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Evy_Heart

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.06.2019

Spritzig, aber dann ...

Most Wanted Billionaire
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Zwei Irrtümer in einem Buch: 1. Hinter einem austauschbaren, beliebigen Titel kann sich eine tolle Geschichte verbergen. 2. Eine tolle Geschichte ist nur so lange gut, bis die Figuren zusammen kommen. ...

Zwei Irrtümer in einem Buch: 1. Hinter einem austauschbaren, beliebigen Titel kann sich eine tolle Geschichte verbergen. 2. Eine tolle Geschichte ist nur so lange gut, bis die Figuren zusammen kommen. Danach fährt die Story unaufhaltsam auf den Klischeegraben zu.

Inhalt

Unsere weibliche Hauptfigur ist super qualifiziert, arbeitet aber unterfordert bei einem Chemie-Unternehmen. Der Clou: Sollte sie es schaffen, einen Monat zu überstehen, gibt es zusätzlich zum Gehalt einen Bonus! Und unsere Prota kann das Geld gebrauchen, weil ihr ein Mann das Leben und vor allem die Finanzen ruiniert hat. Aber alles läuft schief, bis ihr der Firmen-Chef einen Weckdienst sucht - und ihm die Prota versehentlich die Meinung sagt. Mann, welcher die Nase voll hat von untergebenen Schoßhündinnen, findet das toll und so entspinnt sich ein Wechselspiel, das erst bei der Auflösung an Dynamik verliert.

Was hat mir gut gefallen?

Die Dramaturgie: Die Autorin schafft es die Figur auf mehreren Ebenen spielen zu lassen - im Job ist sie die selbtbewusste Frau, die auf Anweisung ihrer Chefin die Unterwürfige spielen muss. Am Telefon muss sie wiederum sehr taff sein, was ihr nicht leicht fällt. Ein zusätzlicher Konflikt entspinntlich, als auch die Chefin eigene Interessen offenbahrt.

Ich fand die Stellen sehr dynamisch, witzig, spannend. Ich hatte großen Spaß.

Das Kräftegleichgewicht: Im Buch ist es oft der Mann, der die Beziehung will, die Frau lehnt aber ab. Das erzeugte viel Spannung.

Was hat mir nicht gut gefallen

Glaubwürdigkeit: Ich habe beiden Figuren ihre zentralen Motive nicht abgekauft. Das Problem der weiblichen Figur ist, dass sie Männern nicht mehr traut und eine Beziehung ablehnt, weil ihr Ex-Freund gemein war. Sie wirkt manchmal trotzig, was gut war. Aber ich sehe bei ihre keine Reaktionen, die ich mit Angst vor Beziehungen verbinde - das Gefühl, dass man nicht mehr denken, nicht mehr atmen kann. Dass plötzlich alle Gefühle tot sind und man nur noch aus der Situation flüchten will. Dass man simple Vorschläge sehr deutlich und nachdrücklich ablehnt, weil sie zuviel bedeuten könnten. Die Figur macht oft eines: sie redet. Sie redet viel und tötet das Thema.

Auch das zweite zentrale Thema, das Hobby der Figur, dient eigentich nur als Rahmen - wir erfahren sehr, sehr wenig darüber.

Bei der männlichen Hauptfigur fand ich es schade, dass zuwenig Chemie vorkommt. Es ist eine Sache der Abwägung, denn man will die Leser nicht langweilen, aber ... besonders am Ende wirkte er oft liebestoll. Das war sehr schade, weil ich sie anfangs mochte. Das Motiv der Figur war interessant und die Erklärungen nett, aber es war nicht intensiv genug.

Die Nebenfiguren: Abgesehen von der Chefin gibt es nur zwei interessante Nebenfiguren - die aber kaum erwähnt werden. Eine ist sogar so austauschbar, dass ich ihren Namen vergessen habe.

Zeitraffung: Ab der zweiten Hälfte rafft der Roman an vielen kleine Stellen, die ich nicht erwartet habe. Das wirkte oft nicht stimmig.

Fazit
Stark ist der Roman an den Stellen, an denen sich die Figurn reiben. Danach fehlten die Ideen und das Gefühl.

Veröffentlicht am 19.12.2018

Vom schimmeligen Mops

Applepie Stories
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Das Buch war nicht meins. Es fällt mir schwer, wirkliche "Fehler" auszumachen, aber oft hatte ich das Gefühl, dass dem Buch "Biss" fehlt. Und an charismatischen Charakteren. Es ist ein leichtes, oft vorhersehbares ...

Das Buch war nicht meins. Es fällt mir schwer, wirkliche "Fehler" auszumachen, aber oft hatte ich das Gefühl, dass dem Buch "Biss" fehlt. Und an charismatischen Charakteren. Es ist ein leichtes, oft vorhersehbares Buch mit Krimi-Einschlag.

Spoiler am Anfang: Die Fairy Cupcakes lösen ein paar Handlungen aus, spielen aber keine große Rolle.

Und das Cover ist toll - bekanntes Motiv, aber eindrücklich und auffällig.

Worum geht es?



"Applepie Stories" vereint zwei Texte: Im ersten geht es um Lola, deren Freund sie mit ihrer besten Freundin betrügt und die im Liebeskummer (und im Chardonnay) versinkt. Nebenbei führt sie das Café Little Birds, das ihr ihre Oma vererbt hat. Lola findet das Rezept der Fairy Cupcakes und wünscht sich den perfekten Freund. Dieser taucht auf - und ist am nächsten Tag verschwunden. Stattdessen findet sie Patrick - der eigentlich perfekt ist, aber nicht so perfekt wie Jack. Und er hat ein düsteres Geheimnis!

Der zweite Text handelt von Traummann Jack, der von seinem Opa auf eine Reise geschickt wird, denn dieser war die große Liebe von Lolas Oma. Und irgendwie mag Jack Lola, die er nur vom Foto kennt. Und es gibt noch ein paar Verwicklungen und Aufklärungen.

Charaktere



Lola ist ein aufgewecktes Mädchen mit sarkastischer Note. Ich fand sie erfrischend, weil sie Humor hat und nicht zu kitschig wirkt. Ihr Mops Charles ist der eigentliche Star der Handlung, hat aber nicht genügend Platz im Text ... Gut, weil intensiv fand ich die Szenen mit Lolas Ex-Freund.

Melissa ist eine Freundin von Lola. Sie ist relativ jung, wird erwähnt. Die Bindung zwischen Lola und Melissa ist nicht so stark, Lola ist genervt von Melissas impulsivem und trotzigem Verhalten, auch wenn diese es nur gut meint. Ansonsten ist Melissa ziemlich farblos.

Jack ist Lolas Traumprinz und Sänger einer Band. Ich hatte gehofft, dass er entzaubert wird, dass seine (vermeintlich) arroganten Seiten aufgehoben werden. Aber Jack entpuppt sich als wesentlich gefühlvoller als Lola. Er sieht vieles, er fühlt vieles und besonders auf dem Höhepunkt wird der Dialog ständig unterbrochen, weil Jack des vermutet und etwas beobachtet - und dann spricht. Er betont anfangs sehr oft, dass er sich noch nicht verliebt hat, aber er verliebt sich schnell in Lola. Einerseits finde ich es gut, dass die Autorin mit der Erwartungshaltung bricht, andererseits war Jack sehr langweilig.

Betty ist der Bösewicht der Geschichte. Und als Bösewicht mit dramaturgischer Funktion wird Betty sowohl von Jack als auch von Lola gehasst. Jeder findet Betty doof. Das war öde. Betty selbst hat kriminelle Energie und wirkt als grantige, verbitterte Dame ziemlich gut.

Die Figuren sind klar aufgeteilt in Gut und Böse, aber nicht besonders tief.

Sprache



Die Sprache in beiden Texten fand ich flüssig und gut lesbar. Besonders die Dialoge fand ich überwiegend lebensnah und nicht gekünstelt. Nur am Ende, als die Figuren ihre Motive erklären, wird die Sprache trocken und wirkt nicht natürlich.

Nur "widerspiegeln" wird konsequent falsch geschrieben ...

Dramaturgie



Der erste Text plätschert vor sich hin. Getragen von der Frage, was wahr war und was nur der Wunsch, hat der Text ein bisschen Spannung und ein rundes Ende. Die Frage, ob fast-perfekt ausreicht, fand ich gut. Am Ende haben sich die Ereignisse überschlagen und die Logik war nicht stimmig.

Deutlicher war das im zweiten Text. Nach einer Einleitung mit Schwerpunkt Liebe wird das Buch zum Rätselspiel. Es kommen neue Figuren dazu, andere treten in den Hintergrund. Der Übergang war nicht so stimmig. Es wäre besser gewesen, Figuren aus dem zweiten Text im ersten deutlicher auftreten zu lassen. Dass Alfie (der Opa) durch die Augen Jacks geschildert wird, obwohl er eine wichtige Nebenrolle spielt, hat das Gleichgewicht der Figuren kippen lassen. Hinzu kommt Jacks Schwester Emma, die am Ende wichtig wird. Der Aufbau des Rätsels dauert sehr lange, die Auflösung beeinhaltet sehr viele Informationen. Ähnlich wie bei einem guten (?) Krimi lag die Lösung vor einem ... [Spoiler] Es kommt eine Generation hinzu. Wer mit Intrigenspielen aus Soaps vertraut ist, ist im Vorteil. Und ein Happy End muss sein - nicht mit Hochzeit, aber mit Schwangerschaft und Aufschreiben der Lebensgeschichte. [/Spoiler]

Ich hatte zu Jack bereits am Anfang keine Beziehung, weil sein Verhalten nicht nachvollziehbar war. Und die Musik spielt eine untergeordente Rolle - Jack wird ein paar Mal erkannt und er schreibt einen Song, das war es. Ähnlich Lola, die zwischendurch ihre Leidenschaft für's Singen entdeckt, aber erst zum Schluss wieder erwähnt. Dass Rebecca (Lolas Ex-beste-Freundin) am Ende des ersten Textes schwanger ist, spielt im zweiten keine Rolle mehr - man sieht sie nicht als Mutter. Erst am Ende wird wieder erwähnt, dass sie Kinder haben.

Die Fairy Cupcakes spielen kaum eine Rolle. Die Regeln waren kurz, aber ich fand sie komplex. Aber das Rezept ist lecker.

Gut gefallen an beiden Texten haben mir die Ähnlichkeiten - beide Hauptfiguren zeichnen ein ähnliches Fazit, beide vergleichen Betty mit einer Erdbeere, beide haben Haustiere. Die Ähnlichkeiten hatten das richtige Maß und haben beide Texte zusammengehalten.

Als Symbol unter der Kapitel-Nummer wird ein Cupcake mit "Eat me" bzw. eine Flasch mit "Drink me" gezeichnet, was ich eine nette Idee fand. Schade, dass man keinen Bezug zum jeweiligen Kapitelinhalt hergestellt hat.

Fazit



"Applepie Storys" hat kaum Fehler - die Texte sind spannend gezeichnet, gut komponiert, aber die Details und Figuren sind zu lose, als dass man eine Verbindung aufbauen kann.

Ich denke, dass vielen Lesern das Leichte, kombiniert mit dem Krimi-Element, gefällt. Ich fand's nicht angenehm.

Veröffentlicht am 17.11.2018

Zwischen Liebe und Leiden

Starlight Nights - Immer wieder du
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Überall liest man von Kinderstars, die schon als Kleinkinder auf die Bühne geschleift werden. Was macht das? Kann man sich von seinen Eltern lösen? Und was bringt die Zukunft? Der Roman hat das als Kernthema, ...

Überall liest man von Kinderstars, die schon als Kleinkinder auf die Bühne geschleift werden. Was macht das? Kann man sich von seinen Eltern lösen? Und was bringt die Zukunft? Der Roman hat das als Kernthema, daher habe ich ihn gelesen.

Notiz am Anfang: Es ist ein Buch, in dem das Negative lange überwiegt. Ein Buch, das wehtut.

Inhalt

Calista wurde von ihrer Mutter, deren Karriere von der Schwangerschaft vereitelt wurde, zum Schauspiel gebracht. Nach einem Unglück hat sie der Schauspielerei den Rücken gekehrt und studiert in einem kleinen Ort Wirtschaft. Aber sie kommt nicht an. Eines Tages erschient Eric, der vor einigen Jahren mit ihr eine Serie drehte und von seinem Vater, einem reichen Produzenten, nicht loskommt. Eric erpresst sie, bei seiner Serie mitzuspielen - und tritt damit eine Lawine von Ereignissen los.

Figuren und Konflikte

Karriere-geile Eltern: Der Konflikt zwischen Calista und ihrer Mutter war gut gestaltet und ich konnte beide Seiten verstehen. Die Mutter versucht, ihre Träume auszuleben und hat die Tochter von sich abhängig gemacht. Es tat weh zu sehen, dass Calista trotz vieler Kilometer Entfernung nicht von ihr und vor allem dem Leben als Schauspielerin nicht loskommt. Sie findet an der Uni keine Freunde, arbeitet nicht, sie verkriecht sich nur. Calista ist weggerannt, wartet aber noch immer darauf, dass ihre Mutter sie unterstützt. Einen Wendepunkt gibt es, als Calista sieht, dass die Mutter ihre Schwestern ins Rampenlicht drängt. Ich fand es übrigens komisch, dass Calista und ihre Schwestern sich fremd sind. Aber auch die Mutter hat sich nie um ihre Zukunft gekümmert, es gab für sie keinen anderen Plan als die Schauspielerei.

Karriere-geile Eltern II: Erics Vater Rawley ist ein Superproduzent, der charismatisch und lächerlich ist. Charismatisch, weil er ein perfektes Netzwerk hat und viele Leute beeindruckt, lächerlich, weil er dem Fernsehen verbunden ist und neuen Entwicklungen wie Webserien skeptisch gegenübersteht. Rawley ist ein toller Kontrast zu Calistas Mutter. Aber am Ende ist er dumm.

Eric und Calista sind Kinderstars, die mit dem realen Leben nicht klarkommen. Sie beschäftigen sich weder mit Alternativen zum Schauspielberuf noch mit Recht, was zu Problemen führt. Andererseits nutzen beide das System z.B. verlässt sich Eric darauf, dass sein Vater seine Eskapaden mit Geld verschleiert. Beiden wollen aus ihrem Hamsterrad heraus, sind aber zu sehr mit der Vergangenheit verknüpft, um loszulaufen. Schade ist, dass Calista gern schreibt, man das aber selten liest.

Neben Eric, Calista und ihren Eltern fand ich Katie am interessantesten. Katie ist Erics Freundin und Tierärztin. Sie ist ein bodenständiger Mensch, der versucht, zwischen Eric und seinem Vater zu vermitteln. Sie kommt aus einer geordneten Familie und erträgt den Streit nicht, lässt sich sogar vom charmanten Vater einwickeln. Katie finde ich gut, weil sie eigentlich perfekt ist - aber nicht perfekt für Eric. Sie versteht nicht, dass er seinen eigenen Weg gehen muss. Nebenfiguren wie Calistas Mitbewohnerin oder ein gemeinsamer Freund erfüllen ihre Funktion, bleiben aber blass.

Und ich mochte Erics Hündin

Spannung und Erzählstil

Im Kopf bleiben mir die leidenschaftlichen Liebesszenen und die negative Energie. Auch wenn die Erotik-Szenen irgendwann zuviel werden, gefällt mir der Esprit der Liebe. Das Buch liest sich an diesen Stellen sehr lebensnah und ich konnte gut mitfühlen. Andererseits sieht man Calista oft leiden. Das war spannend, aber oft zuviel.

Dramaturgisch war das Buch nett - das Buch nimmt sich viel Zeit, um die Konflikte aufzubauen, um sie im letzten Drittel zu lösen. Ich fand das etwas viel - zuviel Einleitung, zuviel Konfliktlösung, beim auslösenden Moment Potential verschenkt.

Außerdem klingen beide Perspektiven gleich, sodass ich beim Wechsel Probleme hatte.

Fazit

Der Text hat einige Stärken und bleibt im Gedächtnis. Aber er verschenkt viel, weil er sich zu sehr auf die Konflikte und das Leiden konzentriert, anstatt vielfältig zu sein.

Veröffentlicht am 29.08.2018

Mittelmäßig tief gefallen

Die Hochhausspringerin
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Viel wurde über dieses Buch gesagt - viele Zeitungen haben darüber geschrieben und auch innerhalb der Leserunde haben wir ausführlich diskutiert. Was bleibt? Ein Roman, der viele emotional anspricht und ...

Viel wurde über dieses Buch gesagt - viele Zeitungen haben darüber geschrieben und auch innerhalb der Leserunde haben wir ausführlich diskutiert. Was bleibt? Ein Roman, der viele emotional anspricht und der auch mich betroffen gemacht hat. Der aber letztlich eine Dystopie nutzt, um Kritik an der Jetzt-Zeit zu üben und einige Fehlstellen hat. Als Film kann ich ihn mir besser vorstellen.

Worum geht es?

Hitomi ist Wirtschaftspsychologin und soll die Hochhausspringerin Riva wieder zum Springen bringen, indem sie sie auf Schritt und tritt heimlich beobachtet. Denn Riva weigert sich seit Wochen und bringt damit den Plan durcheinander. Und das Leben Hitomis.

Die Figuren

Riva ist Ende 20 und springt seit 15 Jahren. Sie ist ein Medienstar, der sogar ein eigenes Getränk hat. Da wir Riva nur als Hitomis Sicht sehen und sie nur wenig tut, erfahren wir nur wenig. Riva bleibt ein Phantom.

Hitomi ist die Hauptfigur, weil Erzählerin. Sie ist eine privelegierte Frau, die als Kind in ein Aufzuchtheim gesteckt wurde und ihre Eltern nur selten sah. Während die Menschen aus den Peripherien darum kämpfen, in der Stadt zu leben, hat Hitomi dort angefangen - und hat ständig Angst, diesen Status zu verlieren. Hitomi kämpft gegen einen Feind, um immer bessere Zahlen, verkörpert durch ihren Chef Hugo.

[Spoiler] Doch obwohl sie Gutes bewirken will, gerät Hitomi in eine Abwärtsspirale. Sie will es allein schaffen und kämpft verbissen. Hitomi hat in der "Schule" die besten Anpassungswerte - am Ende scheitert sie daran, dass sie zu gut an die Werte der Gesellschaft angepasst ist. Denn sie ekelt sich vor den Peripherien - ein Ausstieg wäre für sie nie möglich. Gut veranschaulicht das eine Szene, in der die Kinder ans Meer fahren - Hitomie mag das Rauschen, ekelt sich aber vor dem Geruch und dem Wasser.[/Spoiler]

Die Welt

Die Welt im Roman ist grob gezeichnet - die Peripherien werden wenig beschrieben und wer in hohen Stockwerken wohnt, hat einen hohen Status.

Interessant finde ich, dass viele Dinge einen positive Sinn haben, im Kontext aber ins Gegenteil verkehrt werden: Hitomis gesundheitliche Parameter werden überwacht, aber sie bekommt nur den Tipp, sich mehr dem Optimum anzunähern. Sie soll Mindflussness-Übungen machen, die jedoch nicht fruchten. Wenn Entspannung zum Muss wird, verpufft der Effekt - ein toller Hinweis auf die heutige Welt. [Spoiler] Wenn Menschen aus der Gesellschaft ausscheiden, weil sie keinen Sinn für die Gesellschaft haben, werden sie dabei begleitet, damit sie angstfrei und ohne negative Gedanken sterben. Ein guter Gedanke. Aber da die Menschen zum Suizid gedrängt werden, nicht so gut. [/Spoiler]

Jeder ist für sich selbst verantwortlich - wenn er die Anforderungen nicht erfüllt, liegt das an ihm. Jeder soll das Optimum für die Gesellschaft leisten, auch wenn unklar ist, worin das Optimum besteht. Es ist krass, wie leicht Menschen manipulierbar sind.

Gut gefallen hat mir, dass es Blogs aus den Peripherien gibt, die das Leben in der Biofamilie schildern - die Sehnsucht nach einer "normalen" Familie ist da, selbst wenn man in einer künstlichen Familie aufgewachsen ist. Sie erinnern mich an Videos, in denen Leute vor anderen essen, damit sie das Gefühl der Einsamkeit vertreiben.

Das Hochhausspringen finde ich faszinierend. Es ist leicht vorstellbar - Hochhäuser kennt jeder - aber sehr gefährlich. Wenn man zuviel riskiert, stirbt man. Gleichzeitig hat es etwas Majäistätisches, wenn die Sonne über den Springern scheint und sie sich in die Tiefe stürzen. Man erfährt nur wenig über das Springen, aber es dient dazu, die Bevölkerung zu unterhalten und den Menschen in den Peripherien vorzugaukeln, sie hätten mit genügend Talent die Chance, in die Stadt zu ziehen, also aufzusteigen.

Dramaturgie und Schreibstil

Die Spannung steigt langsam, aber stetig, weil man sich fragt, ob Riva wieder springen wird und welche Persönlichkeit sich dahinter verbirgt. Parallel dazu sehen wir Hitomi. Der Höhepunkt hat mich überrascht, weil mich die Autorin erfolgreich in die Irre geführt hat Auch die Nebenhandlungen waren schön. Mich hat das Buch an "Unterm Rad" erinnert.

Den Schreibstil fanden einige Leser trocken, mir ist er wenig aufgefallen. Ich finde ihn etwas berichtend, aber erzählend. Die Erzählerstimme ist klar erkennbar. Dialoge sind mit einem Bindestrich angeführt, wirken aber erzählend. Für mich zu einfache Stilmittel waren das Trademark-Zeichen über Welt-spezifischen Begriffen (viele haben sich aus dem Zusammenhang erklärt) und die englischen/japanischen Namen.

Fazit

"Die Hochhausspringern" hat mir als Buch gut gefallen. Die Thematik ist aktuell, die Hauptfigur mit ihrer Mischung aus Leistung und Sehnsucht sympatisch und die Dramaturgie stimmt. Verglichen mit anderen Dystopien finde ich aber, dass es nix Neues ist: Eine grob geschilderte Welt, der Mensch als leistungsoptimiertes Wesen, eine Welt, die sich selbst entlarvt, der hilflose Held. Es ist ein starkes Buch. Aber für mich kein Muss.

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  • Erzählstil
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  • Idee
Veröffentlicht am 24.02.2018

Irgendwie.

Die erstaunliche Familie Telemachus
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"Die erstaunliche Welt..." ist für mich ein Buch, das ich schwer greifen kann. Ich hatte ein skuriles Jugendbuch erwartet. Und "skuril" ist es. Aber es verknüpft eine komplexe Mafia-Geschichte mit 5 Familienmitgliedern ...

"Die erstaunliche Welt..." ist für mich ein Buch, das ich schwer greifen kann. Ich hatte ein skuriles Jugendbuch erwartet. Und "skuril" ist es. Aber es verknüpft eine komplexe Mafia-Geschichte mit 5 Familienmitgliedern und ihren Geschichten und der Frage, ob die Fähigkeiten der Familie echt sind oder nur gute Tricks.

Achtung: Rezi enthält Spoiler.

Worum geht es?



Fünf Familienmitglieder, vom Großvater bis zum Enkel, und ihren Umgang mit den "Fähigkeiten". Um Tag "Zap" und was der frühe Tod von Grandma Mo damit zu tun hat.

Charaktere



Das Kollektiv ist bunt gemischt. Während Matty (der Enkel) in der Pubertät steckt und für seine Cousine Malice (Mary Alice) schwärmt und den Familienkult (?) mit Begeisterung betrachtet, hadert seine Mutter Irene damit. Denn sie kann erkennen, ob ihr Gesprächspartner an das glaubt, was er gerade sagt. Da jeder Mensch täglich lügt, belastet sie das, auch ihre glücklosen Beziehungen zu Männern. Onkel Frankie kann Gegenstände bewegen, wird aber von keinem wirklich ernst genommen und ist ein erfolgloser Spieler. Frankie hat ständig neue Geschäftsideen, doch ihm fehlt das Selbstbewusstsein. Buddy wirkt in seiner eigenen Welt, beginnt Projekte, die keiner versteht und beendet sie nach der Hälfte. Er wird als der wohlwollende Sonderling betrachtet. Teddy ist das Familienoberhaupt und ein Charmeur. Er kann Gedanken lesen und sowohl der Leser als auch die anderen Figuren erfahren erst am Ende, worin er tatsächlich verstrickt ist. Grandma Mo ist der Ruhepol. Sie wird, finde ich, mystifiziert, aber sie ist nicht ohne Fehler. Sie starb, als Irene, die Älteste, 13 Jahre alt war. Mich erinnerte das an die Kelly-Family

Es gibt Figuren, die der Geschichte Tragik geben, anderen bringen lustige Elemente hinein. Ich fand Mattys Methoden, seine Fähigkeit zu aktivieren, amüsant und hätte gern mehr über ihn gelesen. Auch Buddy mochte ich. Ich habe mit vielen Figuren mitgelitten, aber ich konnte mich nicht fallen lassen.

Eine Familie, die irgendwie nicht zusammen passt, obwohl sie das Wissen um ihre Fähigkeiten eint, das ist ein zentrales Thema des Buches. Ich habe mich oft gefragt, wer die Verantwortung dafür trägt.

Struktur und Schreibstil



Der Roman wird aus fünf verschiedenen Sichtweisen geschildert und spielt in verschiedenen Zeitebenen. Der Text beginnt in der Jetzt-Zeit, führt den Leser aber in die Irre, in dem er zur Vergangenheit wechselt. Oft weiß man nicht, in welcher Ebene man sich befindet, nur aufmerksamen Lesern fällt der Wechsel der Zeitformen auf. Dadurch entspinnt der Autor ein Netz aus Fragen, die sich erst später klären und für einige Überraschungen sorgen.

Die Frage, was am Zap-Tag passiert und warum Grandma Mo starb, hält die Spannung aufrecht und besonders im letzten Drittel steigt das Tempo.

Die Mafia-Geschichte, die sich durch alle Zeitebenen zieht, bremst das Buch, weil sie ablenkt. Sie bringt als zweiter Schwerpunkt Action in den Text und lockert das Ende auf. Aber da die Figuren mit ihrer Fähigkeit hadern und nur zwei Figuren wirklich involviert sind, baute ich als Leser wenig Bindung auf. Ich glaube, die Figuren im Text trauen sich nicht, ihr Leben in die Hand zu nehmen - daher wirkt auch das Buch lose.

Schwierig fand ich die Erzählperspektive - der personale Stil gibt jeder Figur eine eigene Sprache, wirkt aber distanziert. Denn es ist ein Erzähler. Bei Buddy, der sein eigenes Leben nicht greifen kann, passt das gut. Aber bei anderen Figuren wirkt es nett und gönnerhaft. Aber: distanziert.

Da die Geschichte ca. 1995 spielt, gibt es ein Wiedersehen mit AOL-CDs und analogen Modems - das war toll!

Nicht gefallen hat mir, dass einige Bezüge aus der amerikanischen Kultur nicht übertragen wurden z.B. The Brady Bunch oder der Ziploc-Beutel.

Fazit



Ich hatte nicht erwartet, dass das Buch einfach wird. Aber es funktioniert für mich nicht. Zu sehr kämpfen das Hadern mit dem eigenen Schicksal und die komische Mafia-Geschichte miteinander. Die Figuren sind als Typen gut gestaltet und der Hauptkonflikt funktioniert. Das Thema gefällt mir sehr! Aber der Text ist zuwenig auf den Punkt, zu distanziert.

Ich würde niemandem davon abraten, es zu lesen. Aber es ist kein Buch, das flasht.

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