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Veröffentlicht am 08.10.2024

Bewegende Suche nach Heimat und Zugehörigkeit

Luzia
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Wien, Oktober 1926. Die hohe Arbeitslosigkeit verstärkt die eh große Not der Arbeiterschicht zusätzlich. Unruhen und Proteste sind an der Tagesordnung. Inmitten dieser ärmlichen Verhältnisse wächst die ...

Wien, Oktober 1926. Die hohe Arbeitslosigkeit verstärkt die eh große Not der Arbeiterschicht zusätzlich. Unruhen und Proteste sind an der Tagesordnung. Inmitten dieser ärmlichen Verhältnisse wächst die achtjährige Luzia bei einer Pflegemutter auf. Während aus politischen Unruhen blutige Kämpfe werden bricht Luzias bisherige Welt aus den Fugen. Statt Antworten auf ihre Fragen nach ihrer Herkunft zu erhalten wird die uneheliche Tochter als Dienstkind auf einen entlegenen Hof gebracht. Ungewohnte Aufgaben und teils harsche Worte bestimmen von nun an ihren Alltag. Doch hinter der rauen Schale verbirgt sich oftmals ein weicher Kern. Nach und nach erfährt die inzwischen Neunjährige mehr über ihre Mutter.
Der mir bekannte österreichische Sprachstil, mit alten Begriffen und Dialekt, verstärkt die authentische Atmosphäre. Falls unbekannte Ausdrücke einfließen, erklären sich die Begriffe im Zusammenhang von selbst. Wortkarg, teils verhärmt und doch hoffend, sind die Charaktere realitätsnah dargestellt. Aufsteigende Bilder lassen mich mit Luzia durch gestampftem Lehm laufen, dem Gezeter entfliehen oder der Elektrischen nachschauen. Ihre Suche nach Identität und Heimat miterleben. Verzweiflung und Träume von einem besseren Leben.
Bereits nach den ersten Seiten fühle ich mich zeitversetzt. Geschehnisse um die erdachte Person Luzia werden angesprochen, historische Begebenheiten und Hintergründe integriert. Oftmals bleibt dem Leser Freiraum, in welcher Art und Weise die Ereignisse gelöst werden. Beginnend im Jahre 1926 endet die Erzählung mit einem Zeitsprung im April 1933.
Die Figur Luzia wurde einem wahren Vorbild, der Urgroßmutter des Autors, nachempfunden. Erinnert mit diesem Büchlein an unzählige Schicksale ähnlicher Art. Verschlungen aus Erinnerungen und Historie hat der Autor eine feinfühlige Erzählung, untermalt durch den damaligen Sprachgebrauch, erschaffen.
Der Schreibstil schleicht auf leisen Sohlen daher und hinterlässt tiefe Spuren im Herzen. Sehr gerne spreche ich eine Leseempfehlung aus.

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Veröffentlicht am 30.09.2024

ein ergreifendes Lesehighlight

Wir tanzen in die Freiheit
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1945, Frankfurt liegt in Trümmern. Die zurückgekehrte Elfie ist glücklich, ihre Mutter unversehrt anzutreffen. Kaum angekommen, müssen die beiden Frauen ihre Wohnung unverzüglich den amerikanischen Besatzern ...

1945, Frankfurt liegt in Trümmern. Die zurückgekehrte Elfie ist glücklich, ihre Mutter unversehrt anzutreffen. Kaum angekommen, müssen die beiden Frauen ihre Wohnung unverzüglich den amerikanischen Besatzern überlassen. Als sich Elfie die Möglichkeit einer Anstellung im Palmengarten bietet, greift die 19jährige sofort zu. Zusammen mit dem schweigsamen Hilfsgärtner Klaus kümmert sich Elfie um den Gemüseanbau.
Während Elfie von Tanzabenden mit ihren Swing Freunden träumt und sich die glücklichen Stunden wieder herbeisehnt, grummelt Klaus vor sich hin. Je länger die beiden zusammen arbeiten, desto mehr verändert sich die Stimmung. Der Kriegsheimkehrer Klaus taut in der Gesellschaft der Swing liebenden Elfie immer mehr auf. Schicksalshafte Begegnungen mit der Vergangenheit treffen beide unvorbereitet. Als Elfis Welt zum wiederholten Mal aus den Angeln geworfen wird, ist Helga, ihre beste Freundin an Elfies Seite.
Die ausdrucksstarke Schreibweise der tiefgründigen Erzählung lässt mich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Kino im Kopf. Den Zeitgeist mit seinen zwiespältigen Gefühlen, Ängsten und Hoffnungen hat die Autorin wunderbar eingefangen. Die noch in den Köpfen umher spuckende Ideologie, der Kampf ums Überleben. Die Aufbruchsstimmung, auch der gesellschaftliche Wandel und das Leben unter amerikanischer Besatzung fließen in die bewegende Story ein. Die englischen Dialoge sowie eindrückliche Schilderungen von Kleidung und Setting verstärken mein Abtauchen zusätzlich. Eingebrachte Songtitel unterstreichen die Handlungen und verführen während dem Lesen Musik zu hören.
Der ausführliche Klappentext inspiriert zum Rätseln. Gespannt verfolge ich die Geschehnisse und Rückblicke. Kurze Anspielungen, neue Stränge und Perspektiven lassen mich fragend weiterlesen. Fasziniert vom Mut der Figuren, den tiefgründigen Charakteren und Tiefgang der Story ist das Buch ein Lesevergnügen. Generationskonflikte, Vertrauen fassen, nach Vergebung und Liebe suchen. Dennoch, Herzlichkeit inmitten der Trümmerwüste, der verwundeten Seelen. Die sprühende Lebensfreude rebelliert inmitten schicksalsschwerer Zeit.
Die authentische Erzählung basiert auf gründlicher Recherche der Autorin. Fiktive und Historie verschmelzen zu einem Lesehighlight. Ich durfte viele Eindrücke über die Jugendzeit unter besonderen Bedingungen mitnehmen. Lesegenuss in zwei Zeitsträngen, der im Gedächtnis bleibt und die Freiheit der Musik feiert. Eine unbedingte Leseempfehlung von mir.

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Veröffentlicht am 18.08.2024

Gelungener Abschluss der Trilogie

Süße Tage, bittere Stunden
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Marseille 1891. Fabienne verabschiedet sich von Stephanie und dem gemeinsamen Bistro, um zusammen mit ihrem Mann Yves, ihrer Schwester und den Kindern einen Neubeginn auf der Obstplantage zu wagen. Zurück ...

Marseille 1891. Fabienne verabschiedet sich von Stephanie und dem gemeinsamen Bistro, um zusammen mit ihrem Mann Yves, ihrer Schwester und den Kindern einen Neubeginn auf der Obstplantage zu wagen. Zurück auf dem elterlichen Hof wird Yves von den beiden Frauen tatkräftig unterstützt. Da die Familie täglich ihre vielfältig zubereiteten Speisen lobt, kommt der umtriebigen Köchin Fabienne eine neuartige Idee.
Einige Jahre und etliche Hürden später eröffnet Fabienne ihr eigenes Restaurant. Zurück im Süden Frankreichs lebt sie endlich ihren Traum, die Gäste mit ihren kulinarischen Köstlichkeiten glücklich zu machen. Plötzlich steht ihr verschwundener Sohn vor Fabienne. Sie traut ihren Augen nicht, die jahrelange Suche scheint erfolgreich beendet zu sein. Doch statt Freude spricht purer Hass aus seinen Worten. Zutiefst verletzt zieht sich Fabienne von allem zurück. Allerdings hat Fabienne nicht mit den Raffinessen des Schicksals gerechnet.
Eingestimmt durch die Zusammenfassung der vorangegangenen Geschehnisse aus Teil eins und zwei, bin ich schnell inmitten der Geschichte. Der angenehme Schreibstil, die eindrücklichen Schilderungen sowie immer neue Wendungen lassen mich abtauchen. Neuanfänge mit Höhen und Tiefen, Intrigen und Hoffnungen, verletzte Gefühle oder leidenschaftliche Träume, ein großes Spektrum an Emotionen wird angesprochen. Mit etlichen bereits bekannten Figuren gibt es ein Wiedersehen, hinzugefügte Charaktere eröffnen neue Möglichkeiten. Auch der gesellschaftliche Wandel fließt in die Erzählung mit ein.
Begegnungen mit der Vergangenheit reißen Wunden auf und bringen entweder Gefahren mit sich oder schenken neue Hoffnung. Zumeist kann ich die Ereignisse gut nachvollziehen. Das Ende lässt mich mit ein paar Fragen zurück, aber insgesamt bin ich begeistert.
Während Fabienne Köstlichkeiten unterschiedlichster Art zubereitet, läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Einige Rezepte finden sich am Ende des Buches. Interessante Erklärungen zu Recherchen und Inspiration sind ebenfalls eingefügt.
Fabienne ist Köchin aus Leidenschaft. Der Zeit vorauseilend kämpft sie für ihre Träume, als Frau selbstbestimmt zu leben. Fiktive Figuren und Handlungen sind mit historischen Fakten verbunden. Den Roman habe ich in wenigen Tagen ausgelesen.


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Veröffentlicht am 01.08.2024

Im Zwiespalt der Gefühle

Dinner im kleinen Cottage in Schottland
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Als Managerin im Bright Blossom Cottage ist Rebecca organisatorisch voll in ihrem Element. Privat hingegen fühlt sie sich oft unsicher und im Zweifel, denn sie wohnt mit ihren 28 Jahren noch bei ihren ...

Als Managerin im Bright Blossom Cottage ist Rebecca organisatorisch voll in ihrem Element. Privat hingegen fühlt sie sich oft unsicher und im Zweifel, denn sie wohnt mit ihren 28 Jahren noch bei ihren Eltern. Zunehmend erdrückt von ihrer Fürsorge fragt sich Rebecca, wie sie dem entkommen soll, ohne die Eltern zu verletzen?
Im Cottage. Abends erspäht Rebecca den neuen Gast und sein charmantes Lächeln erreicht ihr Herz. Auf der Suche nach Ruhe, um Kraft für die neue Surf-Saison zu tanken, landet Josh im verträumten Bright Blossom Cottage. Ein Ausflug endet jäh, als Josh ungeschickt fällt. Schreck. Angewiesen auf die umsichtige Hilfe der Cottage Crew entdecken Rebecca und der Surfprofi Gemeinsamkeiten. Doch dann tobt erneut ein Sturm. Gefühlschaos und Wellengang brechen alte Wunden auf.
Die abwechselnde Perspektive macht es spannend. Während Rebecca durch ihre überbehütete Kindheit geprägt ist und sich oft unsicher fühlt, plagen den offenkundig selbstsicheren Josh insgeheim Schuldgefühle. Doch keiner hat den Mut sich zu öffnen.
Bildhafte Schilderungen und humoriger Schreibstil lassen mich schnell in die Geschichte eintauchen. Mir bekannte Charaktere erläutern mit kurzen Rückblicken die vorangegangenen Ereignisse, somit sind Vorkenntnisse nicht zwingend nötig. Ich empfehle für uneingeschränkten Lesegenuss jedoch, die Reihe nacheinander zu lesen, da die Crew im Cottage mit jedem Buch wächst. Grins.
Traditionelle schottische Bräuche fließen ebenso in die Story ein wie Blicke in die Welt der Surf Community. Ich spüre den Zwiespalt, die Wünsche, Hoffnungen und Verletzungen der liebevoll gezeichneten Charaktere. Das Auf und Ab, bis sich Rebecca und Josh ihre Zuneigung eingestehen, lässt mich durch die Seiten fliegen.
Passendes Zitat: „Du bist faszinierend wie eine gigantische Welle des Atlantiks. Aufregend, prickelnd, atemberaubend“ , raunte er. „ Ich fühle mich eher wie die matte Dünung eines schottischen Lochs“ entgegnete sie leise.
Eingebettet in wunderschön gezeichnete Landschaften genieße ich den gefühlvollen Liebesroman. Doch wie so oft ist das Ende der Geschichte viel zu schnell erlesen. Verzaubert vom Charme des Cottage, würde ich am liebsten meine Koffer packen.

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Veröffentlicht am 31.07.2024

Waghalsig und mutig, auch die nächste Generation

Das Haus Kölln. Große Hoffnung
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Die Ereignisse um die Elmshorner Unternehmerfamilie Kölln gehen weiter. Mutter Bertha akzeptiert die Zukunftspläne ihrer Kinder, wenn auch teils mit ungutem Gefühl. Doch wider Berthas Erwarten zeigt sich ...

Die Ereignisse um die Elmshorner Unternehmerfamilie Kölln gehen weiter. Mutter Bertha akzeptiert die Zukunftspläne ihrer Kinder, wenn auch teils mit ungutem Gefühl. Doch wider Berthas Erwarten zeigt sich nach und nach, dass ihr Sohn Claus mit seiner Wahl die richtige Frau an seine Seite geholt hat. Ebenso wie vor vielen Jahren sie selbst ihre Schwiegermutter überzeugen musste.
Der ausbrechende erste Weltkrieg verlangt den Frauen zuhause alles ab, während viele Männer an der Front Gräuel ausgesetzt sind. Selbstbewusst und mutig leiten Bertha und Else die Geschicke des Werkes. Tief in Else jedoch nagen Zweifel. Claus verbringt immer mehr Zeit außerhalb. Gibt es wirklich so viele geschäftliche Belange, die seine Anwesenheit erfordern, oder steckt eine Frau dahinter?
Ein weiterer Erzählstrang beleuchtet Carolines weiteren Weg. Der Zufall spielt Schicksal und mit einem Mal scheint ihre Welt aus den Angeln gehoben worden zu sein. Doch mutig, wie ihre Mutter Luisa, beschreitet Line neue Wege. Weitere Familienmitglieder und bekannte Gesichter aus dem ersten Band sind in die Geschehnisse integriert. Konflikte und überraschende Wendungen erfordern teils wagemutige Entscheidungen. Anfänglich verrückt erscheidende Ideen zeigen Erfolg.
Der zweite Teil der Reihe beleuchtet die Jahre von 1912 bis 1921. Die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche beeinflussen die Ereignisse und spiegeln sich nachvollziehbar in der Erzählung. Der anschauliche Schreibstil lässt mich eintauchen. Glanzvolle Feste oder Entbehrungen der Kriegsjahre, das sich wandelnde Bild auf den Straßen und vieles mehr. Hoffnungen und Fehlschläge, wirtschaftlich sowie familiär. Obwohl wenig historisch belegte Fakten direkt zur Familie aufzufinden waren, verschmelzen diese mit fiktiven Geschehnissen und Personen zu einem unterhaltsamen Roman. Im Anschluss erklärt die Autorin Näheres dazu.
Dieses Zitat gefällt mir besonders gut, schmunzel: „Manchmal müssen wir uns gegen die Männer dieser Familie durchsetzen.“ Mit der Erwiderung :“ Wir sind uns gar nicht so unähnlich:“ mache ich Euch neugierig. Welche Hürden mussten sie meistern, bis sich die Gemeinsamkeiten herauskristallisiert haben?
Ich freue mich auf den dritten Teil der Kölln Saga, Wahres Glück.


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