Tage des Wals“ leider recht flach.

Außerdem hat mich gestört, dass einfach viel zu viele Fragen unbeantwortet geblieben sind, was Manods Zukunft und den Tod ihrer Mutter angeht. Das Ende konnte mich hier leider nicht überzeugen.

Gut gefallen hat mir als Literaturübersetzerin die Qualität der deutschen Übersetzung und auch die immer wieder eingestreuten walisischen Wörter und Sätze. Was für eine schöne, fremdartige Sprache, mit der ich mich gerne irgendwann näher beschäftigen würde.



Fazit

Mein Fazit fällt eher durchschnittlich aus. Ja, ich habe mich beim Lesen gut unterhalten gefühlt, ja, die Geschichte ist durchaus interessant, trotzdem glaube ich nicht, dass mir dieses Buch aus irgendeinem Grund länger in Gedächtnis bleiben wird.

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