Originell, tiefgründig, feministisch – so geht moderner Horror!
Das Beste sind die Augen Spoilerfreie Rezension!
Inhalt
POV: Deine Mutter lernt einen neuen Freund kennen, der südostasiatische Frauen (wie dich) se+ualisiert und fetischisiert und du kannst plötzlich nur noch an seine wunderschönen ...
Spoilerfreie Rezension!
Inhalt
POV: Deine Mutter lernt einen neuen Freund kennen, der südostasiatische Frauen (wie dich) se+ualisiert und fetischisiert und du kannst plötzlich nur noch an seine wunderschönen blauen Augen denken, die eine ganz besondere Art von Hunger in dir wecken…
Übersicht
Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz
Inhaltswarnung: Blut, Gewalt, Tod von Menschen, tote Tiere (Essen), Se+ismus, Rassismus, Diskriminierung, Misogynie, psychische Krankheiten (Depression), Stalking, häusliche Gewalt, Gewalt gegen Frauen, Medikamentenmissbrauch, körperliche Krankheiten, Krankenhaus
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: B+tch (mehrmals), M+ststück
Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:
- feministischer Horror mit Tiefe
- Body-Horror (blutig) und psychologischer Horror
- Schwester-Liebe
- Leben als koreanische Familie in den USA (Herkunft)
- Studium
- Rassismus, Se+ismus, Misogynie, Se+ualisierung, Fetischisierung und Objektifizierung von Frauen und Mädchen als zentrale Themen
- Female Rage
- Stalking
- Fokus auf Essen
Lieblingszitate
„Man kann sein Schicksal einmal austricksen, wenn man Glück hat, vielleicht auch zweimal. Aber als Koreanerinnen und Koreaner wissen wir, dass unser Lebensweg unweigerlich von unserem palja [Anmerkung: Schicksal] bestimmt wird.“ E-Book, Position 492
„‘Diese Typen haben über asiatische Frauen geredet. Lauter ekelhaftes Zeug.‘ Ich schluckte. ‚Ich hab das alles schon mal gehört, ist nicht neu für mich. Und die haben ja nicht mich gemeint. Aber es fühlt sich trotzdem ‚persönlich‘ an, weißt du?‘“ E-Book, Position 558
„Georges stechender Blick ist ständig auf Ji-hyun und mich gerichtet. Er beobachtet uns. Bewertet uns. Legt uns frei, Schicht für Schicht. Er sieht hungrig aus, als wären wir seine Beute.“ E-Book, Position 1024
Meine Rezension
Vor ca. einem Jahr habe ich „Das Beste sind die Augen“ auf Englisch entdeckt – und es augenblicklich auf meine Wunschliste gesetzt. Denn der Titel, der Klappentext und das Cover haben mich unglaublich neugierig gemacht! Deshalb habe ich mich auch sehr gefreut, als ich gesehen habe, dass das Buch nun übersetzt wurde.
Mit Horror ist es ja meistens so eine Sache: Entweder er funktioniert für einen oder eben nicht. Gute Neuigkeiten: „Das Beste sind die Augen“ gehört für mich definitiv zur ersten Gruppe! Der Roman hat mich mit seinen liebevoll ausgearbeiteten Figuren und dem flüssigen und fesselnden Schreibstil nämlich sofort in seinen Bann gezogen (was bei mir aktuell leider selten der Fall ist bei Büchern) und das ist auch bis zum Ende so geblieben…
Monika Kim gelingt es meisterhaft, eine unheilvolle, dichte, beklemmende Atmosphäre zu erzeugen und einen subtilen Spannungsbogen aufzubauen, der sich langsam, aber kontinuierlich steigert. Das erreicht sie mit fettgedruckten, berunruhigenden Gedankeneinschüben, intensiven Albträumen, unerwarteten Wendungen und einer Eskalationsspirale, die nicht mehr aufzuhalten scheint. Das alles hat mich wirklich gefangen genommen und ich habe mich ganz oft gefragt: Was kommt da noch auf uns Leser:innen zu? Wie weit wird Ji-won gehen? Wo wird das alles enden?
Begeistert lässt mich aber vor allem die feministische Analyse zurück. Im Buch stehen Themen wie Herkunft (Lebensrealität einer koreanischen Familie in den USA), Familie, LGBTQAI+ (am Rande), Studium, psychische Krankheiten, Rassismus, Se+ismus, Misogynie, (se+xualisierte) Gewalt gegen Frauen, Stalking, toxische Männlichkeit und das Patriarchat im Allgemeinen im Mittelpunkt. Auf eindringliche Weise zeigt uns Monika Kim am Beispiel der Mutter, wie Frauen in unserer Gesellschaft unter toxischen Männern leiden und sich trotz allem nicht aus ihrer Abhängigkeit zu ihnen lösen können. Sie beschreibt, wie Frauen sich kleinmachen, umsorgen, bekochen, männliche Gefühle regulieren, beschwichtigen, sich unterordnen und die Augen verschließen vor dem wahren Gesicht ihres Ehemannes oder Freundes – nur um dafür absolut keinen Dank zu erhalten und am Ende noch verlassen zu werden. Besonders beklemmend wird George, der neue Freund der Mutter, dargestellt – ein rassistischer weißer Mann mit fragilem Ego und White-Savior-Komplex, der südostasiatische Frauen (sogar seine beiden Stieftöchter) immer wieder se+ualisiert, objektifiziert und fetischisiert.
Ji-won, unsere starke und intelligente Protagonistin, auf der als älteste Tochter viel Druck lastet (als Studentin hat sie die Chance, ihrer Familie ein besseres, finanziell abgesichtertes Leben zu ermöglichen, immer wieder muss sie ihre Mutter aus depressiven Verstimmungen reißen und Verantwortung für die jüngere Schwester übernehmen) versucht verzweifelt, sich aus der Machtlosigkeit, die mit diesen Diskriminierungserfahrungen einhergeht, zu befreien.
Ji-wons Antwort darauf ist daher: female rage, also weibliche Wut, die immer mehr Grenzen überschreitet und sich in einer Obsession für blaue Augen manifestiert. Dabei wird es stellenweise ganz schön blutig (Body-Horror) und finster (psychologischer Horror), Achtung! Und schon bald muss man sich als Leser:in fragen, ob unsere Hauptfigur eigentlich noch zurechnungsfähig ist und ob man ihr vertrauen kann…
Für 5 Sterne hat es dann doch ganz knapp nicht gereicht, weil ich mir im Mittelteil stellenweise noch etwas mehr Tempo gewünscht hätte und weil auf den letzten Seiten ein Thema eingeführt wurde, aus dem dann aber schlussendlich nicht viel gemacht wurde (warum dann überhaupt einbauen?). Außerdem fand ich den Schluss zwar konsequent, aber auch ein kleines bisschen unglaubwürdig. Das ist aber alles Kritik auf hohem Niveau!
Mein Fazit
Für mich konnte „Das Beste sind die Augen“ halten, was Titel und Klappentext versprochen haben. Monika Kim hat hier ein originelles, fesselndes, feministisches Horror-Debüt mit Tiefe und voller Female Rage abgeliefert, das mich von der ersten Seite an in den Bann gezogen und bis zum Ende nicht mehr losgelassen hat. Dieser Roman wagt etwas, wirft wichtige Fragen auf und legt den Finger immer wieder in die Wunde – toll! Daher: Unbedingt lesen!
Bewertung (in Schulnoten)
Cover / Aufmachung (altes Cover): 3
Idee: 1+♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 1-2
Tiefe: 1+♥
Umsetzung: 1-2
Worldbuilding: 1-2
Einstieg: 1-2
Ende: 2
Schreibstil: 1+♥
Protagonistin: 1+♥
Figuren: 1+♥
Spannung: 1+♥
Pacing/Tempo: 2
Wendungen: 1+♥
Atmosphäre: 1+♥
Emotionale Involviertheit: 1-2
Feministischer Blickwinkel: 1+♥
Einzigartigkeit: 1+♥
Insgesamt:
Note 1-2