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Veröffentlicht am 06.09.2024

Überraschend starkes Ende nach zähem Einstieg in die Geschichte

The Reappearance of Rachel Price (deutsche Ausgabe)
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Wie würdest du reagieren, wenn deine totgeglaubte Mutter plötzlich, nach 16 Jahren Abwesenheit, unvermittelt vor dir steht, während du und deine Familie dabei seid, mit einem Filmteam eine Doku über ihr ...

Wie würdest du reagieren, wenn deine totgeglaubte Mutter plötzlich, nach 16 Jahren Abwesenheit, unvermittelt vor dir steht, während du und deine Familie dabei seid, mit einem Filmteam eine Doku über ihr Verschwinden zu drehen?

Klappentext und eine Leseprobe haben mein Interesse auf ein temporeiches, außergewöhnliches Buch mit grandiosem Page-Overlay in der ersten Ausgabe geweckt. Leider habe ich dann über 200 Seiten benötigt, bis die Story für mich endlich Fahrt aufnahm, erste spannende Handlungsstränge sich entwickelten, die Charaktere an Farbe gewannen und sich die immer gleichen Fragen und Inhalte nicht mehr ständig wiederholten. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits mehrfach überlegt, das Buch abzubrechen.

Hauptfigur Bel (Annabel) ist eine absolute Anti-Heldin, wirkt häufig unsympathisch, weist mit Blick auf ihre Mutter Rachel paranoide Züge auf und stiehlt, um "den Knoten in ihrem Bauch" zu besänftigen. Viele der Szenen, die im familiären Umfeld stattfinden, wirken überzogen und gekünstelt. Vielleicht sollte das als Stilmittel auf die Doku einzahlen, die über das komplette Buch hinweg gedreht wird, mich konnte es dahingehend nicht überzeugen. Zumal irgendwann klar wird: Jede einzelne Person in dieser Familie lügt und birgt ihr(e) Geheimnis(sse). Was spannend hätte sein können, hat mich in einer Vielzahl von Fällen schlicht genervt, weil Andeutung über Andeutung gemacht wurde und die Handlung einfach weiterging über etliche hundert Seiten.

Ab ca. Seite 200 begannen dann erste wirklich überraschende Entwicklungen und der Spannungsbogen baute sich nach einem zähen Einstieg merklich auf. Phasenweise ist es mir ab diesem Zeitpunkt wirklich schwer gefallen, das Buch noch aus der Hand zu legen - damit hatte ich nicht gerechnet! Das letzte Drittel des Buches birgt so viele Wendungen und unvorhersehbare Entwicklungen, dass ich am Ende froh war, es zu Ende gelesen zu haben. Auch weil Bel auf den letzten 150 Seiten eine echte Verwandlung macht, die eine Figur zur Folge hatte, mit der ich mich deutlich besser identifizieren konnte.

Komplett überzeugen konnte mich das Buch aufgrund des schwachen und langatmigen Einstiegs leider nicht, aber das starke und überraschende Ende hat viele der negativen Aspekte wettgemacht!

Der gewählte Sprachstil konnte mich nicht recht überzeugen, viel "Fuck" und Schnodderigkeit nehmen Raum ein und machen das Buch (vielleicht) eher tauglich für junge Erwachsene, womit die Zuordnung in die Young Adult-Kategorie ihre Berechtigung erfährt.

Wer Lust auf ein Leseexperiment hat, darf sich gerne trauen. Leider kann ich keine Vergleiche zu anderen Werken der Autorin ziehen, daher an dieser Stelle weder eine klare Empfehlung, noch eine klare Nicht-Empfehlung.

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Veröffentlicht am 18.06.2024

Ein schönes Bilderbuch für Kuschelabende

Bis zu den Sternen und wieder zurück ... - Liebeserklärung einer Drachenmama
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"Im Herzen bei euch war ich nicht mehr alleine" - wie fühlt es sich an, wenn Mama plötzlich ganz weit weg, ja, sogar ins Weltall geht? Wie geht sie damit um, wie bereitet sie sich vor? Vermisst sie ihre ...

"Im Herzen bei euch war ich nicht mehr alleine" - wie fühlt es sich an, wenn Mama plötzlich ganz weit weg, ja, sogar ins Weltall geht? Wie geht sie damit um, wie bereitet sie sich vor? Vermisst sie ihre drei Drachenkinder? Wie geht es den dreien im Angesicht des Abenteuers, das ihre Mutter bald ohne sie antreten wird?

Die Geschichte geht ans Herz, ist es doch eher die Ausnahme, dass die Mama ihre Kinder aus beruflichen Gründen für einige Zeit nicht umsorgen kann und die Familie sogar räumlich verlassen muss. Wie offen und positiv daraus eine mutmachende, bestärkende Geschichte werden kann, beweisen Anna Menon und Keri Vasek mit ihrer von Cornelia Boese ganz hervorragend übersetzten Geschichte. Abgerundet wird das Gesamtbild durch eine außergewöhnliche Bebilderung, die Andy Harkness aus abfotografierter Knetmasse erstellt hat.

Das Buch ist für Kinder ab 4 Jahren sehr gut verständlich, die Geschichte ansprechend. In so bewegten Zeiten sind gegenseitiger Halt und Liebe wichtig. Dabei ist die Liebe nicht weniger, wenn ein Elternteil für eine gewisse Zeit nicht auch körperlich bei der Familie sein kann.

Zum Abschluss mein einziger Kritikpunkt: Der Drachenpapa oder ein anderer Drache, welcher während der Abwesenheit der Drachenmutter die Kinder umsorgt, findet nur in der bildlichen Darstellung Platz, im Text kein Wort dazu. Das ist schade, denn für mich persönlich gehört zu einer starken Familie, dass die Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt sind, dass die Mama auch beruflich mutig sein und ihre Träume verwirklichen kann, während Papa (oder Oma, Opa, eine andere Person) für die Kinder da ist, sie umsorgt, sich um sie kümmert.

Diese zweite Perspektive fehlt mir, denn ich bin sicher, ohne die Gewissheit, dass ihre Kinder während ihrer Abwesenheit in den besten Händen sind, wäre die Drachenmama niemals auf die Reise zu den Sternen gegangen.

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Veröffentlicht am 05.05.2025

Vielversprechender Einstieg, leider wenig überzeugende Umsetzung in Gänze

Die Buchreisenden - Ein Weg aus Tinte und Magie
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In einer mysteriösen, unscheinbaren Buchhandlung arbeitet ein junger Mann namens Adam als Erzähler. Doch er ist kein normaler Erzähler. Adam, wie auch seine ausnahmslos männlichen Kollegen bei Libronautic ...

In einer mysteriösen, unscheinbaren Buchhandlung arbeitet ein junger Mann namens Adam als Erzähler. Doch er ist kein normaler Erzähler. Adam, wie auch seine ausnahmslos männlichen Kollegen bei Libronautic Inc. verfügen über die besondere Gabe, Risse in den Raum zwischen Realität und Fiktion zu lesen, der es den betuchten Kund:innen der Buchhandlung ermöglicht, mitten in ihre liebsten Geschichten einzutauchen und so ein Teil davon zu werden. Doch die Idylle trügt und nach zwei merkwürdigen Vorkommnissen, die im Beisein von Adam geschahen, beginnt die vermeintlich heile Welt um Libronautic zu bröckeln. Es entspinnt sich ein Konstrukt um Lügen und Intrigen, von dem Adam offenbar nichts wusste, in welchem er jedoch eine zentrale Rolle spielt.

Die Idee zum Buch hat mich sofort neugierig gemacht, die Leseprobe über die ersten rund 40 Seiten hatte Sogwirkung. In eingängiger, ansprechender und lebhafter Sprache nimmt Akram El-Bahay seine Leser:innen mit auf eine temporeiche Reise durch wahre und fiktive Welten, durch große und teils auch eher unbekannte Werke der Literatur. Dabei weben die Hauptcharaktere sich ein in ein komplexes Geflecht aus Intrigen, Verbrechen und großen Gefühlen, die in den klassischen Geschichten – abseits des Haupthandlungsstranges – ihren Platz finden.

Leider verlieren mit Fortgang des Buches insbesondere die beiden Hauptcharaktere zunehmend an Profil, bis hin zu Verhaltensweisen oder Aussagen, die nicht sinnvoll mit der bisherigen Darstellung der Protagonisten in Einklang zu bringen sind. Auch die Storyline leidet unter zu viel Tempo und Spannung, die zu erzeugen versucht wurde; Charaktere reagieren in sehr emotionalen Situationen äußert knapp oder gar befremdlich, wenig authentisch.

ACHTUNG, ab hier Spoiler mit Blick auf das Ende des Buches!!! Es kommt zu einem dramatischen Kampf in einer der maßgeblichen Geschichten in der Geschichte, welcher für mich nach wie vor eindeutig den Haupthandlungsstrang berührt, diesen beeinflusst und so überhaupt nicht möglich sein sollte. In zwei Drittel des Romans wurde mehrfach und deutlich darauf hingewiesen, dass Eingriffe, die dem Haupthandlungsstrang oder den Hauptcharakteren zu nahe kommen oder den Haupthandlungsstrang gar verändern, die Erzählung zum Kollabieren bringen und die Besucher sehr wahrscheinlich den Tod finden. – Die Geschichte von „Die Buchreisenden“ ging nur dieser eigenen Regel ungeachtet ungerührt weiter. Mag sein, dass das Absicht war, weil besagte Geschichte irgendwie besonders ist und für diese andere Regeln gelten; der Autor selbst schrieb, dass der Zeitpunkt, zu dem der Kontakt stattfindet, außerhalb des Haupthandlungsstrangs liege. Das konnte mich aber nicht restlos überzeugen. Leider fügt sich diese Unstimmigkeit zudem mit noch weiteren in eine kleine Serie von Irritationen, die mich persönlich gestört haben.

Zum Ende: Für mich endet dieses Buch mitten in der Handlung, es werden in nur sehr geringem Umfang offene Fragen zum Abschluss gebracht. Dass der zweite Teil erst im Herbst erscheint und damit viele Leser:innen in der Luft hängen – auch solche, die gerne unbedingt erfahren möchten, wie sich die Geschichte auflöst – finde ich zudem sehr unglücklich.

Fazit: Die Idee klang toll, die Umsetzung startete vielsprechend, aber das Buch war für mich nicht imstande, zu halten, was es versprach, und ist daher eher enttäuschend. Nach den Irritationen und Ungereimtheiten im letzten Drittel sowie der (für mich) zu langen Wartezeit bis zur Veröffentlichung des zweiten und letzten Teils der Dilogie, werde ich die Geschichte sehr wahrscheinlich nicht zu Ende lesen, d. h. Band zwei gar nicht erst beginnen. Ein dicker Band, der die Teile eins und zwei bündelt, hätte mir womöglich mehr zugesagt.

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Veröffentlicht am 18.08.2024

"Marta schläft" - gute Idee, aber nur mäßig packende Umsetzung

Marta schläft
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Mit Nadja stimmt etwas nicht. Die mausgraue, verschlossene Frau trägt seit Kindheitstagen ein Geheimnis, das sie zum perfekten Sündenbock macht - oder etwa doch nicht?

"Marta schläft" war das vierte Buch, ...

Mit Nadja stimmt etwas nicht. Die mausgraue, verschlossene Frau trägt seit Kindheitstagen ein Geheimnis, das sie zum perfekten Sündenbock macht - oder etwa doch nicht?

"Marta schläft" war das vierte Buch, das ich von Romy Hausmann gelesen habe. Die Reise begann mit "Liebes Kind" - unangefochten ihr bislang bester Roman -, es folgte "True Crime", was ein gänzlich anderes Genre bedient als ihre bisherigen Romane, dann "Perfect Day" und nun eben "Marta schläft".

An und für sich ist die Story gut, in deren Verlauf der Leser / die Leserin Nadja Kulka durch ihr verstörendes Leben begleitet. Jedoch verwirren die diversen Charakter- und Zeitsprünge in meiner Wahrnehmung mehr als dass sie Spannung aufzubauen im Stande sind. Die eingeflochtenen Wendungen sind leider oftmals vorhersehbar oder so weit weg vom Möglichen oder gesunden Menschenverstand, dass es zu mehr als einem schnell ausgelesenen Buch leider nicht gereicht hat. Schade!

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Veröffentlicht am 05.08.2024

Langatmiges, wortgewaltiges Epos über die Macht der Sprache

Babel
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Robin gelangt unter mysteriösen Umständen aus seiner Heimat Kanton und den bescheidenen Verhältnissen, in welchen er dort aufgewachsen ist, in die besten Kreise des Vereinigten Königreiches. Sein neuer ...

Robin gelangt unter mysteriösen Umständen aus seiner Heimat Kanton und den bescheidenen Verhältnissen, in welchen er dort aufgewachsen ist, in die besten Kreise des Vereinigten Königreiches. Sein neuer Vormund, Richard Lovell, öffnet ihm Türen in Kreise, zu denen er mit seiner chinesischen Herkunft unter gewöhnlichen Umständen keinen Zugang gehabt hätte. Robins außergewöhnliches sprachliches Talent hebt ihn von der Masse ab - doch um welchen Preis stehen ihm nun das prestigeträchtige Institut für Übersetzung der Universität Oxford und die damit verbundenen Annehmlichkeiten offen?

Die Zusammenfassung und der Klappentext des Buches haben mich neugierig auf den Inhalt dieses über 700-Seiten-starken Epos gemacht: Eine Handlung im historischen Emipre um 1800, die Geschichte der Sprache, die Macht der Übersetzung, interessante Protagonisten aus verschiedensten Kulturkreisen und dazu noch jede Menge wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Themen der Zeit. Klingt anspruchsvoll und das ist es auch.

Meine Erwartungen an das Buch waren dahingehend falsch, dass es sich um ein klassisches Werk der Belletristik mit historischen Elementen handelt und der unterhaltende Faktor dominiert. De facto ist der Inhalt dieses Buches in weiten Teilen hoch anspruchsvoll, hoch politisch und hoch ethisch - kurzum, alles, aber gewiss keine leichte Lektüre oder angenehme Unterhaltung. Die Autorin geht sehr tief in philologische Details mehrerer Sprachen, darunter auch Chinesisch oder Sanskrit. Das Niveau der Ausführungen übersteigt für mein Empfinden regelmäßig die Grenzen dessen, was ich als "Unterhaltungsliteratur" beschreiben würde. Phasenweise fühlte es sich an, als hätte ich ein Semantik-Seminar belegt und arbeite mich durch eine Arbeitsunterlage.

Die Handlung hätte sich auch kürzer gut darstellen lassen, dann allerdings mit weniger detaillierten und ggfs. weniger wissenschaflich anmutenden Ausführungen. Die behandelten Themen und Schwerpunkte haben mich häufig getriggert, was dem Buch eine zusätzliche Schwere gab und in Ergänzung zu den trockenen wissenschaftlichen oder wissenschaftlich anmutenden Passagen nur eingeschränkte Lesefreude hervorrufen konnte.

Für mich wohl im Kern nicht das Buch, das ich erwartet hatte. Für alle, die gerne so tief in eine bestimmte Materie abtauchen und sich kritisch mit hoch anspruchsvollen und kontroversen Themen beschäftigen, sicher dennoch eine interessante Wahl!



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