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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.11.2017

Schöne Stimmung, aber oberflächlich

Kiss. Play. Love.
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Der Klappentext klang interessant und ich wollte wissen, wie das Klischee des Nerds aufgebrochen wird. Zum Schluss war es eine "normale" Liebesgeschichte mit ein paar Besonderheiten.

Worum geht es?

Cassondra ...

Der Klappentext klang interessant und ich wollte wissen, wie das Klischee des Nerds aufgebrochen wird. Zum Schluss war es eine "normale" Liebesgeschichte mit ein paar Besonderheiten.

Worum geht es?

Cassondra ist Bodenforscherin und hat Komplexe, weil sie sich nicht, wie ihre Schwestern, für Schönheit und Geld interessiert, sondern gern auf dem Sofa liegt oder Bodenproben nimmt. Um sich abzugrenzen, hat sie sexuelle Abenteuer erfunden, die sie zu Beginn des Buches auflistet, um den Überblick zu behalten. In diesem Moment kippt ein Weinglas um...

Unternehmer Simon hat Komplexe, weil sich jede Frau nur für sein Geld interessiert, aber seine Schwester nicht akzeptiert. Daher ist er gehemmt im Umgang mit Frauen.

Die beiden treffen aufeinander und es knistert.

Wie fand ich es?

Das Buch hat anfangs einen negativen Eindruck hinterlassen, aus dem es sich herausgearbeitet und Charme entwickelt hat. Denn: Obwohl Simon Frauen nicht aufgeschlossen gegenübersteht und obwohl Cassie ein großes Problem hat, finden sich beide heiß. Attraktivität auf den ersten Blick. Auf mich wirkt es, als musste dies schnell festgestellt werden, weil die restliche Geschichte (das Abarbeiten verschiedener sexueller Abenteuer) nicht funktioniert hätte, wenn sich beide Figuren erst hätten annähern müssen. Mir war das nicht sympatisch. Außerdem nervte es, dass die Schwestern sehr oberflächlich dargestellt werden und erst beim Wendepunkt Tiefe bekommen (Konfetti für die Dramaturgie, bitte!)

Auch die Hauptfiguren waren, trotz interessanter Voraussetzungen, nicht sehr tief.

Gut gefallen hat mir, dass Simons Schwester relativ viel Raum einnimmt und ihr Problem aus einer interessanten Perspektive beleuchtet wird. Das war nett und vielfältig.

Die Akte waren vielseitig gestaltet und weniger auf Erregung als auf Erlebnis ausgerichtet. Die Atmosphäre stand im Vordergrund und ich fand die Szenen unterhaltsam.

Fazit

"Kiss. Play. Love." ist als Roman für eine kurze Zugfahrt gut geeignet. Der Text lässt sich schnell lesen und hat eine positive Grundstimmung. Ich hatte Spaß beim Lesen. Leider zündet die spannende Grundidee nicht, weil die Figuren zu klischeehaft sind und sich der Text auf bekannte Dramen beschränkt. Etwas mehr Mut hätte dem Buch gut getan.

Veröffentlicht am 24.02.2024

Aus der Blase heraus

Pornopositiv
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Ich hatte das Buch angefordert, um mich mit meinen Vorurteilen auseinander zu setzen und tiefer in die Materie einzusteigen. Leider enthält das Buch einige tolle Sätze, allerdings spricht es eher über ...


Ich hatte das Buch angefordert, um mich mit meinen Vorurteilen auseinander zu setzen und tiefer in die Materie einzusteigen. Leider enthält das Buch einige tolle Sätze, allerdings spricht es eher über Pornos, anstatt die "Pornokompetenz" zu stärken.

Worum geht es?

In ihrem Essay spricht die Pornodarstellerin und Kuratorin des Pornofilm-Festivals in Berlin darüber, warum Pornos verpöhnt sind und wie das geändert werden kann.


Wie hat mir das Buch gefallen?

Richtig Spaß hatte ich im Buch mit drei Stellen: Am Anfang legt die Autorin dar, wie sie ihre Sexualität entdeckt und sich für Pornos entschieden hat. Später beschreibt sie, wie sie eine Gangbang-Szene inszenierte, die sie am Ende nicht veröffentlichen konnte. An diesem Beispiel konnte man gut erkennen, wie eine Produzentin arbeitet, man hat ein Gefühl für die Materie bekommen. Und ganz am Ende gibt es einen Guide, um Pornos besser und bewusster zu konsumieren.

Dazwischen geht es um Feminismus, Gesetze usw.

Die Grundthesen der Autorin sind, dass wir Pornos als Filme begreifen, bei denen Sex einvernehmlich stattfindet. Tut er das nicht, dann ist das sexualisierte Gewalt und strafbar. Außerdem plädiert sie dafür, diese Filme wie alle Filme zu betrachten, weil sie klar als Fiktion erkennbar sind. Deswegen sollen sie von der Filmförderung gefördert werden, damit die Qualität steigt und sich die Arbeitsbedingungen verbessern. Durch die Darstellung von Sexualität wird der Respekt vor der eigenen Sexualität gefördert und das ist wichtig.

Mit den meisten dieser Gedanken gehe ich mit. Ich sehe aber nicht, dass Kinder schon früh erkennen können, was real und Fiktion ist und dass sie damit einen Porno von ihrer eigenen Sexualität unterscheiden können. Selbst Erwachsene vergessen das manchmal und besonders, wenn man sich nicht damit auseinandersetzt, wie Filme gedreht werden, übersieht man leicht, dass vieles nicht real ist.

Und hier liegt das Problem des Buches: Es beschreibt nicht, wie ein Porno gedreht wird, die künstlerischen und wirtschaftlichen Mechanismen. Ein paar Fakten gibt es z.B. wie Darsteller:innen ihre Leistungsfähigkeit behalten und dass der Vertrieb auch ethisch produzierter Filme behindert wird, weil Zahlungsunternehmen nicht mit den Firmen kooperieren wollen. Aber ich hätte mich über einen Blick hinter die Kulissen gefreut. Wieviele Arbeit steckt in deinem Drehbuch? Wie lange wird gedreht? Wie werden sie vertrieben? Gibt es Gewerkschaften für Filmschaffende? Vielleicht wären ein paar Stimmen von Darsteller:innen gut gewesen. Und überhaupt: Wie kann ich bei einem Film erkennen, ob er ethisch produziert wurde? Ob die Darstellenden ein gutes Catering hatten und ob sie das freiwillig gemacht haben? Da den meisten Leser:innen diese Ebene fehlt, weil sie bisher eher Konsument als Beteiligter waren, verfehlt das Buch seine Wirkung.

Die Autorin hat vieles gelernt: als Darstellerin, als Produzentin und Intimacy-Coordinator und als Kuratorin. Aber die meisten Gedanken auf diesen Wegen bleiben dem Leser verborgen, weil sie uns nur mit den Schluss-Erkenntnissen versorgt. Das ist schade.

Fazit

Hinter "Pornopositiv" steht eine Frau, die viele Erfahrungen gemacht hat. Sie schafft es aber nicht, diese Erfahrungen zu nutzen, um Pornos aus der Schmuddelecke zu holen. Stattdessen stellt sie sich über die Konsumenten, schafft es nicht, sie abzuholen. Aus dem Buch hätte viel Großes werden können, wenn es nicht aus einer Blase heraus für genau diese Blase geschrieben worden wäre.

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Veröffentlicht am 24.12.2023

Zuviele Personen, zuwenig Inhalt

MTViva liebt dich!
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Ich habe bereits die Doku zum Sender gesehen und über eine Buchkritik bin ich auf das Buch gekommen. Ich war nie ein Riesenfan, aber für mich war Viva DER Sender, den man als Teenager geguckt hat. Ich ...

Ich habe bereits die Doku zum Sender gesehen und über eine Buchkritik bin ich auf das Buch gekommen. Ich war nie ein Riesenfan, aber für mich war Viva DER Sender, den man als Teenager geguckt hat. Ich habe die Musikclips genossen und bewundert, was der Sender für die junge Zielgruppe geleistet hat. Manche Moderator:innen mochte ich sehr und wollte wie sie sein. Dieser Spirit kam für mich leider nicht auf. Das liegt einerseits daran, dass ich eher mit der zweiten Generation der Moderator:innen aufgewachsen bin und von dieser einige fehlen. Vor allem aber verbringt das Buch die Hälfe damit, sich ständig und besonders die Anfangszeiten zu feiern.

Worum geht es?

Der Text schildert die Geschichte von MTV und Viva in Form einer "Oral History". Das bedeutet, dass über 60 Menschen aus dem Umfeld der Sender interviewt wurden, überwiegend Moderator:innen, aber auch die Senderchefs und Künstler:innen, und diese dann thematisch zusammengepuzzelt wurden.

Es handelt es sich also um sehr, sehr viele Erfahrungsberichte.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Man hätte das Buch um 2/3 kürzen können. Schon nach 25 % zeigten sich erste Dopplungen, ab 50 % wurde es nervig und ich hätte am liebsten ganze Kapitel gestrichen. Sehr, sehr, sehr oft betonen die Protagonist:innen die Anarchie und den Spaß bei Viva. Doch leider wird nur wenig erklärt, wie diese Arbeit aussah. Wie eine Sendung entsteht, wer mitwirkt. Und woher das Geld kommt. Wieviel Geld eine Sendung kostet und warum sie so teuer ist. Was eine Rotation der Clips konkret bedeutet. Dafür wird auffällig oft betont, die Plattenfirmen hätten keinen Einfluss auf die Rotationen gehabt. Mehr erklären, weniger sich-feiern, das wäre schon gewesen.

Auffällig ist, dass es einerseits um die Geschichte des Senders geht, anderseits auch um bestimmte Formate. Ab 70 % geht es um die berühmten Unplugged-Konzerte, Rock am Ring, MTV Home. Diese Teile waren für mich interessant, auch wenn ich bis dahin schon die Lust verloren hatte. Dann in diesen Abschnitten ging es um konkrete Sachverhalte.

Wie einzelne Figuren entstanden sind, dass Menschen wie Charlotte Roche oder Markus Kavka Förderer brauchten, fand ich schön. Dass auch Sarah Kuttner ihren Platz fand, mit ihren Besonderheiten. Es war nett, all die Menschen "wieder zu treffen", die ich aus dem Fernsehen kenne, und hinter die Kulissen zu blicken. Und zu sehen, welche Fehler sie gemacht haben. Das machte sie menschlich.

Die Anekdoten über Stars halten sich in Grenzen, was ich mochte. Von Konflikten innerhalb des Teams wird manchmal erzählt und besonders, als es um das Ende beider Sender geht, wird deutlich, dass es nur um Zahlen geht und die Chefs nicht mehr nett waren.

Auch gegenüber problematischen Kollegen wie Niels Ruf verhalten sich die Interviewten tadelnd, aber wertschätzend. Man könnte dem Buch aber vorwerfen, zu wenig kritisch zu sein. Zu oft fällt der Satz, dass man das heute nicht mehr machen könne. Obwohl, so mein Eindruck, manche Sendungen, manche Figuren, geschmacklos und grenzüberschreitend waren. Auf mich wirkte es, als ob das manchmal heruntergespielt wird. Besser wäre es gewesen, das klar zu benennen.

Nicht in Ordnung fand ich die Selbstgefälligkeit, mit der erzählt wird, dass manche Künstler:innen und Musikstile nicht auf Viva gespielt werden durften z.B. Peter Maffay. Der Tonfall ist an diesen Stellen nicht wertschätzend für den Künstler oder die Künstlerin, für die Arbeit, die die Person geleistet hat. Man belächelt, dass auch diese Musiker:innen ein Stück vom Kuchen abhaben wollten, obwohl sie nie eine Chance hatten.

Außerdem sind es einfach zuviele Personen, die innerhalb eines Abschnitts etwas sagen. Die Auswahl ist sehr gut, es ist eine Mischung aus Moderator:innen, Künstler:innen und Menschen aus dem Hintergrund. Aber ich hab oft den Überblick verloren, wer spricht und es war einfach zuviel Stoff.

Die Unterschiede zur Doku

Beide Werke wurden von unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Intentionen erstellt. Viele Interviewete und Aussagen ähneln sich aber. Die Doku wirkt durch das Bildmaterial lebendiger und persönlicher. Und sie ist mit dreimal je 30 min kompakter. Dadurch habe ich das Erlebte aber positiver und intensiver wahrgenommen. Das Buch enthält mehr Hintergründe, vieles geht aber inmitten der Fülle unter.

Fazit

Ich fand's nicht gut. Zuviel Nostalgie, feiern der "alten Zeiten", zuwenige Erklärungen. Ich verstehe, dass der Sender sehr vielen Leuten wirklich etwas gegeben hat. Aber bei mir kam das nur wenig an.

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Veröffentlicht am 14.10.2023

Gute Familie, schwache Themen

Stolen Kisses
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Ich hatte das Buch angefordert, weil die Geschichte flott klang und weil es um Mode geht. Letztlich ist der Text gutes Handwerk mit ein paar Schwächen.

Rezi enthält Spoiler

Worum geht es?

Nach einem ...


Ich hatte das Buch angefordert, weil die Geschichte flott klang und weil es um Mode geht. Letztlich ist der Text gutes Handwerk mit ein paar Schwächen.

Rezi enthält Spoiler

Worum geht es?

Nach einem One-Night-Stand stellen Jannis und Kai fest, dass Ihre Familien Konkurrenten sind: Das Modeunternehmen von Jannis Vater und das Start-up Kais Mutter kämpfen um einen Kredit, damit beide Firmen weiter existieren können. Hinzu kommt, dass Kai in sein queeres Umfeld gut integriert ist, während Jannis seinem Vater eine Beziehung mit seiner besten Freundin vorspielt.

Cover und Titel

Leider hat der Titel gar keinen Bezug zum Inhalt, wirkt generisch und prägt sich nicht gut ein. Das ist schade, weil es im Buch einige Ansatzpunkte für einen interessanten Titel gibt.

Das Cover spricht mit seinem Altrosa junge Leute an, wirkt fröhlich und süß. Durch die großflächige Färbung hebt es sich ab, die Berlin-Zeichnung ist ein nettes Detail.


Wie hat mir das Buch gefallen?

Die Stärke des Textes ist das Umfeld. Jannis lebt mit Mutter und Zwillingsschwester in einer Hippie-WG, in der das Wort "Mutter" geächtet wird. Jannis Mutter kocht gern mysteriösen Lavendel-Tee und versucht, ihrem Sohn zu zeigen, dass er Grenzen übertreten darf. Auch Jannis Schwester Becks ist sehr locker. Hinzu kommen der nicht-queere Nico und der vor seinen Eltern nicht-geoutete Illyas. Zwischen diesen Figuren stimmt die Chemie, sie sorgt für viele Gags und man fühlt sich wohl darin.

Ganz anders die Hauptfiguren: Obwohl ich ihnen glaube, dass sie im Laufe der Handlung wachsen, gibt es kaum Berührungspunkte. Die Figuren haben wenig Profil. Ein wiederkehrender Witz ist, dass Jannis Kai als "versnobt" bezeichnet (keine neue Idee ...) und Jannis Vorliebe für StarTrek und Nutella. Im Gegensatz zum Erdnussriegel, den Kai mag. Die beiden reden viel über ihre Familie und ihre Situation als schwule Männer, aber wirklich tief wird es nicht. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl, ein Gleichklang entstand für mich nicht.

Auch die Liebesszene im letzten Drittel wirkte hölzern und nicht gekonnt. Wären die beiden lieber beim "kitzeln" geblieben - das machen sie gern.

Ansonsten haben wir auf der anderen Seite Kais konservatives Umfeld, aber auch hier wirkt alles schlimmer, als es ist.

Die Panikattacken sind ein nettes Extra, das es aber nicht gebraucht hätte. Sie werden klischeemäßig dargestellt, haben aber nur wenige Folgen für die Figur. Glücklicherweise gibt es auch hier ein Happy End.

Auch wenn die Geschichte überwiegend vorhersehbar ist und der Autor genügend Hinweise streut, damit man als Leser:in immer etwas voraus ist, ist sie gut komponiert. Die beiden treffen sich, die Handlung wird ausgelöst und bei 70 % haben wir den ersten Höhepunkt erreicht. Danach ist genügend Zeit für die Lösung des Konflikts.

Ein Highlight ist, dass die Geschichte aus zwei Zeitebenen erzählt wird - neben der Jetzt-Zeit blendet der Text immer zur ersten Nacht. Das passt besonders am Ende gut. Der Autor hat sich etwas dabei gedacht und das war schön.

Genre-typisch wird der Text aus den Perspektiven beider Figuren erzählt, die ich nicht auseinanderhalten konnte.

Thematisch steht die Familie im Mittelpunkt und der Gedanke, dass familiäre Probleme der Vergangenheit die Zukunft prägen. Über Mode lernt man fast nichts, obwohl mich das interessiert hätte.

Allerdings hatte ich mit der Grundgeschichte ein Problem: Beide Figuren kennen zufällig sehr gute Juristinnen, die alles lösen können. Aber komischerweise kommen sie nicht auf die Idee, das zentrale Problem am Anfang zu lösen.

Drag wird erwähnt, bleibt aber oberflächlich. Berlin spielt eine Rolle, aber ebenfalls nicht so tief.

Im Text gibt es zwei Zwangs-Outings, aber eine große Sache ist das nur für eine Figur. Bei der anderen wird immerhin (!) angedeutet, was das mit einem macht, wenn man auch öffentlich als queer geoutet wird. Dass man sich plötzlich selbst als queer und Teil der Gemeinschaft wahrnimmt, während man das vorher ein Stück verdrängt hat. Ich hätte davon gern mehr gelesen.


Sprachlich schwankt er Text zwischen normaler Sprache und einigen umgangssprachlichen Formulierungen - das passte nicht zusammen.

Fazit

Auf mich wirkt der Text wie eine Fingerübung eines Autors, der gut schreiben kann. Das Kollektiv um Jannis bleibt im Gedächtnis, aber viele Konflikte werden eröffnet und zu schnell und zu schön gelöst. Letztlich fehlt es dem Text an Biss.

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Veröffentlicht am 12.02.2023

Handlung ja, Logik nein

Das irrationale Vorkommnis der Liebe – Die deutsche Ausgabe von »Love on the Brain«
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Ich hatte den Vorgänger gelesen und dieser ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Daher war ich sehr gespannt auf den zweiten Band. Dieser war jedoch eine herbe Enttäuschung. Schon nach 5 % war die ...

Ich hatte den Vorgänger gelesen und dieser ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Daher war ich sehr gespannt auf den zweiten Band. Dieser war jedoch eine herbe Enttäuschung. Schon nach 5 % war die Geschichte vorhersehbar und nach 40 % zeichnete sich der Antagonist ab. Dazu eine Hauptfigur, die ständig vor sich hin philosophiert und dessen wichtigste Person sie selbst ist. Ich hatte mehrmals überlegt abzubrechen.

Rezi enthält (noch mehr) Spoiler.

Worum geht es?

Bee hat einen Doktortitel in Neurowissenschaften und soll für die NASA an einem Helm arbeiten, der die Leistung von Astronauten verbessern soll. Das Problem: Sie soll mit Erzfeind Levi zusammenarbeiten. Und seit der Trennung von ihrem Ex-Verlobten Tim hat sie Bindungsängste. Nebenbei führt sie eine Twitterkanal, in dem sie sich mit Problemen von Frauen im Wissenschaftsbetrieb auseinandersetzt.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Die Menge an Erklärungen über den Helm fand ich genau richtig - ich hätte sogar gern noch etwas mehr gehabt. Denn leider wird nicht klar, wie genau der Helm funktioniert und ob man damit auch die Persönlichkeit der Astronauten verändert. Das sind auch ethische Fragen, die leider keine Rolle spielen.

Außerdem hat mir gefallen, dass Bee in vielen verschiedenen Ländern gelebt hat - das gab dem Buch eine besondere Atmosphäre und ich konnte gut verstehen, warum sie sich so haltlos fühlt. Später sind genau das die Passagen im Buch, die ich am stärksten fand - wenn Bee nicht mehr sich selbst betrachtet, sondern von anderen analysiert wird. Komisch war jedoch, dass das keine Auswirkungen auf ihre Sprache hat. Sie ist mit vielen verschiedenen Sprachen in Kontakt gekommen, spricht aber "normales" übersetztes Deutsch.

Positiv war auch, dass sich das Buch mit Frauen in der Wissenschaft beschäftigt, auch wenn scheinbar alle Männer in ihrem Arbeitsumfeld ignorant oder frauen-feindlich sind. Kern ist ein kostenpflichtiger Test, der den Zugang zur Promotion regelt. Aus dieser Thematik, die Ausgangspunkt des Romans war, macht die Autorin zwei Nebenhandlungsstränge. Der Bereich Liebe rund um ihre Assistentin wird dabei leider zu kurz behandelt, und der andere zu schnell und zu unlogisch beendet. Auch wenn er mich überrascht hat. Trotzdem leuchtet mir nicht ein, warum Bee so leicht gehackt werden konnte, wenn sie doch so auf ihre Anonymität achtet ...

Das große Problem waren Bee und ihre Betrachtungen. Ihre Gedanken sind frech, aber völlig überzeichnet. Ständig springt sie von einer Metapher zur nächsten und wirkt dabei so negativ. Außerdem beobachtet sie die Mimik und Gestik genau Levis genau, zieht aber die falschen Schlüsse. Es verwirrt mich, dass sie sich scheinbar nie damit beschäftigt hat, was Körper ausdrücken können.

Mein größtes Problem war, dass Bee Levi völlig miss-deutet. Sie interpretiert seine Schüchternheit als Ablehnung und sieht sich darin ständig bestätigt. Das wirkte auf mich extrem gekünstelt. Vielleicht bin ich auch einfach zu alt dafür. Levi greift Bee nie offen an, sondern vermeidet den Kontakt. In Liebesromanen wird das oft als Kritik am zukünftigen Paarungspartner gesehen, aber real bedeutet es oft, dass sich diese Menschen von anderen eingeschüchtert fühlen. Daraus muss aber keine Liebe entstehen, sondern oft hat man dann wirklich keinen Draht zueinander.

Und selbst wenn Bee Levi nicht versteht, hätte man das interessanter und vielseitiger zeigen können. An Komik mangelt es dem Buch oft und spritzige Dialoge sucht man vergebens. Es ist gut, wenn der Leser einen Vorsprung hat und Figuren manchmal anschreien will, weil er es besser weiß. Aber bei mir war das ständig der Fall. Und warum reden die beiden nicht miteinander - sie sind Ende 20 und sollten wissen, wie man Konflikte auflöst.

Auch die Erotikszenen fand ich wenig bemerkenswert. Levis ist ein Adonis von einem Mann und hat ein großes Gemächt. Außergewöhnliche Fähigkeiten als Liebhaber. Real, aber doch überzeichnet. Immerhin gibt's in den Szenen etwas Humor und dass bei den beiden nicht alles funktioniert, finde ich gut. Ich fand die Szenen aber weder sinnlich noch kreativ.

Fazit

Für mich hat das Buch kaum Spuren hinterlassen. Ich mochte das Thema Feminismus und die Figur hat interessante Anlagen. Die Liebesgeschichte bewegt sich jedoch auf ausgetretenen Pfaden und zieht die anderen Aspekte mit in den Abgrund. Dem Text fehlte einfach der Biss.

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