Profilbild von SigiLovesBooks

SigiLovesBooks

Lesejury Star
offline

SigiLovesBooks ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit SigiLovesBooks über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.04.2025

Ein (englischer) Gartentraum zwischen Tradition und Moderne

Mein wunderbarer Cottage-Garten
0

"Mein wunderbarer Cottage-Garten" von Isabelle van Groeningen erschien (HC, geb., 251 S.) im Insel-Verlag, Berlin, 2025.


Ausgestattet ist dieses wunderschön gestaltete, sehr informative Sachbuch mit ...

"Mein wunderbarer Cottage-Garten" von Isabelle van Groeningen erschien (HC, geb., 251 S.) im Insel-Verlag, Berlin, 2025.


Ausgestattet ist dieses wunderschön gestaltete, sehr informative Sachbuch mit sehr stil- und geschmackvollen Illustrationen von Polly Wickham und bezaubernden, stimmungsvollen Fotografien der Autorin.


Die studierte und renommierte I. von Groeningen legt mit diesem Buch ihr 2. Werk vor, sie ist Gewinnerin des "Deutschen Gartenbuchpreises" (2022) und verfügt über jahrzehntelange Erfahrung als Pflanzplanerin, was in den wunderschönen Fotografien auch zum Ausdruck kommt; in den Vorsatzseiten gibt es auch eine gartenarchitektonische Beschreibung des vorgestellten Gartens der Autorin in Coleshill, Grafschaft Oxfordshire. Das Cover bezieht sich auf den Garten mit einem Ausschnitt des Anwesens, das einst zu einem Gut gehörte. Die Autorin beschreibt nun von den Anfängen Anfang der 90er Jahre bis zum 'perfekten Gartenbild' die Um- und Neugestaltung ihres Cottage-Gartens sehr anschaulich in Wort und Bild.


Die verschiedenen Themenbereiche der Gartengestaltung gliedern sich nach der Einführung vom Wandel des rein funktionellen Nutzgartens zum blumenreichen, romantischen Garten in:


- Der Vorgarten, - Das Herz des Gartens (Schuppenbereich und Küchenterrasse) - Die Farbrabatten - Der Gemüse- und Nutzgarten - Der Präriegarten bis hin zu den allesamt für HobbygärtnerInnen wie auch für Profis sehr interessanten Kapitel III: Der Natur Raum geben - Umgang mit Ressourcen, Pflanzen, Tieren und nachhaltige Pflege.

Denn dies ist ein Leitmotiv jedes Gärtners und auch der Autorin: Gärtnern im Einklang mit der Natur: Der bezaubernde Garten in Coleshill ist ein Beispiel für eine zeitlose, nachhaltige und zugewandte Art des Gärtnerns, die zukunftsweisend ist.


Wie die Autorin, vergleiche auch ich seit Langem den Cottage-Garten mit dem deutschen Bauerngarten: Einen solchen hatte ich viele Jahre täglich um mich, im Haus meiner Eltern (ein altes Bauernhaus, das heute unter Denkmalschutz steht). Denn ich genoss ihn und freute mich seit Kindheitszeiten über das Glück, einen passionierten Staudengärtnermeister als Vater zu haben, später einen weiteren durch meinen Bruder, womit eine (wenn natürlich auch überschaubare) Kenntnis von Pflanzen in der Familie sichergestellt wurde (und die Liebe zur Natur und deren Erhalt gleich gratis mit dazu).


Der erzählerische Stil I. von Groeningen's ist sehr eingängig und gut zu lesen, bildhaft beschreibt sie die verschiedenen Gartenbereiche und vermittelt wichtige Fakten aus ihrer langjährigen Praxis. Man bekommt einen guten Überblick über die jeweiligen Pflanzen (natürlich auch Stauden, die ich besonders liebe) sowie über Nutzpflanzen, die auch Teil des Cottage-Gartens sind. Die oft atmosphärischen Fotos lassen das Herz jedes Gärtners/jeder Gärtnerin höher schlagen - eine Blumen- und Farbenpracht, die jeder gerne sein eigen nennen würde.


Ich wünsche allen, die sich für dieses ganz besondere Gartenfachbuch entscheiden (und damit sicherlich viele nützliche und umsetzbare Tipps zur Cottage-Gartengestaltung in Händen halten) ebenso viel Freude, wie ich sie verspürte und spreche eine absolute Empfehlung aus: 5* + Gartenbuch-Tipp!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.04.2025

Eine poetische und magische Geschichte um die Flüchtigkeit des Glücks

Der Gast im Garten
0

Der Roman ist in HC-Ausgabe und in sehr schöner Aufmachung (und Illustrierung) 2015 im Insel-Verlag erschienen. Das Cover wurde von Quint Buchholz gestaltet (der seines Zeichens auch federführend die wunderschönen ...

Der Roman ist in HC-Ausgabe und in sehr schöner Aufmachung (und Illustrierung) 2015 im Insel-Verlag erschienen. Das Cover wurde von Quint Buchholz gestaltet (der seines Zeichens auch federführend die wunderschönen Illustrationen zum Text schuf) und zeigt die Hauptprotagonistin "Chibi", zu deutsch "Kleine" (Katze) - die eigenwillig und scheu, aber auch sehr spielfreudig einem Ehepaar in ihrem "Gartenhaus" zugelaufen ist und sich mehr und mehr in deren Garten, Haus und - auch den Herzen der beiden - einnistet....

== Inhalt/Handlung (Buchrücken) ==
"Wenn Chibi sich müde gespielt hatte, kam sie ins Haus, um sich auszuruhen. Das erste Mal, als sie zusammengerollt auf dem Sofa einschlief, hielt eine tiefe Freude Einzug, als habe das Haus selbst sich diese Szene erträumt.
Ein idyllischer Garten, wie aus der Zeit gefallen. Ein Paar, dem die Freude abhanden gekommen ist. Und eine scheue Katze, die ihnen die Freude zurückbringt. Ein poetisches und ergreifendes Buch über das flüchtige Glück des Daseins."

== Meine Meinung ==
Wir lernen ein Ehepaar (Mitte 30, berufstätig und kinderlos) kennen, die interessanterweise als Lektor und Korrektorin arbeiten. Beide sind vom Lärm der Großstadt erschöpft und kehren dieser den Rücken. Sie beziehen ein Gartenhaus in der Nähe Tokyos, dessen Vermieterin eine nette alte Dame ist. Der Roman beschreibt, wie "Chibi", die kleine Katze, die später "Glöckchen" genannt wird, "als es Winter wurde, durch den Spalt des Fensters fast unmerklich in das Leben des Paares eintritt". Mit jedem Besuch der Katze, die von dem anderen, (eigentlichen?) "Zuhause" ein Halsband mit einem Glöckchen umgebunden bekam, wird das Haus des Ehepaares lebendiger...
Bald hat sie einen festen Platz, bekommt leckeren Fisch und spielt zur eigenen und zur Freude der Frau gerne Ball; ist sie müde, schläft sie gerne im gemütlichen Wandschrank (was z.B. an dieser Stelle wunderschön illustriert wurde). Sie lässt sich jedoch nicht auf den Arm nehmen und kommt und geht ganz nach "Katzenmanier", wie es ihr gefällt.....
Das Buch ist in der Ich-Form des Erzählers (Ehemanns) geschrieben, auf poetische und sanfte Weise wird das Leben im Gartenhaus und das mit Chibi in Worte gefasst: In dem Maße, in dem das gewollt kinderlose Paar die Katze in ihr Herz lässt und viel Freude mit ihr erlebt, öffnet es auch das eigene Herz für Emotionen. Hierbei werden Respekt und Toleranz dem Freiheitswillen Chibi's und ihrem Verhalten, ebenso wie auch der Silberlibelle, die eines Tages im Garten erscheint, sichtbar, die mich als Leserin (und Katzenfreundin sehr berührt haben. Je öfter Chibi da ist und - nach anfänglichem Zögern - mehr und mehr zum Familienmitglied wird, desto näher kommt das Paar der kleinen Katze im emotionalen Sinne - es lässt Gefühle und damit Lebendigkeit und Freude - zu....
Als Chibi eines Tages verschwindet (wobei der Tod von ihr nicht ganz geklärt wird, sondern eher Fragen aufwirft), trauert das Paar sehr und kann diese Trauer nur auf Umwegen ausleben, da die Nachbarin (Mutter des kleinen Jungens, der ihr das Glöckchen umhängte) ihnen verwehrt, das Grab Chibi's in deren Garten besuchen zu dürfen, so "gingen sie jedes Jahr im März an die Stelle (an der Chibi überfahren worden sein sollte) und legten, wenn niemand in der Nähe war, getrocknete Sardinen ab und verharrten andächtig einen Moment".... Eine der zutiefst berührenden Passagen, die diesen Roman ausmacht.
Am Rande wird auch die reale Situation beschrieben, vor welchen Problemen das Paar nach dem Verkauf des Hauses der alten Dame stand, eine neue Wohnung suchen zu müssen - vor explodierenden Immobilienpreisen in Japan Ende der 80er Jahre.
Als sie nach langem Suchen dennoch fündig werden ("einige Minuten vom Grab Chibi's entfernt), entdeckt der Mann eines Tages im Nachbargrundstück eine Katzenmutter mit 4 Jungen, die sie fortan"Chibi-Chibis" nennen und sich um diese Katzenfamilie (ausnahmsweise sogar mit dem Katzenpapa!) kümmern (wobei es jeweils nicht zulässig ist, sich Haustiere anzuschaffen, was den Leser auch nachdenklich macht...).
Stilistisch hat mir der Roman sehr gut gefallen, da er tiefsinnig und dennoch leicht und flüssig zu lesen ist, ohne Schnörkel auskommt.
Die wunderschönen Illustrationen von Quint Buchholz bilden hier ein das Lesen noch vergnüglicher machendes Komplementär, das die schönsten Momente noch unterstreicht.

== Fazit ==
Zutiefst berührt lässt diese poetische Geschichte um "flüchtiges Glück"den Leser (besonders jenen, der oder die Katzen liebt), zurück: "Das Glück kann in vielen Formen kommen - meist sehen wir es gar nicht". Ich danke dem Insel-Verlag, dass ich diesen Roman bereits vorablesen durfte und denke, dass es viele "schönste Momente" beinhaltet, die jeder sich jedoch selbst erlesen sollte (einige sind hier bereits zu finden).Eine wundervolle, magische und auch poetische Geschichte um ein Ehepaar, dem die Freude abhanden kam, um Chibi, eine kleine Katze, die ihnen die Freude zurückbrachte, einem verwunschenen Garten mit einem alten mächtigen Keyakibaum und einigen wenigen, aber dafür meist sympathischen Nebenfiguren wie der "alten Dame", die dieses Glück im Gartenhaus in der Nähe Tokyos erst ermöglichte... Ein Plädoyer geradezu, Gefühle zuzulassen - und damit menschlich zu sein.
Meine Bewertung: 5 sehr verdiente Sterne (sowohl für den Autor als auch den Illustrator!) und 95° auf der "Belletristik-Couch".

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.11.2024

Tolles Grundkochbuch für alle Lebenslagen

Mach's lecker!
0

"Mach's lecker!" von Tim Armann (UT "Der Anfang von richtig gutem Essen") erschien (HC, geb., 223 Seiten) 2024 im dk-Verlag, München.


Die Idee des Autors und seinem Team, das das Entstehen dieses wirklich ...

"Mach's lecker!" von Tim Armann (UT "Der Anfang von richtig gutem Essen") erschien (HC, geb., 223 Seiten) 2024 im dk-Verlag, München.


Die Idee des Autors und seinem Team, das das Entstehen dieses wirklich tollen Kochbuchs, das nicht nur mit leckeren Rezepten, sondern auch mit vielen basics und Wissen sowie Tipps und Kniffen punktet, gefällt mir sehr! Manchem ist Tim Armann bereits ("Brot mit Ei") durch soziale Medien wie tiktok, youtube und instagram bekannt. In dem er sein Wissen mit anderen teilt und dies hier in einem Buch vorstellt, ist er der Überzeugung dass jeder kochen kann und will dazu Inspirationen geben, auch Ungeübten und noch-nicht-Köchen, in die Küche zu gehen und loszulegen - in diesem Zusammenhang finde ich die Unterteilung der drei Schwierigkeitsgrade sehr gut. Der Autor gibt Interessantes über Geschmack, Geschmacksaufbau weiter, nennt erforderliche Küchenutensilien, hilft dabei, clever einzukaufen und zu bevorraten bis hin zu Kühlschranktipps und Garmethoden als Basics, die ich so auch selten in einem Kochbuch sah und besonders hilfreich für newbies sein dürften, die unter gewissen "Schwellenängsten" an Küchentür und besonders am Herd leiden - hier schafft Tim Armann Abhilfe!


Die verschiedenen Kategorien bestehen aus Brühen & Saucen; Vorspeisen und Snacks; Veggie, Pasta, Fleisch, Seafood, Backen, Süßes und Flavour Hacks.


Die leckeren, abwechslungsreichen Gerichte und Rezepte sind step-by-step gut erklärt und dadurch sehr gut nachzubereiten, tolle Fotos dazu liefert Annika Krüger, die einem das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen und Lust weckt, selbst in die Küche zu eilen... Folgende Gerichte gehören ab sofort zu unseren Lieblingsrezepten:


- Hummus mit Ei; Baba Ganush (leckerer Dip), grüne Shakshuka, Blumenkohl Levante-Style, Pfannen-Camembert, Kräuterravioli, Boeuf bourguignon, Moules frites und Fladenbrot aus der Pfanne (mit Öl-Kräuter-Dip, sagenhaft lecker!). Auch der Karottenkuchen und die Zimtschnecken à la Tim Armann werden demnächst ausprobiert, genauso wie der French Toast.


Das Tüpfelchen auf dem 'i' sind die Flavour Hacks, fantastisch! (Knobiöl, Kräuter- und Zitronenbutter z.B.) und besonders genial fand ich die Aufteilung nach Themen am Buchende nach Themen zu Anlässen und den entsprechenden Rezepten von Brunch, erste Rezepte, 'macht Eindruck' bis zur Kaffeetafel. Auch das Register am Ende des Kochbuchs lässt die Lieblingsrezepte schnell wiederfinden.


Fazit:


Ein lässiges, leckeres und unglaublich übersichtliches Grundkochbuch für alle, die mutiger in der Küche werden wollen. Sehr strukturiert, gut erklärt, auch für Küchen-newbies! Meine Empfehlung; ganz besonders vielleicht "einem, der auszog und sich nun selbst mit dem Herd konfrontiert sah" - aber auch geübteren Köchen und Köchinnen. Von mir die Bestnote und 5*


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.11.2024

Wundervolles Plädoyer für ein Leben in Gemeinschaft

Wohnverwandtschaften
0

"Wohnverwandtschaften" von Isabel Bogdan (HC, geb., 272 S.) erschien 2024 im KiWi-Verlag, Köln. Ich kannte die Autorin bereits von ihren hervorragenden Übersetzungen her (Jane Gardam) und dem drollig, ...

"Wohnverwandtschaften" von Isabel Bogdan (HC, geb., 272 S.) erschien 2024 im KiWi-Verlag, Köln. Ich kannte die Autorin bereits von ihren hervorragenden Übersetzungen her (Jane Gardam) und dem drollig, witzigen Roman "Der Pfau". Mit diesem neuen Roman hat sie sich nun endgültig in mein Herz (auch für WG's, in denen auch ich in StudentInnenzeiten gerne lebte) geschrieben.


"Jörg ist bei uns das Mehl, die Trägermasse, ohne ihn geht gar nicht. Vielleicht bin ich das Wasser, ich halte den Teig geschmeidig. Ich glaube, Anke ist die Eier, sie macht ihn fluffig und nimmt die Klebrigkeit raus. Mit Eiern ist schon super, und wir haben zu dritt ja auch wunderbar funktioniert, aber seit Constanze da ist, sind wir was Besonderes. Constanze ist die Kräuter. Das werden die besten Spätzle ever." (Murat)

Quelle: Buchrückentext


Besser kann man die vier sehr sympathischen Bewohner der WG, die sich von einer Wohngemeinschaft eher zu einer Wohnfamilie mausert, nicht beschreiben: Da ist Jörg (68), dessen Frau verstarb und der nicht alleine wohnen wollte. Weshalb Murat (um die 30) und Anke (Ü50) bei ihm einziehen konnten (und damit wieder "Leben in der Bude war, was Jörg sehr mag). Zu diesen Dreien gesellt sich, so beginnt dieser wirklich schöne, herzergreifende Roman nun auch Constanze (35), die sich von ihrem Lebensgefährten Flo trennte und auf die Schnelle als Übergangslösung in die bestehende Wohngemeinschaft einzog: Im Romanverlauf stellt sie vergleichend fest, dass dies viel eher ihrer Lebensart entspricht und die WG wird mehr und mehr zu ihrem Zuhause, das sie nicht mehr missen möchte.


Hierfür könnte es vielerlei Gründe geben: Murat, ein starker, kluger und lebenslustiger junger Mann, der auch sehr empathisch ist und "ein zuverlässiger-in-den-Arm-Nehmer" und "zum Lachen Bringer" (Anke) kocht gerne für die ganze WG (sein Lieblingsspruch, auch wenn andere kochen) "Boah, riecht das geil!" 'durchzieht' von Zeit zu Zeit den Roman und brachte mich zum Lachen (und erinnern, da ich alle 11 Tage für 11 Leute bzw. 2 WG's kochen musste; an den übrigen 10 durfte ich mich an den Tisch setzen . Murat liebt seinen Garten, aus dem er das zaubert, was wenig später auf den Tisch kommt und erfreut sich an allem - ja am Leben selbst. Wir begleiten ihn zu seiner Hobby-Fußballmannschaft, seinen 'Habibis' und feiern mit ihm Geburtstag, da er Gäste liebt (ebenso wie Jörg). Einmal zeigt der lebensfrohe und stets gutgelaunte, andere aufrichtende Murat auch eine Schwäche (auf der Hollywoodschaukel bei Constanze, die die WG seiner Meinung nach erst komplett machte) und ist mir deshalb umso sympathischer.


Ebenso wie die anderen; Constanze, Zahnärztin mit Klavier, das eigentlich zu groß für ihr Zimmer ist und sie daher lange Zeit mit einem blauen Fleck am Bein herumläuft; Anke,Schauspielerin, die als über 50Jährige kaum Aussichten auf eine Rolle hat, jedoch am Romanende auf goldenen Boden fallen sollte und Jörg, der mit Mathias eine Reise in seinem alten Bulli nach Georgien unternehmen möchte, zuvor aber noch "sich selbst und den Bulli durchchecken lassen will". Nach einer Operation im Sommer wundern sich alle, dass Jörg noch immer (und immer öfter) "verpeilt" wirkt, auch wenn dessen Sohn lapidar meint, dass sein Vater schon immer etwas 'verpeilt' gewesen ist. Eine beginnende Demenz nimmt Formen an, die alle noch enger zusammenrücken lässt und offen beratschlagen, was nun am besten zu tun sei. Die auch alle an ihr persönliches Limit bringt, besonders Anke, die oft bei Jörg bleibt, weil alle ihn nicht mehr alleine lassen mögen. Bei einem Essen (georgisch) muss Sebastian, der in Südfrankreich mit Familie lebende Sohn, erkennen, wie es um seinen Vater steht.... Kann die Wohngemeinschaft, die sich längst zu einer Wohnfamilie entwickelte, bestehen bleiben oder muss jeder nochmal den Wegweiser des Lebens neu setzen? (Angebote gibt es, der Ausblick ist positiv, selbst für Anke).


Berührend in dieser Frage ist das Weihnachts- und Silvesterfest, das alle gemeinsam feiern, sich auf dem Sofa zusammenkuscheln, während Jörg mit Alien, dem Hund schmust: Sie möchten "sich festhalten, möchten Jörg festhalten, möchten das Leben festhalten und das Scheißlametta." (Zitat S. 266)


Der Stil Isabel Bogdans ist klar und schnörkellos; stellenweise sehr humorvoll und die Figuren sind überaus sympathisch, dabei so fein gezeichnet, dass sie fast real wirken (manche würde die Zusammenkunft solch' liebevoller Figuren vielleicht sogar etwas idealistisch sehen können). Aber gibt es nicht Lebenslagen, Situationen, die das Beste in uns herauskitzeln können? Daran glaube ich fest und habe Jörg, Murat, Anke und Constanze sehr gerne durch eine gewisse Zeit in der WG, pardon Wohnfamilie, begleitet und sie näher kennengelernt. Tiefgang war hier auch nicht zu vermissen, trotz des humorvollen Untertons, für den schon Murat oft sorgte (was ebenfalls eine Geschichte hat).


Fazit:


Ein humorvoller, warmherziger und lebenskluger Roman mit viel Tiefgang. Schnörkellos und klar geschrieben mit sehr sympathischen Figuren, die die Wohnfamilie bevölkern: In der einer für den anderen einsteht; Gemeinsinn vorhanden ist (besonders im letzten Romandrittel, der von einem ernsten Thema durchdrungen ist). Ein Plädoyer für Mitmenschlichkeit und die Wohnformen des Zusammenlebens, in der auch die sog. "Lavendelehe" wieder Einzug hält. Wofür bereits die Miet- und Lebenshaltungspreise sorgen könnten.

Meine absolute Leseempfehlung an alle früheren, jetzigen und zukünftigen WG-BewohnerInnen für die Geschichte dieser ganz besonders sympathischen Wohnfamilie und ein dankeschön an die Autorin - es wäre nicht verkehrt, würde es viele Murats, Ankes, Constanzes und Jörg's geben :D 5* von mir!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.10.2024

Auge um Auge, Zahn um Zahn - 7. Fall für Jackson Lamb und die Slow Horses

Slough House
0

Durch Zufall (und dank "vorablesen") bin ich vor Jahren auf Band 1 dieser inzwischen 7 Bände umfassenden und ins Deutsche von Stefanie Schäfer übersetzte Reihe gestoßen; seither gehört Mick Herron mit ...

Durch Zufall (und dank "vorablesen") bin ich vor Jahren auf Band 1 dieser inzwischen 7 Bände umfassenden und ins Deutsche von Stefanie Schäfer übersetzte Reihe gestoßen; seither gehört Mick Herron mit seinen genialen Fällen um die "Abservierten", die Slow Horses und durch seine Figurenzeichnung und extrem spannende Spionagehandlungen zu meinen absoluten, ureigenen Lieblings-(spionage)krimi-Autoren aus GB!

Es besteht in jedem Band ein realer Bezug zu den realen Vorkommnissen in der Welt der Geheimdienste, die (meist, es sei denn, es geht wie hier auch mal recht brutal und gewalttätig zu) höchstvergnüglich und mit satirischen Seitenhieben köstlich pointiert zu lesen sind. Im vorliegenden Fall besteht ein Bezug zu dem Nervengift Nowitschok, auf Skripal, einen russischen Geheimagenten und seine Tochter wurde 2018 ein Giftanschlag verübt, der diesem Buch gewissermaßen eine gar nicht unreale Charakteristik gibt und durchaus Parallelen aufweist.


Roddy Ho, IT-Experte mit Ninja-Fähigkeiten und ein Slow Horse, entdeckt, dass sowohl das Slough House als auch die Slow Horses selbst aus der Datenbank des Regent's Park entfernt worden sind - was ihn in Alarmbereitschaft versetzt. Frühere Slow Horses wie Kay White und Struan Loan finden ein tragisches Ende, normale Todesfälle? Zufall oder Schicksal? Da die Agenten wie Catherine Standish, Shirley Dander, Lech Wicinczki, River Cartwright, Roddy Ho und Louisa Guy inclusive dem Leiter des Slough House, Jackson Lamb (wie immer auffallendes Sozialverhalten; er trinkt, rülpst und furzt gerne in Anwesenheit seiner 'Pappkameraden') zwar irgendwann in ihrem Leben einen Fehler machten und degradiert wurden, im wahrsten Sinne des Wortes vom MI5 abserviert wurden, heißt dies noch lange nicht, dass man es hier nicht mit fähigen Agenten zu tun hat: Sie bemerken sehr wohl, wenn sie beschattet werden, wissen sich auch zu wehren und da neuerdings ein Paar (Mann und Frau) in Missionarstracht umherzieht, bevor ein früheres Slow Horse den Tod findet, entwickeln manche fast eine Paranoia. Dem sonst sehr gleichgültigen Lamb ist dies nicht egal. Er mag es nicht, wenn seine Joe's die Straße pflastern (auch die von früher) und muss letztendlich einen Aktivierungsbefehl ausgeben, der aus drei Worten besteht: "Blakes Grab. Unverzüglich". Ein Safe House wird gefunden, in den die Agenten erstmal (mit indischem to go-Essen reichlich versorgt) untertauchen können. Doch dies geschieht natürlich nicht, bevor Lamb mit der Direktorin des MI5 - Diana Taverner - für Eingeweihte Lady Di - ein Machtwörtchen gesprochen hat.


Doch bis es dazu kommt, erfahren wir in mehreren Erzählsträngen sehr gekonnt und wie gewohnt höchst spannend von den Hintergründen der Welt der Geheimdienste: In Russland wurde eine mutmaßliche beteiligte Frau ermordet, die zuvor am Giftanschlag in GB mitwirkte; dies bringt Putin zum Zähneknirschen und er schickt seinerseits seine Söldner (selbst einst dem KGB entsprungen) nach England, um Rache zu üben. All dies geschieht, während Peter Judd und Diana Taverner (er kein großes Tier mehr, aber dennoch mächtig) wie üblich die Strippen hinter den Kulissen ziehen und Sorge tragen, dass - zumindest nach außen hin - alles hübsch 'sauber' aussieht. Allerdings kann man bei diesen Machenschaften nicht davon ausgehen, dass auf irgendeiner Seite Wert auf Menschenleben gelegt wird: Hier gibt es durchaus Kollateralschäden; wie z.B. André - eigentlich Andrej und russischer Staatsbürger, der ein Buch über Putin schreiben wollte, in GB lebt (mit Reece Nesmith zusammen, ebenso kleinwüchsig wie er), aber lange in Moskau lebte: Reece erhält die Nachricht, er sei dort verstorben und ist völlig am Boden über diese Nachricht. Weiß er doch, dass sein Freund (der schon eine Menge Fakten gesammelt hatte) ausgeschaltet worden war. Neugierig geworden, sucht Lamb ihn auf.


Auch erleben wir Medienmogule, die durch Macht und viel Geld in der oberen Liga mitspielen wollen. Selbst mitbestimmen wollen, was nicht im Sinne einer Diana Taverner oder eines Peter Judd liegt; die jedoch auf Sponsoren angewiesen sind, um den Geheimdienst am Laufen zu halten. Wir sind auch kurz im Archiv bei dem Dinosaurier auf Rädern in Form von Molly Doran, der übel mitgespielt und Informationen entrissen wurden, die sie gar nicht preisgeben wollte. Wer hat diese Informationen in die falschen Hände kommen lassen und ist für Morde auf britischem Boden verantwortlich? Wer ist hinter den Slow Horses, hinter Sid Baker, die wie durch ein Wunder wieder auftauchte und sich im Haus des O.B. versteckt, her und will sie umbringen? Im letzten Drittel dieses genialen Spionagethrillers steigt die Spannung ins Unermessliche und Herron lässt die Fäden wie üblich gekonnt und mit markigen Sprüchen zusammenlaufen. Allerdings geschieht etwas, womit sicher niemand rechnete und das man als Cliffhanger bezeichnen kann: Ich hoffe, Frau Schäfer's deutsche Übersetzung lässt nicht lange auf sich warten, da ich mit den Slow Horses mitfiebere (und bete, da es um einen meiner Lieblings 'Joes' geht).


Mick Herron nimmt pointiert, mit triefendem Sarkasmus und tollen Wortspielen und mit Seitenhieben auf Politik, Medien und Wirtschaft die Machenschaften der Mächtigen auf's Korn; auch die der Geheimdienste, der Verbündeten, der Strippenzieher und der Geldgeber. Er lüftet einen imaginären Vorhang, hinter dem es ganz genau so (oder sehr ähnlich) zugehen könnte und der den Blick eines Gemeinsterblichen hinter diese Kulisse im Allgemeinen zu vereiteln sucht. Die (verdienten) Seitenhiebe und die schrägen Charaktere der Slow Horses, besonders Jackson Lamb's, setzen dem ganzen die Krone auf (wenn es z.B. darum geht, dass einem Medienmogul klar wird, dass ein Ex-Politiker im Grunde nur einen "Königsmacher" sucht - und die Beteiligten beim letzten Mal noch Gehröcke trugen).


Ein Lesevergnügen der 'besonderen Art'; daher meine absolute Empfehlung (in chronologischer Reihenfolge) und volle Punktezahl! 5* (und Vorfreude auf den 8. Fall für die Slow Horses!)

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere